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Simon von Montfort, graf von Leicester

Der schöpfer, des hauses, der gemeinen

 

Reinhold Pauli

 

Verlag der Laupp’schen buchhandlung, Tübingen, 20 février 1867

 

Vorwort

 

Neben der Macht der Ideen und der Energie neuer politischer Grundsätze hat es zu allen Zeiten des einzelnen hervorragenden Menschen bedurft, der sie gleichsam personificire, ihnen die Bahn breche, indem er sich selber daran versucht. In den Tagen eines gewaltigen Umschwungs tritt in der Regel auch ein oder der andere mächtige Geist auf, schon selber das Product grosser allgemeiner Erregung, der die wesentliche Tendenz, auf welche es ankommt, in sich concentrirt, der, indem er sich an die Aufgabe wagt, die noch dem Räthsel oder dem Glücksspiel gleicht, als Sieger oder Märtyrer aus der Entscheidung hervorgeht. Er ist um so merkwürdiger, je mehr sich in ihm das Princip der Erhaltung wohl begründeter Zustände mit dem der Neuerung verschlingt, je weniger die landläufige Phrase, ob liberal oder conservativ, bei ihm zutrifft.

 

Dass Simon von Montfort, graf von Leicester, der frühen Entwicklung parlamentarischen Staatswesens in England eine entscheidende Richtung gewiesen, als er den Gedanken der Repräsentation in die bereits übliche Berufung einzelner Stände hineinwarf, als er zum ersten Mal die Gemeinen zu laden sich unterfieng, hat von jeher Niemand bezweifelt. Aber Jahrhunderte später noch galt er gleich Oliver Cromwell ausnahmslos für einen Revolutionär, dessen Wirken trotz den unwiderleglichen Erfolgen, vor Allem doch wegen des persönlichen Ausgangs, vom Argen gewesen sei.

 

Es muss auffallen, dass die Vertheidiger parlamentarischer Rechte im siebenzehnten Jahrhundert, von denen doch die Urkunden und Berichte früherer Epochen der vaterländischen Geschichte so eifrig an den Tag gezogen wurden, sich so wenig nach seinem Leben und Wirken umthaten *). Das geschah erst von den Gegnern, welche, nachdem das persönliche Königthum der Stuarts wiederhergestellt und zum zweiten Mal gescheitert war, die englische Geschichte im Zusammenhange schrieben. Thomas Carte, der Jacobit, behandelt in seinem Buche Montfort als einen niedrigen und undankbaren Rebellen ; und ein ganzes Jahrhundert hindurch haben ihm im Tory Sinne die Historiker nachgesprochen, vorzüglich Hume, der den Eindruck grosser Eigenschaften zwar nicht ganz bewältigen kann, aber Heuchelei und Herrschsucht viel stärker findet, der ihn a hold and artful conspirator schilt und

 

1) Fast vereinzelt steht Sir Roger Twysden, Certaine considerations upcm the government of England, ed. J. M. Kemble (Camden Society 1849), p. 97 : And it is cleere the people of England were so far from accounting them who dyed in armes against their prince to have beene guilty of sinn for it, as they have beene hardly restrained from honouringe them as saints, thinking them to dye, pro justitia ecclesiae et regni.

 

das Haus der Gemeinen a plant, set by an inauspicious hand, nennt *). Naturgemäss haben sich die Whigs erst in neueren Tagen seiner als des unbewussten Streiters für die Freiheit späterer Geschlechter angenommen 2).

 

Jüngst nun hat ein Artikel in der Quarterly Review auf Grund der besten, ungemein zahlreich gewordenen Materialien eine viel weitere, höhere und unparteiische Charakteristik versucht ; und aus denselben Kreisen wird ein grösseres Werk über Simon von Montfort in Aussicht gestellt s). Der Verfasser der vorliegenden Arbeit gesteht, dass er eben hierdurch gereizt worden ist, sich, wenn auch kaum erschöpfend, noch einmal mit dem Gegenstande zu befassen. Ihn bewog dazu theils die Fülle der während der letzten Jahre in der unter der Aufsicht des Master's of the Rolls erscheinenden Sammlung zugänglich gewordenen Documente und Annalen, theils der Wunsch an der Hand derselben wenigstens die einschlagenden Episoden eines vor vierzehn Jahren geschriebenen Abschnitts der englischen Geschichte, für den das Wichtigste noch mühselig im Archiv des Towers zusammen

 

1) History of England, ed. Basel II, 466. 487. 493.

2) Sir James Mackintosh, History of England 1830, I, 238. Macaulay übergeht ihn ganz. Hallam, View of the State of Europe during the Middle Ages, ed. 1855, III, 27 spricht noch von der Innovation of a usurper.

3) Quarterly Review, Vol. CX1X, 26 ff. Januar 1866, vermutlich von Dr. Shirley, dem leider vor einigen Monaten im besten Mannesalter verstorbenen Professor der Kirchengeschichte in Oxford. An einem Leben Leicester's arbeitet Mr. Cobbe nach Shirley, Royal and other historical letters illustrative of the reign of Henry III, Vol. II, 434.

 

gelesen werden musste, sorgfältig zu revidiren. Dabei bot sich die biographische Form für die Monographie von selbst.

 

Wenn ihr der Verfasser den Namen des berühmten, hoch verehrten Lehrers und Meisters voranstellt, so wird das jeder in der Ordnung finden, der Ranke's neuestes, grosses Werk verfolgt, das in wenigen, aber unvergleichlichen Strichen auch dem ahnungsvollen Schöpfer des Unterhauses seine Stelle im Zusammenhange der Dinge angewiesen hat.

 

Die starke monarchische Gewalt der Normannenkönige in England, einzig in ihrer Art, während überall anderswo feudale Autonomien den Thron beschränkten, hatte doch schon nach wenigen Generationen Mühe, sich unerschüttert in den Grundlagen, ohne Störung der Umrisse zu behaupten, wie sie einst von dem Eroberer vorgezeichnet worden. Ein Thronstreit, der für eine Weile das Faustrecht an die Stelle des Landfriedens setzte, der Conflict des Staats mit der Kirche unter dem ersten Plantagenet, der Kreuzzug, der den Sohn und Erben die Pflichten des souveränen Königs vergessen liess,' hatten nach einander Mächte entwickelt, die neben und unter dem Fürsten stets da gewesen, und Rechtsansprüche wachgerufen, welche zum Theil älter waren als seine Gewalt. Während ein bewundernswürdiges Verwaltungssystem, das mit Hilfe der Landvögte und richterlicher Delegationen Finanzen und Polizei, Heerwesen und Justiz an die Person des Inhabers und Pflegers der gesammten Autorität band, noch leidlich vorhielt, hatte doch Heinrich IL schon die alten Hoftage seines Ahnen gelegentlich in eine Art von Reichsversammlung erweitern und wenigstens den vornehmen Adel zu seinem Beistand wider den hochmüthigen Priester heranziehen müssen, durch den die Kirche auch in dem kleinen Inselreiche die ganze Summe geistlicher und weltlicher Vorrechte beanspruchte, welche die mächtigsten Päpste über Salier und Staufer erstritten. Eben gegen Thomas Becket und die kanonischen Gesetze wurden die altgermanischen Institutionen, die angelsächsischen Rechtsgewohnheiten, die unvergessen und von den fremden Herren dem unterworfenen Volke bei jedem Regierungswechsel neu beschworen worden waren, zu Hilfe gerufen. Wie sehr aber auch der Monarchie willkommen um den Staat vor der Lehnsoberhoheit Roms zu schirmen, waren sie ihr nicht minder gefährlich, sobald die Lehnsträger der Krone sich ihrer zu bedienen lernten um daran zu grösserer ständischer Geltung emporzustreben. Im Kreise der mächtigen normännischen Vasallen lebte die Erinnerung an die viel bedeutenderen Privilegien ihrer Vorgänger, der angelsächsischen Witan, auf ; die kleineren, weit eher von dem öffentlichen Leben der Grafschaft als des Reichs angezogen, begannen sich den zahlreichen sächsischen Freisassen und deren niemals unterbrochenem Gemeindeleben zu nähern ; wenigstens eine Stadt, die grösste des Lands, wählte sich, indem sie die dem Grundherrn schuldigen Gefälle in die eigene Pacht nahm und dafür durch königliche Freibriefe als Commune anerkannt wurde, ihre eigene Obrigkeit ; und in der Kirche endlich vermochte weder ihre universale Bestimmung noch die durch Wilhelm I. vollzogene Einreihung des normännischen Klerus in seine social glänzende, aber politisch abhängige Lehnsordnung jemals den nationalen Gedanken völlig zu ersticken. Wie viel doch traf hier zusammen um auf einem beschränkten, abgeschlossenen Gebiet im Laufe der Zeit die Heftigkeit der Stainmesfeindschaft zu lindern, den Gegensatz zwischen Siegern und Besiegten allmälich auszugleichen, eine Versöhnung zwischen dem Herrschertalent jener und den Ueberlieferungen uralter persönlicher und communaler Freiheit anzubahnen. Das erste Verschmelzen zwei verschiedener Nationalitäten bedeutete demnach an sich auch eine Gefahr für das absolute Königthum, das in dieser Gestalt überhaupt nur durch den schroffen Gegensatz der Racen möglich geworden. Wie sehr aber musste sie gesteigert werden, sobald das continentale Stammland der Gebieter, die Normandie, verloren gieng und die Schicksale der Dynastie wie die Stammesart der Eroberer enger als bisher an die der Insel gekettet wurden.

 

König Johann, der einst arglistig die von dem kreuzfahrenden Bruder eingesetzte Regentschaft hatte stürzen helfen, nach dessen Tode den erbberechtigten Neffen beseitigt und wahrscheinlich mit eigener Hand ermordet hatte um sich gewaltsam auf den Thron zu setzen, musste für solche Unthat büssen, als ihm sein Lehnsherr, Philipp August von Frankreich, im Pairsgericht und im Felde schmachvoll das Land seiner Väter entriss. Die eigenen Vasallen, deren er sich bei seinen früheren Anschlägen zu versichern gesucht, fassten Abscheu und Ingrimm gegen einen Fürsten, dessen böser Charakter sie allesammt an Habe und Gut, an Macht und Ehre bedrohte, der im Besitz der noch kaum erschütterten Machtmittel souveräner Autorität eine ruchlose Missregierung führte. Die eigene Sicherheit erforderte es, dass die Magnaten normännischer Abkunft mit ihren Hintersassen englischer Zunge und den freien Gutsherren dieses Stamms gegen den Wütherich zusammenstanden.

 

Bald hernach zog sich Johann nun überdies die Censuren Roms zu, als er nach einer streitigen Wahl für den Erzstuhl von Canterbury dem Nominirten und von der Studienzeit in Paris her persönlichen Freunde Papsts Innocenz III., dem Engländer Stephan Langton, den Eintritt in das Reich versagte und dann mit seinem Neffen, dem gebannten Weifenkaiser Otto IV., jene weit angelegte Combination aufnahm, die an den Marken Deutschlands und Frankreichs der verbündeten Politik der Hohenstaufen und der Capets entgegen zu treten sich unterfieng und in Languedoc der Ketzerei wider die orthodoxe Herrschaft der Kirche, den zahlreichen fürstlichen Machthabern an den Abhängen der Pyrenäen gegen die Fortschritte der französischen Centralisation beisprang. Es gab einen Moment, wo die englischen Barone, die nicht nur für die Sicherheit ihres Lehns, sondern wie sie feierlich erklärten, auch für die Rechte der Kirche aufgestanden waren, als Bundesgenossen des Papsts erschienen, wo Philipp August selber eine Expedition nach England vorbereitete. Johann wäre verloren gewesen, wenn er nicht diesen Augenblick, noch ehe eine entscheidende kriegerische Katastrophe auf dem Festlande erfolgt war, ergriffen hätte um sich mit dem gewaltigsten seiner Gegner zu vertragen. Am 15. Mai 1213 zu Dover, wo er mit seinen fremden Söldlingen die Küste hütete, schwur er, was seine Ahnen immerdar weit von sich gewiesen, in die Hände Pandulfs, des päpstlichen Legaten, den Lehnseid für England und Irland, wie ihn Innocenz III. begehrte. Er musste nicht nur Stephan Langton, sondern auch vornehme Laien, die er verjagt hatte, wieder zulassen.

 

Sofort aber nahmen die Gegensätze eine neue, allen Theilen überraschende Wendung. Die Barone, die es auf Privilegien ihrer Sicherheit und Selbständigkeit abgesehen, irrten sich, wenn sie im Papst fernerhin noch einen Verbündeten erblickten ; dieser wurde unsanft über seinen gelehrten Freund enttäuscht ; und dem Könige misslang der Versuch an seinen Gegnern unbehindert Rache zu üben, da eben dieser Erzbischof Langton den Bann der Kirche nicht eher von ihm nahm, als bis die alten Gesetze Eduards des Bekenners von Neuem beschworen worden. Als der König nichtsdestoweniger bei seiner Gewaltsamkeit beharrte, machte derselbe rechtskundige Patriot seine Landsleute auf ältere Urkunden, namentlich auf die Wahlcapitulation Heinrich's I. aufmerksam, durch welche der Lehnskriegshoheit der Fürsten schon vor Zeiten die ersten Schranken gezogen worden waren. Durch ihn wurden Klerus und Aristokratie mit einem neuen Nationalgefühl beseelt, das man schon nicht mehr romanisch nennen durfte. Der Diener der Kirche hielt die Standesgenossen nicht nur nicht zurück, sondern bewahrte ihnen seinen Eath, als sie in offener Erhebung gegen den Fürsten zugleich zu Gegnern des Papsts wurden, dessen Oberlehnsherrlichkeit sie früher fast ersehnten, nunmehr aber als unwürdig nicht anerkannten. Indem sie sich überdies in kluger Vorsicht der Hauptstadt und des dort herrschenden, wohlhabenden Bürgerthums versicherten, spotteten sie der Acht wie des Interdicts ; wie von einer heiligen Sache begeistert, als Heer Gottes, traten sie im Lande auf, dem Könige Trotz bietend, dem keiner zu Hilfe kam, da Philipp August, der Sieger von Bouvines, der einzige, durch welchen der Arm des Papsts über den Canal hätte reichen können, mit Johann keinen Frieden eingieng. Von Geistlichen und Laien, von seinen eigenen Unterthanen den Lehnsmännern und ihren Hintersassen ohne Unterschied der Abstammung in die Enge getrieben, stieg dieser daher am 15. Juni 1215 von seinem Königssitz zu Windsor herab um auf der Wiese von Runemede den grossen Freibrief, die Magna Charta, zu besiegeln, wie sie aus dem Entwurfe hervorgieng, den ihm die Barone mit dem Schwerte in der Hand vorlegten.

 

Mag in der Verfassungsgeschichte anderer Völker dies oder jenes Statut an ein ähnliches staatsrechtliches Abkommen erinnern, Nichts gleicht dem Grundpfeiler der englischen Verfassung, der, als die Monarchie gleich sehr durch rohe Willkür wie durch eigenmächtige Selbsthilfe erschüttert war, wieder festen Felsboden, das altgermanische Geburtsrecht persönlicher Freiheit erreichte und vermittelst des Prihcips der Vertretung zu einer reichsständischen Regierung emporzustreben begann.

 

In drei und sechzig den feudalen Zuständen der Zeit möglichst scharf angepassten Sätzen galt es der militärischen, juridischen, der Polizei- und Finanzhoheit des Lehnsherrn rechtliche Schranken zu ziehen und diese fester als durch die bisher üblichen Freibriefe, einmal durch einen eidlich beschworenen Vertrag der beiden streitenden Theile, und sodann auch durch die Einsetzung eines Ausschusses von 25 Baronen zu sichern, denen als Hütern der Uebereinkunft sogar das Recht des bewaffneten Widerstands und der Pfändung ertheilt werden sollte, falls der König dem Vertrage nicht nachkam (Art. 61). Ausserdem musste die Krone zusagen, dass, wenn sie noch andere Lehnshilfe als drei altherkömmliche Leistungen, wenn sie namentlich Schildgelder statt des persönlichen Kriegsdiensts beanspruche, der gemeinsame Rath des Reichs, die grossen Barone einzeln durch königliches Ausschreiben, die kleineren unmittelbar zu Lehn haltenden Herren durch eine collective Summonition der Landvögte (vicecomites, sheriffs) zu laden seien (Art. 12. 14). Ohne weiter in die Executive einzugreifen, verhoffte man gegen arbiträre Ausübung derselben mit diesem Zustimmungsrecht aller Betheiligten die beste Garantie zu gewinnen, ähnlich wie in dem berühmten Satze, dass hinfort kein freier Mann gefangen, enterbt, verbannt oder irgend wie an Leib und Leben geschädigt werden dürfte, es sei denn, dass nach dem Spruch der Pairs, also durch Urtheilsfindung seiner Rechtsgenossen, und zwar nach dem Rechte des Lands über ihn erkannt worden (Art. 39), der Willkür der Strafjustiz ihre Grenze gezogen wurde.

 

Einige allgemeine Ideen aber drückten der Magna Charta ihren unvergänglich eigenthümlichen Charakter auf. Wie die Leute sächsischer und normännischer Herkunft, wie alle Klassen, alle Stände der Bevölkerung sich wider dieselben Leiden erhoben hatten, so bezeichnete die grosse Acte nicht nur einen mächtigen Schritt in der weiteren nationalen Versöhnung, sondern traf den Grundgedanken, auf dem sich ein Rechtsstaat erhebt, das gemeinsame Interesse aller freien Schichten der Einwohnerschaft. Hier war es nicht der einzelne Vasall, der einzelne vornehme Stand, der wie so oft auf dem Continent sich ein neues Privileg ertrotzte, sondern es war auf den Rechtsschutz aller abgesehn mit einer klaren, bewundernswürdigen Achtung vor den unwandelbaren Hoheitsrechten des Staats. Daher hatte denn auch der Normanne dem englischen Freisassen, der Edelmann seinen niederen Vasallen, je nach dem einzelnen Massstab dieselben lehnsrechtlichen Verpflichtungen zu geloben, die sie von der Krone beanspruchten. Daher waren Bürger und Bauern nicht ausgeschlossen, in dem bei ausserordentlichen Hilfsgeldern die Reichsstandschaft zur Bedingung machenden Artikel das mächtige London besonders bei Namen hervorgehoben. Daher erschienen der Fürst von Wales und der König von Schottland, so weit sie von der Gewaltsamkeit Johanns beeinträchtigt worden, vorzüglich aber die Kirche, trotz allen ihren kanonischen Sonderrechten tief in den weltlichen, nationalen Staat verflochten, als Bundesgenossen der Barone, welche sich die rechtliche Freiheit verbriefen liessen.

 

Dennoch lag vor allen in der Einigung mit dem Klerus, obwohl ihm seine Privilegien an erster Stelle garantirt wurden, ein Keim zur unmittelbaren Gefährdung des gemeinsamen Werks. Treuer stand auch in der Folge freilich keiner zu demselben als Erzbischof Stephan, der ja gewissermassen der geistige Vater der Erhebung gewesen war, aber mächtiger erwies sich auf der Stelle ein höherer Absolutismus als der königliche, der des Papsts, dem Johann sein Reich zu Lehn begeben. Nur eine allgemeine Zusicherung, den römischen Stuhl um keinen Widerruf der Concessionen anzugehn, dagegen nicht die persönliche des anwesenden Meisters Pandulf war behufs Aufnahme in die Urkunde zu erlangen gewesen.

 

Hierauf verliess sich auch König Johann. Im Moment des Schwurs fest entschlossen ihn nicht zu halten, behinderte er in keiner Weise die förmliche Ausführung des Instruments oder seine Deposition in den Hauptkirchen des Reichs ; aber dass man vermied es in die Jahresrolle der Erlasse aus der Staatskanzlei einzutragen, ist deutlicher Beweis, wie es nach dem Willen des Fürsten keineswegs Reichsgesetz werden sollte. Schon am 24. August erfolgte die befürchtete Dispensationsbulle, in welcher Innocenz III. die Magna Charta einen, niedrigen, hässlichen, schimpflichen und ungerechten Vertrag schalt und ihre Urheber für schlimmer als die Saracenen erklärte. Stephan Langton wurde suspendirt, die Barone wie die Bürger von London in den Bann gethan, dem Könige selber feierlich verboten, die ihm abgenöthigte Uebereinkunft zu beobachten.

 

Dass durch dieselbe die freie Bewegung der königlichen Autorität für eine Weile, vielleicht auf immer beschränkt worden wäre, wer könnte es verkennen. Dass dies mit revolutionären Massregeln versucht wurde, wie sehr auch zumal über eine Zwangsberechtigung der Vasallen die Ansichten des Mittelalters und die heutigen aus einander gehn mögen, liess sich eben so wenig läugnen. Da ihm nun aber jedwede Schranke einer Schmälerung der persönlichen Regierung gleichkam, so sträubte sich König Johann in innerster Seele vorzüglich gegen die 25 ihm und dem neuen öffentlichen Recht gesetzten Hüter, gegen Unterthanen, die sich factisch herausnahmen, die Krone zu suspendiren. Er dachte nicht daran, seine fremden Truppen zu entlassen, den überseeischen Hauptleuten, wie er hatte schwören müssen (Art. 50), die ihnen in England verliehenen Balleien zu entziehen. Sobald als möglich wand er sich los von seinen Bedrängern und lauerte an der Südküste, bis die päpstlichen Censuren eintrafen, um alsdann im Besitz jener Streitkräfte, der Burgen und der Finanzgewalt, wohlgerüstet wie er war, loszuschlagen. Der erste Bürgerkrieg, der um die Magna Charta entbrannte, das blutige Vorspiel eines Verfassungskampfs von mehreren Generationen, liess doch den moralisch schlechten, despotischen Fürsten, vom Papste gedeckt und auf den mächtigen, noch wenig erschütterten Regierungsapparat des normannischen Königthums gestützt, Anfangs überlegen und seine Gegner, wie gerecht auch ihre Sache, selbst moralisch als die schwächeren erscheinen, da sie, deren 25 Bevollmächtigte, gleichsam ein landständischer Ausschuss, sich bei den eigenen Landsleuten weder Geltung noch Hochachtung verschaffen konnten, in der Verzweiflung fremde Hilfe herbeiriefen und im Frühling 1216 der französische Thronfolger Ludwig, gewiss nicht ohne die Absicht eigenen Gewinns, mit streitbaren Mannschaften eintraf. Auf dem dann folgenden Feldzuge, stark in die Enge getrieben, ist Johann plötzlich am 19. October gestorben, nachdem schon einige Monate früher der grosse Papst ihm vorausgegangen, freilich nicht ohne alle Compromittirte seine Ahndung fühlen zu lassen und durch Abfertigung eines Cardinallegaten auch für die Zukunft Sorge zu tragen, dass der heilige Vater der oberste Herr in England bleibe und der Aufruhr bewältigt werde.

 

Fast war es ein Glück für die monarchischen Ansprüche selber, dass sie auf ein Kind von neun Jahren, Heinrich III., übergiengen und von einem einsichtsvollen Protector, graf Wilhelm von Pembroke, vertreten wurden. Ueberhaupt lenkten nach dem Ableben der beiden bedeutendsten Persönlichkeiten die Dinge selber auf einen Vergleich hin. Ein Theil des Adels wenigstens, als Engländer stutzig über das Gebahren der Franzosen, als Stand in Scrupel über den missglückten Versuch die eigene Autorität dauernd der des Königs zur Seite zu stellen, der Repräsentant des Fürsten und der Repräsentant eines Papsts, dem die hohen wie die schroffen Eigenschaften seines gewaltigen Vorgängers mangelten, alle drei Sphären einigten sich bereits am 11. November auf einem Gespräch zu Bristol, um den Schrecken des Bürgerkriegs wie des Bannes zu entgehn, zu einer Uebereinkunft, welcher die Bestätigung der Magna Charta zu Grunde gelegt wurde, aber freilich mit Hinweglassung jener frühreifen constitutionellen Forderungen, jenes ständischen, eine Art Mitregierung beanspruchenden Ausschusses (Art. 61) und des für gewisse ausserordentliche Fälle von der Versammlung der Stände beanspruchten Steuerbewilligungsrechts. Der Artikel über die persönliche Freiheit blieb unangetastet ; in gleichem der über die Strafgewalt der Barone durch die Standesgenossen (Art. 21), doch wurde dieser dahin ausgelegt, dass ein solcher privilegirter Gerichtsstand nur vor der königlichen Oberbehörde geltend gemacht werden könne. Dieselben Ausnahmen begegnen in einer abermaligen Confirmation vom November 1217, bald nachdem die Franzosen zu einer glimpflichen Abkunft und zum Abzuge genöthigt und die Fürsten von Schottland und Wales nicht minder beschwichtigt worden. Nach allen Seiten also wurden die Einwirkungen des Auslands auf die nationale Verfassungsentwicklung zurückgedrängt, einstweilen jedoch mit Aufopferung der bedeutendsten Principien, die ihr zu Grunde lagen. Die Magnaten und Vasallen waren selber irre geworden, das Recht, wie sie es versucht, zu schirmen ; weder jener Ausschuss mit der Gewalt zu pfänden und waffnen, noch das Privilegium der Stände Steuern zu bewilligen, also auch zu verweigern, konnte der Krone mit ihrer Autorität verträglich erscheinen. Nachdem daher diese Streitpuncte auf günstigere Zeiten vertagt worden, blieb fortan die purificirte Redaction vom 11. Februar 1224 mit der beigefügten Forsturkunde die officielle Fassung eines Vertrags, der während der nächsten Jahrhunderte abwechselnd gebrochen und bestätigt nicht einmal in der verstümmelten Form fest stand. Ohne denselben hätte das Königthum auch die äusserliche Unterwerfung seiner Vasallen schwerlich erreicht. Wie hätten diese aber vergessen sollen, was sie jüngst erstrebt, was nur höchst mangelhaft Gesetzeskraft erhalten und um die Wette von König und Papst widerrufen und verdammt werden konnte. Gerade während der langen, höchst unzuverlässigen Regierung Heinrich's III. drohte denn auch immer von Neuem der ständische Kampf, bis er zu wirklich umgestaltenden Fortschritten der Verfassung führte.

 

Die Männer der Versöhnung waren bald zurückgetreten, der alte graf Pembroke gestorben, Cardinal Guala, nachdem er dem Reiche Frieden drinnen und draussen verschafft zu haben meinte, nach Italien heimgekehrt. An seine Stelle trat der habgierige Pandulf, neben welchem der herrschsüchtige Bischof von Winchester, der Poitevine Pierre des Roches, das Land nach Gutdünken zu regieren suchte. Friedfertige, königstreue, aber nationale Gedanken beherrschten dagegen die Kreise, die sich um den Grosjustitiar Hubert de Burgh, um Erzbischof Stephan, die Söhne des verstorbenen Erbmarschalls Pembroke und andere Häupter der Aristokratie sammelten, um während der Minderjährigkeit das Reich vor factiosem Treiben zu bewahren und namentlich von einer Anzahl fremder Abenteurer zu säubern, die sich seit den Tagen Johann's noch in einzelnen königlichen Festen behaupteten.

 

Mit dem Jahre 1227 auf dem Tage zu Oxford nahm dann Heinrich III. das Regiment selber in die Hand ; doch unterblieb bei dieser Gelegenheit die allgemein erwartete Bestätigung der Freibriefe. Und bald liess sich erkennen, dass zwar nicht ein willenskräftiger, aber, wohl ein wankelmüthiger, von anderen abhängiger Fürst die Krone trug, der der Oberlehnsherrlichkeit Roms sich schwächlich unterordnen und unbefugten Günstlingen vor jedem vertragsmässigen Rathe der grossen Vasallen den Vorzug geben würde. Zudem fehlte diesen, gross und klein, noch jede erfahrungsmässige Befähigung zu dauernder ständischer Vereinigung, so dass die fiscalische, die Militär- und Strafgewalt der Krone thatsächlich so unbeschränkt fortbestand wie zuvor, wenn nicht steigende Geldverlegenheit dazu genöthigt hätte, fast periodisch die immer schwieriger werdenden Prälaten und Barone zu laden. Ein volksthümlicher Aufschwung und der gute Wille einzelner edlen, einsichtsvollen Männer reichten noch lange nicht hin die politische Ueberzeugung festzustellen, kraft deren allein Verfassungskämpfe ein heilsames Ziel erreichen. Jedoch die Zeit der Prüfung und der Läuterung war angebrochen, aus der im Laufe einer merkwürdigen Generation denn doch schon einige namhafte Früchte reiften.

 

Die Spannung zwischen der Krone und den Ständen wurde vorzüglich durch die unnationalen Anschauungen der ersteren wach gehalten, während die besseren Elemente des Adels sich auf patriotische Gesinnung stützten. Denn gegen die Erstarkung einer eigenen englischen Nationalität war nicht nur das klerikale und finanziell verderbliche Regiment päpstlicher Sachwalter gerichtet, sondern die sehr bestimmte Vorliebe des Königs, dessen Mutter sich in zweiter Ehe mit einem Edelmann in Poitou verbunden, dessen älteste Schwester den König Alexander IL von Schottland geheirathet hatte. Er selbst versuchte schon in jungen Jahren den Krieg gegen Frankreich wieder aufzunehmen um die zahlreichen continentalen Verluste seines Hauses zurückzugewinnen ; über jedes Bedürfniss hinaus und zum dauernden Schaden seiner heimischen Macht unterhielt er seine auswärtigen Beziehungen. Mit solchen Neigungen im Bunde gelang es denn jenem Bischof Peter von Winchester im Jahre 1232 den würdigen Grossrichter Hubert dem schnödesten Undank und nichtswürdiger Verfolgung zu opfern und, als darauf die vornehmen Herren die Beisteuer von Hilfsgeldern verweigerten und sich um den Erbmarschall Richard vonPembroke scharten, diesen durch Ermordung aus dem Wege zu räumen. Erst nachdem der Adel wiederum bewaffnet im Felde erschienen war und der Primas des Reichs, der späterhin heilig gesprochene Edmund von Canterbury, den König mit dem Banne bedroht hatte, auf einem Gespräch zu Westminster im Frühling 1234 wurde der fremde Prälat, der bei Gregor IX. für seinen Fürsten nochmals eine Dispensation von dem Eide auf die Magna Charta ausgewirkt hatte, nebst anderen verhassten Räthen aus dem Amte entlassen. In dem Kampfe, der nach kurzen Pausen immer von Neuem um die Besetzung des königlichen Raths ausbrach, hatte die Krone einmal wieder dem Willen des Lands weichen müssen.

 

Trotzdem ruhte König Heinrich keinen Augenblick, stets auch mit Hinblick auf die inneren Schwierigkeiten weit reichende Connexionen mit den mächtigsten Gewalten Europas anzuknüpfen. Der Ehebund, den er einst selber im Gegensatz gegen die welfischen Traditionen der Plantagenets mit einer Staufin ersehnte, aber gewiss in der Absicht einen wirksamen Beistand gegen Frankreich zu gewinnen, gedieh wenigstens dahin, dass seine Schwester Isabella im Jahre 1235 mit Kaiser Friedrich II. vermählt wurde. Papst und Kaiser hoffte er gleichzeitig zu Patronen zu erhalte^, während im nächsten Jahre durch seine eigene Verbindung mit Eleonore von Provence auch Ludwig der Heilige sein Schwager wurde. Welche ungeheueren Anforderungen nun wurden durch Bündnisse und Verträge der verschiedensten Art, die daraus erwuchsen, an das Reich und die Unterthanen gestellt. Als Papst Innocenz IV. bald hernach den grossen Vernichturigskampf gegen Friedrich IL aufnahm, behandelte er den König von England bereits wie seinen fügsamsten Vasallen, sein Land wie einen Theil der eigenen Domäne. Schon reichte ein Cardinal als Nuntius der Curie nicht mehr aus, stehende Agenten der päpstlichen Kammer collectirten in allen Kirchensprengeln der britischen Inseln die geistlichen Einkünfte für ihren obersten Herrn und spielten mit Genehmigung desselben die einträglichsten englischen Pfründen in ihre oder ihrer Landsleute Hände. Bald fanden sich auch die Oheime der neuen Königin bei Hofe ein, von Reichthümern der Insel gelockt, die damals zuerst einen europäischen Ruf erhielten ; einer, Bonifaz von Savoyen, erhaschte gar nach dem Tode des frommen Edmund das Erzstift von Canterbury. Und ebensowenig blieben die Stiefgeschwister des Königs zurück, sobald sie nur herangewachsen. Es schien, als ob England durch die Schwäche und die Arglist seines Herrschers der Tummelplatz und die Beute unersättlicher Curialen, Provenzalen und Poitevinen geworden sei. Musste nicht durch ein solches Verfahren den ansässigen Lehnsleuten der Argwohn entfacht werden, dass es sich nicht nur um alle ihnen so oft zugesicherten Privilegien, sondern um ihre Ansprüche an die Segnungen der Hejmath handele ? Mussten Prälaten und Barone bei den gemeinsamen Klagen nicht immer wieder in dem Verlangen einig werden, endlich bessere Garantien zu gewinnen als Eidschwur und Besiegelung des grossen, im Grunde beständig gebrochenen Freibriefs ? Mürrisch und selbst mit drohender Miene erschienen sie an den gebotenen Tagen, immer nur noch die Spitzen des Adels und die Würdenträger der Kirche, um im Namen aller Vasallen der Krone eine Beihilfe zu leisten oder wie im Januar 1236 zu Merton kraft ihrer Beistimmung ein Statut gut zu heissen. In regelmässigen Fristen, und formlich zu Staatsgeschäften geladen, gewannen sie allerdings an Bedeutung, der wie auch zu anderen Zeiten ein unkluger Absolutismus selber Vorschub lieh. Schon wurden diese Berathungen in officiellem Stil als Parlamente bezeichnet. Auch ohne verfassungsmässige Berechtigung machten sie von den steigenden Sympathien im Lande Gebrauch um wiederholt die immer schamloseren Ansprüche der Staatsgewalt zu verwerfen und mit lauten Beschwerden über die Administration zu beantworten. Ihren Widerspruch zu brechen und widerrechtlich den fremden Günstlingen die besten Gefälle zuzuwenden, wurden die hohen Kronämter bald gar nicht mehr aus dem einheimischen Adel besetzt, sondern von niederen, meist klerikalen Beamten verwaltet, die mit den römischen Procuratoren im Bunde nach neuen Hebeln für die Willkür suchten.,

Eine dumpfe, schwüle Gährung herrschte im Lande, das, da nach dem Ende Hubert's und dem Ausgange des Geschlechts jenes grossen Earl Marshall kein hochherziger Vertreter nationalen Rechts aus dem einheimischen Adel aufstand, noch lange nach germanischer Art weiter geduldet haben würde, wenn nicht, ebenfalls in Verbindung mit den allgemeinen europäischen Verwicklungen um die Mitte des Jahrhunderts, wunderbarer Weise ein Fremdling und dieses Mal durch eigenthümlich romantische Verkettung der Umstände sich als Vorkämpfer nationaler Freiheit aufgeworfen hätte.

 

I.

 

Das Geschlecht, das sich nach seiner Burg auf einem Hügel zwischen Paris und Chartres Montfort l'Amaury nannte, war bereits in früheren Jahrhunderten ab und an in die Geschicke Britanniens verflochten worden. Nach der Ueberlieferung leitete es seinen Ursprung von jener Judith her, der Tochter Karl's des Kahlen, die im Jahre 856 Aethelwulf von Wessex und nach seinem Tode in einer von der Kirche verurtheilten Weise dessen gewaltthätigen Sohn Aethelbald geheirathet hatte. In dritter Ehe verband sie sich mit Balduin bras-de-fer, dem Grafen von Flandern. Dessen Urenkel Wilhelm von Hennegau, Sohn Amaury's I., sei zu Ende des 10. Jahrhunderts der Gemahl einer Erbin von Montfort und Epernon und der Stammvater jenes Hauses geworden, das sich neun Generationen hindurch in männlicher Descendenz fortpflanzte *). Eine andere genealogische Sage knüpfte das Geschlecht geradezu an das Königshaus der Capets, denn Amaury II. sei nicht der Sohn jenes Wilhelm, sondern ein Bastard des Königs Robert gewesen 2). Jedenfalls zählten die Montforts zu den treuesten und tapfersten Vasallen der französischen Könige und erschienen wie auch in der Lage ihres Besitzthums vorne an unter derjenigen Ritterschaft, die sich stets mannhaft den Uebergriffen der Herzöge der Normandie wie späterhin der Grafen von Anjou entgegen warf. In den Kriegen zwischen Ludwig VI. und Heinrich I. von England that sich Amaury IV., oder I. als graf von Evreux, hervor, indem er seinem Vetter Hugo, Herrn von Montfort sur Risle, dem Herrn Waleram von Meulent und anderen widerspänstigen normännischen Grossen seine Hilfe gewährte. Allerdings vergeblich, denn der König-Herzog blieb im Jahre 1124 Sieger, warf seine Gefangenen in das Verliess zu Rouen und nahm den einen, Hugo, mit sich nach England, wo er zu Glocester in schwerer Kerkerhaft lange schmachten musste i).

 

1) L'Art de verifier les dates ed. 1818. 8°. Vol. XI, 471. Darnach Histoire Literaire de France XVII, 205.

2) Les antres (desquels l'opinion est plus certaine) dient ä Bandoain, surnomnie' de l'Isle, Conto de Flandres, la Alle du Conti' de Noyon, dp laquelle la Roy Robert ent Amaulry, pere de Simon et Amaulry de Montfort, et dont est veuuS la maison de Montfort l'Amaulry, ne peut etre este Royne, mais seulement amye du Roy. Da Tillet, Recetiil des Roys de France 1602, p. 65.

 

Der zweite Sohn und Nachfolger jenes Amaury in Montfort wie in Evreux war seit 1140 Simon III., der Kahle genannt, ein Zeitgenosse der Ereignisse, durch welche Heinrich Plantagenet seine Macht in der Normandie und in England begründete. Da er gleichzeitig Lehnsträger dieses rührigen Fürsten und des Königs von Frankreich war, konnte er bei der niemals ruhenden Rivalität der beiden nur den eigenen Vortheil ins Auge fassen und möglichst geschickt Partei nehmen oder wechseln. Einer vorübergehenden Beziehung zu England, wahrscheinlich um die Zeit, als dort der Thronfolger wie mit anderen normännischen und englischen Grossen auch mit dem Grafen Robert von Leicester ein weit verzweigtes Complot wider seinen Vater schmiedete, verdankte er dann auch die Ehe, die für seine Nachkommenschaft so bedeutsam geworden ist, nämlich die Verbindung mit der Schwester und Miterbin Robert's, des erst im Jahre 1204 verstorbenen vierten und letzten Grafen von Leicester aus dem Hause Beaumont, das nach dem Domesday Buche einst voi\ seinem Stammsitze Meulent dem Eroberer über den Canal gefolgt war und jene grosse englische Baronie als Lehn davongetragen hatte. Amicia de Beaumont hat ihrem im Jahre 1181 mit Tode abgehenden Gemahl drei Söhne : Amaury den späteren Grafen von Evreux, Simon Herrn von Montfort und Gui Herrn von La Ferte Alais gleich wie drei Töchter geboren, so dass die Ehe mindestens um das Jahr 1173 geschlossen sein muss. Doch bleibt in Betreff der Daten, des Verwandtschaftsgrads und selbst der Erbberechtigung der Amicia wegen der unzureichenden Documente noch manches Dunkel *).

 

1) And Hugo of Mundford he sende to Engleland. and let hine don on ifele bendas on tkone castel on Glencestre. Saxon Chronicles, ed. Karle, 1865, p. 252. S. Lappenberg, Geschichte von England II, 273.

 

1) Ueber die Verbeirathung Amicia's mit Simon III. Dugdale, Monasticon Anglicanum I, 312 und Alber. de Trois Fontaines ed. Leibnit. Access. Hist. II, 402. Vgl. Anselme, Histoire Genealogique et Chronologique de la Maison Royale de France I, 314. Anch nach Rot. Lit. Claus, ed. Tb. D. Hardy Vol. I, 30, a. 1205 Amicie Comitlsse de Montford manerium de Winterburnstok cum pertinentiis quod fuit datum ei in maritagium, und p. 70 August 28, 1206 Comitissa mater Comitis Leicestrie war sie die Gemahlin jenes älteren Montfort und nicht Simon's IV., wje ganz unhaltbar in der Historic Peerage of England 1857, p. 283 ein heraldischer Gelehrter behauptet. Der Bio-_ grapb Simon's des Jüngeren in der Quarterly Review Vol, CXIX, 27 nennt Amicia gar Petronilla, was freilich bei den Montforts wie den Beaumonts ein gebräuchlicher Familienname war.

 

Wiederum mit dem zweiten Sohne dieser Ehe pflanzte sich nicht nur das Geschlecht in dem alten Erhe fort, sondern erhob sich zugleich zu dem höchsten Aufschwung, den es überhaupt erreichen sollte. Denn Simon von Montfort IV. war jener als Kreuzfahrer, Eroberer und Staatsmann gleich hoch gepriesene Held der orthodoxen Kirche, die fürchterlichste Zuchtruthe aller ketzerischen, auch vorwiegend einer anderen Nationalität angehörenden Feinde. Als er sich abenteuernd im Jahre 1202 an dem Kreuzzuge der Venetianer gegen Constantinopel betheiligen wollte, aber dem Verbote Innocenz' III. gehorsam davon abstand, hatte er bereits das volle Mannesalter erreicht. Ihm, dem zweitgeborenen, war einige Jahre später das Anrecht der Mutter auf die englische Grafschaft zugefallen und vom Könige Johann bestätigt worden. Demzufolge führte er den Grafentitel von Leicester weiter, auch nachdem ihn seine unternehmende Natur bald hernach die Vasallentreue nach dieser Seite brechen liess *). Ein glühender Bewunderer 2) schildert die schmucke, stattliche Erscheinung, die körperliche Gewandtheit und den ritterlichen Sinn. Beredt und von scharfem Verstand, fest und unerschütterlich in allem Vorhaben, heldenmüthig, tapfer und dem reinen Glauben sowohl aus Interesse als aus Ueberzeugung ergeben, vereinigte er in sich die Summe aller Eigenschaften eines nordfranzösischen Edelmanns, wie sie in seinem lange blühenden Hause bei den einzelnen Persönlichkeiten desselben verschieden ausgetheilt begegnen, und war in einem tief aufgewühlten, eine Menge neuer Gestaltungen erzeugenden Zeitalter, romantisch und praktisch zugleich, einer der mächtigsten Förderer derselben.

 

1) In der citirten Urkunde vom 28. August 1206 nennt ihn Jobann Simon Comes Leicestrie. Bestätigung vom 10. März 1207 bei Rymer, Foedera I, 96. Aber schon unter dem 27. December 1207 heisst es : terra illa fuit in manu Comitis Leicestrie Simonis quem de terris suis precepimus disseisiri. Rot. Lit. Claus. I, 99.

2) Petri Vallium Sarnaii Monachi Historia Albigensium, Receuil XIX, 22 genere praeclarns, virtute robustus, in armis plurimum exercitatus .... statura procerns, caesarie spectabilis, facie elegans, aspectu decorus, humeris eminens, brachiis exertus, corpore venustus, membris omnibus agilis et habilis, acer et alacer .... facundia disertus, affabilitate communis, contubernio amabilis, castitate mundissimns, humilltate praecipuus, sapientia praeditus, in proposito flrmus. in consilio

 

Um 1190 *) bereits hatte er sich mit Alice, Tochter Bouchard's V. von Montmorency, verbunden, die von vornehmer Herkunft, nicht minder wegen ihrer Frömmigkeit und Klugheit 2) als wegen des Muths und der Ausdauer gepriesen wird, womit sie den Gemahl auf den grossen südfranzösischen Eroberungszügen begleitete, während von den Kindern, vier Söhnen und drei Töchtern, die Mehrzahl noch unmündig war und die jüngste wahrscheinlich erst 1211 zu Lavaur geboren wurde. Nachdem sie dem Gatten zur Fastenzeit 1210 bei Pezenas frische Mannschaften aus dem Norden zugeführt, erscheinen sie und ihr Erstgeborener Amaury ein Jahr später als vornehmste Zeugen bei Verleihung desselben Schlosses an den reichen Raimund von Cahors, und am 23. April 1212 bei einer ähnlichen Uebertragung *). Am 24. Juni 1213 geleiten Vater und Mutter den noch jugendlichen Amaury an den Altar der Kirche von Castelnau d'Arri, damit er zum heiligen Kampfe wehrhaft gemacht werde. Vor der Schlacht bei Muret gegen den König von Aragon hat Alice einen bösen Traum, aber nüchtern verweist sie der Gemahl solche Ahnungen den superstitiösen Spaniern zu überlassen. Im Jahre 1217 hat sie Narbonne gegen den Grafen Raimund von Toulouse vertheidigt 2). Ein hochherziges Weib, durchaus ihrem Manne ebenbürtig, hat sie ihn nach seinem Untergange vor Toulouse noch drei Jahre bis zum 22. Februar 1221 überlebt. Der Staub beider fand die letzte Ruhestätte im Erbbegräbniss von Hautesbruyeres Angesichts des Schlosshügels von Montfort, wohin auch die Gebeine Simon's, nachdem sie zuerst im Dom zu Carcassonne wie die eines Märtyrers und Heiligen pomphaft beigesetzt gewesen, übergeführt wurden. Wir verfolgen an diesem Orte nicht den Albigenserkrieg und die auf eine ausgedehnte Herrschaft angelegten Unternehmungen seines grössten Helden, der, so lange Innocenz III. und der Lateran hinter ihm standen, seine Dynastie an der Stelle so vieler provenzalischen aufgerichtet und seinen Willen trotz England, Aragon, Navarra, Castilien und Sicilien durchgesetzt zu haben schien, dem aber noch bei Lebzeiten die von verschiedenen Seiten und nicht am Wenigsten von seinem Lehnsherrn, dem Könige von Frankreich, gehegte Reaction über den Kopf zu wachsen begann. Wir suchen dagegen den Beziehungen zu seinem englischen Lehnsherrn näher nachzugehn.

 

providus, in jadicio jnstus, in militiae exercitiis sednlus, in suis actibns circnmspectus, In incipiendis arduus, in perflciendis non defessns, totas divinis gervitiis mancipatus.

 

1) L'Art de vfrifler les dates XI, 481 sagt : avant l'an 1191, Vic et Vaissete Histoire Wiiörale de Languedoc ed. 1842, V, 129 : avant l'an 1190. Ich weiss nicht woher, da sich das Alter der Kinder auch nur annähernd schwer bestimmen lässt.

2) Petri Vallinm Sarnaii Mon. Hist. Albig., p. 23. In ea qnippe religio sapientiam et sollicitudinem adornabat, sapientia religionem et lollicitadinem informabat, sollicitudo religionem et sapientiam exercitabat.

 

1) Conscnsti et volcntate dominae Aelipdis comitissae uxoris meae et consensu et volnntato Amalrici primogeniti fllii mei ; Mai 12. 1211. Hist. de Langnedoc, Preuves V, 582 cf. 188.

2) La Contessa de Montfort, laquala era per hora dins lo castel Narbone's an granda garniso. Hist. de la guerre des Albigeois, Keceuil XIX, 178.

 

Nach dem Tode seiner Mutter war das Kronlehn von Leicester zwischen Saiher de Quency, Grafen von Winchester, und dem Hause Montfort getheilt und Simon am 10. März 1207 von König Johann mit dem dritten Pfennig von der Grafschaft und dem mit dem gräflichen Titel verbundenen Haushofmeisteramt von England betraut worden *). Eigentlich angetreten aber hat er das ihm zuerkannte Erbe nie. Da ihn nach einer Nachricht im Jahre 1210 die aufständischen Barone Englands zu ihrem Führer, wenn nicht gar zum Könige machen wollten *), da er im Kriege zwischen England und Frankreich zu letzterem hielt und auf der Kreuzfahrt wider die Ketzer vor allen den Grafen Raimund VI. von Toulouse, den Schwager Johann's, bekämpfte, hat ihn dieser vielmehr seiner Aemter und Güter entsetzt und dieselben dem Grafen Ralf von Chester übertragen *). Allein trotz Absetzung und Verbannung führte er doch den Titel eines Grafen von Leicester fort, mit dem ihn namentlich im Jahre 1209 auch Innocenz III. bezeichnete, als er selber sich mit dem Könige von England überworfen und dessen Vasallen in den eroberten Territorien von Beziers und Carcassonne bestätigte 2). Regelrecht nannte sich Simon um diese Zeit Herr von Montfort, graf von Leicester und von Gottes Gnaden Vicomte von Beziers und Carcassonne 3). Nur andere wie der Bischof von Cahors, Cardinal Robert und Innocenz, nachdem er sich mit König Johann verglichen, betitelten ihn geradezu als Grafen von Montfort 4). Erst späterhin, als die Erfolge über seinen Hauptgegner Raimund auf dem Höhepunct standen, legte er sich dessen Titel Herzog von Narbonne und graf von Toulouse bei und liess die Bezeichnung von Leicester fallen, vermuthlich auf Verlangen des Papsts Honorius in., weil die Curie mit der englischen Krone wieder in Frieden war 5). Nach dem Tode des Vaters führte sein ältester Sohn und Erbe, auch als die Eroberungen bald genug verloren giengen, dieselben Titel fort, bis er sich 1220 Herzog von Narbonne, graf von Toulouse und Leicester, Herr von Montfort, Connetable von Frankreich nannte, aber ebenfalls schlechthin graf von Montfort angeredet wurde,). Noch deutlicher lebten die englischen Ansprüche wieder auf, als die stolzen, aber wesenlos gewordenen südfranzösischen Eroberungen durch Renunciation im Jahre 1224 an Ludwig VIII. und 1227 an Ludwig IX. cedirt wurden. Fortan blieb Amaury der Connetable von Frankreich, graf von Montfort und von Leicester 2). Die Aussicht freilich, dass die letzteren Ansprüche jemals wieder in Kraft treten könnten, schien völlig verschwunden.

 

1) Rymer, Foedera I, 96. Vgl. Hudson Turner, Manners and Household Expenses of the XlII1 Century (Roxburgh Club 1841), Preface p. XI.

2) Annales de Dunstaplia ed. Luard 1866 (Eer. Brit. med. aevi SS.), p. 38, a. 1210 rex .... suscepit mmores de conspiratione facta contra eum a baronibus suis, et q.uod elegerant Simonem de Monteforti in regem Augliae.

 

1) Nach Hudson Turner 1. c. erst im Jahre 1215. Im Jahre 1217 wird von Heinrich III. dem Grafen von Chester noch ein Manerium übertragen, qnod est de feodo Comitis Simonis de Monte Forti, nicht Leicestrie. Rot. Lit. Clans. I, 326.

2) Innoc. III, Epp. XII, 122—129. Die Meinung Hnrter's, Gesch. Innoc. III. II, 303, N. 834, dass der Grafentitel personell gewesen, ist hinfällig.

3) Die Urkunden bei Vic et Vaissete V, 671. 573. 674. 577. 591, a. 1209. 1210. 1214.

4) Ibid. 583. 592. 597, a. 1211. 1214. 1215.

5) Ibid. 601, a. 1217. 1218. Im Jahre 1216 begab er sich einmal in Erbschaftsangelegenheiten nach Nordfrankreich, ohne dass sich sagen Messe, ob das englische Lehn der Grund gewesen. Pro eo quod In fata concesserat Amicia mater sua, Chronologia Robert! Altissiodor. Reoueil XVin, p. 283.

 

So lange der grosse Simon die volle Unterstützung des Papsts besass und dieser sich noch nicht mit England vertragen hatte, schwebte das den Plantagenets gehörende Herzogthum Aquitanien mit seinen Lehnfürstenthümern in höchster Gefahr, ebenfalls von der Kreuzfahrt verschlungen zu werden ; der Seneschall Johann's, Savary de Mauleon, hatte damals einen harten Stand. Auf der Synode von Lavaur im Jahre 1213 wurde graf Raimund vorzüglich auch deshalb beim Papste verklagt, weil er sich mit allen Feinden der Kirche, Kaiser Otto IV., den Königen von England und Aragon und dem Sultan von Marocco verbunden hätte 3). Während Kreuzfahrer aus dem ganzen Norden, auch vom Rhein und aus Deutschland zusammenströmten, fehlten die Engländer gänzlich auf dieser Seite mit einer sehr bemerkenswerthen Ausnahme. Im Jahre 1211 nämlich wurde Walter Langton, ein Bruder des Erzbischofs von Canterbury, der sich unter die Fahnen Simons gestellt, von dem ketzerischen Grafen von Foix gefangen genommen *). Der Vertrag zwischen Tnnocenz und Johann, zunächst wider die aufständischen Barone in England gerichtet, äusserte dann aber auch gar bald seinen Druck auf den Süden. Nicht nur, dass Simon den Erben von Aragon, den Infanten Jaime, den er mit einer seiner Töchter zu vermählen gedachte, vom Papste gezwungen, freigeben musste, sondern auch die Engländer gewannen wieder an Boden. Johann noch wagte es, seinen Neffen, den jüngeren Raimund, der sich mit Vorliebe Sohn der Königin Johanna Plantagenet nannte, dem Lateranischen Concil zu empfehlen ; und mehr noch als das Glück der heimischen Waffen trug der Umschwung der päpstlichen Politik dazu bei, dass die Eroberungen der Nordfranzosen so bald in Stocken geriethen. Nicht die Päpste, sondern Philipp August und seine Dynastie erkannten aus eigenem lehnsherrlichen Interesse das Haus Montfort in den weiten, aber höchst unsicher behaupteten Gebieten im Süden der Garonne an. Da der Curie weder daran lag, die Begründung einer neuen Herrschaft nördlich und südlich von den Pyrenäen geschehen zu lassen, noch alles Land in das eine grosse Frankreich aufgehen zu sehen, so stand sie lieber von der unnachsichtigen Verfolgung der

 

1) Ibid. 606.

2) Ibid. 625. 645. 646.

3) Innoc. III, Epp. XVI, 41.

 

1) Galterum de Langatone, fratrem episcopi Cantuariensis, Petr. Vall. Sarn. Eeceuil XIX, 50,

 

Häresie ab, damit in Languedoc, Provence und Aragon die alten Dynasten erhalten blieben. Wie der Krone Englands im Innern half sie ihren Besitz in Aquitanien retten. Indem auf beiden Seiten die übergreifende Macht der Nordfranzosen, die den englischen Baronen und den orthodoxen Kreuzfahrern beigesprungen, zurückgedrängt wurde, lag es auch im Interesse des nach allen seinen Verlusten niemals ernstlich mit Rom verfeindeten Hauses Montfort in der Periode der Vergleiche und Waffenstillstände, wie mit den Capets auch eine Abkunft mit den Plantagenets zu erstreben. Bald bot sich für Amaury die günstige Gelegenheit.

 

Unter Heinrich III. war die Entsetzung Simon's von Montfort aufrecht erhalten worden *), bis zur Zeit des Abschlusses eines dürftigen Friedens mit den Franzosen im Jahre 1231 a) die Familie selber in das alte Verhältniss zurückzugelangen suchte. Der Tod des Grafen Ralf von Chester, dem Johann einst auch das verwirkte Lehn von Leicester, so weit es noch beisammen gelassen worden, übertragen hatte, eröffnete dazu am 26. October 1232 die Bahn. Sofort verwandte sich Amaury als Haupt der Familie, da inzwischen die beiden nächstfolgenden Gui und Robert gestorben waren, für seinen jüngsten Bruder Simon, der sich schon im Voraus nach England begeben hatte.

 

1) Heinrich III. an Stephan de Segrave, Juli 28. 1218. Rot. Lit. Claus. I, 366b. Audivimus, quod Comes Simon de Monte Forti in fata concessit .... plenam saisinam de omnibus terris in balliva vestra que ipsum Simonem hereditaria contingebant de Honore Leicestrie. Aug. 26, ibid. p. 399. Eex concessit P. Winton. Ep. (des Roches) cnstodiam terre que fuit Comitis Simonis de Monti Forti quam diu ei placuit.

2) Geschichte von England III,'582. .

 

Wir wissen nicht, wo und wann dieser merkwürdige Mann geboren, nur die Vermuthung liegt nahe, dass er, ehe die Mutter zu dem Gemahl nach Süden eilte, also um 1208, zur Welt kam und späterhin unter ihren Augen auf dem Schlosse Montfort aufwuchs. Er hatte dann, einige zwanzig Jahre alt, in den unruhigen Tagen, als die Königin Blanche für ihren jungen Sohn Ludwig IX.. regierte, emporzukommen gesucht, vor dem Unwillen der Fürstin aber das Land verlassen müssen *). Gerade um die Zeit jener auf drei Jahre abgeschlossenen Waffenruhe fand er eine überaus günstige Aufnahme am englischen Hofe, so dass er vermuthlich wohl schon in Frankreich als englischer Parteigänger thätig gewesen. Bereits im April 1230 setzte ihm Heinrich III. ein Wartegeld von 400 Mark aus ; am 13. August 1231 nahm er von Simon die Huldigung für das Erbtheil seiner Grossmutter entgegen 2). Doch war dies nur der erste Schritt, gewissermassen die Naturalisirung des Fremdlings ; die volle Einsetzung in Amt und Ehren erforderte ein langwieriges Verfahren, da der König von England, dessen Reich eben die Bahn nationaler und selbständiger Entwicklung beschritt, fortan immer weniger eine getheilte Unterthanschaft gestatten konntes). Aus diesem Grunde vornehmlich entschloss sich Amaury, zu Gunsten des Bruders auf die eigen'en Ansprüche an der englischen Grafschaft zu verzichten.

 

1) Chron. Guil. de Nangiaco, Eecueil XX, 548, a. 1239 Simon de Monte Forti, miles qnidam de Gallia streuuissimus .... infensua reginae Franctae matri regis piissimi Lndovici fugiit in Angliam ad regem Henricam, quem ipse rex benigne suscipiens dedit eidem in conjugio sororem suani cum Leicestriae comitatu.

2) Shirley, Royal and otlier historical letters illustrative of the reign of Henry III. (Eerr. Brit. med. aevi SS.) I, 362. 401. Auch Excerpta e Bot. Finium I, 217, August 1231 cujus homagium res. cepit de honore Leicestrie.

3) Freilich wurden Simon auch Gefälle (eschaeta) in der Normandie verschrieben, donec terra nostra Angliae et terra Normanniae communes fucrint. Juni 15. 1232. Shirley I, 407.

 

Allein noch Jahre vergiengen, bis Simon, der selber habelos und verschuldet, mit Pensionen aus den Einkünften von Leicester unterhalten werden musste *), zu seinem Ziele gelangen konnte. Ein abenteuernder, hochstrebender Zug, an den Vater erinnernd, indem er in seiner Heimath zweimal schon eine vornehme Verbindung erreichen zu können meinte, zweimal aber an der Eifersucht des französischen Hofs gescheitert war 2), liess seinen energischen Geist endlich am englischen Hofe das geeignete Mittel finden, um zugleich mit dem begehrten Besitz eine persönliche Stellung und die Gelegenheit zu gewinnen, seine Talente zu verwerthen.

 

Sein schönes Antlitz, die hohe Gestalt und das ritterliche Wesen3) nicht minder als eine bedeutende geistige Begabung erwarben ihm die Liebe der jüngsten Schwester Heinrichs III., Eleonore, die 1215 geboren, schon 1224 neunjährig mit dem vierzigjährigen Grafen Wilhelm von Pembroke dem jüngeren vermählt worden, seit April 15, 1231 aber Wittwe war *). Freilich hatte sie einst vor Edmund von Canterbury und Bischof Ralf von Chichester das Gelübde gethan, den Schleier nehmen zu wollen 2). Das verhinderte aber nicht, dass der königliche Bruder, wie devot er sonst auch sein mochte, sich ihren und Simon's Wünschen fügte. War ihr doch noch keineswegs der Ring an den Finger gesteckt, der sie als Verlobte Christi bezeichnet haben würde. Am 7. Januar 1238 wurden die beiden heimlich in der Hofcapelle von St. Stephens getraut. Der König selber führte die Braut dem Manne zu s). Als graf von Leicester, als Schwager Heinrich's III. in dessen Rath aufgenommen, hätte Simon vielleicht alsbald einen bestimmenden Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten gewonnen, wenn nicht die stets rege Opposition der Magnaten sich gegen diesen neuen und ebenfalls ausländischen Emporkömmling, und der Klerus gegen den zweifelhaften Ehebund erhoben hätten.

 

1) Quod exitus terrae qne de honore de Leicestria nsque in IUI annum post obitum ejus (des Vaters) sint ad acquietationem debitorum suorum. Eot. Lit. Pat. 20 : Henr. III, membr. 4 ; Juli 28. 1236.

2) Alber. de Trois Font. 1237 : Receuil XXI, 619. Quidam machinatores contra regem Franciae clani procuraverunt matrimnnium couiitissae Flandriae cum viro nobili Simone de Monte Forti, fratre comitis Almarici, qui Simon alienatus erat a Francia eo quod esset suspectus in regia curia propter reditus quos habebat in Anglia et fldelitatem quam Anglorum regi fecerat. Quapropter istud matrimonium perdidit sicut et illud comitissae Boloniae perdiderat.

3) Vir in armis strenuns et armorum peritia callidissimus, Gnil. de Nangaco, Recenil XX, 414. Sicut erat miles strenuus, in corpore procerus et facie formosus. Chron. de Lanercost, p. 39 : Bannatyne Club.

 

Beide Stände fühlten ich durch den Abschluss desselben, der natürlich keinen Augenblick verborgen bleiben konnte, auf das Tiefste verletzt, weil die Prinzessin ohne ihre Zustimmung an den fremden Edelmann vergeben worden, gegen den sich längst Neid und Eifersucht regen mochten. Des Königs Bruder, graf Richard von Cornwall, erhob an der Spitze des Adels geradezu die Fahne des Aufruhrs, indem er die Mannschaften der fünf Häfen in die Waffen zu rufen suchte 1). Stürmisch forderte Alles die Entfernung Montfort's ; auf die Vermittelung des päpstlichen Legaten wollte keiner hören, bis auf dem Hoftage während der Fasten unter den übrigen ständischen Beschwerden dahin entschieden wurde, dass Simon vom Rathe des Königs ausgeschlossen bleiben sollte. Damit schien sich denn auch sein Schwager graf Richard zufrieden geben zu wollen. Um so ernster jedoch waren die kirchlichen Bedenken. Auch wenn Eleonore nur ein vorläufiges Versprechen gegeben, ehelos bleiben zu wollen, so war durch ihre Trauung doch schwer gegen kanonische Satzung gefehlt worden. Nur der Papst konnte nachträglich von dem Gelübde entbinden und Verzeihung ertheilen.

 

1) Mrs. Green, Lives of the Princesses of England II, 48. 57.

2) Thomas Wikes ap. Gale, SS. II, 40 zum Jahre 1224, quae viro suo defuiii'to aliquamdiu permanens in viduitate, in praesentia Sancti Edmundi Cantuariensis Archiepiscopi et Sancti Richardi Cicestrensis Episcopi solenne votum castitatis emisit, cujus postea praevaricatrix effecta nnpsit Simoni de Monteforti Comiti Leycestriae.

3) Matthaeus Paris 465, ed. 1640. In parvnla capella Regts, quae est in angulo camerae, tradente eam Rege per manum eidem Simoni.

 

Um Schimpf und Missgunst zu begegnen, begab sich Simon daher schon im März auf die Reise nach Rom ; das an der Curie erforderliche Geld, 500 Mark, hatte ihm ein reicher Bürger von Leicester vorgestreckt*). Unterwegs 'wartete er seinem grossen Schwager, Kaiser Friedrich II. auf, der vor Kurzem erst Sieger bei Cortenuova rastlos den Trotz der gegen ihn verbündeten lombardischen Städte zu brechen bemüht war. Gern wüsste man Näheres über die persönliche Berührung dieser beiden Männer. Die Kriegsdienste, die der abenteuernde Ritter während eines kurzen Beisammenseins dem mächtigen Herrscher bei der fruchtlosen Bekämpfung bürgerlicher Freiheit leistete, wurden ihm durch Empfehlungen an den Papst vergolten, die eben noch wirken konnten, ehe dieser unversöhnlich mit Friedrich zerfiel 2). Simon erlangte bereits am 10. Mai von Gregor IX. die gewünschte Dispensation s) ; trotz dem Widerspruch der Dominicaner und des Erzbischofs Edmund wurde der Legat Otho angewiesen, Eleonore von ihrem Gelübde zu entbinden. Froh zog er heim, wurde schon am 14. October wieder zärtlich von König Heinrich umarmt und eilte dann weiter auf das Schloss Kenilworth, wo sechs Wochen später sein Weib eines Sohns genas zur Freude des Hofs, der noch die Unfruchtbarkeit der Königin befürchtete *). Am 2. Februar 1239 wurde Montfort endlich in aller Form in die Grafschaft Leicester eingesetzt und damit unter die Barone des Reichs und die Räthe der Krone aufgenommen 2).

 

1) Verbot Heinrich's an dieselben vom 3. Februar 1238 : eo quod tradidimus uuptui comitissam Fembrochiae sororem nostram Simoni de Monte Forti. Shirley, Royal Letters II, 15. Matth. Paris, Historia Minor (Compendiuro der grossen Chronik), ed. Sir F. Madden (Eer. Brit. med. aevi SS.) II, 404. Commotum est regnum vehementer, eo ruaxime quod rex, praeter suorum magnatum consilium et assensum praesertim comitis Ricardi, proeuravit illud tarn arduum matrimonium inter Simonem de Moote-forti et Alionoram, contra etiam voluntatem et consilium sanctissimi archiepiscopi Edmnndi, in cujus praesen.tia dicitur ipsa Alienora votum fecisse continentiae vidualis, vestibus utens tinctura carentibus.

 

1) Matth. Par. 468, Historia Minor II, 405. 406. Qeleitsbrief des Königs vom 27. März. Rot. Lit. Pat. 22 Henr. III, membr. 8.

2) Es lässt sich nach Matth. Paris ohne continentale Berichte mir vermuthen, das's Simon dem Kaiser im Mai bei Gelegenheit des Hoftags in Crcmona begegnete, and nach der Rückkehr vom päpstlichen Hofe, gleich vielen anderen fremden Herren, bei der Belagerung von Brescia Dienste leistete. Vgl. Böhmer, Reg. Irap. 1198—1254, p. 179. 180. Schirrmacher, Kaiser Friedrich der Zweite III, 28 ff. Winckelmann, Geschichte Kaiser Friedrich's des zweiten II, 94 ff.

3) Snper matrimonio, quod iuter te ac nobilem virnm S. de Monte Forti Comitem Leicestrie (ac nobilem feminam E. flliam regis Anglie) in facie ecclesie intelleximns esse contractum, nobis et fratribns uostris sunt a diversis diversa relata, per qae non vidimns contra jam contractam matrimoninm presumendam. VI. Id. Mai. Doppelte Ausfertigung in Monnm. lirit. ez antographis Rom. Pont. Mns. Brit. Ms. Add. 15,354, p. 84.

 

1) Matth. Par. 471. 475. 481.

2) Matth. Par. 483. Die vero Puriflcationts S. Virginia contulit Dominos Hex comitatam Legria Simoni de Monte Forti et investivit, vocato primo comite Almarico primogenito fratre ejus et paciflcato, no super hoc aliquando moveret questionem. Rot. Cart. 23 Henr. III, 32. 34. Der Verzicht Amaury's bei Rymer I, 203, freilich datirt an. 16, Henr. III (1237a), aber sicherlich eine spätere Ausfertigung, da Cardinal Otho (1237 bis 1241 in England) anter den Zeugen erscheint.

 

n.

 

Der Sonnenschein des Glücks und der Eintracht war jedoch nur von kurzer Dauer, denn bald hernach trieben die Sinnesart des Königs und die politischen Verhältnisse Englands und Europas den Grafen von Neuem in unstetes, abenteuerndes Leben hinaus.

 

Am 16. Juni war zu Westminster ein Thronfolger geboren, Prinz Eduard, bei dessen durch den Legaten am vierten Tage vollzogener Taufe Simon als Pathe und Oberhofmeister zugegen war. Als dann aber die Königin am 9. August in London feierlichen Kirchgang halten wollte, kam es wie aus heiterer Luft und ohne einen äusseren Anlass zu einem ärgerlichen Auftritt zwischen dem Könige und seinem Schwager. Jener nannte diesen plötzlich excommunicirt und verbot ihm und seiner Gemahlin, weil er sich mit ihr einst verbrecherisch eingelassen, den Feierlichkeiten beizuwohnen. Ausser sich, mit Schmähungen überhäuft, flüchteten die beiden über den'Fluss nach Southwark, in den ihnen jüngst erst als Wohnsitz angewiesenen Stadtpalast des verstorbenen Bischofs von Winchester. Aber auch von dort hiess sie der König sofort austreiben und blieb erbarmungslos, als sie in Thränen ihm noch einmal unter die Augen zu treten wagten., Du hast meine Schwester vor der Hochzeit verführt, rief er,, da ich das erfuhr, gab ich sie wider Willen, damit Scandal vermieden werde. Dann bist Du, um das Ehehinderniss hinwegzuräumen, nach Rom gegangen und hast die Curie, damit Dir das Unerlaubte gestattet werde, mit Geschenken und unendlichen Verheissungen bestochen. Das hat der Erzbischof von Canterbury erfahren und darauf dem Papste die Wahrheit enthüllt ; aber die Wahrheit musste der römischen Habsucht gegen verdoppelte Verheissungen nachstehen. Jetzt, da Du nicht zu zahlen im Stande bist, hast Du Dir den Bannspruch zugezogen. Und um Deine Erbärmlichkeit zu vollenden, hast Du ohne meinen Rath und Wissen durch falsches Zeugniss mich als Bürgen aufgestellt. Sprachlos vor Entrüstung setzte sich Simon noch am selben Tage mit seiner Gemahlin und wenigen Begleitern zu Schiff und fuhr die Themse hinaus, um für die nächste Zeit in Frankreich eine Zuflucht zu suchen l).

 

Die Katastrophe war nicht ein Ausfluss der gewohnheitsmässigen Unzuverlässigkeit Heinrich's III., der über ein Jahr lang mit Wohlgefallen der Ehe seiner Schwester zugesehen, sie öffentlich mit seiner königlichen Sanction geschirmt und, soweit in seinen Kräften stand, den Bittgang nach Rom befördert hatte. Auch das factiose Treiben der Aristokratie, an welchem sich,Simon noch gar nicht betheiligt hatte, gab nicht den Anstoss. Er stack vielmehr in der von Neuem ausgebrochenen Todfeindschaft zwischen Papst und Kaiser 2). Denn über Friedrich II. war am Palmsonntag März 20, 1239 der Bann verhängt worden, und um Rom zog sich drohend das Kriegswetter zusammen. Wie sehr auch der König von England an dem kaiserlichen Schwager emporblickte, dem er im Jahre zuvor noch Truppen und Gelder gesendet hatte *), jetzt musste er sich gehorsam der ihn selber bevormundenden Kirchengewalt fügen. Der streng päpstlichen Partei bei Hofe aber erschien jener Graf, der im vorigen Jahre noch so freundlich vom Kaiser aufgenommen und empfohlen worden, höchst unbequem im Rathe der Krone. So musste er denn in schnöder Weise entfernt werden, wozu der König persönlich in bejammernswerther Charakterlosigkeit seine Beihilfe lieh, indem er den bisher liebevoll behandelten Verwandten beschuldigte, sich in einen unehrenhaften Geldhandel gestürzt und die Prinzessin durch Verführung nothgedrungen zu seiner Gemahlin gemacht zu haben. Die Wahrheit dieser Anklagen wird nicht nur durch die ganze Handlungsweise des Königs Lügen gestraft, sondern es fehlt ganz und gar an allen Belegen, dass die vor einem Jahre in Rom ertheilte Dispensation jetzt auf einmal widerrufen worden sei. Die nichtswürdigste Erfindung wurde bei den Haaren herbeigezogen, um eine politische Nothwendigkeit zu bemänteln, eben so plump und schamlos, aber auffällig dieselbe, wie sie einst im Jahre 1232 den alten würdigen Grafen Hubert von Kent stürzen half, der seine Gemahlin, die französische Königstochter Margarets, zuerst entehrt und dann habe heirathen müssen 2).

 

1) Matth. Par. 497.

2) Der Biograph im Quarterly Keviow CXIX, p. 31.

 

Unglaublich, dass ein Fürst die eigene Schwester so beschimpfen mochte, aber dennoch im Sinne der Zeit, des Einflusses, unter dem er stand, und seiner eigenen Schwäche durchaus entsprechend. Schon dass Eleonore ihrem Gemahl folgte, sprach laut für ihre Unschuld, noch mehr jedoch die Freundschaft und das Zeugniss eines der edelsten Männer in England, der um diese Zeit bereits dem Paare eng verbunden war.

 

1) Matth. Paris, Historia Minor II, 408.

2) Vgl. Gesch. v. England III, S. 596.

 

Robert Grosseteste, geringer Herkunft aus Suffolk, aber zu den höchsten Würden der Kirche emporsteigend, glänzte nicht nur als frommer, eifriger Seelsorger, als Gelehrter und Kanzler von Oxford, sondern im ganzen englischen Klerus war Niemand, der die Zeit mit ihren zerstörenden und aufbauenden Tendenzen so sehr begriffen hatte wie er, kein treuerer Wächter über Zucht und Lehre bei Priestern und Laien, kein muthigerer Vorkämpfer, wo es die nationalen Rechte der Kirche gegen die Habgier der Curie oder die Willkür der Krone zu schirmen galt. Durch ihn vor allen war es den Minoriten gelungen, sich auch in diesem Reiche rasch einzubürgern, aller Opposition der Weltgeistlichkeit und der Klöster zum Trotz ihre eigenthümliche Mission zu entwickeln und an der Universität sich theologische Lehrstühle zu begründen. Ueberzeugt, dass ihre reformirende Thätigkeit das beste Mittel gewähre der sittlichen Noth der Menschheit zu begegnen, legte er selber im Bunde mit ihnen durch Wort und Schrift wie in unerschrockener That überall rüstig Hand an, die Seelen zu retten, die Geister zu festigen, das Recht zu wahren. Einst als Archidiakon von Leicester schon war er mit dem gräflichen Hause in Beziehung getreten *) ; seit 1235

 

1) Der Brief Grosseteste's an Margareta de Qnincy, Comitissa Wintoniae, wird von Luard, Roberti Grosset. Epistolae. 1861 (Rerr. auf den bischöflichen Stuhl von Lincoln erhoben, stand er der weitesten, volkreichsten Diöcese des Reichs vor, welche sich über einen bedeutenden Theil von Mittelengland erstreckte und unter Anderem auch Oxford mit dem Mutterhause der Franciscaner und die Herrschaften umfasste, die nach schicksalsvollem Wechsel wieder einem Herrn von Montfort zuerkannt worden waren.

 

Simon und seine Gemahlin, beide von warmer, inniger Gemüthsrichtung, hatten sich, von Anfang an der Warnung und dem Rathe dieses geistlichen Oberhirten nicht verschlossen 1). Hier war eine echte Freundschaft entsprungen, die den Grafen in eine ebenso merkwürdige Beziehung mit dem Franciscanerorden brachte, wie sie sein grosser Vater einst mit den kaum gestifteten Dominicanern unterhalten hatte. Diese erquickende Quelle versiegte nicht, als das Ehepaar, von den Angehörigen in Schmach und Seelennoth Verstössen, in die Fremde zog. Auf eine schriftliche Anzeige von der schweren Prüfung, die ihn betroffen, antwortete der Bischof, anknüpfend an die Trostworte des Apostels von der, Züchtigung, die nicht Freude dünkt, aber denen, die dadurch geübt sind, eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit gibt. Er verwies ihn auf die Früchte, die nicht ausbleiben würden, und deutete mit der auch sonst in seinen Schriften häufig begegnenden Neigung zu etymologisiren seinen schönen Familiennamen. Aus tiefer Erniedrigung, die er jetzt dulde, werde er emporsteigen zu dem Gipfel des starken Berges, auf welchem Christus thront 1). Zum Schluss versprach er der Bitte des Grafen gemäss seiner zu gedenken, sich für ihn beim Könige zu verwenden und seinen Untergebenen, vorzüglich zwei, die seiner Fürsorge besonders empfohlen worden, mit aller Treue Trost zu spenden, da er in diesem wie in allen übrigen Stücken bereit sei zu leisten, was, wie er hoffe, der Ehre und dem Vortheil seines Freundes fromme.

 

Brit. med. aevi SS.), p. XXXV, p. 33 richtig unter das Jahr 1231 eingereiht, da Robert Hs 1232 Archidiakon von Leicester war ; aber der Dominas Leicestriensis, gegen den die Jaden des Orts in Schatz genommen werden, war nicht Simon von Montfort, sondern noch Ralf von Chester. Ueber Orosseteste im Allgemeinen s. mein Tübinger Programm vom Jahre 1864, S. 11 ff.

 

1) Die Briefe des Bischofs sind wie damals fast allgemein nicht datirt. Seine ernste Verwendung bei Simon, in Christo carissimo domino de Monteforti, für einen von diesem allzu hart bestraften Bürger von Leicester, Lnard, p. 141, wird annähernd dem Jahre 1238 angehören. Sie athmet die ganze überzeugungsvolle Sinnesart des Briefstellers : Quia igitur vestram ingenuitatem brachiis caritatis arctius amplectimnr .... ut sitis exemplum clementiae et mansuetudinis et uon magister crudelitatis.

 

Der eifrige, strenge Prälat, der beste seines Stands, hielt hiernach graf und Gräfin nicht nur nicht für schuldig, sondern setzte, so weit es in seinen Kräften stand, Alles daran um die Versöhnung mit Heinrich und wahrscheinlich auch mit dem Papste und dessen Sachwaltern herbeizuführen. Seiner Verwendung vornehmlich gelang es, schon in Kurzem das zerrissene Band wieder anzuknüpfen. Anfang April 1240 durfte Simon heimkehren ; bei Hofe wurde ihm vom Könige ehrenvoller Empfang zu Theil 2).

 

1) In oacumen montls fortis, hoc est Christi, qui est mons in vertice montinm et virtus Dei Fatris ; Lnard, p. 244, a. 1239.

2) Calend. Aprilis .... receptus est cum honore a rege et a regallbus, Mattli. Paris 516.

 

Die Kreuzfahrt nach Palästina, zu welcher der Graf, während er seine Gemahlin abermals schwanger in Frankreich zurückgelassen hatte, sogleich zu rüsten begann, indem er sich durch den Verkauf von Waldungen und Ländereien zu Gelde verhalf, war schwerlich eine Folge des letzten Zerwürfnisses. Nichts deutet darauf hin, dass er durch dieses Mittel etwa denen, die seine Verheirathung tadelten, eine Sühne habe bieten wollen. Weder Grosseteste noch die Minoriten, die mit fast methodistischer Selbstprüfung die Busse nicht sowohl in die äusseren Werke als in eine Umkehr von allem sündhaften Leben setzten, konnten darauf hindrängen. Er hatte vielmehr gleich anderen Magnaten des Reichs ein älteres Gelübde zu erfüllen, von dem ihn wie die Grafen Richard von Com wall und Wilhelm von Salisbury der Papst schon seit einigen Jahren um so lieber dispensirt hatte, als ihm schon vor dem Bruche mit dem Kaiser der einst gebotene Zug in den Orient, der dort nur die staufische Macht gefördert haben würde, höchst unlieb war *). Jüngst forderte die Curie eifrig in aller Welt zu einer Unternehmung nach Constantinopel auf. Jetzt aber dachte eine Schar vornehmer Herren in England anders, an ihrer Spitze der Bruder des Königs ; und ihnen schloss sich Simon an, als sie zwischen Himmelfahrt und Pfingsten aufbrachen und über Frankreich an das Mittelmeer giengen, um mit ihren Schiffen im Herbst Accon zu erreichen. Das von dem Grafen Richard geführte Heer fand die Trümmer des kleinen christlichen Staats heillos zerrüttet in Folge der schweren Einbussen, welche seine Streiter so eben am 13. November bei Gaza durch die überlegene Macht des Sultans von Aegypten erlitten. Unter vielen anderen vornehmen Herren des Abendlands war dort auch graf Amaury von Montfort in muhamedanische Gefangenschaft gerathen1). Wie weit sich der Bruder an seiner Befreiung betheiligte, wodurch überhaupt sich Simon während seiner Anwesenheit im gelobten Lande hervorthat, wird nirgends berichtet. Aber dass er sich im englischen Kreuzheere befand und auch im Morgenlande durch Geist und Verstand die Blicke der Leute auf sich zog, bekundeten diese selber, als Barone, Ritter und Bürger des Königreichs Jerusalem in einem Gesuche an Kaiser Friedrich vom 7. Juni 1241 sich den Grafen von Leicester bis zur Volljährigkeit des Königs Conrad zu dessen Statthalter in Palästina erbaten 2). Um dieselbe Zeit aber schiffte er sich wieder in die Heimath ein, ijenn noch im Sommer stattete graf Richard, der Palästina bereits am 3. Mai verlassen hatte und zu Trapani auf Sicilien gelandet war, zuerst seiner Schwester der Kaiserin und späterhin auf dem Festlande ihrem Gemahl einen Besuch ab 3), bei dem auch der andere Schwager, vielleicht als Ueberbringer jenes Schreibens, wenn er überhaupt dieselbe Route einschlug, schwerlich gefehlt haben wird. Der Name des Vaters mochte von den Montforts eine Kreuzfahrt als unerlässlich fordern ; aber der Orient vermochte die Abenteuerlust des Grafen von Leicester so wenig zu fesseln, wie einst seinen Vater die Aussicht an der Eroberung Constantinopels Theil zu nehmen. Der ältere Simon leistete unbedingt dem Verbot des mächtigen Papsts Folge ; der jüngere, bei der Curie nicht zum Besten angeschrieben, gerieth dagegen wiederholt in die Bahn des gewaltigen Hohenstaufenkaisers. Wie hätten ihm nicht auch auf diesem Zuge wieder über die fortschreitende Opposition gegen das Weltreich der Päpste die Augen aufgehn sollen.

 

1) Imminet eidem regno pericnlum, si tuo anxtlio et consilio hoc presertim relinquitur tempore destitutum. Gregor IX. an die drei Grafen V. Kai. Mart. 1238, Ms. Add. Mus. Brit. 15,354, p. 399.

 

1) Wilkens, Geschichte der Krenzzöge VI, 604 ff.

2) Ms. Cotton. Vespas. F. I, citirt bei Hndson Turner, Manners and Household Expeoses etc., p. XIX, quil nos baut a bail moli sire Simon de Montfort Conte de Leicestre jusqe alage de nostre seignor le Roi Conrad.

3) Matth. Par. 568. Die Begegnung fand Ende Juni in Terni oder vor Eieti statt. Böhmer, Reg. Imp. 1198—1254, p. 190 Schirrmacber, Kaiser Friedrich der Zweite III, 224

Irre ich nicht, so hieng in diesen Jahren sein persönliches Loos je von dem kaiserlichen oder päpstlichen Einflüsse ab, der wechselweise am Hofe von Westminster vorgewaltet zu haben scheint. Auch nach seiner Rückkehr vom Kreuzzuge blieb er um so eher im Besitz der königlichen Gnade, als mit dem Tode des steinalten Gregor's IX. (August 21, 1241), den dreiwöchentlichen Pontificat Cölestin's IV. abgerechnet, in Rom eine fast zweijährige Sedisvacanz eintrat, die ihre Spuren auch in der inneren Politik Englands zurückliess. König Heinrich, von keinem Legaten überwacht, musste um so sorgfältiger vor den ständischen Forderungen auf seiner Hut sein. Eben jetzt suchte er ihnen durch systematische Beförderung der habgierigen Sippe seiner Gemahlin einen Riegel vorzuschieben. Die Lage war wahrlich nicht der Art, dass er den persönlichen Groll gegen den Grafen von Leicester, den ein grosser Theil des Adels ebenfalls als einen Fremdling anfeindete, hätte weiter nähren sollen. Ausserdem stürzten ihn dynastische Neigungen, von Günstlingen eifrig genährt, in einen auswärtigen Krieg, für welchen ein leidliches Verhältniss zu seinen Schwägern, Kaiser Friedrich II. so gut wie Simon, nur erwünscht sein konnte.

 

Der König von Frankreich, Ludwig IX., hatte seine Hand immer mehr auf die Provinzen im Süden der Loire gelegt und jüngst seinen Bruder Alfons zum Grafen von Poitou eingesetzt. Dies wurde nicht nur als eine Herausforderung bitter empfunden, als eine schimpfliche Beleidigung des mit dem Kreuze behafteten Richard's von Cornwall, der wenigstens noch den Titel eines Grafen von Poitou führte ; der Stiefvater der beiden königlichen Brüder, der in jenen Gegenden ansässige graf von Marche, warf sich nach einigem Bedenken als Parteigänger der plantagenetschen Ansprüche auf und wusste durch seine Ränke, durch die Hinweisung auf Beistand von Toulouse und Aragon die Kriegslust in Westminster zu steigern. Eine Expedition war bereits beschlossene Sache, der üble Ausgang des Zugs nach der Bretagne im Jahre 1230, die Waffenruhe, die mit Frankreich bestand, schienen ganz vergessen. Auch als gegen Ende Januar 1242 die Gesammtheit der Magnaten nach London entboten worden um über dringende Staatsgeschäfte mit dem Könige zu verhandeln und, da dieser nicht die mindesten Concessionen gewährte, einen energischen Protest aufsetzte, der die Forderung eines Hilfsgeldes zurückwies *), da beharrte Heinrich bei seinem Willen und wusste wenigstens einzelnen Baronen, Aebten und Prioren Geldbeiträge abzunöthigen, eine Anzahl der ersteren zum persönlichen Gefolge 'zu verpflichten.

 

1) Das Ausschreiben Omnibus episcopis, abatibns, comitibns et baronibus in Reports from the LoräV Committee touching the dignity of a Peer III, p. 7, a die Sti Hilarii in 15 dies ad tractandum nobiscum .... de arduis ncgotiis nostris, statum uostrum et totius regni nostri specialiter tangentibns. Mattb. Par. 579 die Martis prox. ante Pnrif. B. Virginis (Januar 28.) vgl. Gesch. v. England III, 647.

 

Im Mai trat er dann, von der Königin und seinem Bruder, von sieben Grafen und 300 Rittern begleitet die thörichte Fahrt nach der Garonne an. Zunächst nahm er sein Feldlager nordwärts in Saintes, von wo aus der kriegslustige Adel seiner südfranzösischen Herrschaften in die Waffen gerufen und Streitkräfte selbst aus Irland und Wales herangezogen wurden. Im Kampfe mit dem Heere Ludwig*s IX. aber, dem die Engländer am 22. Juli bei Taillebourg den Uebergang über die Charante nicht zu wehren vermochten, zogen sie den Kürzeren, da die Poitevinen, die sie gerufen, Hugo von Marche an der Spitze, zum Feinde übergiengen. Viel kostbare Beute fiel diesem in die Hände ; die Engländer wären vernichtet, ihr König selber gefangen worden, wenn die Grafen von Leicester, Salisbury und Norfolb nicht tapfer fechtend den Rückzug auf die Garonne gedeckt hätten 1). Der längere Aufenthalt, den der Hof darauf in Bordeaux nahm, festigte trotz den gegentheiligen Einflüssen, welche der graf von Toulouse und der König von Aragon noch immer wider das Haus Montfort zu üben suchten, das gute Einvernehmen mit Simon beträchtlich. Der König sorgte wiederholt für seinen Unterhalt ; nächst dem Grafen Richard galt er als vornehmster Rathgeber '). Und als dieser nebst den meisten anderen vornehmen Herren nach England heimkehrte, wo die Stände wieder besonders schwierig mit keiner Deckung der Kriegskosten zu schaffen haben wollten, behauptete er seine Vertrauensstellung in einem Lande, das einst in dem Bereiche der Eroberung seines Vaters gelegen und dessen feudalistischen Autonomien seit jenen Tagen jeder Zaum einer centralisirenden Herrschaft abgenommen war. Er benutzte die Zeit, um mit scharfem Auge das Parteitreiben des Adels, die Lage der Städte, das Verhältniss der englischen Krone zu diesen sehr unzuverlässigen Vasallen, die stets wechselnden Stimmungen im Lande zu durchdringen, und folgte vermuthlich dem Könige, als dieser nach Abschluss einer fünfjährigen Waffenruhe mit Frankreich, nachdem er ganz Poitou hatte abtreten müssen, fürs erste wenigstens seines Herzogthums Guienne sicher, sich im September 1243 nach England einschiffte. Bald hernach übertrug ihm der Fürst, doch unstreitig als Zeichen seiner Huld, die Custodie des Schlosses von Kenilworth, das graf und Gräfin schon früher beherbergt hatte und einige Jahre später der letzteren auf Lebenszeit verliehen wurde 2). Während der nächsten Jahre blieb Simon stummer Zuschauer der immer ärgeren Missregierung des Königs. Von ihm 1244 nach Westminster berufen hatten Prälaten und Barone wiederum einen vergeblichen Versuch gemacht auf eine würdigere Besetzung der hohen Reichsämter und sparsamere Führung des Staatshaushalts einzuwirken. Um die Zeit, als Papst Innocenz TV. den Krieg auf Leben und Tod mit dem Hohenstaufenkaiser aufnahm und die Kirche wie die Fürsten und Völker des Abendlands durch die welterschütternden Verhandlungen von Lyon gefesselt wurden, stand auch Heinrich III. wieder williger als je unter römischer Leitung. Je mehr er sich aber in seiner Schwäche dieser überliess, desto schärfer wurde die Spannung mit den Kronvasallen. Der Klerus war über die masslosen Ansprüche der päpstlichen Kammer empört, die überaus erfinderisch mit ihren Provisionen, Sportein, Taxen, mit Vergebung fremder Beneficien an habgierige Italiener gerade in England eine reiche Quelle entdeckt hatte, mit der sich die enormen Kosten des gewaltigen Kampfs bestreiten liessen. Der Adel sah mit steigendem Verdruss, dass diesem geistlichen Raubsystem das weltliche parallel lief. Neben dem Oheim der Königin, Erzbischof Bonifaz, erschienen gelegentlich seine Brüder Amadeus, der regierende graf von Savoyen, und Thomas ; ein vierter, Peter, setzte sich in England fest und vermittelte wahrhaftig nicht im nationalen Interesse die dynastische Politik mit den Höfen von Lyon und Paris. Als im Jahre 1246 Isabella, des Königs Mutter, gestorben war, nahm sich dieser, der im Unterschiede zu den älteren Plantagenets nicht ohne Gefühle der Pietät war, sehr thätig seiner zahlreichen Stiefgeschwister an. Zwei von ihnen sollten durchaus in England bedacht werden und machten gar bald den einheimischen Magnaten das Leben sauer, Wilhelm von Valence, ein übermüthiger, üppiger Rittersmann südfranzösischen Schlags, der sich die Grafschaft Pembroke verschreiben liess, und Aimar, dem keine noch so reiche Pfründe gut genug, bis ihm, der noch nicht einmal das kanonische Alter erreicht hatte, das herrliche Bisthum Winchester zu Theil wurde.

 

1) Bericht Heinrich's III. an Kaiser Friedrich bei Rymor I, 206, Sept. 19, aber falsch nnter 1232. Das Datum erhellt ans den Rot. Vascon. 26 Henr. III, membr. 5, von denen leider nur einige Bogen gedruckt, aber niemals veröffentlicht worden sind. Mattb. Par. 591—596.

 

1) Qaingentas marcas de dono nostro, Juli 2 ; quinquaginta marcas de anmio feodo, Sept. 8. Zeuge bei der Belehnung eines Vasallen Richard's, Aug. 3. Kot. Vascon. 26 Henr. III, membr. 2. 3. 11.

2) Kot. Lit. Pat. 28 Henr. III, membr. 8, Febr. 13. 1244. 32 Henr. III, membr. 11, Jan. 9. 1248.

 

Gegen solche Bedrückungen und Spoliationen wuchs naturgemäss die längst vorhandene Opposition. Wiederholt beschwerte sich die Kirche durch den Mund ihrer Procuratoren bei dem Papste selber ; zweimal erschien der muthige Bischof Robert von Lincoln in Person zu Lyon um, wie er daheim Stand und Beruf gegen Hoch und Niedrig vertrat, auch dem heiligen Vater persönlich in das Gewissen zu reden. Ueberhaupt bewahrte Grosseteste eine Unabhängigkeit, die, kirchlich völlig untadelig, doch national wieder lebhaft an Stephan Langton erinnerte. Auch er erbückte in der unbehinderten Berathung, in den Beschlüssen der Stände das einzige gesetzmässige Mittel den Träger der Krone zur Besinnung zu bringen. Und eben jetzt wuchs die Bedeutung der fast regelmässig wiederkehrenden und bereits als Parlamente *) bezeichneten Versammlungen stetig an. Von einem Jahre zum anderen wurde die Einsprache der geistlichen und weltlichen Stände stürmischer sowohl wider die schamlose Habgier der Curie als in Betreff der längst stehend gewordenen Landesbeschwerden. Statt der Verschwendung wollte man geregelte Finanzen nicht ohne Einsicht der vornehmen Steuerzahler, statt der Scharen auswärtiger Günstlinge oder Amtsverweser niederer Herkunft eine Besetzung der Hauptbehörden im Einverständniss zwischen dem Fürsten und seinen unmittelbaren geistlichen und weltlichen Lehnsträgern.

 

1) Zuerst offlciell Rot. LH. Claus. 28 Henr. III, membr. 13. 1244 Parliamentum Runemede quod fuit iiiter Dom. Jobaunem Regem patrem nostrum et Barones suos Aogliae. Cf. Ann. de Dunstaplia 164, a. 1244. Dann Matth. Far. 696, a. 1246 convenit ad parlameutum generalissimum. Vgl. Gesch. v. England IV, 668, und Gneist, Geschichte und heutige Gestalt der Aemter und des Verwaltungsrechts in England, 2. Auflage, 1866, I, 293.

 

Fünf Jahre lang sah der graf von Leicester ohne Partei zu ergreifen diesem unerquicklichen Treiben zu, ungetrübt in seinen persönlichen Verhältnissen und glücklich in der Familie. Schon hatte ihm seine Gemahlin drei Söhne geboren. Man sah ihn wohl mit der Frau und den beiden ältesten zu den Osterfeierlichkeiten ein oder das andere berühmte Stift besuchen, an dem Gottesdienst der Mönche sich betheiligen und fürstlich, wie die Seinen empfangen, dafür danken *). In inniger Freundschaft dem Bischof von Lincoln verbunden, tauschte er mit diesem 2) und dessen Vertrauensmann, dem gelehrten Oxforder Franciscaner Adam von Marsh, alle seine Besorgnisse über die Lage der von den säcularistischen Tendenzen der Zeit bedrohten Kirche, über den weiterreissenden Conflict zwischen der Krone und den Ständen aus. Damals schon gewann Adam in kleinen und grossen Dingen am gräflichen Hofe die Bedeutung des Beichtvaters ; schriftlich vermittelte er, der eifrige Correspondent, den Verkehr gerade in diesem Freundschaftsbunde. Als dem Bischöfe sein Koch gestorben, bat er Eleonore, aus ihren Dienstboten den geeigneten Nachfolger auszulesen *). Bald aber erhielt auch der Seelsorger ernstere Aufgaben.

 

1) Ueber den Besuch von Waverley in Scssex am Palmsonntag 1245 Annales Waverl. bei Luard, Annales Monastici (Her. ßrit. med. aevi SS.) II, 336. Im Jahre 1263 wurde Simon von dem Prior von Dunstaple in die Fraternität aufgenommen. Ann. de Dnnst. bei Luard, Ann. Monast. III, 226.

2) Ipsins consilio tractabat ardua, tentabat dubia, flnivit inchoata, ea maxime, per qnae meritum sibi succrescere aestimabat. Will. Rishanger, Fortsetzer des Matth. Paris, ed. Riley, Rer. Brit. med. aevi SS. 36.

 

Im Jahre 1248 entschloss sich der König den Grafen von Leicester nach der Gascogne zu senden. Nicht als ob er ihn aus dem Wege haben wollte, denn sie standen um diese Zeit durchaus auf gutem Fuss mit einander. Erst im vergangenen October war Simon von einer Mission an den französischen Hof zurückgekehrt, welche die Verlängerung und Befestigung des vor fünf Jahren abgeschlossenen Waffenstillstands zum Zweck hatte. Dem Februar-Parlamente, das stürmisch auf Einsetzung würdiger, den Ständen angenehmer Männer als Kanzler, Grossjusticiar und Schatzmeister drang, hatte er zwar beigewohnt, aber ohne sich an der heftigen Opposition zu betheiligen. Gleich anderen abermals von aufflackernder Begeisterung ergriffen, hatte er so eben nebst seiner Gemahlin und ihrem ganzen Hause das Kreuz genommen 2). Das konnte ihn jedoch nicht hindern, dem Rufe des Königs Folge zu leisten, der ihn mit dem hohen Range eines Stellvertreters (locum tenens) und nicht als gewöhnlichen Seneschall für die lange Dauer von sechs Jahren auf einen überaus schwierigen und verantwortlichen Posten wies *). Nachdem er die erforderliche Ausrüstung vollendet, namentlich Geld bei den Bürgern Londons aufgenommen hatte, eilte er noch im October über Frankreich, dessen Regierung nur zögernd auf die friedlichen Anträge der Engländer einzugehen schien, nach Bordeaux.

 

1) Ipsa antem non tantum de beneplacito vestro non est molettata etc. Adam de Marisco an Bischof Robert, bei Brewer, Monumenta Franciscana, p. 170. Rerr. Brit. med. aevi SS., 1858. Adam's Briefe sind in einem Codex gesammelt, aber sämmtlich undatirt.

2) Matth. Paris 739. 742.

 

Noch weit misslicher als früher lagen die Dinge im Herzogthum. An der Spitze des ewig unruhigen Landesadels trotzte der mächtige Vicomte Gaston von B4arn, dessen ränkevolle Mutter einst im Jahre 1242 von Heinrich III. namhafte Vergünstigungen erschlichen hatte, der Obergewalt des Hauses Plantagenet, während von Süden der König Theobald von Navarra auf die morschen Zustände der Provinz drückte, von Norden selbst trotz den friedlichen Beziehungen sich die Fortschritte des französischen Königthums beständig geltend machten. Auch die inneren Missstände Englands wirkten bereits herüber, da nach den Launen des Königs zum grossen Nachtheil der staatlichen und wirthschaftlichen Verbindung mit den Statthaltern und Seneschallen unablässig gewechselt wurde. Schon sann eine feindselige Faction in den Städten, ob es nicht rathsam sei, die Quelle ihres Reichthums, die Weinausfuhr, von England nach Spanien zu verlegen. Es galt in der That den vor einem Jahrhundert durch Eleonore von Poitou herbeigebrachten aquitanischen Besitz vor unmittelbarem Verlust zu retten. Und Simon widmete sich dieser Aufgabe sogleich beim ersten Anlauf mit so wundervoller Energie, dass, nachdem Graston zur. Unterwerfung genöthigt worden, auch die wilde Ritterschaft wieder ihrer Lehnspflicht eingedenk wurde und der König von Navarra sich in Betreff gewisser Grenzstreitigkeiten einen schiedsrichterlichen Spruch gefallen Hess *). Zu allgemeinem Erstaunen überbrachte der graf in eigener PerBon seinem Hofe bereits zu Weihnachten die Anzeige von der vollständigen Beruhigung der Provinz und empfieng dafür in aller Form den Dank des Fürsten 2). Im Februar 1249 begab er sich abermals nach Süden. Doch schon von Paris aus, wo es wieder höhere Aufträge zu erledigen gab, richtete er ein merkwürdiges Schreiben über die Verhältnisse der Gascogne an den König, wohl das einzige, das überhaupt von ihm erhalten ist und den ersten Einblick gewährt in seine schlimme Stellung zwischen südfranzösischen Rebellen und den am englischen Hofe thätigen Intriguen. Er meldete 3), dass nach den neusten Nachrichten aus Bordeaux eine Anzahl gascognischer Edelleute, die während der letzten Unruhen ihr Eigenthum verwirkt hätten und es nimmermehr von dem competenten einheimischen Tribunal zurückerhalten würden, sich mit ihrem Anhange verschworen hätten es mit Gewalt wieder zu gewinnen. Ein Aufstand sei mit Sicherheit gegen Pfingsten zu erwarten und werde ihm persönlich sehr gefahrlich werden, denn der Adel des Lands hasse ihn, da er die Rechte der Krone und des niederen Volks vertrete 1). Ehe er sich dorthin begebe, müsse ihm daher der König neue Instructionen ertheilen und vor allen die ünerlässlichen Streitmittel gewähren, denn nicht ein Pfennig von den Landesrevenuen stehe zur Verfügung, da der König von Frankreich sie vollständig mit Beschlag belege. Auch mit einem einfachen Heere und gewöhnlicher Kriegführung lasse sich gegen ein Volk nicht fertig werden, das sich wie Räuber und Stegreifritter in vielen Trupps zu zwanzig, dreissig, vierzig auf die Gegner stürzt um ihnen Hab und Gut zu zerstören. Aus allen diesen Gründen wünschte der Graf, ehe er aufbrach, noch einmal dringend den König zu sprechen, um so mehr als diesem wohl allerlei dunkle Beschuldigungen zugetragen würden, als ob sein Schwager der Anstifter des befürchteten Aufstands wäre. Da für die königlichen Schlösser und Garnisonen an der Garonne die nöthigste Sorge getroffen worden und das dem Grafen aufgetragene Geschäft am Pariser Parlament guten Verlauf nahm, so gieng er denn auch noch einmal über die Meerenge, vorzüglich um den Anschlägen seiner Gegner den Weg zu dem wankelmüthigen Könige zu verlegen.

 

1) Rot. Lit. Pat. 32 Henr. III, membr. 2, Sept. 7. 1248. Matth. Par. 838 : confecit ei chartam suam de Custodia per sex aimos continuanda.

 

1) Rymer I, 269, Febr. 6. 1249.

2) Grates vobis referimus copiosas de sollicitudine nec non et laborlbus immensis, negotii nostris terrae Dostrae Wasconiae vigilanter a virilitate vestra mnltotiens impensis. Rymer I, 271. Cf. Matth. Paris 757. 767.

3) Donnee a Paris la Veile de Pasqnes (April 3). Obwohl die Unterschrift fehlt, so kann doch Niemand anders als Simon den Brief geschrieben haben. Shirley, Royal Letters II, 52.

 

Nachdem er sich in dieser Weise daheim den Rücken gesichert zu haben meinte, trieb er dann im Sommer den Herrn Gaston von Bearn und seine Helfershelfer zum zweiten Mal zu Paaren, liess sie ergreifen und als Gefangene nach London abfuhren. Diese Erfolge, die er rings durch das Land durch feste Posten zu stützen wusste, erfreuten sich anscheinend des vollen Beifalls seines Herrn, der ihm jetzt die irischen Staatseinkünfte und den Erlös einer grossen Versteigerung aus den königlichen Weinlagern anweisen liess, um die Gascogne nach Kräften sicher zu stellen *). Allein mit demselben Boten, der diese erwünschten Mittheilungen überbrachte, zeigte der König seinem Statthalter an, dass er den Vicomte von Bearn und den Ritter' Arnald de Hasta, da sie sich ihm reumüthig unterworfen und auf ewige Zeiten Treue geschworen, in Freiheit gesetzt und nach Hause entlassen habe 2). War es selbstherrische Thorheit oder von anderen genährter böser Wille, Heinrich selber störte die wackere Arbeit seines Bevollmächtigten, dem es erst im Laufe des Jahrs 1250 gelang das festeste Schloss Gaston's, Egremont, zu brechen, einen anderen gefährlichen Rebellen den Vicomte von Fronzac zu besiegen und den stolzen Gilden von Bordeaux, die sich ihm gleichfalls sehr spröde gezeigt hatten, den schuldigen Respect abzunöthigen. An Zeugnissen für seinen Gerechtigkeitssinn fehlte es andererseits nicht, denn die Bürger von Castel d'Uza hatten, wie sie dem Könige vorstellten, in einem alten Handel mit dem Herrn von Tartas, nachdem die früheren englischen Statthalter sämmtlich taub geblieben, zuerst bei dem Grafen von Leicester Gehör gefunden 3).

 

1) Por ce qoe je snl si raauvolen de les graunz genz de la terre, por ce quo je sostien voz dreitures et de la poure genz contre aus,

 

1) Patente vom 28. Nov. nnd 28. Dec. bei Shirley II, 55. 56.

2) Shirley II, 56. 57, Deo. 27. 28. Cf. Matth. Paris 775.

3) Hanc veritatem et querelam ostendinras multis ballivonim vestrorum, qui nulluni ibidem consiliuni posuerunt, donec per Dei gratiam

 

Trotzdem wuchsen diesem die Schwierigkeiten über den Kopf. Durch das Meer und Frankreich in weiter Ferne von dem Herzoge geschieden, war Guienne kaum noch gegen den Geist zügelloser Unabhängigkeit zu behaupten. Die von der Krone gewährten Mittel wurden wie ein Tropfen auf heissem Stein stets auf der Stelle aufgezehrt, so dass der Graf, wenn er sich halten wollte, längst von dem Eigenen hatte daran geben müssen. In England liess er bereits seine Forsten fällen, um mit dem Erlös und den Revenuen des ihm in Pflegschaft übertragenen Lehns von Umfranville die Löhnung für seine Mannschaften und die Unterhaltung der Zwingburgen zu bestreiten, die er hatte anlegen lassen. Möglich, dass er sich vorsätzlich oder im Unmuth über das treulose Geschlecht, das er beugen wollte, durch übertriebene Strenge das Werk erschwerte. Am Meisten aber verdarb doch der Fürst, dessen Souveränetätsrechte er zu schirmen unternommen, denn, seitdem Gaston und andere frei gegeben, hielten diese sich pfiffig den Weg zu dem argwöhnischen Ohre Heinrich's offen, während sie in ihrer Heimath den Aufstand als nur gegen dessen Statthalter gerichtet erneuerten. Um gegen sie seine Sache zu vertreten und die englische Regierung zu nachhaltigerer Unterstützung zu bewegen, war der graf von Leicester im Winter abermals nach Hause geeilt. Zu Epiphanias 1251 trat er vor den König, erinnerte ihn an die Erfahrungen, die er selber im Jahre 1242 mit den Südfranzosen gemacht hatte, und drang auf Hilfsmittel an Geld und Leuten. Charakteristisch lautete die

 

Dominus Simon de Monte Forti, comes Leicestriae, venit in Vasconiam, cni banc veritatem ostendimus et querelam. Bei Shirley II, 58.

 

Antwort :, Beim Haupte Gottes, Du sagst die Wahrheit, Graf, und ich will Dir, da Du mir so tüchtig dienst, die wirksame Hilfe nicht versagen. Aber schwere Klagen sind an mich gelangt, dass Du solche, die friedlich zu Dir kommen, oder die Du selbst hast rufen lassen, ins Gefängniss geworfen und sogar ums Leben gebracht hast. Simon versicherte dagegen, dass die bekannte Verrätherei seiner Ankläger sie als Lügener erweisen müsse, und der König willfahrte ihm so weit, dass er 3000 Mark gab und den Grafen, der hiefür und auf eigene Kosten einige hundert Brabanter anwarb, von Neuem gewähren liess *).

 

Es war während dieses, jedenfalls nur kurzen Aufenthalts, dass Simon über sein Hauswesen einige bemerkenswerthe Verfügungen traf und sich wieder im freien Gedankenaustausch mit seinen vertrauten Freunden erquickte. Die Bischöfe von Lincoln und Worcester, die Franciscaner Adam von Marsh und Gregor von Bosell verweilten häufig bei ihm 2). Mündlich und schriftlich war viel von den, Zeichen der Zeit, den ungeheueren Weltereignissen, wie dem Ende des grossen Hohenstaufenkaisers, dem Unglück Ludwig's IX. bei Mansura, der verzweifelten Lage des heiligen Lands, den steigenden Bedrängnissen in Kirche und Staat und auch von des Grafen eigenen Prüfungen die Rede 3). Dem pflichttreuen Adam, der wohl sein Ausbleiben in Kenilworth mit den Vorlesungen in Oxford entschuldigte, gereichte es zu hoher Freude, dass, wie er aus sicheren Angaben vernommen, König und Königin, graf Richard und andere vornehme Prälaten und Herren wieder eine viel freundlichere Gesinnung gegen den Grafen zu erkennen gaben *). Derselbe treue Freund und Seelsorger, der unermüdlich den Verkehr nach allen Seiten betrieb und Simon's Herz stets offen fand für die religiösen, weltverbessernden Gedanken dieses reformatorischen Kreises, half ihm und seiner Gemahlin, die ihn dieses Mal in die Gascogne begleiten wollte, ihre jungen Söhne zur Aufsicht und Erziehung bei Robert Grosseteste unterbringen *). Kein Brief fortan, in welchem er den Eltern nicht von dem Befinden der Kinder und ihres würdigen Pflegers, des Bischofs von Lincoln, gemeldet hätte.

 

1) Matth. Paris 779.

2) Auch der gelehrte Jobannes von Basingstoke, der in Athen Etndirt nnd Griechisch verstand, gehörte in diesen Kreis. 1252 hatte Simon seinen Tod zu beweinen, gemitus et lachrymas multiplicavit comitis memorati. Matth. Paris 835.

3) Die vielen sehr dunkel gehaltenen Briefe Adam's sind schwer unterzubringen, doch ziehe ich hierher K, 144 und 145 bei Brewer, Monnmenta Franciscana, p. 276 ff., da sie an Simon nnr während seiner Anwesenheit in England gelichtet sein können.

 

Auch nachdem Simon sich mit Frühlingsanfang eingeschifft und dann bald kräftiger gerüstet die Empörung zum dritten Mal niedergeworfen hatte, erhielt er auf demselben Wege Mittheilungen über Vorgänge und Stimmungen bei Hofe, so wie weise Rathschläge für das eigene Verhalten. Wenn er bisweilen dem Verzagen nahe über die Unzuverlässigkeit des Königs, der weder die Bande des Bluts noch sein Versprechen zu achten schien, sich schon verloren gab, so verwies ihn der fromme Franciscaner nicht nur an die Trostbücher des alten Testaments, den Hiob und die Proverbien, sondern erzählte auch von einem ermuthigenden Gespräche mit dem Könige, dessen Vertrauen in die Integrität des Grafen schon festzuhalten wäre, wenn seine Umgebung es nicht verhinderte *). Mit demselben Boten, Johann de la Haye, einem öfter genannten Dienstmanne Simon's, schrieb Adam der Gräfin, dass bei den grossen Sorgen, Ausgaben und Anfechtungen, in welche sich ihr Gemahl gestürzt habe, um ihrem Bruder, dem Könige, sein Eigenthum zu erhalten, sie die Aufgabe habe bei beiden Theilen auf Milde und ruhigen besonnenen Rathschluss hinzuwirken 2). Auch der nicht leicht zu erfüllende Wunsch der beiden Gatten einen Beichtvater aus der ihnen lieb gewordenen Brüderschaft bei sich zu sehn, wurde mehrfach besprochen. Bosell, der sich schon zur Abreise anschickte, musste leider einer Verwendung beim Erzbischof von Canterbury Folge leisten. Dann kamen wieder üblere Nachrichten in Form einer langen Trostepistel mit Ausführungen über die bedrängte Lage der Christenheit und Englands insbesondere. Sie meldeten von gesteigerter Erbitterung des Königs, offenbar in Folge gewisser Aeusserungen des Grafen, der seine feuerigen, hochmüthigen Gedanken schwer bei sich behalten konnte und deshalb dringend zu grösserer Verschwiegenheit ermahnt wurde, da den Thoren das Herz im Munde, den Weisen aber der Mund im Herzen sitze *). Allerdings wurde nun eine Reise nach England wieder dringend nöthig befunden, mochte der treue Gewissensrath vor allen bei der Gräfin auch noch so sehr auf grosse Vorsicht und Behutsamkeit bestehn 2). Nachdem Simon für die Vertheidigung seiner Burgen, so weit es möglich, gesorgt, begab er sich im November in Begleitung seiner Frau über Frankreich nach London. Schwerlich wäre ihnen der König zur Begrüssung entgegen gegangen, wäre nicht einer seiner Stiefbrüder, Gui von Lusignan, von der Gesellschaft gewesen *).

 

1) Longe sereniorem solito, sit benedictus Dens pacis et dilectionis, concepernnt benevolentiam. An Simon, N. 146.

2) Dominus comes Leycestriae, si contingat enm maturins redire in Vasconiam deliberatione cum domina comitissa et mectim super hoc habita, proponit etc. An Grosseteste, N. 25. Vgl. Rishanger ed. Riley 36 eique snos parvules tradidit nutriendos.

 

1) Si in hac parte ipsam favorabiliter sua fulcircnt latera.

2) Ich combinire wegen des in beiden genannten Boten N. 140 nnd N. 161, obwohl Brewer, p. 297, das letztere Schreiben unter 1252 setzen möchte.

 

Mittlerweile rührten sich die Basken abermals nicht nur mit den Waffen in der Hand, sondern mit immer ärgeren Beschwerden gegen denjenigen, der, wenn irgend einer, ihnen den für die öffentliche Ordnung unerlässlichen Zaum anzulegen vermochte. Listig bezeichneten sie ihn als den schlimmsten Verräther an de^ Krone, weil er Edelleuten und Bürgern mit unerhörter Gewalt ihr Gut abpresse sich selber zu bereichern, während der König, den der Papst unaufhörlich zu einem Kreuzzuge antrieb, nicht mehr aus noch ein wisse 4). Als Simon sich beklagte, dass solchen tückischen und

 

1) Der lange Brief, N. 143, nach dem 18. Oct. [1251] geschrieben, an welchem Adam durch eine Predigt den Zorn des Königs erregt zu haben erzählt.

2) De profectione vestra erga regnum Angliae cavendum est omnino ne flat sine magna deliberatione et provisione discreta. Adam an Eleonore, N. 160.

3) Matth. Paris 810.

4) Beschwerdeschriften der Commune La Keole und des Vicomte Raimund de Soule gegen Simon's Administration und namentlich gegen seinen Seneschall Wilhelm P'igorel, frühstens ^om Februar 1252, bei Shirley II, 72 ff. yerglichen mit Matth. Paris 814,

 

längst überführten Menschen mehr Glauben geschenkt werde als ihm dem Diener der Krone, erwiderte der König trocken, dass ihm, wenn er sich so unschuldig fühle, ja eine unparteiische Untersuchung nur erwünscht sein müsse. Er war gekommen um weitere Unterstützung und vorzüglich Ersatz für die von ihm selber geleisteten sehr bedeutenden Vorschüsse zu erwirken — und wirklich wurden am 4. Januar 1252 eilf vornehme, aber zum Theil übel gesinnte Magnaten zu Schiedsrichtern ernannt, um über die Höhe seiner Geldforderungen abzuurtheilen 1). Statt ihm jedoch sofort auch nur in diesen Stücken gerecht zu werden, bezeichnete der König vielmehr gleichzeitig zwei Commissare, die sich nach der Gascogne zu begeben hatten um ein förmliches Verfahren wider ihn einzuleiten, den Tempelmeister in England Rocelin de Fos, einen geborenen Basken, und Heinrich on Wingham, der einmal selber Seneschall in Bordeaux gewesen war und jetzt der königlichen Kanzlei angehörte 2). Allein der Engländer und der Südfranzose wurden über ihre Nachforschungen bald entgegengesetzter Meinung ; und obwohl ein dritter, des Königs böser Halbbruder, Wilhelm von Valence, das Haupt der ausländischen Partei, sich ebenfalls hinausbegeben hatte, kamen sie einstweilen zu keinem anderen Ergebniss, als dass die Ritterschaft und eine Reihe Städte und Burgen von Guienne eii^e gemeinsame Beschwerdeschrift formulirten, die durch eine Anzahl vornehmer Delegirten mit dem Erzbischof Girald von Bordeaux an der Spitze, dessen Treue in sehr zweifelhaftem Rufe stand, in Westminster überreicht werden sollte. Die Commissare sistirten überdies den Kampf um die Burg von la R6ole, den Gaston gegen die Truppen Simon's führte, und erwirkten einen königlichen Befehl, dass dieser selber, der ihnen schleunig gefolgt war um ein einseitiges Verfahren zu hintertreiben, zu einem bestimmten Termin nach Ostern sich in London zu stellen habe *). Durfte es auch seinen Anklägern schwer .werden, die einzelnen Fälle der ihm zur Last gelegten Härte und Eigenmacht als zu eigenem Vortheil und nicht im königlichen Dienst verübt darzuthun, so war die Meinung gegen ihn doch bereits so stark, dass jene Ankläger gar leicht unter seinen Richtern Platz nehmen konnten. Sie wollten denn auch, als sie gleichzeitig mit ihm in England eintrafen, sofort über ihn herfallen, doch musste der Bericht einer zweiten Commission abgewartet werden, die, um weitere Beweismittel zu sammeln, ähnlich wie die erste aus einem Engländer und einem Gascogner, Nicolas de Molis, 1244 ebenfalls Seneschall, und Drogo de Valentin, zusammengesetzt, der König nach der Garonne abgefertigt hatte. Erst nachdem diese Männer heimgekehrt und offenbar auch Mancherlei zu Gunsten des Beklagten mitgebracht hatten, so dass Heinrich, der ihn gern vernichten wollte, und eben jetzt abermals einen seiner ärgsten Feinde, den trotzigen Arnaut von Egremont, in Freiheit setzte, der Billigkeit freien Lauf lassen musste. In der Woche zwischen Himmelfahrt und Pfingsten begannen die Verhandlungen, in welchen der graf von Leicester vor versammeltem Reichsrath seinen wüthenden Feinden gegenüber stand *).

 

1) Patent bei Shirley II, 68. Wozu die Protectio qnam diu fuerlt in serviclo regis in Vasconia, Rot. Lit. Pat. 36 Henr. III, membr. 11, Febr. 22.

2) Schreiben an die Königin Blanche von Frankreich, da es sich auch um Bruch des Waffenstillstands handelte, und Vollmacht vom 6. Jan. Shirley II, 69. 70.

 

1) Bericht von Fos nnd Wingham bei Champollion Figeac, Lettres de rois etc. I, 116 irrig anter 1253, bei Shirley II, 76 richtig, März 6. 1252. Gesuch der Gascogner, petunt quod dominus comes Leycestrie presens sit in Anglia etc. Brief N. 1604 im Public Record Offlce. Heinrich's Citationsschreiben an Simon vom 23. März, a die Paschae in unum mensem. Shirley II, 81 ; cf. Matth. Paris 828. 832.

 

Die Gascogner, angefeuert durch die ihnen gewährte Gunst, während Simon statt des Grusses nur verhaltenen Groll im Antlitze des Königs las, hüben laut und heftig mit ihren Klagen an, die sie auf einen Vergleich mit den vorhergehenden, von ihnen als segensreich geschilderten Administrationen stützten. Der graf dagegen bestritt die Glaubwürdigkeit von Leuten, welche sich gegen jede Autorität aufbaumten, und appellirte gerade an seine Vorgänger und namentlich an den Grafen Richard von Cornwall, der vor mehreren Jahren die Treulosigkeit derselben Stammesart und nicht minder die Flatterhaftigkeit des Königs, von dem auch er aus ähnlichen Gründen im Stich gelassen worden, kennen gelernt hatte. Und in der That, die Verantwortung machte nicht nur auf zuverlässige Freunde wie den Bischof Walter von Worcester, sondern auch auf die einflussreichsten Mitglieder des Reichsraths wie die Grafen von Cornwall und Glocester den günstigsten Eindruck, so dass sie sich geneigt zeigten ihren Standesgenossen, dessen Gerechtigkeitsliebe und Uneigennützigkeit sich so wenig anfechten liessen wie sein Heldenmuth, am Besitz und an der Ehre zu schirmen. Allein mehr mit gutem Willen als mit schneidigem Wort und sicherer That sprangen sie ihm bei. Es blieb ihm wesentlich allein überlassen durch Zeugen und Documente das tadellose Ziel seiner Handlungsweise sowohl wie den Grund der Beschuldigungen darzulegen, die daraus entsprangen, weil er Leute, die völlig verwildert allem Rechte den Krieg machten, zum Gehorsam hatte bringen wollen *). Als nun seine Gegner während der viele Tage in Anspruch nehmenden Einzeldebatten immer mehr in die Enge getrieben wurden, als sie sich tief in die eigenen Lügen verstrickten, und schon zur Genugthuung der Prälaten und Barone die Entscheidung zu Gunsten der bescholtenen Unschuld bevorstand, da reizte eines Morgens der König, der sich bei jeder Gelegenheit in persönlichen Schmähungen ergieng, den Schwager, der bis dahin mit bewundernswürdiger Mässigung sein feueriges Temperament gezügelt hatte 2), zu einem beispiellosen Gezänk. Heinrich, von jenem an seine heiligsten Versprechen, an die von ihm zu ersetzenden Leistungen erinnert, sagte :, Einem Schwindler und Verräther wie Dir brauche ich in keinem Stück mein Wort zu halten, weil Du selber Dich aller Verträge entzogen hast. Da fuhr Simon auf und nannte ihn einen Lügner, der zur bösen Stunde (mala hora) ein solches Wort gesprochen haben würde, falls ihn nicht sein Diadem schützte., Darf man Dir je als einem Christen glauben ? Hast Du je Deine Sünden bekannt ? Und wenn Du es gethan, geschah es mit zerknirschtem, reuigem Herzen ? Worauf der König in hellem Zorn :, Keine That reut mich Zeit Lebens so sehr, als dass ich Dir erlaubt habe nach England zu kommen und hier Land und Ehren zu erwerben, damit Du, fett geworden, ausschlagen könnest. Mit Freuden würde er ihn haben ergreifen und in den Tower werfen lassen, wenn er sich nicht vor den Ständen gescheut hätte, die durch ihre Vermittelung wohl diesen unwürdigen Ton der Verhandlungen zu mildern vermochten, aber noch keineswegs den gewohnheitsmässigen autokratischen Gelüsten energisch zu begegnen wagten 1). Der Auftritt, in welchem die niedrig rachsüchtige und doch im Gebieten ohnmächtige Sinnesart des Königs mit der stolzen, über allen Widerstand ungeduldigen Thatkraft des Grafen zusammenplatzte, hinterliess den Eindruck, dass die schon vor Jahren zu gegenseitigem Misstrauen gelegte Saat hoch aufgeschossen, und dass zwischen zwei so entgegengesetzten Naturen, vorzüglich auch wegen der Incongruenz ihrer äusseren Stellung zu einander, nimmermehr auf gewöhnlichem Wege Eintracht und Versöhnung erzielt werden könne.

 

1) Matth. Paris 836 : circa Pentecosten, paucis ante diebus vgl. Ann. de Dnnstaplia 184. Nach dem Berichte Adam's an Grosseteste : circa festam ascensionis Domini (Mai 9). Brewer, Monum. Francisc. 123.

 

1) Nec Deum timentes, nee hominem reverentes, sine reg (ine lege agentes, foedera violantes, affectionem non curantes .,. idem comes studiis quibus valuit coercere curabat. Adam von Marsh 1. c.

2) Per omnia moderantiam mansuetudinis cum magnanimitatis maturitate et ad suum Dominum et ad adversarios Buos observans. Ibid.

 

1) Der Wortlaut der Sceno nach Matth. Paris 857 vgl. mit Adam, p. 127 : post noctis uuius intervallum reditur ruptis loris aequitatis et justitiae contra comitem Leycestriae ad minarum saevitias : ... tumultuante regis iracundia. Der Franciscaner berichtet an Grosseteste nach den Mittheilungen des Bischofs von Worcester am Unmittelbarsten ; aber auch der Mönch von St. Albans hatte für die letzten Jahre seiner grossen Chronik oft Augenzeugen zu Gewährsleuten.

 

Selbst der vorliegende Streitfall wurde wegen des königlichen Eigensinns nicht für noch wider ausgetragen. Simon erbat sich, von Neuem ausgerüstet, mit allerhöchster Vollmacht den Kampf in der Gascogne zu Ende zu führen unter der Bedingung, dass ihm und seinem Anhange alle Einbusse ersetzt werde. Er erbot sich andererseits' auf den ihm für sechs Jahre übertragenen Posten zu verzichten, wenn unter der Gewähr der Stände ihm und den Seinigen dieselben Sicherheiten gegen jeden Nachtheil, namentlich auch den der Ehre gegeben würden. Von Beidem wollte der König Nichts wissen ; er fertigte vielmehr, wozu die Genossen des Reichsraths • kleinmüthig schwiegen, aus eigener Machtvollkommenheit eine Reihe von Erlassen aus, durch welche er den beiden streitenden Theilen Ruhe gebot, bis er oder sein Erstgeborener zu Lichtmess in der Gascogne erscheinen würden. Als Conservatoren des Waffenstillstands sollten inzwischen Rocelin de Fos und Nicolaus de Molis die Gegner auseinanderhalten ; der Stadt Bordeaux wurde aufgegeben den Frieden zu wahren, indem die Juraten der Corporation in gleicher Anzahl aus beiden Parteien gewählt würden *). Das waren aber nach dem Urtheile wohlgesinnter Patrioten Thorheiten 2), die wohl den Grafen verderben, aber leicht auch König und Reich um eine Provinz und Heinrich persönlich um die Achtung seiner Unterthanen bringen konnten.

 

Der graf unterwarf sich dem, wenn auch unklugen Willen seines Fürsten, der seinerseits ihn nicht verhindern konnte, sich, nachdem die Dinge diese Wendung genommen, am 13. Juni *) noch einmal nach Bordeaux zu begeben um auf die eigene Verantwortung den Knoten zu lösen. Auch seine Ankläger, die ihm den Tod geschworen, waren grollend über die Haltung des englischen Adels und der Kronräthe sogleich hinweggeeilt ; man wollte wissen, ein Wort des Königs habe ihnen Muth gemacht, das dem Urheber und dem Liebhaber des Kriegs auch dieselbe Sättigung und den Lohn angewünscht habe, wie sie einst des Grafen Vater eben dort im Süden gefunden 2). Es war nicht von ungefähr, dass in denselben Tagen durch königliches Patent die Statthalterschaft der Gascogne an den unmündigen Kronprinzen Eduard übertragen, den streitenden Factionen aber eingeschärft wurde Ruhe zu halten, bis der König mit diesem seinem Sohne eintreffen werde 3). Allein der Hintergedanke den Verhassten in den eigenen Untergang rennen zu sehn 4), gieng schlecht in Erfüllung. Denn Simon, offenbar in der Absicht, das Recht, das ihm verweigert wurde, sich selber zu verschaffen und keineswegs unter seinen Landsleuten den Franzosen um Zuzug verlegen, nahm den Kampf mit Muth und Glück noch einmal auf. Aller Hinterlist der Feinde war seine Kriegskunst überlegen ; es gelang ihm nicht nur seine bedrängten Anhänger herauszuhauen, sondern auch funf der Rädelsführer zu ergreifen, die er frohlockend dem Könige übersandte *). Erst als er seine Ehre gewahrt und doch wenigstens einen Theil seines Einsatzes gerettet hatte, verliess er das Land um einstweilen in Frankreich Aufenthalt zu nehmen. Dort weilte er, als im December die Königin Blanche starb und, da ihr Sohn Ludwig IX. noch immer im Orient abwesend, die Prinzen und Grossen über die Reichsverweserschaft beriethen. In ihrer Verlegenheit wollten sie auch ihn heranziehn, doch das Geschick hatte ihn schon zu fest an die zweite Heimath gebunden, auch wenn sie ihn wiederholt von sich stiess. Unbedenklich lehnte er zweimal die ehrenvollsten Anträge ab 2).

 

1) Erlasse vom 6. und 16. Jnni bei Shirley II, 89. 90. 391.

2) De aliis pluribus iueptiis, uisi diviuitas subveniat, plurimum nocituris. Adam, 1. c.

 

1) Feria quinta post festum beati Barnabae, Adam 1. c.

2) Matth. Paris 844.

3) Kot. Lit. Pat. 36 Henr. III, membr. 6, Juni 9 und Kymer I, 282, Juni 13, an dem Tag, wo Simon sich nach Boulogne einschiffte.

4) Erkennbar aus dem Befehl, Simon's Ausgaben für die Barg Cusac zu untersuchen und Blancfort seinem aufständischen Besitzer zurückzuerstatten ; August 10, Shirley II, 91. 92.

 

Mit Schadenfreude mochte er dann wohl im nächsten Jahre zusehn, wie seine schlimmsten Verheissungen in Erfüllung giengen, wie der König von Castilien die englische Herrschaft bedrohte und B^arn nebst vielen anderen gascognischen Edlen, die bisher ihre Treue für die Krone so listig zu erheucheln gewusst, sich ihm sofort in die Arme warf, wie König Heinrich, seiner wiederholten Kreuzzugsgelübde uneingedenk, sich in hohe Geldforderungen und in eine äusserst gewagte und unerspriessliche Expedition stürzte. Im October 1253 hatte er die schönste aller Genugthuungen, dass der König, als er mit den Basken nicht mehr aus noch ein wusste, ihn endlich unter sicherem Geleit rufen und sofort an Reitern und Schützen mitbringen hiess, was er

 

als namhafter Feldherr zusammenraffen konnte *). Es zeugt von dem edlen Sinne des Grafen, dass er ein ganzes Jahr hindurch als Verbannter bei der misslichen Lage der beiden Reiche seine Connexionen in Frankreich nicht benutzte um mit ihrer Hilfe Rache zu nehmen für die Beleidigungen, die ihm sein Schwager, der Herrscher Englands, zugefügt. Er, der Mann des Schwerts, war doch auch der Freund derer, die damals in der Christenheit am Innigsten den Frieden predigten. Noch haben wir ihre Zeugnisse, dass sie auch mitten in seinen schwersten Prüfungen nicht abliessen über sein Seelenheil zu wachen und das Feuer zu dämpfen, das ihn selber und die gute Sache, für die er eingetreten war, zu vernichten drohte.

 

Schon zu Ende 1251 schrieb Adam von Marsh an Grosseteste, dass graf und Gräfin, wenn je zuvor, jetzt seines weisen Raths bedürftig seien. Beide sahen längst mit Schrecken die Katastrophe heranziehn 2). Während er dann selber seine Sache in England führte, wirkten sie mündlich und schriftlich auf ihn ein 3). Und als er im. Sommer 1252 zum letzten Mal nach der Gascogne gieng, so ermahnte ihn Adam nicht nur seinem schönen Eifer für den Glauben treu zu bleiben, sondern meldete ihm auch in zärtlicher Weise von der herannahenden Entbindung der Gemahlin, die er schwanger in Kenilworth zurückgelassen *), von dem Wohlbefinden der Söhne und des ehrwürdigen Bischofs von Lincoln, der nebst Walter von Worcester und Adam selber sich eifrig zu schaffen machte, den Grafen, den sie so hoch hielten, sogar mit Hilfe des Papsts aus seinen Nöthen zu befreien 2). Mit ihrem Rathe hatte sich Simon denn auch nach Rom gewendet, und lnnocenz IV. gab dieser Für- > Sprache nach, indem er gegen Erzbischof Girald von Bordeaux, den erbittertsten und falschesten seiner Widersacher, eine Untersuchung anordnete s). Noch von seinem Sterbebette zu Bugden im October 1253 liess ihm Robert Grosseteste *) als letzten Gruss die Mahnung, sagen, seinem Könige und Herrn die heftigen Worte nicht nachzutragen, sondern ihm in seiner Verlegenheit grossherzig beizustehn. Es waren demnach diese Männer, welche noch einmal die königliche Familie von einem argen Zerwürfniss und das Reich von dem unmittelbaren Verlust einer kostbaren Provinz retten halfen, indem sie Simon vermochten edelmüthig das Schwert wieder für den König zu ziehn, und bei dem Papste die Bannbullen gegen die Vicomtes von B^arn, Chatillon,

 

1) Champollion Figeac, I.ettres de rois eto. I, 90 ; Oct. 4. 1253. Vgl. Geschichte von England III, S. 687 ff.

2) Epp. Ad. de Marisco, N. 22. 34.

3) N. 135 : Stodeat, uro, vestrae discretionis diligentia cum efiectu, Divinae roluutati, secundum qnod literae praeferont incanctanter, ?dhibere consensum.

 

1) N. 136 vgl. N. 158 : Gratulationsbrief an Eleonore bei der Geburt einer Tochter, des jüngsten Kindes, wie Elizabeth Green, The Princesses of England II, 104, nachweist.

2) Locntus fni de negotio snbventionis vobis faciendae per indnlgentiam Apostolicam. Ep. 141. Auch der Brief an die Gräfin, N. 161, wo von magniflcis eventibus domino comiti et vobis per Dei clementiam concessis die Rede ist, mag hierher gehSren.

3) Breve an den Bischof von Clermont : Innoc. IV, Ep. X, 642 (Ms. Mus. Brit. Add. 15,357) ; III Non. Apr. 1253.

4) Cui Comes tanquam patri extitit familiarissimus, Matth. Parts 879, cf. 876.

 

Fronzac und die Juraten von la Reole erwirkten *), die viel zur schliesslichen Unterwerfung des Lands beigetragen haben.

 

Eine Art gütlicher Auseinandersetzung fand hierauf auch wegen der Geldforderungen zwischen den beiden Schwägern statt. Der König zahlte in mehreren hohen Summen, was Simon in seinem Dienste aufgewendet hatte, und entschädigte ihn wenigstens theilweise für die noch rückständigen Jahre seines Gouvernements *). Eine Versöhnung aber war dies nicht zu nennen, und der graf hatte sich schon wieder nach Frankreich zurückgezogen, als Heinrich im Frühling 1254 von Bordeaux aus die bedeutsame Verlobung seines Thronfolgers mit Eleonore von Castilien abschloss.

 

1) Rymer I, 294, Dec. 21. 1253. Champollion Flgeao, Lettre de rois etc. I, 99.

2) Auszahlung von 7000 Mark nach Rot. Liberate 38 Henr. III, membr. 8. 4. Aach Rot. Ltt. Fat. 37 Henr. III, membr. 11. Cf. Champollion Figeac, Lettres I, 94. 95.

 

in.

 

Für die nächste Zeit verschwand graf Simon beinah aus dem öffentlichen Leben. Weder die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Könige waren wieder hergestellt, noch trat er der Opposition der englischen Magnaten bei. Er lebte vielmehr zurückgezogen mit den Seinen in der französischen Heimath, noch immer ohne ein festes Unterthansverhältniss und unbetheiligt an merkwürdigen Begegnungen und Abkünften, deren politische Bedeutung ihm am Wenigsten entgehn konnte.

 

Eben jetzt nämlich knüpfte der dynastische Ehrgeiz Heinrich's III. auf dem Festlande die weitesten, aber der nationalen Unabhängigkeit höchst nachtheiligen Bande. Der spanischen Heirath seines Thronerben folgte noch von Bordeaux aus das begierige Eingehn auf die arglistigsten Entwürfe der Curie. Papst Innocenz IV. bezweckte die letzten Hohenstaufen in Unteritalien durch Berufung eines fremden Fürsten auf den Thron von Neapel-Sicilien zu entwurzeln und hatte, nachdem Richard graf von Cornwall, der Inhaber der reichen Zinn- und Kupferminen jener Grafschaft, ausgeschlagen, dazu den jüngeren Sohn Heinrich's, den erst neunjährigen Edmund, ausersehn. Die Freude des Vaters war grenzenlos, obwohl alle bisherigen Leistungen seines Reichs zu Gunsten der päpstlichen Weltpolitik dadurch unfehlbar verdoppelt werden mussten. Unter der Form von Kreuzzugssteuern drückten die fremden Exactionen immer schwerer auf England und seine Dependenzen. Da auch Alexander IV. nicht nur diesen Plan seines Vorgängers fest hielt, sondern einige Jahre später unter eifriger Mitwirkung Heinrich's *) selbst seinen Bruder, den Grafen Richard, zur Annahme der deutschen Wahlkrone im hierarchischen Interesse zu verlocken wusste, so stieg das Haus Plantagenet freilich zu einem Ansehn in Europa empor, wie kaum ein anderes in jenen Tagen, aber büsste für so luftige und trügerische Aussichten unvermeidlich auch an den Grundlagen seiner realen Macht., Es gewann das Ansehn, als ob England nicht mehr ein freies, auf die Benutzung seiner Kräfte zu eigenen Zwecken angewiesenes Königreich wäre : mit allen seinen Reichthümern war es dem Papst zu Rom dienstbar ; die Krone war gleichsam ein Organ der Hierarchie s).

 

Ein anderes Ziel politischer Entwürfe lag in Paris. Das selbständige Verfahren der Engländer in der Gascogne war doch nur durch die lange Abwesenheit Ludwig's IX. im Orient möglich geworden. Nun aber kehrte dieser Fürst, durch die Lage seines Reichs und die verwickelten Zustände in den meisten Staaten des Westens gerufen, endlich im September 1254 nach Hause zurück. Sofort wurde am englischen Hofe, der bis dahin in Bordeaux geblieben, der Beschluss gefasst, den Heimweg über Frankreich zu nehmen. Theils Pietät, theils Freude an der Kunst, vorzüglich aber doch die Familienpolitik gaben die Veranlassung. Während des glänzenden, die englische Schuldenmasse freilich wiederum nur anschwellenden, Besuchs in Paris sah man im December die vier provenzalischen Schwestern, die Königinnen von. Frankreich und England so wie die Gemahlinnen des Grafen Eichard und Carl's von Anjou, beisammen. Bei Ludwig's hohem, liebenswürdigem Sinn gedieh eine persönliche Annäherung leicht genug ; dagegen rückten die vielen ungelösten, namentlich die lehnsrechtlichen Fragen, durch welche die beiden Reiche in steter Spannung erhalten wurden, keinen Schritt vorwärts.

 

1) Darüber die neuste Schrift : A. Busson, Die Doppelwahl des Jahrs 1257 nnd das römische Königthnm Alfons X. von CastilieD, Monster 1866, S. 10 ff.

2) Kanke, Englische Geschichte I, 98. Einzelheiten in meiner Geschichte von England III, 696. 700. 707.

 

Wohl durfte es auffallen, dass zu allen diesen, die auswärtigen Dinge betreffenden Verhandlungen der graf von Leicester nicht zugezogen wurde J), und dass selbst Eleonore, die einzige noch überlebende Schwester des Königs, an jenem Damencirkel nicht Theil hatte, da sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch in der Nähe befanden. Erst als Heinrich sich wieder zu Hause eingelebt, am 10. Mai 1255 wurde dem Grafen von Leicester, der in eigenen Angelegenheiten in Frankreich weilte, abermals zugleich mit Peter von Savoyen das lästige Geschäft übertragen, den französischen Waffenstillstand zu erneuern, der denn auch im Juli auf weitere drei Jahre prolongirt wurde s). Um diese Zeit jedoch war die Gräfin schon wieder nach England zurückgekehrt, wo sie einsam in Kenilworth residirte. Ihr Bruder der König erfreute sie wohl gelegentlich mit einer Sendung Wildpret *), allein die Entfremdung auch zwischen ihnen war keineswegs beseitigt. Sie war im Gegentheil gewachsen, seitdem auch Eleonore gleich ihrem Gemahl zu den Gläubigern der Krone gehörte. Denn bei dem Ankauf der Grafschaft Bigorre in Guienne war sie Heinrich in seiner Verlegenheit mit 1000 Mark beigesprungen, und als er, wie in so vielen anderen Fällen, nicht bezahlen konnte, sondern sie am 8. Juli 1256 auf die ihm ausstehenden Schulden des Grafen Roger von Norfolk oder eines Juden Namens Aaron anwies, so war das nur eine leere Vertröstung, um so mehr, als die Schuldforderungen des Grafen Richard längst allen übrigen vorgiengen. Bigorre blieb in der That den Montforts, die ausserdem aus den Tagen der Regentschaft in der Gascogne noch manche Rückstände einzuziehn hatten, verpfändet 2).

 

1) Eine geheime Mission nach Schottland im August 1254, Green, Lives of the Princesses of England II, 111, scheint als völlig unverbürgt anf einem Missverständniss zu beruhen.

2) Vollmacht für Simon : Rot. LH. Fat. 39 Benr. III, membr. 8 ;

Trotz alledem schienen die Beziehungen zum Hofe doch allmälich besser zu werden. Unter den ersten Häuptern des Adels garantirte Simon am 16. August 1256 die Uebertragung des Lehns von Huntingdon auf den jungen König Alexander III. von Schottland 3).

 

fiir Peter : SMrley II, 107 ; hier heisst es von Leloester : qui pro quibusdam suis negotiis ad partes Franciae se jam transtulit. Der Vertrag bei Rymer I, 324.

 

1) Rot. LH. Clans. 39 Henr. III, membr. 10 ; 40 Henr. III, < ? membr. 7.,

2) Die Zengnisse ans den Rot. Lit. Clans, bei Green, Frincesses II, 111. 112.

3) SMrley II, 120,

 

Ohne Zweifel um sich seiner Unterstützung bei den sehr heftig gewordenen Verhandlungen mit den Ständen zu versichern, wandte sich die königliche Huld ihm wieder zu. Am 11. Februar 1257 wurden ihm selber einige Ritterhöfe zu Lehn verliehen, am 20. er von Neuem, neben dem rechtskundigen Robert Waleran, als Waffenstillstandscommissar bestellt und ihm ausdrücklich die Genehmigung ertheilt, falls ihn König Ludwig in das Ganze oder Stücke seines in Frankreich beanspruchten Erbes einsetzen wollte, es antreten zu dürfen. An demselben Tage erhielt er auf sein Verlangen die Erlaubniss über seine gegenwärtige Habe ein Testament anzufertigen, das Heinrich als Schuldner für sich und seine Erben niemals anfechten zu wollen gelobte *). Dieselbe Nachgibigkeit äusserte sich noch im Sommer 1258, als über ein Dorf Hudden processirt wurde, ob es zu der Grafschaft Berkshire oder zu der Baronie der Grafen von Leicester zu rechnen sei 2). Um diese Zeit aber hatte Simon bereits Partei genommen, und zwar gegen seinen Schwager den König.

 

Seit dessen Rückkehr aus der Gascogne war die böse Stimmung unter den Ständen unaufhaltsam angewachsen. Sie sollten den Fürsten, der sich neuerdings bis auf 350,000 Mark in Schulden gestürzt s) und sofort wieder bei seinem Bruder zu borgen, der Stadt London unrechtmässige Bussen und den Juden, auch in England den Kammerknechten der Krone, ihren wucherischen Reichthum abzupressen begonnen hatte, durch freigebige Bewilligungen aus dem Schlünde retten, in den er immer tiefer versank. Gleich der grosse Rath, das Parlament, das nach Ostern 1255 berufen worden, hatte daher als Gegenleistung wieder Theilnahme an der Wahl der drei obersten Reichsbeamten, des Grossrichters, Kanzlers und Schatzmeisters gefordert und überdies verlangt, dass dieselben ohne Einwilligung des Parlaments nicht von ihren Posten entfernt werden dürften. Da von Nachgeben so wenig wie früher die Rede war, Barone und Prälaten aber, obwohl in ihren Verpflichtungen zu König und Papst verschieden gestellt, sich solidarisch verbunden *) erklärten, waren die fruchtlosen Verhandlungen auf den Herbst vertagt worden. Inzwischen aber gedieh der Vertrag wegen der sicilischen Krone zum Abschluss, durch welchen der König in grenzenlosem Leichtsinn nun auch den Papst zum gewaltigsten seiner Gläubiger machte, denn er übernahm um die bereits von König Manfred occupirten Länder zu erobern nicht nur die erniedrigendsten Verpflichtungen für seinen Sohn, sondern gelobte auch Mannschaften zu senden und die für ihn völlig unerschwingliche Summe von 135,541 Mark Silber einzuzahlen 2). Ueberglücklich zwar stellte er im October den wieder versammelten Grossen den jungen Edmund als König von Sicilien und Apulien vor mit dem vom Papste verliehenen Ring am Finger ; und Meister Rustand, der Bevollmächtigte der Curie, wollte über die Beiträge nicht mit der Gesammtheit oder den Procuratoren des Klerus, sondern nur mit jedem Einzelnen sich einigen. Die Mehrzahl aber hielt mit ihren

 

1) Urkunden bei Shirley II, 121. 392. Dazu Green II, 113..

2) Shirley II, 393 ; Juli 6. 1258.

3) Matth. Paris 913,

 

1) Ex parte universitatis ; Matth. Paris 902.

2) Rymer I, 316 ff.

 

weltlichen Standesgenossen zusammen, und die Stände als solche wiesen alle Anträge zurück, weil sie nicht, wie die Magna Charta ausdrücklich bestimmte, alle mit einander geladen und jener Handel ohne ihre Zustimmung abgeschlossen worden sei *). Im nächsten Jahre wiederholten sich dieselben Versuche mit demselben Erfolge. Im Jahre 1257 leistete die Geistlichkeit freilich gegen ein erneutes Gelübde auf den grossen Freibrief eine ausserordentliche Beisteuer, verwarf aber schon drei Wochen später wieder einträchtig mit den Baronen die Zumuthung mit englischem Gut und Blut Süditalien der Curie zu erobern, obwohl diese durch ihre erfinderischen Agenten das Land immer jämmerlicher auszusaugen und gelegentlich König und Reich durch Androhung von Bann und Interdict mürbe zu machen trachtete.

 

Das Unglück wollte, dass um dieselbe Zeit ernste Zerwürfnisse mit Schottland ausgebrochen waren, wo der unbändige Adel den jungen Alexander III. genöthigt hatte bei seinem Schwiegervater von England Zuflucht und Hilfe zu suchen, und dass, nachdem Prinz Eduard mit der Markgrafschaft Wales investirt worden, auch dort sich der nationale Fürst, der jugendliche, schwungvolle Llewellyn II. an der Spitze der einheimischen Geschlechter erhoben hatte, um die Unabhängigkeit ihres Berglands zu vertheidigen. Als die wegen Mangel an Geld und der bereits unzuverlässigen Haltung der Ritterschaft sehr lässig geführten Unternehmungen gegen beide Länder den kläglichsten Ausgang nahmen und Schotten und Waliser gar zu einem Kriegsbündnisse zusammentraten *), da schien auch der dürftige Gewinn verscherzt zu sein, welchen frühere, bessere Regierungen eines politisch geordneten Staats über halb barbarische Nachbaren davon getragen hatten. In jeder Beziehung hatte Heinrich III. durch Thorheit und Wankelmuth, durch Starrsinn und Eitelkeit die Liebe seiner Unterthanen und die Ehre des Reichs verwirkt.

 

1) Sine consilio suo et assensu baronagil sui ; Matth. Pari 913.

 

An einem anderen Elend, das aber nicht minder den Geist der Unzufriedenheit und Auflehnung nähren half, war er unverschuldet. Bei dem nassen Sommer von 1257 missrieth alles Getreide und, da die Waizenpreise im Winter um das Zehnfache in die Höhe giengen, brach unter dem niederen, schon durch die übrigen Nöthe der Zeit stark mitgenommenen Volke allgemeine Hungersnoth aus 2). Die Gefahren für das Königthum und die nationale Entwicklung liessen sich gar nicht absehn, wenn jetzt der zähe passive Widerstand der Magnaten in einen activen umschlagen und die unteren Klassen in Stadt und Land, noch halb an den Fleck gebunden und geistig roh, von loosen, unverstandenen Ideen ergriffen, sich zu einer zerstörenden Bewegung erheben sollten. Bisher waren einzelne Zuckungen der Art stets leicht unterdrückt worden ; der angelsächsische Bauer, vom Vater her an Dulden und sauere Arbeit im Schweisse seines Angesichts gewöhnt, brütete stumpf in dem alten Zustand weiter. Wie, wenn nun aber eine mächtige Persönlichkeit erschien, die mit nationaler Begeisterung und politischem Scharfblick alle Kreise des Volks auf ein Ziel zu lenken verstand, welches zugleich materielle Erleichterung und öffentlichen Frieden statt der bitteren Noth und allgemeiner Schmach verhiess ?

 

1) Ihr Vertrag vom 18. März 1258 bei Rymer I, 370.

2) Geschichte von England III, 714.

 

Seit Stephan Langton hatte es auf der dornigen Bahn zur Erlangung politischer Rechte keinen namhaften Führer gegeben. Die Bischöfe wurden kraft der Demüthigung Johann's vor Innocenz III. durch ein doppeltes Verhältniss zum Papste niedergehalten ; Grafen und Barone Hessen wegen der niemals rastenden gegenseitigen Eifersucht auf den doch noch sehr unentwickelten Versammlungen keinen Einzelnen emporkommen. Die Autorität der Krone und ihrer in Gericht und Verwaltung erfahrenen Beamtenschaft herrschte durchaus auch in geschäftlicher Beziehung. graf Richard, des Königs Bruder, gleich den anderen häufig genug verletzt, hätte vielleicht zugleich versöhnend und gebietend wirken können, aber er war weder ein gediegener Charakter, noch erlaubte ihm seine Stellung, sobald die dynastischen Interessen des Hauses Plantagenet in das Spiel kamen, mit diesen ernstlich zu brechen. Wenn irgend einem im Reiche, so war ihm der königliche Bruder seit Jahren verpfändet, ihm selber aber dadurch die Hand gebunden. Nun hatte Richard gar, nachdem er wegen seiner weltbekannten Reichthümer und ohne wie wegen des sicilischen Throns der Krone und ihren Lehnsträgern wesentlich zur Last zu fallen von der päpstlichen Partei in Deutschland zum Könige gewählt worden, im Frühling 1257 das Reich verlassen und dadurch, wenn auch nur vorübergehend, die Stände seines persönlichen Raths beraubt.

 

Das war im Allgemeinen die Lage, aus welcher gewiss nicht unvorbereitet, aber von sehr verschiedenartigen Motiven getragen und begünstigt, sich der graf von Leicester in wenigen Jahren zum Leiter einer populären Bewegung emporhob. Was vermochte ihn eben jetzt aus seiner Zurückhaltung hervorzutreten ? Obwohl durch seine Heirath dem Könige kaum weniger nahe gestellt als die anderen vornehmen Ausländer, die im Lande ein übermüthiges Wesen trieben, hatte er im Gegentheil behutsam vermieden sich gleich ihnen durch Aemter und Einkünfte schnöde zu bereichern oder vorlaut in die öffentlichen Angelegenheiten des Reichs einzusprechen. Das uneigennützige Auftreten in Guienne, die Umsicht und Kühnheit, die er dort bewiesen, mussten ihm vielmehr die lange vorenthaltene Achtung seiner eingeborenen Standesgenossen sichern. Er gehörte nicht zu den Schmarotzern, sondern zu den Gläubigern des Hofs. Noch konnte es unbemerkt bleiben, dass, wie oft auch der König nach den ärgsten Misshandlungen ihn stets wieder in Gnaden heranzog, darum doch eine unüberwindliche Abneigung zwischen ihnen fortbestand, die bei Heinrich wie bei so manchem geistesarmen Despoten in der Furcht vor dem Talent, bei Simon in lange genährtem Misstrauen ihren Grund hatte. Wohl möglich, dass, je trügerischer dieses Verhältniss wurde, um so leichter auch der Anschluss an die Oppositionspartei zu Stande kam, obschon jede Spur näherer persönlicher Beziehung zu einem der hervorragenden Adelshäupter fehlte.

 

Wirksamer dagegen wurde eine Art eigener Hauspolitik, an der sich die Gräfin eifrig betheiligte. Das warme, unternehmende Temperament Eleonorens stimmte wenig zu der launischen, von fremden Eingebungen abhängigen Weise ihres Bruders, des Königs. An der weiblichen Ehre nicht allein hatte er ihr wehe gethan, er hatte auch längst zuvor ihr Erbtheil verkürzt, als er der minderjährigen Wittwe des Grafen Marschall statt der ausgesetzten 2000 Mark nur 400 L. jährliches Witthum zahlen und dem Erlass hinter ihrem Rücken ihr Siegel aufdrücken liess *). Seit vielen Jahren wurde darüber processirt. Mehrere andere Forderungen waren hinzugekommen, da sich Heinrich in seinen Verlegenheiten auch an die Schwester wandte, die eben so trefflich Haus hielt, wie er sich dazu unfähig zeigte. Wenn sie kaum noch am Hofe empfangen und selten nur als geborene Prinzessin behandelt wurde, so übersah sie doch keine Gelegenheit, wie Gebietsabtretungen oder Lehnsübertragungen, um ihre Ansprüche als Mitglied des Hauses geltend zu machen. In allen diesen Stücken war der Gemahl ihr bester Rath. Dass beide im innigsten Austausch mit jenem die tiefe Sittenverderbniss der Zeit bekämpfenden Minoritenbunde die Pflichten des Königs, der Bischöfe und des Adels aus einem ganz anderen Lichte betrachteten, als diese zum grössten Theile selber, dass die franciscanische Lehre von der Niedrigkeit und Demuth ihnen das Herz sogar für die Lage des gemeinen Mannes erschloss, dass sie mit einem Worte eine in ihrem Stande wenig verbreitete Weltanschauung gewannen, lag in den Schicksalen ihres Lebens. Die Familie war von besonderen religiösen und politischen Ueberzeugungen beseelt. Leider hatten sie im Jahre 1253 schon durch den Tod Robert Grosseteste's, der nicht müde geworden Enthaltsamkeit und Geduld im Unrecht leiden zu predigen, die beste Stütze verloren, und vier Jahre später starb auch der treue Adam von Marsh, der, wie es scheint, in seiner letzten Zeit dem gräflichen Hause minder nahe stand als ehedem 1). Dem Ehrgeize Simon's, dem Vertrauen zu sich selber, vielleicht dem Verlangen beider, demnächst Vergeltung zu üben, war damit der einzige, heilsame Zaum abgenommen. Blieben auch die edlen Ueberzeugungen und Grundsätze, die sie aus jener Verbindung geschöpft, dieselben, es war gewiss kein Zufall, dass Leicester, bereits ein Fünfziger, dem geistlichen Beirath entwachsen, nunmehr die Bahn des öffentlichen Lebens in einer Weise beschritt, die ihn vor Ueberhebung und unübersehbaren Gefahren nicht mehr schützte.

 

1) Rot. Lit. Claus. 17 Heur. III, membr. 9 dorso. S. die reichen Beiträge bei Green, Lives of the Prlncesses II, 116 and 453.

 

Die Vornehmen und Getreuen des Reichs waren wie gewöhnlich auf vierzehn Tage nach Ostern 1258 nach Westminster entboten, um dringende Geschäfte, dieses Mal in Sachen des Kriegs mit den Walisern und der unnachsichtig strengen Forderungen Roms, zu erledigen *). Auch der graf von Leicester war erschienen, nachdem er wohl schwerlich eine Sendung nach Italien ausgeführt hatte, zu der er im vorhergehenden Sommer nebst Peter von Savoyen und Johann Mansell, einem Beamten der Schatzkammer, ernannt worden war. Von ihrer Vollmacht, im äussersten Falle die Krone von Sicilien in die Hände des Papsts zurückzulegen *), war jedenfalls so wenig Gebrauch gemacht worden, dass der König, obwohl in äusserster Bedrängniss, noch im Januar dem'Cardinal-Diacon Octavian schrieb, dass zwar die Stände auf die Sache nicht eingehn wollten, er aber, wenn die Curie Geduld mit ihm übe, seinen Verpflichtungen dennoch nachkommen würde 2). Gleich hernach aber hatte der Papst durch die schärfsten Androhungen Ernst gemacht ; der Unmuth der versammelten Stände war bis zum Ueberlaufen voll. Die Grafen von Leicester und Glocester machten kein Hehl daraus, beide durch die Abwesenheit Richard's in Deutschland nicht wenig ermuthigt. Da der König in übelster Laune wieder mit Schmähworten um sich warf, so unterfieng sich auch sein böser Halbbruder, Wilhelm von Valence, der Sohn desselben Hugo von Marche, der einst im Jahre 1242 bei Pons zu den Franzosen übergegangen war, den Grafen Simon einen alten Verräther und Lügner zu schelten., Nein, nein, Wilhelm, erwiderte dieser zornig,, ich bin weder Verräther, noch eines Verräthers Sohn, unsere Väter waren sehr verschiedener Art. In dem persönlichen und politischen Hader zwischen diesen beiden fremden Herren wäre auf dem Platze mit denN Schwertern entschieden worden, hätte der König selber sie nicht auseinander gerissen. Bei den hitzigen Debatten aber führte nunmehr Simon vornehmlich das Wort *), das, der Versammlung aus dem Herzen gesprochen, den traurigen Fürsten beschuldigte, durch unmässige Begünstigung seiner Lieblinge und durch Verschreibung des Reichs an den Papst dasselbe in solche Noth gestürzt zu haben, dass es sich nicht einmal erbärmliche Feinde wie die Waliser vom Halse halten könne. Da alles Hin- und Herreden, so wie das alte Mittel, einzelne Prälaten bittweise anzugehn, fruchtlos blieb, so musste Heinrich sich endlich am 2. Mai zu Concessionen herbeilassen, welche einem völligen Umsturz des bisherigen Regiments gleich kamen. Gegen Zusicherung einer Reichshilfe, wenn der Papst seine Forderungen ermässigte, verpflichtete er sich bis Weihnachten im Beisein eines Legaten und mit dem Beirath der getreuen Stände die Reichsverwaltung zu reformiren. Noch am selben Tage aber erfolgte im Sturmgang, den die Bewegung einschlug, ein Erlass, der das Parlament schon auf vier Wochen nach Pfingsten und zwar an einen aussergewöhnlichen, einen neutralen Ort, nach Oxford entbot, wo zwölf von der Krone und zwölf von den Magnaten gewählte Vertrauensmänner die Grundzüge einer umfassenden Reform vorlegen sollten, an deren Entscheid ohne alle Widerrede sich binden zu

 

1) Nach Brewer, Monumenta Franciscana, p. XCIX muss Adam 1257, spätestens im Frühling 1258 gestorben sein. Es fällt auf, dass kein Brief in seiner Sammlung später als nach der letzten Rückkehr ans der Gascogne an graf und Gräfin gerichtet ist.

2) Rymer I, 370 ; Mai 2 : pro negotiis nostris arduis .... proceres et fldeles regni. Unter den testirenden Mitgliedern des königlichen Raths erscheint neben Prinz Eduard von eingeborenen Baronen nnr der graf von Warwick, kein Richter, dagegen zwei Stiefbrüder Heinrich's, Peter von Savoyen und willfährige Werkzeuge, wie Johann Mausell.

 

1) Rymer I, 360 ; Juni 28. 1257. Die Keise wurde wahrscheinlich gar nicht angetreten, und Kot. Lit. Pat. 42 Henr. III, membr. 15, wo der König dem Grafen 1198 L. 14 sh. 10 d. zu schulden bekennt, hat Nichts mit ihr zu schaffen.

2) Shirley II, 126 : undatirt, aber nicht später als Anfang Februar anzusetzen.

 

1) Non tarnen regi, sed nniversitati praecordialiter est conquestus, exigens instanter sibi justitiam exhiberi. Mattb. Paris 968.

 

wollen der König auf seine Seele schwören liess *). So war endlich nach langem, dürftigem Hinhalten der Damm durchbrochen, wie einst in König Johann's Tagen ; doch fragte sich, ob sich sobald wie damals die Wasser wieder fassen lassen würden.

 

Zum angesetzten Tage, dem 11. Juni, zog der Adel, an die hundert Herren, gross und klein, beritten und bewaffnet, mit ihren Reisigen gen Oxford, um dort im Convent der Dominicaner zu tagen. Das Aufgebot gegen Wales, die unsichere Waffenruhe mit Frankreich liehen den Vorwand ; in Erinnerung aber an das, was 1215 geschehn war, hatten sie sich der Häfen versichert, um jedem Handstreich aus der Fremde vorzubeugen 2). Ihre Rüstung drückte in Wirklichkeit den festen Willen aus fortan die Beschwerden abzustellen, unter denen der Staat zusammenbrach. Der König, der auf dem benachbarten Schloss in Woodstock weilte, seine meist aus Fremden und Klerikern bestehende Partei musste sich ihnen fügen. Noch wählten jene in den Ausschuss der 24 vorzüglich sich selber, zwei Bischöfe, Stiefbrüder Heinrich's, seinen Neffen, den ältesten Sohn König Richard's, den Grafen von Warenne, der eine Halbschwester geheirathet hatte, graf Warwick und die gefügigen niederen Werkzeuge der Regierung, während unter den zwölf Erkorenen der Gegenseite Walter von Cantilupe, der Bischof von Worcester, Grosseteste's frommer Freund, die Grafen von Leicester, Glocester *), Hereford, Norfolk, unter den Baronen und Rittern auch ein Vetter des ersteren, Peter von Montfort, sich befanden. Mit leidenschaftlicher Freude an unaufhörlichen Wahlacten hatten dann die 24 aus sich selber vier Männer zu bezeichnen, welche einen aus 15 Mitgliedern bestehenden königlichen Rath einsetzen sollten. Indem die Barone nun zehn ihrer Mitglieder, der König dagegen nur den Erzbischof von Canterbury, die Grafen von Warwick und Winchester, Peter von Savoyen und John Audley durchzubringen vermochte, war die Faction der fremden Günstlinge und niederen Schreiber völlig unterlegen und eine erwählte Reichsverwaltung, ein ständisches Ministerium, aufgestellt, dessen überwiegende Mehrheit, dem bisherigen System feindlich gesinnt, dem Könige factisch die Regierung aus den Händen wand. Nächst den beiden Prälaten von Canterbury und Worcester erschien graf Simon als der erste an Rang und jetzt schon als der eifrigste eine ganz neue Ordnung aufzurichten. Vielleicht lebten schon seine schöpferischen Gedanken vorzüglich in den Vorlagen und Beschlüssen dieses denkwürdigen Reichstags.

 

1) Die Docnmente bei Rymer I, 370. 371. 372. Das Ausschreiben lautete ausdrücklich : ad hoc parliamentum nostram Oxoniae, quod erit in unum mensem post festum Pentecostes.

2) Matth. Paris 970.

 

1) Nach Patent vom 22. Juni in Reports of the Lords' Committee tonching the Dignity of a Peer I, 103 wurde Richard von Glocester vom Könige gewählt, aber die gleichzeitigen Berichte, namentlich die urkundlichen Mittheilungen in den Annales de Burton (jetzt neu edirt von Luard, Annales Monastici, Rer. Brit. med. aevi SS. I,) 447, die selbst in jenen Reports I, 105 als, Anthentio documents bezeichnet werden, weisen ihn entschieden der anderen Seite zu. Ueberdies ist das späte Datum des Patents auffallend. Vielleicht stritten beide Theile um den zweifelhaften Grafen, der sich von Anfang a schwer neben Simon fügte.

 

Durch den Ausschuss der 24, der keineswegs zurücktrat, sondern im Namen der Gesammtheit der unmittelbaren Lehnsträger der Krone (per le commun) weiter handelte, wurde zunächst eine Reihe von Petitionen eingereicht, welche auf Abstellung der Missbräuche in Lehnssachen und in der Rechtspflege zielten, bezeichnend für den nationalen Zug der Bewegung, sämmtliche königliche Burgen der Hut von Ausländern entzogen und nur an Einheimische verliehen, so wie Erbtöchter ebenfalls nur solchen verheirathet wissen wollten. Sie drangen auf Herabsetzung der aus dem hohen Pachtzins der Sheriffs entspringenden Exactionen und vieler anderen von der Krone selber gesteigerten Gefalle, auf Einschreiten gegen die Juden und cahorsinischen Wucherer, denen so mancher verschuldete Herr zur Beute fiel. Aus solchen Eingaben formulirte der Ausschuss neue Verfassungsartikel, die sogenannten Provisionen von Oxford, und liess sich in erster Linie unverbrüchliche Beobachtung der so oft beschworenen Freibriefe gewährleisten. Er legte sich selber die alljährliche Ernennung des Grossjusticiars, Kanzlers und Schatzmeisters bei, wonach so lange getrachtet worden, ein Uebergriff in die Executive, der zum Schaden der kräftigen Cehtralisation, in welche das Rechtswesen seit Heinrich II. gebracht worden, die feudalen Prätensionen der Baronialjustiz an die Stelle des von Kronrichtern entwickelten Landrechts gesetzt haben würde. Der Grossjusticiar zumal, bis auf Hubert de Burgh der höchste Staatsbeamte und Vertreter des Königs als persönlicher Quelle aller Gerechtigkeit, seitdem von der monarchischen Selbstherrlichkeit verdrängt, wurde von den Herren selber, aber umgekehrt zum wichtigsten Garanten ihrer politischen Rechte restituirt. Ihr Erwählter, Hugo Bigod, der Bruder des Grafen von Norfolk, erhielt eine Stellung, die an den Justicia in Aragon erinnerte.

 

Ein eigener Beschluss ordnete regelmässige Berufung eines Parlaments zum 6. October, 2. Februar und 1. Juni an, wozu ausser den fünfzehn dem Könige gesetzten Räthen einzig nur ein wiederum im Namen der Gesammtheit erwählter Ausschuss von 12 Magnaten (prodes homes) zu erscheinen hatte, um der Commune die Kosten zu sparen, wie es hiess *), in Wahrheit aber um die Gerichtstermine im Sinne eines Baronialhofs einzuhalten und, so weit der König befiehlt, die allgemeinen Reichsangelegenheiten zu erledigen. Den Beschlüssen dieser oligarchischen Repräsentation hatte sich die Gesammtheit einfach zu fügen.

 

Noch ein anderer Ausschuss von 24 Mitgliedern wurde erwählt, um wegen einer Landessteuer offenbar mit Rücksicht auf die Forderungen des Papsts zu berathen ; doch kamen sie wegen des jähen, revolutionären Umschwungs, der sich eben vollzog, zu keinerlei Verständigung. Ein eigener Artikel verfügte die Wahl von 4 Rittern in jeder Grafschaft 2), um die Beschwerden der Kreise und Bezirke je für das nächste Parlament aufzunehmen. Allen gewählten Commissionen, den neuen Beamten und Burgvögten wurden Eide vorgeschrieben. König Heinrich, unfrei und ohne die Möglichkeit einen Widerstand zu üben, musste die ihm aufgedrungenen Gesetze mit einer Kerze in der Hand beschwören. In einer Reihe unter dem Druck der Umstände erzwungener Urkunden musste er für sich und seinen Sohn den Eid bestätigen, für die ihm noch gelassenen Vertrauensmänner bürgen, die Sheriffs zur Abstellung ihrer Bedrückungen anhalten *). Seine Demüthigung konnte nicht vollkommner sein.

 

1) Pur esparnier le cnst del commun, Aunales de Kurten 452.

2) Qaatuor discreti et legales homines, qui qnolibet die, ubi tenetur coraitatus, conveniant etc. Ibid. 446.

 

Dieser Erfolg indess wäre ohne einen entschiedenen Act der Gewalt nicht errungen worden. Schon am 22. Juni wurde von der siegreichen Partei über das Schicksal der königlichen Burgen beschlossen, deren Wacht fast ausschliesslich den fremden Günstlingen anvertraut gewesen, zu denen Prinz Eduard, Heinrich, Richard's Sohn, und der graf von Warenne hielten. Obgleich Leicester, mit jenen wegen seiner Herkunft in derselben Lage, ihnen mit gutem Beispiel vorangieng und seine Schlösser Kenilworth und Odiham an den König auslieferte, so erhoben sie doch heftigen Widerspruch. Prinz Heinrich erklärte in Abwesenheit seines Vaters sich dem Beschluss nicht fügen zu können. Dem trotzigen Wilhelm von Valence rief Simon, seine neuliche Schmähung vergeltend, ins Gesicht :, die Burgen her oder Deinen Kopf! Um dem Sturme auszuweichen, entfernten sich Valence, seine Brüder Gui und Geoffrey von Lusignan nebst ihrem Tross plötzlich aus Oxford und warfen sich nach Wolvesham Castle bei Winchester zu ihrem Bruder, dem erwählten Bischof Aimar. Die Barone unter Simon's Führung — denn an demselben 22. liess er sich die Custodie des Schlosses von Winchester ertheilen *) — hoben auch ihrerseits die Sitzung auf und setzten ihnen, den König mit sich führend, bewaffnet nach. Dort kam es im Juli zu einer Convention, derzufolge die ganze Coterie, auch Wilhelm, obwohl Herr von Pembroke, und Aimar der Bischof aus dem Lande verbannt wurden, nachdem auf ihr Anstiften noch bei einem Gastmahle der Abt von Winchester und ein Bruder Glocester's vergiftet worden waren. Aus dem Rathe des Königs verdrängt, zogen sie durch ihr freches Benehmen die nationale Rachsucht auf sich herab und büssten alle ihre Besitzungen, Titel und Ehren ein, die als Raub betrachtet ihr hoher Gönner selber ihnen absprechen musste. Ihr Sturz erst hatte die Unterwerfung Eduard's, Heinrich's, Warenne's zur Folge 2).

 

1) Shirley II, 127, Juni 26 : flat reformatio et ordinatio status regni nostri ; p. 129, Angnst 4, ähnliches französisches Ausschreiben ; an die Sheriffs, Annales de Bnrton 456.

 

Nicht überall fand ein solcher Zwang Beifall und wohl mochten Missgünstige bei Zeiten wittern, dass er zu einem Rückschlage gegen die Provisionen erwünschten Anstoss geben werde 3). Und war es nicht die grösste Anomalie, die schwerste Verletzung des neuen Gesetzes, dass ein geborener Ausländer, wie der graf von Leicester, sich eigenmächtig als Wortführer einer vaterländischen Erhebung aufwarf, dass er sich Winchester, einen der Schlüssel des Reichs, übertragen, und seinen Erstgebornen, Heinrich von Montfort, den Exilirten über das Wasser bis Boulogne nachsetzen liess, um ihnen die fortgeschleppten Schätze abzujagen ? Aus der Erniedrigung des Königs und dem Versuche der Lehnsmannen reichsständisch selber zu regieren drohte sich sofort die Dictatur eines Einzelnen zu erheben. Einstweilen jedoch war Nichts populärer als die Vertreibung der Fremden aus Lehn und Pfründen und die Uebertragung der festen Orte an eingeborene Burgvögte im Namen des Reichs. Der nationale Friede überwog bei Weitem das Vermögen, die Verfassung kraftvoll, vortheilhaft und lebensfähig umzugestalten. Daher denn auch in den meisten gleichzeitigen Stimmen eine fast begeisterte Billigung des Geschehenen, und erst später, als keine süssen Früchte reifen wollten, von entgegengesetzter Seite für die in Oxford abgehaltene Versammlung der Spottname des, tollen Parlaments 1). Als man im Sommer 1258 rüstig an die Ausführung der dort beschlossenen Satzungen gieng, überblickten die Allermeisten schwerlich die Gefahr der selbst geschaffenen Lage. Sie verliessen sich, obschon misstrauisch, auf den klugen Kopf Montfort's, der in den dunklen auswärtigen wie inneren Fragen Licht schaffen werde. Es war auch durchaus im Sinne der weltlichen Kronvasallen, als die päpstlichen Agenten unverzüglich mit dem Bescheide heimgeschickt wurden, dass, da die Krone Siciliens ohne ihr Gutheissen angenommen worden, sie auch zur Zahlung des hohen Preises nicht verpflichtet seien *). Wer war geeigneter als Simon einen festen Frieden mit Frankreich einzuleiten, der vorzüglich doch wegen der eitlen Hoffnung des Königs Poitou oder selbst das normännische Herzogthum zurückzugewinnen fast schlimmer als durch den Krieg seit zwanzig Jahren durch morsche Waffenstillstände gehemmt wurde. Der dem König octroyirte Verwaltungsrath und der landständische Ausschuss, in denen Leicester für einige Zeit die Seele wurde, versäumten nach ihrer Meinung kein Mittel, um ihr Werk dauernd zu machen. Von Winchester hinweg war man nach London geeilt, um sich, wie einst die Väter im Jahre 1215 gethan, der City zu versichern. In verschiedenen Erlassen musste der König den Grafschaften neue Vögte setzen und ihr Amt dem Willen der Communität unterordnen 2). Eine jede der Provisionen sollte zur Wahrheit werden.

 

1) Rot. Lit. Pat. 42 Henr. III, membr. 6.

2) Hauptquelle ist neben Matth. Paris, und den Annal. Winton. ed. Luard, p. 95 der Brief eines Augenzeugen de curia regis in Annales de Burton 443, dazu eine Anzahl Urkunden ; vgl. Gescb. v. England III, 720 ff.

3) So urtheilt der fast vereinzelte königlich gesinnte Geschichtschreiber Thomas Wikes, p. 52. Quintus articulus omnino illicitus fuit et praecipue detestandus. Er muss ein urkundliches, numerirtes Exemplar der Provisionen vor sich gehabt haben, wie es uns nicht erhalten ist.

 

1) Die Chronisten von St. Albans, Winchester, Waverley, Dunstaple hielten es durchaus mit den Baronen ; ferociter procedunt Barones in agendis suis, ntinam bonum flneru sortiantur heisst es in jenem Briefe beim Annalisten von Burton. Erst die unter Eduard I. verfasste Londoner Chronik des Alderman Arnold Thedmar, eines Anhängers der Krone von Deutscher Herkunft, in dem Liber de antiquis legibus, .p. 37 (Camden Society) enthält die bald sehr verbreitete Bezeichnung insane parlamentum apud Oxoniam.

 

Und doch blieb das Regiment des landständischen Ausschusses fast auf der Stelle hinter den wesentlichsten Verheissungen zurück. Wie Hugo Bigod der Grossjusticiar kein gelehrter Richter war, so ersetzte die Baronialjustiz auch keineswegs das System, das, einst von der Krone zu einem Landesinstitut erhoben, gewiegte Kenner des gemeinen Rechts verlangte, welche gerade in diesem Jahrhundert noch den Legisten von Bologna wenigstens formelle Stützen für die nationale Jurisprudenz abzulernen suchten. Indem man ferner durch Verfolgung der loyalen, im Dienste erfahrenen Beamtenschaft der starken Monarchie einen Nerv abgeschnitten zu haben meinte, beraubte man sich selber der nöthigsten Werkzeuge, ohne welche die neue Verwaltung zum Wirrwarr werden musste. Auch den hohen Klerus bis auf wenige Reformfreunde hatte sich der Adel entfremdet ; weil er so unnachsichtig über die Ansprüche der Curie hinweggieng, konnte schon bei den vielen Commissionswahlen auf die meisten Prälaten keine Rücksicht genommen werden. Endlich war die Menge der kleinen Vasallen, deren Ladung als Gesammtheit einst in der Magna Charta zugesichert, aber niemals ausgeführt worden war, gewiss nicht damit zufrieden, dass sie nur wie bisher innerhalb ihrer Shires zur Geltung kommen sollten, und dass sich dagegen die grossen Herren allein als die Communität des Reichs geberdeten. Bei den ersten Versuchen administrativer Reform, wie sie die Jurisdiction und Finanzgewalt der Sheriffs jedenfalls erforderten, wurde nothwendigerweise eine Opposition der kleinen Lehnsträger laut, die, wie freudig sie auch die Erlösung vom Druck der Krone begrüssen mochten, sich doch durch den nur aus den Magnaten gewählten ständischen Ausschuss in Reichssachen keineswegs vertreten erachteten. Mit allem Wählen und Sichten für die verschiedenen Commissionen war doch immer nur eine Vertretung für die Elite der Kronvasallen geschaffen worden.

 

1) Das Schreiben der 15 Keicbsrätho an den Papst in Annales de Burtou 457, Matth. Paris. Additament. 215 und Eymer I, 373.

2) Ann. de Bnrton 456. Eymer I, 375.

 

Merkwürdig, wie diese abweichenden Ansichten, die sich auf die uralte Erinnerung einer allgemeinen Standschaft begründeten, wenn auch behutsam und leise, doch gleich auf dem vorgeschriebenen nächsten Octoberparlamente zum Vorschein kamen. Nach den constituirenden Beschlüssen von Oxford fühlte sich dasselbe in Westminster freijich recht eigentlich als eine legislative Versammlung, indem es durch den Regierungsausschuss der Fünfzehn im Namen des Königs und sehr bezeichnend zum ersten Mal in beiden vernacularen Idiomen französisch und englisch der Nation die Vollziehung der neuen Gesetze kundgab *), durch welche der Fürst thatsächlich seiner freien Machtwaltung entkleidet wurde und die grossen Barone durch die von ihnen gewählten 15 Minister und 12 Repräsentanten als Gesetzgeber und Regenten die Reichsregierung selbständig in ihre Hand nahmen. Gerade hiergegen aber war es von um so grösserer Bedeutung, dass sich die Ritterschaft, die Communitas bacheleriae Angliae, wie sie sich nannte, mit einem Protest hervorwagte, den sie an den jungen, aber der ganzen Entwicklung entschieden abholden Thronfolger einreichte. Voll loyaler Gefühle für den König, nachdem er sich den ihm auferlegten Bedingungen unterzogen, beschuldigten sie die Barone, nur aus eigenem Vortheil zu handeln und noch gar Nichts zum Nutzen des Reichs gethan zu haben. Offen wurde, falls das nicht anders werde, persönlich auch vom Prinzen Eduard mit einer Gegenreformation gedroht*).

 

1) Die merkwürdigen Patente vom 18. October 1258 bei Kymer I, 377. 378, und Geschichte von England III, 909. 910.

 

Zu ihrem eigenen Schaden indess übersahen die vornehmen Herren auch fernerhin eine zahlreiche Klasse von Standesgenossen, durch deren Aufnahme, wenn sie gewollt hätten, dem ganzen Beginnen wirklich populäre Kraft beigebracht worden wäre. Als wenn sie Niemand stören könnte, schalteten die 12 Vertreter der Gesammtheit weiter und erliessen eben jetzt in Westminster lange Reihen von Artikeln in französischer und lateinischer Sprache über das Verfahren bei den Gerichten. Auf den Parlamenten, die im folgenden Jahre noch regelrecht gehalten wurden, versiegte dann freilich bereits diese eifrige Rechtsschöpfung, doch regierten die selbsterkorenen Minister und Magnaten statt des Königs und der Gesammtheit2), nahmen auch, als Richard der römische König einmal zum Besuch erschien, ihn in Eid und Pflicht, damit er das Vollbrachte anerkenne, hatten aber mit den sofort schwierig werdenden Verhältnissen zum Auslande und der Einigkeit unter ihnen selber täglich grössere Noth.

 

1) Annales de Burton, p. 471 : festivitate S. Edwardi regis et confessoris in qnindenam S. Michaelis, der 13, und nicht der 6. October. Wegen der losen Einreihung vieler Documente in diesen Jahrbüchern bleibt das Jahr, ob 1258 oder 1259, unbestimmt. Ich entscheide mich jetzt für das erstere. Vgl. Gneist, Geschichte und heutige Gestalt der Aemter und des Verwaltungsrechts in England, 2. Aufl., I, 305.

2) Le cunseil le Rey et les duze esluz par le cummuri de l'Engleterre saluent tute gent heisst es in ihrer Ansprache vom 18. März 1259 ; Rymer I, 381. Noch im November werden die Reiserichter in die Grafschaften abgefertigt per consilium magnatum nostrorum ; Shirley II, 141.

 

Der einzige, der sie alle überragte, vor dem der König zitterte, war graf Simon, der, wenn er wirklich Dictator und nicht einer unter vielen gewesen wäre, wohl manche gefährliche Klippe hätte umschiffen können. So aber blieb immer die Möglichkeit, dass irgend eine Entzweiung unter den Baronen selber die Widersacher, an denen es dem Grafen nicht fehlte, auf die Seite Heinrich's hinüberwarf. Als der letztere einmal in dem gewitterreichen Sommer 1258 auf der Themse vom Sturm überrascht wurde und in der Herberge Simon's eine Zuflucht suchte, sagte er demjenigen, der ihm seine Blutsfreunde und Lieblinge entrissen hatte und den Hof knapp und sparsam zu leben zwang, offen ins Gesicht :, ich fürchte mich sehr vor Donner und Blitz, aber, beim Haupte Gottes! Dich fürchte ich mehr als alle Wetter der Welt 1). Und die vornehmsten Standesgenossen fürchteten ihn nicht minder. Nicht nur seine ganz besonderen Connexionen, seine stürmische Art zu gebieten hielten ihren Argwohn rege ; schwerlich war er durchweg mit der exclusiven Haltung des Adels einverstanden, welche den Ritter und Bürger ängstlich von jeder Theilnahme an den öffentlichen Dingen aussperrte. Zudem aber war fast ohne ihr Zuthun die Auseinandersetzung mit Frankreich von Seiten des neuen Regiments vornehmlich in die Hand dieses geborenen Franzosen gelegt. Als er zum Frühlingsparlament 1259, von seinen Freunden bereits sehnlichst erwartet, spät vom Continent zurückkam, gab es auf der Stelle einen Wortwechsel mit demjenigen, der ihm

 

1) Matth. Paris. 974.

 

überall im Range am nächsten stand, der, obwohl ein langjähriger Vertheidiger reichsständischer Rechte, doch seinen Sohn jüngst mit der Tochter Gui's von Lusignan, eines der Halbbrüder des Königs, verlobt hatte und nach einem Zeugnisse sogar von der Krone in den Verfassungsausschuss der 24 gewählt sein sollte. Den besonderen Anlass, welcher jetzt eben Richard von Clare, -den Grafen von Grlocester und Hertford, mit Montfort überwarf, so dass dieser aufbrausend ausrief :, ich mag mit so wetterwendischen und trügerischen Menschen Nichts mehr zu schaffen haben 1), erfahren wir nicht. Wohl aber bezeichneten populäre Stimmen die Grafen von Glocester und Norfolk nebst einigen anderen Adelshäuptern bereits als schwankend oder gar abtrünnig von der guten Sache 2).

 

Zornig war Simon gleich darauf wieder nach Frankreich geeilt, wo er bei dem Abschluss des lange erstrebten Friedens unerlässlich war. Derselbe überliess dann endlich in aller Form die Normandie sowie die Grafschaften Anjou, Maine, Touraine und Poitou an Ludwig IX. und setzte die streitigen Puncte des Lehnsverhältnisses in Guienne fest 3). Während aber hierdurch die Beziehungen der beiden Staaten und Völker auf einen vernünftigeren Fuss gebracht wurden, den sie seit den Niederlagen des Königs Johann völlig entbehrt hatten, streiften nicht nur die Entschädigung für geleistete Dienste, sondern geradezu dynastische Ansprüche Simon's selber störend in die Verhandlungen hinein. Nicht umsonst begleitete auch die Gräfin ihren Gemahl wieder in das Ausland. Wie er selber seine Macht benutzte, um aus den streng verwalteten Revenuen den König zur Abzahlung seiner Schulden zu nöthigen, so hoffte Eleonore jetzt das volle von ihrem ersten. Manne ausgesetzte Witthum zu erhalten *). Wie Simon höchst bemerkenswerth bei dieser Gelegenheit noch auf eventuelle Anrechte an Toulouse und Beziers, die sich von seinem berühmten Vater herschrieben, renuncirte 2), so schritt der König von Frankreich auch nicht eher zur Ratification des Friedensinstruments, als bis er den Verzicht sämmtlicher Agnaten des Hauses Plantagenet, also auch Richard's und seiner Schwester, in der Hand hatte. Aber gerade Eleonore und ihr Gemahl erhoben gewiss nicht planlos längere Schwierigkeiten wegen der Grafschaft Agenois, die einst Johanna, Heinrich's IL . Tochter, an Raimund von Toulouse mitgebracht, und welche späterhin durch deren Enkelin an Alfons, Ludwig's IX. Bruder, übergegangen war, als er durch Heirath in den Besitz von Toulouse nebst seinem Lehn gelangte. Nach dessen Tode, als Cousine der gegenwärtigen Gräfin, machte Eleonore ihre Ansprüche jetzt noch einmal auf jene an die französische Krone fallende Landschaft geltend, vielleicht weniger um ein altes Lehn von Guienne dem Hause Plantagenet zu bewahren, als wegen der immer wieder auftauchenden Pläne dem Hause Montfort auch auf französischem Boden eine Herrschaft zu sichern *). Kaum von ungefähr erschien unter den Schiedsrichtern in diesem Zwischenfalle auf englischer Seite auch der graf von Glocester. Darüber konnte erst zu Ende des Jahrs der Friede in seinem ganzen Umfange vollzogen werden, und auch dann nicht eher, als bis Heinrich III. im November sich seinen hadernden Hütern entwunden und an den französischen Hof begeben hatte. Indem er sich Ludwig IX. in die Arme warf, benutzte er geschickt das zweifelhafte Gebahren Simon's und forderte den Verdacht, derselbe fische im Trüben und wolle sich und seinem Hause ungebührliche Macht, vielleicht gar die Krone des Reichs erschleichen 2).

 

1) Ibid. 986.

2) 0 Comes Gloverniae, comple quod coepisti ;

Nisi clandas congrae, maltos decepisti ....

0 tu, Comes le Bygot, pactum serva Sanum :

Cum sis miles strennus, nunc exerce manum ....

Th. Wright, Political Songs (Camden Society), p. 122. 123.

3) Rymer I, 383 ff.

 

1) 200 L. an Simon Rot. LH. Fat. 43 Henr. III, membr. 15. Eleonore erhielt nur nachträglich einige Güter. Der König löste wenigstens auf sieben Jahre das Pfand für Bigorre aus. Green, Princesses II, 117.

2) Vic et Vaissete, Histoire de Languedoc VI, 110 und Preuves, p. 522, Urkunde Simon's ausgestellt zu Paris im December 1259.

 

Fortan begann zwischen ihnen beiden ein gefahrvolles Doppelspiel, indem sie sich einander auszuweichen und bei dem englischen Adel wie dem Könige von Frankreich den Rang abzulaufen suchten. Kaum hatten Simon und seine Gemahlin am 4. December ihren Beitritt zu dem englisch-französischen Frieden vollzogen 3), so verliessen sie den französischen Boden und landeten mit einem stattlichen Aufzuge von Reisigen, der allgemeines Aufsehen erregte. Am 10. Februar 1260 lag der graf einmal wie ein Fürst bei dem Abte von St. Albans zur Herberge *). Er war erschienen, um sich seines Anhangs zu versichern, die Provisionen von Oxford vor den Intriguen seines Widersachers Glocester zu schützen und im Nothfalle die darauf begründete Verfassung mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen. Sein keckes Auftreten wäre völlig räthselhaft, wenn der Hof unter scheinbaren Tändeleien in Paris nicht gleichfalls weitreichende Ränke geschmiedet hätte. Als ob er sich in fremdem Lande und durch die endliche Auseinandersetzung mit seinem Schwager, dem Könige Ludwig, wenigstens in dynastischer Beziehung nun völlig frei fühlte, fertigte Heinrich am 16. Januar an den Klerus und die Magnaten von Sicilien die Botschaft ab, dass er in der Hoffnung, von der Curie unterstützt zu werden, Willens sei, die Werbung um die dortige Krone für seinen Sohn Edmund wieder aufzunehmen 2). Ein Erlass vom selben Tage an den Grossjusticiar Hugo Bigod meldete wegen unvorhergesehener Hindernisse längeres Ausbleiben und forderte, dass vor seiner Rückkehr auch das Parlament nicht zusammenträte s). Nicht leicht fiel es ihm, den überaus vorsichtigen und dem Grafen von Leicester fast zugethanen Ludwig IX. in sein Interesse zu ziehen. Er hatte schon ein Paar Monate an der Küste von Boulogne vertrödelt, bis er sich ein Herz fasste, ihm anzuzeigen, dass Simon in verdächtiger Weise Waffen und Pferde ausführen lasse *). Seine völlige Mittellosigkeit und grosse Angst vor unruhigen Auftritten in der Heimath hielten ihn so lange von der Heimkehr fern, bis die im Friedensschluss stipulirten Gelder flüssig wurden 2). Am 23. April jedoch landete er plötzlich in Dover, denn ihn hatte das Gerücht erreicht, dass auf einem trotz dem königlichen Verbot in London tagenden Parlament Simon den Prinzen Eduard zu sich herüberziehe, und dass dieser erklärt habe, die einmal geschworenen Eide halten zu müssen. Heinrich fürchtete daher, der Sohn könne bewogen werden, zu seiner Thronentsetzung mitzuwirken, und sträubte sich wirklich vierzehn Tage lang, ihn vor sich zu lassen, da, wenn er ihn nur erblicke, er sich nicht enthalten könne, ihn zu umarmen s). Mochte Eduard nun auch in der That, von der Heiligkeit seines Schwurs ergriffen, einen Augenblick geschwankt haben, nicht lange nach der Rückkehr des Königs musste die Verfassungspartei nicht nur die Hoffnungen auf ihn, sondern noch viele andere fahren lassen. Eine Sendung nach der Gascogne brachte den jungen thatenlustigen Fürsten bald auf andere Gedanken. Wir wissen nicht, wie weit graf Simon sich auf ein solches Wagniss wie eine Vereinigung mit dem Thronfolger gegen den Vater eingelassen, schon aber wich er, vielleicht gerade weil er zu dreist gewesen und seines Anhangs nicht mehr sicher war, vor Heinrich zurück. Bei der Hochzeit der Prinzessin Beatrix mit dem Erben der Bretagne am 13. October, verrichtete er nicht die Dienste des Stewarts, sondern Heinrich, der Sohn des römischen Königs, fungirte an seiner Statt 1). Der König, offenbar gut berathen, wusste namentlich durch den Wortlaut seiner Erlasse wider die Einführung ausländischer Söldner und Streitmittel die Gemüther noch eine Weile zu täuschen, als ob er sich ganz an die Bestimmungen von Oxford zu halten gedächte, während er doch selber mit seiner Gemahlin im Tower Wohnung nahm und dessen Vertheidigungswerke eifrig in Stand setzen liess. Der Bruch war schon weit gediehen und Simon's Einfluss beträchtlich geschwunden, als Heinrich es wagen konnte, die Barone des Reichs, d. h. sicher nicht mehr die ihm durch Wahl aufgedrungenen Ausschüsse, zum Herbstparlament in die Königsfeste zu laden. Die Magnaten weigerten sich zwar, anderswo als in Westminster zu erscheinen, wo von jeher ihre Versammlungen stattgefunden 2),

 

1) Alle Belege bei Green, Pnncesses II, 114 ff.

2) Gomes autem Leycestriae huic paci opposuit, proponens quod processu temporis contingere posset quod eaedem terrae simul cum regno Angliae ad alias suos vel haeredes jure haereditario descendere possent, sagt der Eoyalist Th. Wikes 53. Vgl. Geschichte von Eng- . land III, 736.

3) Rymer I, 392.

 

1) Matth. Westmonast. 371.

2) Negotium Siciliae quod assumpsimus secnndum effectmn nostri desiderii veluti proponebamus hucusque prosequi nequivinius. Shirley II, 147.

3) Ibid. II, 148. Aehnlich noch einmal an die übrigen Mitglieder des Ministeriums am 19. Februar, p. 153.

 

1) Rymer I, 396 : per quod motum animi ejusdem comitis evidentius perpendere poteritis qualiter erga Dos se halicat. Das Datum April 28 ist irrig. Eine ähnliche Warnung an König Richard, der in England weilte, gegen eine Unternehmung der Brüder ans Poitou, April 18, 1. c. sieht wie ein Fühler aus.

2) Nach Rot. LH. Pat. 44 Henr. III, membr. 6, Montag nach Peter und Paul erhielt er von Ludwig 14,583 Turnosen für sich und 5000 Mark für König Richard.

3) Ann. de Dnnstaplla 214. Will. Risbanger Chronica, ed. Riley, p. 9 : iratus valde, a patris absentavit se conspectibus, adhaerens Baronlbus in häc parte, sicut juniver.it. Nach Tb. Wikes 54 beschwuren alle Barone das Oegentheil des Gerüchts. Vgl. Gesch. v. England III, 738.

 

1) L'atorne Simon de Montfort conte de Leicestre a servir pur li. Rymer I, 402.

2) UM parliamentum tenere consueverunt, et non alibi ; Ann. de Dunst, 217.

 

riefen aber selber dadurch die längst vorbereiteten Streiche gegen ihre Satzungen herbei, die sie vor drei Jahren gleichfalls doch an einem aussergewöhnlichen Orte abgetrotzt hatten.

 

In Stadt und Land zugleich wurde, da bereits die regelmässigen Parlamente und mit ihnen die Eintracht unter den Herren ein Ende hatten, ihr bisheriges Regiment angegriffen. Mit Hilfe seiner Parteigänger in der Ritterschaft suchte der Hof wieder die Einsetzung der SherifFs in seine Hand zu bringen. Da Hugo Bigod, vielleicht verzweifelnd an dem Gange, den die Bewegung genommen, von seinem hohen Posten freiwillig zurücktrat, die verfassungstreuen Magnaten aber einen anderen, Hugo Despenser, an seine Stelle setzten, so wurde der eine in Dover, der andere in London durch königliche Söldner bedrängt. In der City hatten sie Brücken und Thore besetzt, und alle mannbare Bevölkerung zur Treue gegen den König verpflichtet. Ein Mandat vom 14. März 1261 befahl alle diejenigen zu ergreifen, welche lügnerisch aussprengten, der König gedenke aus eigener Machtvollkommenheit Auflagen zu erheben, oder willkürlich die Landesrechte abzuändern 1). Sechs Wochen später wurde schon Wilhelm von Valence wieder zu Gnaden angenommen und ihm sein Besitzthum nebst dem Schlosse von Hereford zurückerstattet2). Endlich auf dem zu Pfingsten, Juni 14, nach Winchester geladenen Parlamente, das wieder in der alten Form wie vor der Revolution von 1258 zusammentrat, erfolgte der Hauptschlag.

 

1) Vor allen Liber de antiq. legibus 45. 46, und Eymer I, 405. Doch auch Th. Wikes 1. c. : coepit proponere plures articulos contra Barones, et rationes prout sibi videbatur satis efflcaces, quod non tenebatur observare provisiones Oxoniae.

2) Eot. Lit. Pat. 45 Henr. III, membr. 13, April 30.

 

Wie einst Innocenz DL seinen Vater, so sprach jetzt Alexander IV. den König von allen ihm aufgenöthigten Verpflichtungen los. Vor der Eintracht der Barone hatte die Curie einige Jahre geschwiegen, auch niemals den Legaten abgefertigt, um dessen Beistand Heinrich so dringend ersucht hatte, als er sich im Jahre 1258 den Ständen unterwerfen musste. Der geheime Verkehr zwischen ihm und Rom war indess ununterbrochen fortgeführt worden. Nothgedrungen ersuchte er um Nachlass der hohen für Sicilien verschriebenen Geldsummen und bat um Gottes Willen, nicht auf die Rückführung Aimar's von Lusignan in das Bisthum von Winchester zu bestehen *). Zum Glück war dieser, als bereits der Bruch zwischen Leicester und Glocester in die Tiefe riss, am 13. December 1260 gestorben und inzwischen auch in Rom die sicilische Angelegenheit wieder in Gang gebracht worden. So wurde denn am 13. April im Lateran die Bulle ausgefertigt, mit welcher Heinrich nunmehr getrost vor sein Parlament trat, um sich selber und allen, die ihm folgen wollten, über den Eidbruch hinweg zu helfen. Die Gewalt, die unter dem Vorwande, das Reich zu reformiren, der Macht und Freiheit der königlichen Würde angethan worden, wurde verdammt, jeder Schwur, der darauf geleistet worden, die Provisionen in ihrem ganzen Umfange kraft apostolischer Autorität für ungiltig erklärt,, denn die Heiligkeit des Eids, der den Glauben und die Wahrheit bekräftigen solle, dürfe nicht zum Bindemittel der Verkehrtheit und des Frevels werden. Einige Prälaten, unter ihnen Johann Mansell, erhielten die Vollmacht, den König und sein Haus so wie Kleriker und Laien von ihren Schwüren zu entbinden *).

 

1) Ad Titandtim enorme pericnlnm qnod nobis et regno nostro occasione ipslns posset imminere. Noch von St. Denis ans, Jannar 18. 1260. Shlrley II, 151.

 

Obwohl es in Winchester zu keinen geordneten Verhandlungen kam, so traten jetzt doch der graf von Glocester und andere, die wie er gemässigter dachten, offen auf die Seite des Königs über, und dieser getraute sich wieder aus eigener Machtvollkommenheit Justiciar, Kanzler und Schatzmeister zu ernennen. In die einzelnen Grafschaften aber seine Sheriffs zurückzuführen, fiel weit schwerer. Vergebens wurde darüber im Juli zu Kingston ein Gespräch mit der Gegenpartei angeknüpft, die auf Grund der Satzungen von Oxford nur ihre Beamten anerkennen wollte ; vergebens waren die Befehle des Königs an seine Getreuen diese zu vertreiben ; vergebens verhandelte dann wieder ein gemischter Ausschuss Monate lang über einen Vergleich, bis man in Verzweiflung an den Schiedsspruch König Richard's appellirte, der zu Ostern 1262 dahin erkannte, dass allein der König wie vor Alters das Recht habe, alle richterlichen und Verwaltungsbeamten frei ein- und abzusetzen. Darüber brach ein kleiner Krieg rings durch das Land aus, den beide Theile durch Zuzug von Söldnern aus Frankreich nach Kräften zu einem allgemeinen anzufachen bestrebt waren. Weder die Proclamation einer Amnestie für die Grafen von Norfolk, Leicester, Warenne und eilf andere edle Herren, die sämmtlich zu dem Ausschuss der 24 gehört hatten, falls sie bis zu Pfingsten 1262 durch Siegel und Unterschrift von den Provisionen abstünden, noch die Erneuerung der Bullen seines Vorgängers durch Papst Urban IV. hatten den gewünschten Erfolg *). Bei Hofe aber erkannte man längst, dass ohne einen anderen Beistand weder die Mandate Roms noch die Mittel des königlichen Anhangs hinreichten, um die Vertheidiger der Statuten von 1258 mit dem Rückhalte, den sie im Lande fanden, zur Unterwerfung zu zwingen.

 

1) Rymer I, 405. 406.

 

Der graf von Leicester, nachdem Glocester und andere ihm aufgekündigt hatten, der Leiter der Verfassungstreuen, gab das Spiel nicht verloren. Eine Weile noch trotzte er auf seine Reisigen, gegen deren Ueberführung der König vergeblich seine Befehle ausgehn liess ; nebst seiner Gemahlin nahm er den Streit wegen der Mitgift wieder auf2). Ob er selber in Winchester oder Kingston erschien, wissen wir nicht. Allein schon im Sommer 1261 begab er sich nach Frankreich, wie es im Volke hiess, mit dem Gelübde, lieber ohne jeden Besitz in der Verbannung zu leben, als der Wahrheit untreu zu werden 3), in Wirklichkeit jedoch um wie ein ebenbürtiger Fürst an dieselbe auswärtige Macht wie sein Gegner der König zu appelliren.

 

1) Shirley II, 192 ; Oct. 18. 196 ; Dec. 6. Rymer I, 411 ; Dec. 7. Vgl. Gesch. von England III, 742.

2) Datum est intelligl qnod Simon de Monteforti comes Leycestrtae nititur introducere in regnum nostrum gentem extraneam cum armis contra nos. Rymer I, 406 ; Mai 28. 1261. Vgl. Green, Princesses II, 129.

3) Ann. de Dunst. 217, dicens, se sine terra malle mori, quam perjnrus a veritate recedere.

 

Heinrich hatte nämlich, noch ehe er sich mit päpstlicher Hilfe zu emancipiren wagte, am 14. März mit Simon und der Gräfin Eleonore die Uebereinkunft getroffen, dass sie ihren persönlichen Streit der Entscheidung des frommen und Gerechtigkeit liebenden Königs von Frankreich, und wenn dieser sich weigern sollte, der Königin Margareta unter Beistand des berühmten französischen Kronjuristen Pierre le Chambrelain übertragen wollten. Man erwartete, dass der Spruch bis Ende Juni gefällt sein werde *). Die Antwort Margareta's zwar versprach die Angelegenheit zu beschleunigen, sobald die Parteien entweder selber oder ihre Bevollmächtigten erscheinen würden. Ludwig IX. aber, unparteiisch gegen den Grafen wie gegen Heinrich III., erkannte, dass hier in einem viel allgemeineren Streite als wegen gewisser Geldansprüche zu entscheiden sei, und die Veröffentlichung der Bulle auf dem Tage zu Winchester liess darüber keinen Zweifel. Am 21. April schon erklärte er die Vorlagen beider Theile für unvereinbar 2). Bald hernach aber, am 20. Juli, rief Heinrich ELT., nunmehr auch die politischen Differenzpunkte einräumend 3), noch einmal die Vermittlung der Königin an. Nicht lange darauf nun war der graf heimlich und auf eigene Hand an den französischen Hof geeilt, um dort wohlbekannt und geachtet, wie er war, zu Gunsten seiner und der Sache seines Anhangs zu wirken. Ein Schreiben Heinrich's an Ludwig vom 2. September athmete den Schrecken über diese Nachricht *) und bat inständigst, weder Simon noch andere seiner Partei vorzulassen, bis nicht seine eigenen Botschafter einträfen, um Ludwig über die Lage der Dinge aufzuklären. Daraus wurde nun aber fürs Erste Nichts, weil um diese Zeit die Aussichten der Royalisten in England sich wirklich zu heben schienen. Erst als alle gütlichen Versuche scheiterten, jene vierzehn Grafen und Barone sämmtlich zur Umkehr zu bewegen, da gewann die Angst in der Seele des Königs die Oberhand, dass ihn Montfort von Paris aus, wo er den Winter verbracht zu haben scheint, bezwingen könne. Zu seinem Entsetzen vernahm er sogar, dass die Barone, als wären sie noch immer die Regenten von England, auch auf die römische Curie einzuwirken suchten2) ; dringend wies er seine Procuratoren an, dem alsbald vorzubeugen. Und als ihm dann Ludwig IX. selber am 17. Mai 1262 die Mittheilung machte, dass er zu seinem grossen Bedauern keinerlei Ausweg sehe, für ihn Frieden zu stiften *), so rüstete er eilig, um sich ebenfalls nach Frankreich zu begeben. Hatte ihm sein Schwager der König schon bisher freundlich in seiner Geldnoth geholfen und ein Auge zugedrückt, wenn etwa der graf von St. Pol und andere französische Edelleute ihre Knappen und Söldlinge nach England einschifften, um seine widerspenstigen Unterthanen niederwerfen zu helfen, so hoffte er durch seine Anwesenheit endlich einen Schiedsspruch zu seinen Gunsten, wenn nicht gar die offene, nachhaltige Unterstützung der Krone von Frankreich zu gewinnen.

 

1) Nos Henris, par la grace Den rois Dangleterre, et nos Simon de Muntfort et Alienor, cnens et contesse de Leycestre. Jetzt gedruckt bei Shirley II, 168. Dazu die Schreiben an Ludwig vom 17. März, p. 170. 171. Ueber Pierre de Fontaines vgl. Histoire Litteraire de France XIX, 131 ff.

2) Bei Green, Princesses II, 121 ; vgl. Shirley II, 173.

3) Pro facto nos et barones nostros, et specialiter S. de M. comitem L. et Alienoram, comitissam L. sororem nostram contingente ; Rymer I, 407. Dazu das Patent vom 5. Juli bei Sbirley II, 176, welches den Herzog Hugo von Burgund und Pierre le Chambrelaio als Mediatoren bezeichnet.

 

1) Ob quam tarnen causam, cum id de nostra conscientia non processerit, penltus ignoramus. Kymer I, 409.

2) Cum .... quidam de regno nostro agentes in curia Romana in nostri juris et honoris pTaejudicium diversa suggerere et contra nos impetrare praesumant et Intendant etc. Mai 26. 1262 an die Procuratoren Hemingford und Lovel bei Sbirley II, 210.

 

Noch andere Zwecke hiessen ihn die Reise beschleunigen, denn sein Thronfolger Eduard, der sich in Gesellschaft seiner Vetter, der beiden jungen Montforts, Heinrich und Simon, an den Ritterhöfen von Südfrankreich und Burgund herumtummelte, schien noch immer dem Vater und seiner Restaurationspolitik auszuweichen. Im Juli traf nun freilich der ganze englische Hof, auch Eduard und sein Bruder Edmund, der Candidat für Sicilien, in Paris zusammen, es wurde die Einigkeit im Schosse der königlichen Familie wieder gefestigt ; aber eine Begegnung mit dem Grafen von Leicester, zu welcher die Königin Margareta einlud *), um sich der von ihr übernommenen Pflicht zu entledigen, scheiterte einestheils an einem hartnäckigen Fieber, welches Heinrich in St. Germain an das Bett fesselte, andererseits entzog sich ihr Montfort gewandt und hinterlistig. Die Abwesenheit des Königs aus dem Reiche war für ihn wie vor zwei Jahren eine willkommene Aufforderung, sich dort blicken zu lassen. Es kam hinzu, dass am 15. Juli sein Rival Richard von Glocester gestorben war, und dass dessen Sohn und Erbe, graf Gilbert, von der Mutter verhindert dem Könige den Eid der Treue zu leisten, sich der Sache der Barone wieder zugewandt hatte 1). Durch die Fehler, die Schwäche und Falschheit des Gegentheils, schienen sich die Aussichten, die bis dahin schlimm genug gestanden, wieder zu heben. Heinrich erkannte nun auch sehr wohl die Gefahr dieses neusten Schachzugs. Schleunig notificirte er an Justiciar und Kanzler, die in seiner Abwesenheit das Reich verwalteten, die Abreise des Grafen, damit sie dem Beginnen desselben entgegenträten, und seinen eigenen Entschluss, da der von der Königin von Frankreich verhandelte Compromiss nicht aus der Stelle wolle, bei diesem Verfahren gegen Simon nicht ferner zu beharren 2). Nichts desto weniger blieb er aber noch bis zum 20. December draussen, fruchtlos bemüht den französischen Hof zu energischer Unterstützung zu bewegen. Er liess seinen Kronschatz kommen, um ihn als Pfand für eine unentbehrliche Anleihe bei den Templern zu deponiren ; auch nach der Rückkehr setzte er seine Zuversicht auf Ludwig, er werde eine solche Abkunft mit dem Grafen von Leicester treffen, dass, nachdem derselbe seinem Reiche schon genug Noth bereitet, das eingeleitete Werk nicht zu noch grösserem Schaden rückgängig werde 1). Noch einmal am 5. Februar 1263 schrieb er an Margareta, um ihren auch in Frankreich bezweifelten Eifer anzuspornen 2). Dann fiel der unglückliche Fürst wie aus den Wolken, als ihm unter dem 16. seine Gesandten meldeten : König Ludwig habe ihnen mitgetheilt, dass, als er mit dem Grafen von Leicester verhandelte, derselbe sich sehr vernünftig geäussert habe, dass König Heinrich nur das Gute wolle, dass aber gewisse Leute in dessen Umgebung sioh aus dem Frieden Nichts machten und ihn am Liebsten gar nicht abschlössen. Der graf könne daher mit Ehren auf die Abkunft nicht eingehn und habe den König von Frankreich ersucht, sich gegenwärtig weiter keine Mühe zu geben 3). Bitterer konnte die Enttäuschung nicht sein, wenn Heinrich sich wirklich mit der Hoffnung trug, sich auf diese Weise seinen schlimmsten Feind vom Halse zu schaffen. Zweimal hatte er sich so weit gedemüthigt, dass er ihn als ebenbürtig gelten liess, zweimal sich an ein Tribunal gewendet, welches beinah den Charakter eines Familienraths an sich trug und doch zugleich, in einer Frage erkennen sollte, deren nationale Vertheidiger den König von Frankreich als oberste Instanz am Wenigsten gelten lassen konnten. Wohl möglich, dass Ludwig's Saumseligkeit berechnet, dass ihm ein dauerndes Zerwürfniss in dem Inselreiche höchst erwünscht war. Er liess, da sich Heinrich III. noch immer nicht getraute, ihn auch in dem politischen Hader als obersten Schiedsrichter anzurufen, noch einmal beide Theile gewähren, ohne direct zu interveniren ; er gab aber auch dem Grafen einen neuen Vorwand, nunmehr mit jedem Mittel die sinkende Sache der Stände zu verfechten und namentlich die populären Kräfte, die sich längst zu ihren Gunsten zu regen begonnen, mit unvergleichlich kühnem Griff heranzuziehen, der ihm bei Mit- und Nachwelt seinen Namen machen sollte.

 

1) Ad praesens non invenire possumus aliquam viampacis ; Rymer I, 416 und Champollion Figeac, Lettres I, 135.

2) Champollion Figeac, Lettres I, 136 ; Tgl. Green, Princesses II, 122.

 

1) Instigante matre sua, Tb. Wikes 58.

2) Quia compromissum nuper initom inter nos et comitem Leyccstriae coram Regina Franciae non processit nec habemus in eousilio per illam viara ulterias procedere contra eum. Oct. 8, Rymer I, 422.

 

1) Heinrich an Ludwig, Jannar 18. 1263 durch Johann de Chishull, Archidiakon von London, nnd Imbert von Montfenant, bei Shirley II, 234.

2) Shirley II, 235. 239.

3) Hein coraos praedietum dominum regem Franciae rogavit qnod, ad praesens, circa praemissa ulterius non laboravit. Bericht der Gesandten Ghishnll und Montferrant, Data Parisiis, in crastino cinerum, bei Rymer I, 416 dem Jahre 1262 eingereiht, dem ich noch Gesch. v. England IIIf 744 folgte, jetzt wegen des datirten Schreibens vom 18. Januar, das dieselben Boten erwähnt, von Shirley II, 242 dem nächsten Jahre zugewiesen.

 

IV.

 

Wohl war der niedere Adel, die kleinen Kronvasallen normännischer Herkunft so gut wie die angelsächsische Gentry, vielfach gegen die Magnaten aufgebracht, die stolz über sie hinwegsahen, wohl hielten viele von ihnen, in richterlichen oder Verwaltungsämtern geschult, treu zur Krone. Auch in der City gab es unter den Honoratioren eine starke royalistische Partei, zu der sich mancher ehrenfeste Alderman, wie Arnold, Thedmar's Sohn, der Verfasser interessanter Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte der Zeit, bekannte. Die Häupter des Klerus wenigstens standen noch so gut es gieng dem Streite fern. Allein Ritter, Bürger, Kleriker waren in ihren breiten Schichten längst dem Beginnen zugethan, die für alle gleich schädlichen Missbräuche, welche aus der Verbindung des monarchischen und des curialen Absolutismus erwuchsen, auszurotten. Selbst der Bauer, der sich für sie alle placken musste, horchte bereits auf Stimmen, die dem Volke durch den Mund geschickter Ausleger den Anbruch einer besseren Zeit verkündeten. In allen Ständen herrschte ein mächtiges Verlangen nach Erleichterung ; Habgier an der Spitze, Willkür von oben erschien allen als der gemeinsame Feind *), gegen den sich zu erheben endlich der Tag anbrach ; die Idee, dem Unheil durch ein gemeinverträgliches, ein nationales Mittel abzuhelfen, schlug tiefe Wurzeln. In denselben Kreisen, die zuerst das Bedürfniss der sittlichen Umkehr, der socialen Reform aussprachen, unter den Franciscanern, den Bettelmönchen überhaupt und der niederen Weltgeistlichkeit, die an den Höfen der Grossen wie in den Hütten der Armen Zutritt hatten, die auf der Universität ein neues reges Streben hervorriefen und auf den Gang der Weltereignisse achteten, entstanden gewisse Organe der öffentlichen Meinung, meist in der Form politischer Reime, roh aber populär, voll bitterer Satire, aber nicht minder voll derber, gesunder Wahrheit. Die geistlichen Federn verrieth das Vorwalten des Latein, der volksthümliche Vers war auf das Ohr der grossen Menge derer berechnet, die nicht lesen konnten und sich doch um die allgemeinen Interessen zu bekümmern begannen. Studium und Disciplin, wie sie von den gelehrten Ordensbrüdern in Oxford geübt wurden, standen in innerer Verwandtschaft mit den Tendenzen, aus welchen die staatsrechtlichen Theorien entsprangen, die vor einigen Jahren an demselben Orte ihren Ausdruck in Form von Gesetzen gefunden hatten. An der religiösen, wie an der politischen Erregung aber, in denen die gleiche starke, populäre Ader pulsirte, hatte kein Mensch grösseren Antheil als Simon von Montfort. Je mehr er Ritter und Bürger, die Mittelklassen, wie wir sagen würden, an sich heranzog, desto leichter konnte er die

 

1) Mundi Status hodie multum variatur,

Semper in deterius misere miitatur :

Nam qui parcit ncmini, quiqne plus lncratur. Ille plus dilectus est et plus commendatur. Wright, Political Songs, p. 47.

 

Machtstellung behaupten, zu der ihn sicherlich ein heftiger Ehrgeiz anstachelte, die an sich illegal gleichwohl in den Augen vieler das einzige Rettungsmittel gegen die Willkür des unbeschränkten und treulosen Königthums blieb.

 

Es war denn auch schon einmal, als im Sommer 1261 der ständische Ausschuss wegen Einsetzung der Sheriffs noch verzweifelt mit dem Könige rang, der Versuch gemacht worden drei Ritter aus jeder Grafschaft, eine Vertretung der Bachelleria, auf den 21. September zum Parlament der Barone naeh St. Albans zu laden. Heinrich hatte das Vorhaben gekreuzt, indem er allen Grafschaften diesseits des Trent untersagte dem Gebote Folge zu leisten, jene Abgeordneten der Ritterschaft aber zu sich nach Windsor entbot 1). Mit der Eintracht unter den Magnaten und den scheinbaren Erfolgen des Königs hatte auch das Experiment ein Ende, und jetzt, wo die Situation des letzteren wieder so bedenklich geworden, war nicht so leicht darauf zurückzukommen. Zuvörderst musste das von dem hohen Adel vielfach verscherzte Vertrauen des Lands durch Thaten wieder gewonnen werden, und das vermochte eben kein anderer als Leicester. Um Land und Volk zu überzeugen, dass die Oxforder Satzungen von ihren Verfassern niemals aufgegeben worden und dass sie nicht einer oligarchischen Genossenschaft, sondern der Gesammtheit zum Vortheil gereichen sollten, wählte er glücklich den Augenblick, als durch den Tod des älteren Glocester's der gefürchtete Nebenbuhler beseitigt, als in Folge desselben Anlasses auch der Fürst von Wales wieder über die westlichen Marken hereingebrochen war, und als König Heinrich, nachdem es ihm misslungen, die Parteilosigkeit Ludwig's zu erschüttern, mittelloser und rathloser als je sich wieder zu Hause einfand. Dem gegenüber wirkte das Erscheinen des Grafen ganz anders ; sein feueriges Wort, sein Organisationstalent fügte nicht nur die Splitter der Partei wieder zusammen, die ritterbürtige Jugend *) vor allen blickte begeistert zu ihrem Helden auf, als er zu Anfang 1263 seine Scharen um sich sammelte und Miene machte, wie ein selbständiger Gebieter, zwischen den Fürsten Llewellyn und den Prinzen Eduard hinzutreten, der erst, vom Vater gescholten, die Lustbarkeiten des Festlands daran gab, um die ihm übertragenen Herrschaften an der Grenze zu schirmen. Für sich, seinen Sohn Heinrich, seinen Vetter, Peter von Montfort, und andere Barone und Ritter stellte Simon am 4. März unter dem Siegel des Bischofs Walter von Worcester eine Erklärung aus, dass sie bis zu Mittfasten die Waffenruhe gegen den Prinzen wahren und mit ihm um eine gütliche Beilegung des Streits verhandeln wollten 2). König Heinrich verhiess auch noch einmal in Bezug auf die Provisionen sich einem aus Norfolk und Leicester, Philipp Basset und Hugo Bigod zusammengesetzten Ausschuss fügen zu wollen ; das war aber lediglich wiederum nur Spiegelfechterei um Zeit zu gewinnen, seinem thatendurstigen Sohne durch alle Grafschaften schwören zu lassen und, während fremden Söldnern für das Gegentheil die Häfen versperrt werden sollten, so viele wie möglich an sich zu ziehn.

 

1) Cum ex parte episcopi Wygomiensis, comitum Leycestriae et Gloncestriao, et quorundam aliorum procerum regni nostri vocati sunt tres milites de singnlis comitatibns nostris, quod sint coram ipsis apnd S. Albamim in instanti festo S. Mattbaei apostoli, secum tractaturi super commuDJbus negotiis regni nostri. Sept. 11. 1261. Shirley II, 179.

 

S*

1) Juniores Angliae .... tanquam cera liquescens ductilea ad quamlibet formam cum qaibnsdam baronibus sagt Tb. Wikes 56.

2) Et alii barones et milites sibi adhaerentea quo magis inter ipsum et nos cum comnioditate majori valeat tractari de pace. Shirley II, 245.

 

Da wagte es graf Simon offen die Waffen zu ergreifen. Zu Pfingsten beschied er seine Mannschaften nach Oxford, und zahlreicher noch als 1258 strömten die englischen Edlen dorthin ; der graf von Warenne und Anfangs selbst Heinrich, König Richard's Sohn, entzogen sich nicht. Als ob die eingeborene Ritterschaft endlich Rache üben durfte an den feilen, fremden Werkzeugen eines unerträglich gewordenen Drucks J), stürzte sie sich längs der Grenze von Wales von einem festen Ort auf den anderen, züchtigte den Bischof Peter von Hereford, der aus Aquabella in Savoyen stammte, verjagte die ausländischen Burgvögte und Sheriffs, die sich vielerwärts für den König behaupteten, ohne dass Prinz Eduard hätte entgegentreten können, da Simon den Fürsten von Wales gewähren liess und auch die Theilnahme der Städter zu gewinnen wusste. Ohne Gewaltthaten, ohne Raub und Plünderung freilich gieng es dabei nicht ab, um so eifriger aber strömten die Abenteuerlustigen dem Heere zu, das bald quer über die Insel bis in die östlichen Grafschaften seinen Rachezug ausdehnte und sich drohend gegen den Süden und die vornehmsten Stützpuncte der Krone wandte. In den Reihen herrschte die grösste Begeisterung für den Führer, auf den in solchen Tagen wohl aus der Schar der Edelleute jenes Lied gedichtet wurde, das seinen Namen,, die feste Burg, vor allen anderen pries wegen der Liebe zum Recht und des Hasses wider das Unrecht, dem die Gemeinsamkeit des Landes zujubelte, weil er den Bischof,, der alle Engländer verspeisen wollte, eingesperrt., Darum gebührt auch ihm die Meisterschaft *>

 

1) Indignati Angligenae .... ad expellendum alienigenas uno animo properabant, Ann. de Burton, p, 500,

 

Nachdem er sein Heer bei Dover gelagert hatte, von wo aus die schmale See sich am Besten bewachen liess, sandte Simon im Juni den Ritter Roger Clifford mit einem Schreiben unter seinem Insiegel nach London und forderte die Bürger auf, die Oxforder Provisionen zu proclamiren, da sie zur Ehre Gottes, zur Treue gegen den König und zum Frommen des ganzen Reichs erlassen seien *). In einer lärmenden Volksversammlung, über die Bedenken der königlich gesinnten Aldermen, der Häupter der Geschlechter, hinweg, jubelte die Commune ihrem Mayor Thomas Fitz-Thomas zu, als er beantragte, auf die Einladung des Grafen einzugehn. Damit war es wieder einmal um den König geschehn, der sich nebst den Seinigen und dem Hofe im Tower eingeschlossen befand. Von verschiedenen Seiten wurde ihm ein Vergleich angetragen : am 29. Juni wandte sich der Bischof von Worcester an den königlichen Kanzler Walter von Merton mit inständiger Bitte, dem Reiche zum Frieden zu verhelfen ; und an demselben Tage verhandelte König Richard mit dem Heere, das inzwischen an der Themse oberhalb London Stellung genommen hatte. Dringend rieth er bei Hofe, den Prinzen Eduard in Zaum zu halten, der gewaltsam in das Tempelhaus eingebrochen war und 1000 L aus der Schatztruhe entnommen hatte 2). Doch schon am folgenden Tage meldete Richard, dass graf Simon zwischen Reading und Guildford einem Gespräche ausgewichen sei 3), augenscheinlich um den Druck, den die Hauptstadt ausübte, noch stärker wirken zu lassen. Und darin irrte er sich nicht, denn in wenigen Tagen zwang die entfesselte Wuth der Bevölkerung den verhasstesten aller Räthe, Johann Mansell, der unter allen Wand

 

1) Il est apel(i de Monfort,

II est el mond et si est fort,

Si ad graut chevalorie ;

Ce voir, et je m'acort,

II eime dreit, et het le tort,

Sl avera la mestrie.

 

El mond est veräement,

La ou la comun ä ly concent

De la terre lo£e ;

C'est ly quens de Leycestre,

Que baut et joins Be puet estre

De cele renome'e.

 

Wright, Politlcal Songs, p. 61.

 

1) Liber de antiq. leg. 54 statuta facta ad honorem Dei, ad fldem Domini regis, et ad utllltatem totins regni.

2) Zwei Schreiben Eichard's bei Rymer I, 427. Das zweite anch bei Shirley II, 247. Vgl. Ann. de Dunst. 222.

3) Shirley II, 248. Schon am 16. war königliches Geleit für Simon ausgefertigt ; Bot. Lit. Fat. 47 Henr. III, membr. 8.

 

lungen die Seele des Widerstands bei Hofe gewesen war und durch zahllose Pfründen der eigenen Habgier fröhnte, zu schleuniger Flucht die Themse hinab über den Canal. Als Heinrich, der Sohn des römischen Königs, der ihm nachsetzte, drüben von einem französischen Edelmanne festgenommen wurde, machte sein Vater Miene, sich auf eigene Hand mit den Baronen zu vertragen, falls der König selber nicht für die Befreiung bürge und sich zu Unterhandlungen herbeilasse*). Der gab sofort sein Wort, ohne es wie gewöhnlich redlich zu meinen. Mittlerweile nämlich war es seinem Erstgeborenen gelungen, sich mit getreuen Mannschaften auf die feste Königsburg von Windsor zu werfen, und auch die Mutter, die Königin Eleonore, eine Frau von weit grösserer Willenskraft als ihr Gemahl, aber eben deswegen und wegen des Verbleibens ihrer provenzalischen und savoyischen Sippe die Zielscheibe des popularen Grolls, gedachte sich zu Wasser zu ihm zu begeben. Da am 13. Juli, als sie durch die Londoner Brücke fuhr, zwang sie der Pöbel mit schmählicher Verhöhnung und thätlichem Angriff zur Umkehr.

 

Solche Auftritte hatte der graf von Leicester abgewartet, bis er am 15. an der Spitze seiner Schar wie ein Sieger unter Freuderufen und Glockengeläute in die Stadt einzog. Auch die Pforten des Tower's öffneten sich ihm jetzt, und der König, seinem Willen unterworfen, musste nun nochmals die erniedrigenden Provisionen genehmigen. Ein von beiden Seiten gewählter Ausschuss sollte darüber berathen, was ihnen zum Heil des Fürsten und des Reichs abzunehmen und hinzuzuthun sei1). Es war von grosser Bedeutung, dass auch die Diener der Kirche, ausser Worcester die Bischöfe von London, Lincoln, Coventry und Lichfield zu diesem Vergleiche mitwirkten ; der erstere bewog sogar den Prinzen Eduard, als er von Windsor aus gegen die Waliser Grenze gezogen und beinah von den Bürgern von Bristol aufgehoben worden war, grollend sich nach London zu begeben, wo am 9. September in der St. Paulskirche die geistlichen und die weltlichen Magnaten zum Parlament vereinigt die Verfassung, wie sie die Sieger forderten, anzuerkennen gelobten. Der König residirte wieder in Westminster, nachdem er seine Beamten entlassen und Nicolaus von Ely wieder als Kanzler, Hugo Despenser als Grrossjusticiar bestätigt hatte. Simon von Montfort aber regierte für ihn das Reich 2).

 

1) Richard aus Berkhamstead, Juli 10 ; Rymer I, 427. Der König aus dem Tower, ebenfalls Juli 10 ; Rot. LH. Fat. 47 Henr, III, membr. 7.

 

Jedoch sein Erfolg war so wenig sicher und dauernd wie vor fünf Jahren, als er sich noch weit mehr den Widersprüchen anderer fügen musste. Der Adel von Nordengland pflichtete ihm nicht bei, sondern lud vielmehr den König ein sich in seine Arme zu werfen. Prinz Eduard, der tollkühn mehr gewagt, als er ausführen konnte, sich aher nur gezwungen in sein Schicksal ergab, wurde fast unmittelbar der Mittelpunct, um welchen sich viele Barone und Ritter sammelten, die missvergnügt über die gewaltsamen Ereignisse und über die gebieterische, unrechtmässige Stellung dessen, den sie an ' die Spitze gebracht *), gleich wieder auf eine Umwälzung sannen. Selbst von denen, die sich bei der Verfolgung der Fremdlinge durch ihre Leidenschaftlichkeit hervorgethan, sprangen einzelne über, wie Leiburne, Vaux, Bigod. Der ruhelose Heinrich, Richarde Sohn, der nach seiner Rückkehr von der französischen Küste nebst einigen von jenen den Auftrag erhalten hatte den Thronfolger auf die Statuten zu verpflichten 2), erklärte eines Tags an Leicester, er werde gegen seinen Vater und seinen Oheim, die beiden Könige, gegen seine Blutsverwandten nimmermehr das Schwert ziehn, und verlangte Abschied mit dem Gelöbniss auch gegen ihn nicht zu fechten, worauf jener erwiderte :, Lord Heinrich, nicht wegen Eures Schwerts bin ich betrübt, sondern wegen Eurer Unbeständigkeit. Geht daher und kehrt in Waffen wieder, da ich die nicht fürchte 3).

 

1) Ita quod per quosdam electos ad hoc statuta Oxoniae per dicta eorum deberent augmentari vel diminui, prout utilitati regis et regui expediret. Ann. de Dunst. 224. Ein königlicher Erlass vom 18., der den Prinzen Edmund das Schloss von Dover an den Bischof von London übertragen heisst, hebt an : Qnia pax inter nos et barones nostros reformata est et flrmata ; Rymer 1. c.

2) Die üebergabe des grossen Siegels an Nicolaus von Ely erfolgte am 19. Juli zu Westminster in praesentia S. de Monteforti Comitis Leicestriae et aliorum Magnatum Angliae. Rot. Lit. Claus. 47 Henr. III, membr. 6. Ueber die Belege zu den Hergängen vgl. Gesch. v. England III, 749 ff.

 

Unter solchen Verhältnissen dachte König Heinrich wiederum an eine Begegnung mit Ludwig IX., was völlig unbegreiflich gewesen wäre, wenn der Inhaber der Staatsgewalt die Reise hätte verhüten können. Zwar liessen sich die Barone-, als die königliche Familie förmlich nach Boulogne eingeladen wurde, eidlich geloben, dass der Fürst nach einem kurzen Gespräch baldigst von dort zurückkehren wolle, zwar forderte dieser selber den Grafen auf, ihn zu begleiten *), aber die Verabredung zu einem Anschlage gegen seine Autorität vermochte er auch trotz seiner Gegenwart nicht zu behindern. Das betrieb schon die Königin, die in Frankreich zurückblieb, während ihr Gemahl sogleich nach seiner pünktlichen Heimkehr durch die Forderung eines Schadenersatzes für die depossedirten Fremdlinge und durch Abweisung der ihm aufgedrungenen Räthe an der Waffenruhe, die er hatte schliessen müssen, zu rütteln begann. Der Bruch war dann bald vollzogen. Zu Anfang December fanden sich Vater und Sohn so weit schlagfertig, dass sie von Windsor aus plötzlich gegen Dover rücken konnten und, nachdem ein Handstreich auf diesen wichtigsten Schlüssel des Reichs misslungen war, durch einen kecken Anlauf die Hauptstadt wieder in ihre Gewalt zu bringen suchten. Im Einverständniss mit vier namhaften Bürgern hatten sie den Moment gewählt, wo Simon in Kenilworth abwesend war, das er gut befestigt und .versorgt der Gräfin zur Vertheidigung übertragen hatte 2). Es fehlte wenig, so hätten sie ihn, als er schleunig herbeieilte, in Southwark gefangen genommen, doch die Londoner öffneten ihm bereitwillig ihr Brückenthor und erstickten den Abfall, der sich auch in ihrer Mitte regen wollte. Vergeblich befahl ihnen jetzt der König, die Grafen von Leicester und Derby (Robert de Ferrers) nebst ihren Reisigen aus der Stadt zu treiben *).

 

1) Comes qaippe Leicestriae omni peue iiobilitim regni caterva obnixius erexit sibi cornua superbiae, moliendo grandia, cogitando sublimia, nec permisit ejus improbltas nt aliquatenos flecteretar ad pacem nrtheilt der Royalist Tb. Wikes, p. 57.

2) Rymer I, 430.

3) Will. Eishanger, Chronica 13, ed. Riley.

 

1) Heinrich an Ludwig, Ang. 16 : barones nostri ex certis causis ' volnnt securitatem sibi praestari de reditu nostro festino ; Rymer I, 429. Heinrich an Simon, Sept. 16 : Einladung am 23. in Bonlogne KU sein ; Shirley II, 249.

2) Green, Priucesses II, 124.

 

So hielten sich wieder Gewalt und Verrath, Trotz und Kleinmuth die Wage ; vielfach durch einander gerüttelt wagte die Lehnsmannschaft Englands noch nicht gegen das eigene Fleisch und Blut zu wüthen, und eben so wenig vermochte sie oder die Krone aus sich selber einen Ausweg zum Frieden zu entdecken. Da fand sich endlich — was überhaupt wohl durch die letzte royalistische Erhebung vorbereitet werden sollte und wozu die Begegnung in Boulogne den Grund gelegt 2) — Ludwig IX. bereit, die Angelegenheit in ihrem ganzen Umfange vor sein Tribunal zu ziehn. Am Sonntag dem 16. December erklärten Heinrich III., Prinz Eduard und ihr Anhang von Windsor aus, wenn der Spruch wegen der Oxforder Provisionen und aller Streitigkeiten, die daraus erwachsen, bis zu den nächsten Pfingsten gefällt sein würde, die Entscheidung des Königs von Frankreich unbedingt anzuerkennen, nachdem bereits am 13. Leicester und seine Partei eine ähnlich lautende Urkunde hatten vonziehn müssen 3). Deutlicher als bisher tritt aus den Documenten die Gruppirung und der Wankelmuth der einzelnen Herren entgegen. Zum Könige hielten ausser seinem Sohn und Neffen die vornehmsten Adelshäupter wie die Grafen von Norfolk, Warenne, Hereford, Wilhelm von Valence, der nicht fortzubringen war, und 26 andere, darunter die nordischen Barone Percy, Nevil, Bruce, Baliol, aber auch die Bigod, Basset, Leiburne und gar Mancher, der einst für die Statuten von Oxford eingetreten war. Auf Simon's Seite dagegen bürgten ausser den Bischöfen von London und Worcester, dem Grossrichter Despenser, zwei jungen Monforts und dem Vetter Peter noch siebenzehn andere, darunter ebenfalls Namen wie Bohun, Basset, Ross, G'rey. In ihrer Genossenschaft herrschten mehr die jüngeren Söhne und die Herkunft aus dem Süden der Insel vor.

 

1) Quatinus .... ad perturbationem predicti regni nostri cnm equis et arrais commorantes vis'is litteris istis sine dilatione aliqua amoveatis ab eadem, Dec. 8.' Jetzt gedruckt bei Shirley II, 250.

2) Auch Erzbischof Bonifaz, der Königin Oheim, war in Paris, in sermonibus publicis tarn apud Präedicatores quam apud Minores regis Angliae comitisque Leicestriae Processus gestaque declaravit, Nicolai Trivet Annales 254 (Engl. Hist. Society).

3) Super provisionibus, ordinationibus, statutis et obligationibus Omnibus Oioniensibus, et super omnibus contentionibus et discordiis quas babemus et habuimus usque ad festem Orunium Sauctorum. Die Instrumente bei Rymer I, 433. 434, nnd Shirley II, 251.

 

Gleich nach Weihnachten begäben sich der König und sein Sohn mit zahlreichem Gefolge nach Amiens, wohin die Ladungen ausgeschrieben worden, und auch graf Simon hatte sich bereits inKenilworth verabschiedet, als er durch einen Sturz vom Pferde bei Catesby in Northamptonshire den Oberschenkel brach und daheim bleiben musste. Seinerseits indess wurden am 31. December Humphrey de Bohun der Jüngere, Heinrich und Peter von Montfort, Adam von Newmarket, Wilhelm Marschall, Wilhelm le Blond und drei geschäftserfahrene Kleriker deputirt1). Es war am 23. Januar 1264, als Ludwig, nachdem die Anwalte beider Theile gehört worden, in feierlicher Sitzung seinen Schiedsspruch, die sogenannte Misa von Amiens, abgab. Er cassirte, nachdem schon der Papst sie für null und nichtig erklärt, die Provisionen und das ganze Verfassungsrecht, das daraus abgeleitet werden sollte, da sie der Krone nur Abbruch an Macht und Ehre, dem Reiche Unfrieden, der Kirche Beraubung, den Privaten, Weltlichen und Laien, Eingeborenen und Ausländern die grössten Einbussen bereitet hätten. Ihre Beobachtung oder gar eine fortgesetzte Gesetzgebung auf Grund derselben wurde verboten, alle dem Könige abgenöthigten Verträge widerrufen. Diesem sollten seine festen Plätze ohne irgend ein Pfand zurückgegeben, die unverkümmerte Befugniss seine hohen und niederen Diener ein- und abzusetzen, sie aus Fremden so gut wie Inländern zu wählen gelassen werden. Gegen die völlige Restitution der monarchischen Autorität blieben keine anderen Garantien, als dass sämmtliche vor dem Jahre 1258 ausgestellten Freibriefe und Charten hierdurch nicht berührt und für Alles, was inzwischen geschehn war, eine allgemeine Amnestie zugesagt wurde *).

 

1) Ann. de Dunst. 227, und Simon's Vollmacht aus dem Pariser Archiv, abgedruckt zu der von Halliwell unter dem Namen Risliangcr's herausgegebenen Chronik (The Chronicle of William de Rishanger of the Barons' War, Camden Society 1840), p. 122.

 

Alle Zeitgenossen mussten wissen, dass von dem heiligen Ludwig, dem Mehrer seines Reichs, dieser Zierde monarchischen Regiments nur ein Urtheil zu Gunsten des unbeschränkten Königthums zu erwarten stand. Als Schwager Heinrich's konnte er überdies kein unparteiischer Richter sein. Aber hofften die Barone wirklich, dass er für sie entscheiden werde ? Giengen sie etwa nur zum Schein auf diese Unterhandlungen ein ? Oder lagen nicht auch in dem Spruche, der ihr Werk vernichtete, Momente zu erneutem Widerstand ? Dass Heinrich bei den* Könige eines fremden Reichs auf diesem Umwege im Grunde doch nur um Hilfeleistung nachsuchte, gereichte ihm in den Augen der Nation weit mehr zur Schande, als wenn sie, die Vertreter der nationalen Unabhängigkeit, sich diesem ausländischen Dictat nicht fügen wollten. Und dann, wenn sie auch in allen anderen Stücken sich unterwarfen und noch einmal ihren alten Privilegien vertrauten, die unbedingte Zurückführung der fremden Blutsauger und Schmarotzer konnte ihnen, da sie einem Naturgesetze widersprach, kein Schiedsgericht der Welt aufnöthigen. Nicht sie allein waren entsetzt über eine so harte Zumuthung, die Gegenpartei in England selbst nannte sie unweise und nutzlos 1). Die vielen Stimmen, welche der populären Sache huldigten, schoben nach dem Gerede des Tags die Schuld bald auf die Königinnen von England und Frankreich, bald auf directe Bestechung, der Ludwig nachgegeben z). Sogar sein geheimer Wunsch, neue, heillose Zwietracht zu säen, wurde von ferne angedeutet.

 

1) Das Actenstück bei Kymer I, 433, auch im Pariser Archiv und aus Mittheilung an die City von London im Liber de antig., leg. 59.

 

1) Forte minus sapienter et inutiliter quam deceret eructatione siquidem improvisa suum praecipitavit arbitrium. Tb. Wikes 58.

2) 0 rex Francoram, multorum causa dolorum, Judex non rectus, ideo äs jure rejectus.

 

Ms. Cott. Otho D. VIII, citirt bei Blaauw, The Barons' War 1844, p. 98. 1) Rymer I, 428.

 

Wenn er sich überhaupt kaufen liess, so geschah das um einen Preis, der an einer ganz anderen Stelle lag, der dem Könige von England nicht nur Nichts kostete, sondern zur grössten Erleichterung gereichte. Am 28. Juli 1263 *) nämlich hatte Papst Urban IV. diesen von allen und jeden Verpflichtungen entbunden, die er für die seinem Sohne 'Edmund zugesprochene Krone von Sicilien auf sich genommen, während gleichzeitig Ludwig's Bruder graf Karl von Anjou ins Auge gefasst wurde als die geeignete Persönlichkeit,um die letzten Sprossen der hohenstaufenschen Dynastie niederzuwerfen. Und auch die Misa von Amiens sprach es deutlich aus, dass der heilige Vater noch immer der oberste Schiedsrichter über die Schicksale der Reiche war, über den Normannenstaat des Nordens, wo der devote Träger der Krone gegen die parlamentarischen Gelüste seiner Unterthanen geschützt' werden musste, wie über den des Südens, wo es galt, ein unbotmässiges, auf ewig verfluchtes Herrscherhaus abzuwälzen. Der König von Frankreich hatte immerhin als Nachbar und Lehnsherr ein Wort in dem Verfassungsstreite mitzureden, und seine reale Macht war gross genug, um bisher beide Theile von offenem, blutigem Kampfe zurückzuhalten. Bei Urban dagegen lag das Erkenntniss in höchster Instanz. Er hatte denn auch ganz nach der Taktik seines Vorgängers, als dieser den ersten Eidbruch Heinrich's III. im Voraus gut hiess, gewissermassen als Einleitung zu der durch den König von Frankreich erfolgenden Cassation der Oxforder Artikel, während des Sommers 1263 den Engländern wiederholt in Erinnerung gebracht, dass Alles, was sie durch Conspiration erstrebten, das vom bösen Feinde ausgestreute Unkraut und deshalb längst vom heiligen Stuhl verdammt sei. Auf Grund diplomatischer Uebereinkunft erliess er zur verabredeten Zeit am 27. November das Mandat, gegen die englischen Rebellen das Kreuz zu predigen, und schrieb drohend an den Grafen von Leicester,, den Rädelsführer des Aufruhrs, der so fluchwürdig von dem Beispiel seiner berühmten Vorfahren abgewichen, die einst für einen lobenswerthen Frieden geeifert hätten *). Mit demselben Boten gieng die Nachricht ab, dass demnächst einer der tüchtigsten Vertreter der päpstlichen Politik, Guido der Cardinalbischof von Sabina, als Legat eintreffen werde. Fast mit umgehender Post Mitte März wurde in Rom die Bestätigung des Spruchs von Amiens ausgefertigt2). Man sieht, wie Alles bestens in einander griff, wie die Curie und Frankreich als Verbündete der englischen Krone den ständisch-nationalen Prätensionen gewachsen zu sein glaubten, die ihnen allen drei unbequem zu werden drohten.

 

König Heinrich hatte sich erst am 15. Februar in sein Reich einzuschiffen gewagt, nachdem er von der Abreise des Cardinallegaten erfahren und bei Ludwig abermals beträchtliche Geldmittel aufgenommen hatte. Ihm war doch unheimlich zu Muth, als zwar manche seiner Gegner vor Schreck über das harte Urtheil die Waffen niederlegten, andere dagegen nun erst recht die Oxforder Artikel behaupten zu müssen glaubten, da ja alle früheren Freibriefe, insonderheit die Magna Charta bestätigt worden, als deren Consequenz jene lediglich zu betrachten seien. Von graf Simon lief das Wort um : er werde mit seinen vier Söhnen festhalten, obschon er in fernen Landen unter Christen und Heiden nicht auf solche Tücke und Treulosigkeit gestossen wie hier in England *). An der Waliser Grenze, wo jetzt die Montforts offen dem Fürsten Llewellyn die Hand reichten, waren sofort Unruhen ausgebrochen, so dass die königlichen Landvögte in Worcester, Stafford und Shropshire schon am 4. Februar angewiesen wurden, die Brücken über die Severn mit einziger Ausnahme der bei Glocester zu zerstören 8). Als der König aus Frankreich zurückkehrte, hatte der graf von Leicester mit den Seinen bereits zu den Waffen gegriffen und sich der wichtigsten Uebergänge über den Fluss versichert. In den ersten Tagen des März stürmte Prinz Eduard herbei und stritt tapfer mit ihnen um den Besitz von Glocester ; am 13. zog er sich, um mit seinem Vater zusammenzutreffen, auf Oxford zurück.

 

1) Primas inter actores turbationis hujnsmodi .... nam com tat progeuitores sicut de ipsis habet fama laudabüis pacis zelatores extiterunt .... immo dampnabiliter degenerare videris ab Ulis. Urbani IV, Epp. III, 188. 199 nach den Copien in Ms. Add. Mus. Brit. 15,361. Dazu Raynaldi, a. III, § 83. 84.

2) Die Acten der Curie in der Angelegenheit zusammengestellt in meiner Geschichte von England III, 758. 759.

 

Die Wahl dieser Stadt, nach welcher Heinrich nicht nur die Baronie des Reichs zum Parlament berufen, sondern die wegen ihrer strategischen Lage sich geschickt zum Angelpunct für seine militärischen Unternehmungen im Bürgerkriege darbot, hatte eine sprechende Bedeutung im Gegensatz zu dem, was hier einst vor sechs Jahren geschehn war. Allein eine grosse Schwierigkeit musste zuvor hinweggeräumt werden, der Geist der Universität, den die Barone ohne Zweifel schon damals mit Erfolg verwerthet hatten. Von den rührigen Franciscanern gepflanzt, war er der von ihnen verkündeten Sinnesänderung aus streng religiösem Bedürfniss und der practischen Reform in socialer Richtung entschieden zugewandt} der intime Gedankenaustausch zwischen Männern wie Grosseteste, Marsh und Montfort, der sich auf die höchsten Fragen in Kirche und Staat erstreckte, hatte die tiefsten Wurzeln geschlagen. Gerade um die Mitte des Jahrhunderts hatte sich das Studium zum ersten Mal zu der Höhe einer Landesschule aufgeschwungen, denn aus allen Gegenden des Reichs strömten lernbegierig die Angehörigen der besitzenden Klassen hierher zusammen, um in der nüchternen, aber populären Scholastik der Minoriten disciplinirt zu werden *). Die Entwürfe und Ideen, von denen die Väter ergriffen waren, fanden bei der Jugend eine noch weit stürmischere Aufnahme. Die ab- und zuwandernden Scholaren, durch die im ganzen Lande spukende Rauflust gestachelt, schlugen sich wüthend mit den Bürgern in dem Augenblick, als Eduard auf dem Marsche nach Glocester vorüberzog 2). Hierdurch wohl zunächst bewogen, hatte der König sofort, nachdem er in Woodstock eingetroffen, am 12. März an Kanzler und Universität einen scharfen Befehl erlassen. Da er in Oxford über die wichtigsten Angelegenheiten des Reichs mit den Ständen zu tagen gedächte, unter diesen aber auch viele streitlustige und zügellose Mannschaft, vermuthlich die von der schottischen Mark erwarteten Barone, eintreffen würden, sollten jene einstweilen mit Zusicherung aller ihrer Rechte die Stadt verlassen und sich in die Heimath begeben *). Der wahre Grund, die Angst vor der grossen waffenfähigen Menge der Studenten, vor ihrer aufrührerischen Gesinnung wurde verschwiegen ; der Missgriff aber solche Scharen, die ein Zeitgenosse über 15000 berechnete 2), einfach hinaus und den Gegnern der Krone in die Arme zu treiben, musste sich rächen.

 

1) Die von Halliwell dem Kishanger beigelegte Chronik, p. 17. 18.

2) Shirley II, 254.

 

1) S. im Allgemeinen mein Tübinger Programm von 1864, p. 21 ff. 2)% Wood, Hist. et Antiq. Oxon., p. 111.

 

In Oxford und zu Brackley, wenige Meilen nordöstlich, wo der graf von Leicester mit den Seinigen lagerte, scheinen noch einmal unter Vermittlung der Geistlichkeit und eines französischen Gesandten rege, aber kurze Verhandlungen Statt gefunden zu haben. Nach einem bestimmten Zeugniss verhiess der Adel, sich in das Erkenntniss von Amiens fügen zu wollen, wenn der König auf den Artikel zu Gunsten der Ausländer verzichte. Schon wurden die Bedingungen zusammengestellt, unter denen allein unter allen seinen Landsleuten Bonifaz, der Erzbischof von Canterbury, zurückkommen dürfte *). Da rief der König, nachdem er übel berathen von dieser auf Versöhnung zielenden Concession wieder abgesprungen, an demselben 20. März, wo er zum letzten Mal den Gegnern sicheres Geleit ausstellte, auch die längst bereit gehaltenen Mannschaften für den 30. in die Waffen, denn ein schweres Zerwürfhiss bedrohe Krone und Reich mit Gefahr 2). Wenige Tage später geschah^ der Auszug von Oxford gegen Northampton, hinter dessen Mauern sich Montforfs Heer zurückgezogen hatte. Als Eduard am 5. April stürmen liess und durch Verrath eines französischen Priors des St. Andreas-Klosters in die Stadt drang, war der heldenmüthige Widerstand der Barone und der Studentenschaft, die unter ihrem eigenen Feldzeichen focht ?), fruchtlos. Der junge Simon von Montfort gerieth mit 15 bannerführenden Herren und 40 Rittern in Gefangenschaft, während sein Vater mit den übrigen dem nachrückenden Heere des Königs zuerst gegen Osten, bald aber gegen Süden auswich.

 

1) Nos attendentes quod sine gravissimo pericnlo ibidem morari non possetis, maxime com in tanta congregacione multi indomiti, quoinm seviciain de facili reprimere non possemus, ibidem faerint acceseuri, vobis mandamns firmiter injungentes, quatinus ad pacem et tranquillitatem vestram salvandam a dicta villa ad propria eine dilacione divertatis. Iij-mer I, 435.

2) Erat enim clericorum numerus, qnornm nomina scripta fuernnt in matricntis rectorum, excedons XVM. Rishanger, ed. Halliwell, p. 22.

 

Diese Schlappe war indess an einer anderen Stelle mehr als aufgewogen. In der Stadt London, wo jeder nachgiebige Schritt verworfen wurde und die Bewegungspartei, die Bacheleria *), durchaus, die Oberhand hatte, griff die ganze zahlreiche Bevölkerung unter eigenem Constable und Marschall zu den Waffen. Hier schaltete Hugo Despenser noch als Grossjusticiar und ohne Zweifel auch in Uebereinstimmung mit dem Grafen von Leicester. Am 31. März läutete die grosse Glocke von St. Pauls zum Sturm, und hinaus gieng es, um die herrlichen Parkanlagen König Richard's in Isleworth, die benachbarten Güter Wilhelm's von Valence, Walter's von Merton, Philipp Basset's von Grund aus zu zerstören. Drinnen überfiel man die Juden und forschte nach ihren im Tempelhause deponirten Geldern. Ein Edelmann, der den reichen Kok Abrahamson erschlagen, bot dem Grafen von Leicester die Hälfte des Raubs. Auch an die Beamten der königlichen Gerichtshöfe in Westminster wurde Hand gelegt2). Der Aufstand, der sich in wüsten Gewaltthaten entlud, geschah unter den Augen Simon's, denn bis gegen Palmsonntag (April 12) war er bereits bis nach St. Albans gelangt, herbeigerufen durch die Anstalten, welche der Feind zu treffen suchte, ihn bei Zeiten von der Küste abzuschneiden.

 

1) Copie einer Aufzeichnung des Stadtschreibers von London in Ms. Mus. Brit. Add. 5444, fol. 66b : quod saltem nnicnm et solum remittat articulum, viz. quod alienigenis ab Anglia remotis per indigenas gubernetur, et omnibus statutis provisiouibns et ordinationibus regis Franciae aquiescat. Dazu die Abkunft wegen des Erzbischofs, in praesentia illnstris regis Angliae, de consilio procerum et magnatum ejnsdem regni ; Rymer I, 438.

2) Vier Docnmente bei Rymer I, 436. 437 ; März 18. 18. 20. Im letzten heisst es : Com jam in regno nostro gravissima turbacio Sit suborta, ex qua pericnlum regni et corone Angiie, qnod absit, de facili possit imminere.

3) Walter de Hemingburgh I, 311 (ed. Engl. Hist. Soc.) habebant enim vexillnm per se et in sublime contra regem erectum.

 

Schon von Oxford aus hatte eine Abtheilung unter dem Grafen von Warenne, der neuerdings wieder der entschiedenste Partisan des Königs geworden, sich nach Rochester in Kent gewendet. Am 19. entriss ihnen Simon mit stürmender Hand die Stadt, aber das alte,

 

1) Innumora multitudo ribaldormn quos bachilarios vocitabant, Th. Wikes 58.

2) Th. Wikes 58—60. Lib. de antiq. leg. 61. 62.

 

einst von Bischof Gundulf, dem grossen Baumeister des Eroberers, errichtete Schloss vermochte er mit allem seinen Sturmgeräth nicht zu bezwingen. Die Ostertage verstrichen ; da kam die Nachricht, dass Prinz Eduard, der bisher in Leicester und Nottingham, in den Besitzungen Montfort's und Derby's, stark gehaust und sich nun vollends mit den Herren von der schottischen Mark vereinigt hatte, das königliche Hauptheer in Eilmärschen heranführte. Während nun die Londoner Bürger den Grafen nöthigten, am 26. zur Deckung ihrer Stadt zurückzugehen, Rochester also noch einmal aufgegeben werden musste, gedachte der König der fünf Häfen, Sandwich, Dover, Winchelsea, Romney und Hythe Herr zu werden. Doch die Einwohner derselben, von Alters her mit gewissen Baronialrechten für die Seefahrt und Küstenvertheidigung ausgestattet, zeigten sich nicht minder trotzig als die Bevölkerung der Hauptstadt. Sie bemannten ihre Schiffe und stachen ins Meer, um nicht zu einer Fahrt Strom auf gegen London verwendet zu werden. Da die Leute von Kent und Surrey sich überhaupt unfreundlich zeigten, da an Nahrung bald Nichts mehr zu haben war, so dass Ross und Mann darben mussten, so führte der König endlich sein Heer in die Grafschaft Sussex und nahm am Sonntag dem 11. Mai sein Hauptquartier in der Priorei Lewes, stattlich gelegen da, wo die Ouse sich in einen Meeresarm erweitert, als Filial von Cluny den ausländischen Verbindungen zugethan, als Benedictinerstift durchaus königlich gesinnt.

 

Darüber war jeder Versuch auf London unterblieben, dessen Besitz wegen seiner Eeichthümer schon damals demjenigen Theile Erfolg verhiess, dem es sich zuwandte. Seit langen Jahren hatten hier das System willkürlicher Schatzungen durch die Krone, die vielen Unarten, die sich der Hof mit seinem Gefolge wider die Bürger zu Schulden kommen lieäs, und völlige Theilnahmlosigkeit der Regierung für die Verwerthung der aufblühenden transmarinen Handelsbeziehungen böses Blut gemacht. Aus diesen wie aus manchen anderen Gründen erblickte man daher in der Sache der Barone durchaus die eigene, in dem Grafen Simon den Staatsmann und populären Helden, der den Wehrstand und den Nährstand vereinen und zum Siege führen werde.

 

Am 6. Mai war Leicester, nachdem er mit den Edelleuten und Bürgern übereingekommen, nochmals gegen Annahme der Statuten von Oxford die Hand zum Frieden zu bieten, an der Spitze seiner Reisigen, denen sich ein starker^Haufe Londoner, bis an 15000 Mann, angeschlossen hatte, nach Süden ausgerückt*). Am 12. Mai lagerten sie auf dem waldigen Höherücken, etwa eine Stunde oberhalb Lewes bei dem Dorfe Fletching. Ein kurzes, höfliches Schreiben an den König, unter den Siegeln der Grafen Leicester und Glocester, das ihn ersuchte, gewisse Rathgeber, seine Feinde und die ihrigen, aufzugeben, wurde von den Bischöfen von London und Worcester in das- Kloster überbracht, wo sie mündlich sich ihres eigentlichen Auftrags entledigten. Indess die Kampfbegier Eduard's und dieses Mal auch Richard's wollte von keinen Anträgen wissen, obwohl 30000 L, ja, an den römischen König persönlich 50000 Mark als Entschädigung für das verwüstete und zerstörte Eigenthum geboten sein sollen *). Sie vermochten den König Simon von Montfort und Gilbert von Clare — ohne sie noch des gräflichen Titels zu würdigen —, welche nebst ihren Genossen Krieg und Aufruhr in das Land gebracht, da ihm an ihrer Sicherheit und Freundschaft fortan Nichts gelegen sei, zu Feinden zu erklären. Richard, Eduard, Adel und Ritterschaft auf ihrer Seite nahmen in einem besonderen Schreiben sämmtlich die Verantwortung auf sich, die Berather des Königs zu sein ; vor dem königlichen Gerichtshof wollten sie jeder Zeit die eigene Treue und den Verrath jener erhärten 2). Erst nachdem hiermit Gehorsam und Achtung vollends aufgekündigt worden, rüsteten sich beide Heere während des 13. zur Schlacht.

 

1) Rishanger, ed. Halliwell, p. 27. Lib. de antiq. leg. 62.

 

Der Streit mit Worten hatte ein Ende, der blutige Waffengang allein musste nunmehr entscheiden. Auf Seite der Patrioten war Alles von einem Gefühl, demselben Glauben und Willen, derselben Liebe zu Gott und dem Nächsten durchdrungen s), kraft deren der Tod für das Vaterland nicht zu fürchten sei. Zu der Thatkraft und der Feldherrngabe Simon's, von der er einst in der Gascogne die rühmlichsten Beweise gegeben, hegte jedermann unbedingtes Vertrauen *). Allen voran befahl er dem Himmel den Ausgang, indem er, wie es sein Vater zu thun pflegte, und wozu die unvergesslichen Seelsorger, wenn sie noch gelebt hätten, ermahnt haben würden, die Nacht im Gebet verbrachte. Den würdigen Bischof Walter von Worcester, standhaft und gleichgesinnt, sah man von Zelt zu Zelt durch die Reihen schreiten und überall nach dem Sündenbekenntniss Sacrament und Absolution ertheilen. Auch das weisse Kreuz auf Brust und Rücken, das ein jeder angelegt, galt als Symbol, dass es sich um einen heiligen Streit handelte. Noch waren die Unternehmungen gegen die Ungläubigen in fernen Landen, an denen der Feldherr selber einst sich betheiligt hatte, nicht abgebrochen. Wie damals im Jahre 1215 die Väter thaten, scharten sich die Engländer abermals zu einem, Heere Gottes wider dieselben Bedränger zusammen.

 

1) Darauf gebt auch die Ballade, oder vielmehr das Spottlied, dag älteste in englischer Sprache, das so oft abgedrnckt ist :

The Kyng of Alemaigne, bi im leaute°

Thritti thousend ponnd askede he

For to make the pees in the conntre'e.

Percy, Reliques of ancient English poetry, ed. 1840, p. 90. Wright, Political Songs, p. 69.

2) Die drei Schreiben finden sich nicht auf den durch die kriegerischen Hergänge stark gestörten Rollen der Staatskanzlei, dagegen In den meisten Annalen der Zeit, aus den Fortsetzern des Matth. Paris, erst bei Eymer I, 440. S. Gesch. v. England III, 766—768 Noten.

3) Per omnia una fides, una volantag fuit, amor et Del et proximi ; Risbanger, ed. Halliwell, p. 34.

 

Beim ersten Morgengrauen am Mittwoch dem 14. Mai erhob sich der graf und ordnete seine Scharen am Saume des waldigen Höhenzugs, von dem sie auf Burg, Ort und Stift von Lewes und auf den stattlichen Fluss herabschauten. Ein Wagen, dessen sich Simon wegen des noch kaum überstandenen Beinbruchs bedient hatte, stand in der Mitte. Jetzt trug er nach dem Brauche der Zeit die Hauptstandarte und in Fesseln jene vier Londoner Bürger, die ihn im vergangenen November in Southwark an den König hatten ausliefern wollen. Rings herum unter starker Bedeckung eine Burg aus allerhand Fuhrwerk, und auf beiden Flügeln in dichten Massen die zum Angriff bestimmten- Haufen. Eben stieg die Sonne aus dem Meere auf, als Simon noch einmal die Knie bog und das Heer desgleichen mit ihm das letzte Gebet verrichtete. Dann trat man, nachdem der graf den jungen Glocester und zwei Altersgenossen Robert de Vere, graf von Oxford, und Johann de Burgh zu Rittern geschlagen, mit dem Gesicht nach Osten gegen Lewes in fester Ordnung aus dem Walde hervor thalabwärts 1).

 

1) Tum prnpter ejus constantiam, tum propter belli notitiam. Tantus erat ei ardor flnem maus imponere, nt mallet ultima experirl, quam regni calamitatem ulterlus protendi. Opus chronicorum, ed. Eiley (Eerr. Brit. med. aevi SS. 1866), p. 10, eine neuerdings erst herausgegebenr, ebenfalls aus St. Albans stammende Aufzeichnung, die schon von beiden unter Rishanger's Namen gehenden Redactionen der Fortsetzung des Matth. Paris, benutzt wurde.

 

Die Königlichen, die nach Art von Cavalieren den Abend lustig bei Gesang und Becherklang und sogar trotz der geistlichen Herberge in Weiberarmen verbracht hatten, wurden völlig überrascht 2). Aus den Betten hinweg rief sie die Meldung ihrer Feldwachen in den Kampf, der fast unter den Mauern des Orts von einer Streifschar aufgenommen wurde, die früh Morgens zum Fouragiren gesattelt hatte. Allein rasch war die Rüstung übergeworfen und unter den wappenbemalten Bannern ihrer Führer sammelten sich die Mannschaften in Reihe und Glied. Sobald das uralte Feldzeichen der Könige von England, der britische Drache, hoch in der Luft flatterte, gieng das Heer voll ritterlichen Muths in drei Treffen, vom Kronprinzen, dem römischen Könige und Heinrich HI. selber befehligt, zum Angriff vor. Der graf von Leicester hatte gerade noch Zeit, eine andere Stellung zu nehmen, deren Nothwendigkeit er mit scharfem Blick aus der Natur des Bodens erkannt hatte. Die wenig disciplinirten Londoner Banden wurden drei tapferen jungen EdeUeuten, Hastings, Segrave und Borham übergeben, um von Norden geradeswegs auf die Mauern der Burg heranzudringen ; das zweite Treffen befehligte Gilbert von Glocester, das dritte rechts neben ihm die beiden jungen Montforts, Heinrich und Gui. Ihr Vater verblieb bei der Nachhut und leitete das Ganze.

 

1) Hauptquelle ist die gewiss von einem Augenzeugen stammende Partie über die Schlacht in Rishanger, ed. Halliwell, p. 31 ff. Dazu Mittheilungen ans der handschriftlichen Chronik von Rochester, ebendort, p. ISO, nnd Rishanger, ed. Riley, p. 25. 26.

2) Allgemein Th. Wikes, p. 62 At Uli stupefacti perpropere snrgentes .... exeuntes in occursum multitndinis tarn profanae. Nach gleichzeitiger populärer Schilderung Political Songs, p. 80 :

Qui carnis luxuria foeda sordnerunt,

Factis lupanaribus robur minuerunt,

TJnde militaribus indigni fuerunt. Dazu Chronicon de Mailros, ed. Stevenson, p. 193, noctem illam corei et cantileois occnpans, potacionibns et scortacionibus insistebat, freilich ; protestante mihi nno nobili qui ibi fuerat.

 

Als nun Eduard voll wilden Ungestüms und bitteren Ingrimms sofort gegen die Städter einrannte, die seine Mutter verunglimpft, sie rechts ins Wasser, links die Höhe hinauf jagte, gelangte er weit ab bis zu dem Carrocium, dessen Bedeckung mitsammt den vier unglücklichen Gefangenen niedergemacht wurde. Schon glaubte er in stundenlanger Verfolgung und blutigem Gemetzel den Kern des feindlichen Heers und seinen Führer selbst geworfen zu haben, als dieser, ohne viel nach den Bürgern zu fragen, seine weit schlagfertigeren Treffen gegen die beiden Könige anrücken liess. Nach längerer Gegenwehr wurden deren Reihen völlig gebrochen. Was nicht erschlagen lag, suchte sein Leben zu retten, wie es eben gieng, die Einen im Asyl der Priorei, die Anderen, indem sie sich auf der Walstatt den Siegern ergaben. Warenne, Valence, Gui von Lusignan, Hugo Bigod nebst 300 Reitern schlugen sich nach Pevensey durch und setzten von dort nach der französischen Küste über. König Heinrich, dem das Pferd unter dem Leibe gefallen war, reichte sein Schwert dem Grafen von Glocester ; und sein Bruder Richard gar, der auf einer im Gefechte als Stützpunct und Observatorium benutzten Mühle *) Zuflucht gesucht, stieg verspottet als Gefangener herab. Viele Herren wie die Grafen von Hereford und Arundel, Philipp Basset, Heinrich Percy, die Barone aus dem schottischen Niederland, Bruce, Baliol, Comyn mussten sich ergeben. Nur je zwei namhafte Herren auf beiden Seiten, und im Ganzen etwa 5000 Knechte und Söldner waren umgekommen. Schon wurde es Abend, als der Prinz und sein Vetter Heinrich, nachdem sie siegestrunken den versprengten Städtern weit in das Land nachgesetzt, arglos und ermüdet heimkehrten. In der ersten Bestürzung über das Geschehene machte Eduard Miene sich in die Burg zu werfen, deren Vertheidiger sich noch behaupteten. Da diese aber schon am folgenden Tage capitulirte, entschloss er sich das Schicksal seines Hauses zu theilen und überlieferte sich dem Sieger *).

 

1) Motus est exercitus baronum versus quoddam molendinura circa Lewes, Ms. Mus. Brit. Add. 5444, fol. 68. Ausführlich Chron. de Mailros 196 und die englische Ballade :

The Kyng of Alemaigne wende do ful wei,

He saisede the mulne for a castel,

With hare sharpe swenles he grounde the stel,

He wendo that the sailes were mangonel

To helpe Wvndesore.

 

Einen solchen Kampf der Unterthanen wider ihren König, zwischen den nächsten Blutsverwandten und demselben Volke von einer Zunge und einem Glauben hatte England noch nicht erlebt. Ein heiliges, obschon freudiges Gefühl des Danks flog weit und breit über das Land, das durch eine grosse Entscheidung von unerträglichem Druck befreit zu sein und aus den Saaten des eigenen Bluts eine glückliche Ernte einzubringen verhoflfte. Die begeisterten volksthümlichen Anhänger Simon's feierten ihn jetzt, nachdem er mit geringeren Streitmitteln die viel kriegstüchtigeren Gegner bezwungen, fast in puritanischem Geiste wie einen Moses, der das Volk Israel von der Drangsal Aegyptens errettet, wie einen Gideon oder Matathias. Nächst Gott gab man ihm und seinen tapferen Söhnen die Ehre ; er hiess der Eckstein der englischen Freiheit2).

 

1) Ueber die Schlacht bei Lewes kommen die Quellen, vielfach übereinstimmend und sich ergänzend, in folgender Ordnung zur Geltung : Th. Wikes 62, die beiden dem Rishanger beigelegten Aufzeichnungen, die Ann. Waverleienses, p. 356. 357 der neuen Ausgabe, das Chronicon de Mailros 392 ff., ed. Stevenson, dem der Bericht eines anwesenden Schotten eingeflossen ist. Die ausführlichsten topographischen und genealogischen Angaben in dem trotz seinen kritischen Mängeln sehr brauchbaren Werke von Blaauw, The Barons' war, including the battles of Lewes and Evesham 1844, p. 143—189.

2) Fides et fldelitas Simonis solius

Fit pacis integritas Angliae totius.

Wright, Political Songs, p. 85, das längste und inhaltreichste dieser Lieder, das noch in demselben Jahre gedichtet wurde.

 

Das Grottesgericht der Feldschlacht hatte dahin entschieden, dass der König, der nur eigenwillig oder abhängig von unberechtigten Günstlingen regieren wollte*), sammt seinen Getreuen und nächsten Angehörigen in die Gewalt derer kam, die nach einer Reihe fruchtloser Versuche kein anderes Mittel besassen, als ihn zu zwingen. Die Monarchie abzuschaffen in diesem von starker Königshand begründeten Staate fiel ihnen niemals ein. Aber blieb der Fürst, welchem die von seinen Lehnsleuten entworfene Verfassung aufgenöthigt wurde, mehr als ein Schattenbild jener Würde, die einst Volk und Staat in eine Einheit gefügt hatte ? War diese verfassungsmässig parlamentarische Ordnung auch nur auf anderem Wege als durch Härte und Unrecht gegen den Einen zu erreichen, unter dessen Druck die Vielen so lange gestöhnt ?

 

Kaum hatte Montfort den Excessen, die dem Siege folgten, ein Ende gemacht, so hub für ihn das schwierigere Amt des Staatsmanns und Regenten an. Und weise, klug berechnet waren allerdings seine ersten Schritte. Während einige Franciscaner und Mönche des Stifts, um ferneres Blutvergiessen zu hemmen, geschäftig zwischen Freund und Feind hin und hergiengen, und der erste Erlass des Königs der Besatzung des Schlosses die Waffen niederzulegen befahl, da zwischen ihm und den Baronen Friede geschlossen worden *), wurde ein vorläufiger Compromiss, die Misa von Lewes, eingeleitet. Das Document darüber ist wie so manches andere aus der Zeit der Unruhen später unterdrückt worden, doch fehlt es nicht ganz an Angaben über seinen Inhalt. Es athmete den Geist der Mässigung, der den König nicht verantwortlich, aber wohl bis zur Unterwerfung fügsam zu -machen trachtete. Es tastete noch immer nach einem höheren Schiedsgericht, das, nachdem die Bemühungen Ludwig's IX. gescheitert waren, sich etwa aus französischen und englischen Bischöfen und Pairs mit Hinzuziehung des päpstlichen Legaten componiren liess. Es betrachtete die Oxforder Provisionen als das öffentliche Landesrecht, an denen allerdings, aber nur nach gemeinsamen Beschlüssen für und wider zu ändern sei 2). Der Ausschluss aller Fremden von einheimischen Aemtern dagegen, die strengste Sparsamkeit in den Finanzen des königlichen Haushalts waren Forderungen, von denen nicht das Geringste nachgelassen werden konnte. Ausserdem dann gegenseitige Amnestie und Austausch sämmtlicher Gefangenen, der von Northampton gegen die von Lewes, ohne jedes Lösegeld, als unstatthaft im Kriege unter Landsleuten. Die Prinzen Eduard und Heinrich sollten bis zur völligen Erledigung als Bürgen haften und das an Heinrich von Montfort übertragene Schloss von Dover, Richard nebst seinem jüngeren Sohne Edmund sein Eigenthum Wallingford nicht verlassen dürfen.

 

1) Dass jedes geordnete Regiment ein Ende hatte, beweist schlagend folgender Kanzleivermerk zn einem Erlass aus Lewes am Tage der Schlacht, dem 14. Mai, in Betreff der französischen Snbsidien : Et sciendum quod magister Arnulphus, cancellarius regis Alemanniae, dictavit et scripsit manibus propriis litteram supradictam, sine consilio et assensa alicajns clerici de cancellaria : et consignata fuit coram consilio Domini Regis apud Lewes die snpradicto. Rvmer I, 440.

 

1) Rot. Lit. Fat. 48 Henr. III, membr. 13 : quia pax inter regem et barones formata est.

2) Ita ut cum deliberatione tractaretar, quae provisiomim et statutoium essent pro otilttate regni tenenda et quae delenda ; Rishanger, ed. Riley, p. 28. Dazu Halliwell, p. 37 ; Wikes 63 ; Lib. de autiq. leg. 63.

 

Schon auf dem Wege nach London, wo der König, weil seine Residenzen im Tower oder Westminster nicht geeignet befunden wurden, am 28. bei dem Bischöfe Wohnung nehmen musste, wurde eine andere Reihe von Verfügungen getroffen, welche die Beruhigung des tief aufgewühlten und vieler Orten in bittere Noth gestürzten Lands bezweckten. Die Schlösser beider Theile hatten ihre Feindseligkeiten einzustellen, jedermann die Waffen abzulegen, seine Gefangenen frei zu geben ; fernerer Friedensbruch, namentlich auch gegen das kirchliche Eigenthum, gegen Gut und Leben der Juden, wurde mit dem Tode bedroht. Ein glücklicher Griff war, da der Streit vorzüglich über die Einsetzung der Sheriffs stets wieder aufgebrochen, die Ernennung provisorischer Friedenswächter (custodes pacis) in 29 Grafschaften *). Auch Kanzler und Scholaren von Oxford waren nicht vergessen, denn am 30. Mai wurden sie zur Rückkehr in ihre Universitätsstadt aufgefordert *).

 

Bei Weitem die wichtigste Massregel aber war die Ladung eines Parlaments nach London zum 23. Juni, nicht nur der Prälaten und Magnaten, sondern auch anderer Getreuen, ausdrücklich je vier befugter und einsichtiger Ritter aus jeder Grafschaft *). Unter Theilnahme der vornehmen Stände und einer Vertretung der Communität des Lands, soweit sie sich einfand, wurde hier wenigstens der Versuch gemacht, die Entwürfe von Lewes in Vollzug zu setzen. Um dem Reiche den Frieden zu verschaffen, sollten unter der Genehmigung des Königs auf dem Wege der Wahl und gegen eidliches Gelöbniss drei Persönlichkeiten bezeichnet werden, die wieder neun andere zu wählen hatten. Diesen, Geistlichen und Laien, sollte entweder in ihrer Gesammtheit oder abwechselnd zu dreien die Regierung am Sitze des Hofs obliegen. Auf ihren Rath handelte der König bei allen Ernennungen und Verfügungen. Sollten sie uneins werden oder einzelne ungeeignet erscheinen, so lag die Entscheidung bei den ersten drei. Ein Wechsel unter diesen konnte nur unter Mitwirkung des Parlaments giltig sein. Die Räthe wie sämmtliche Schlossund Landvögte mussten das Indigenat haben ; im Uebrigen wurde allen Ausländern besonders auch zu Handelszwecken der freie Aus- und Eintritt gewährleistet. Natürlich wurden die allgemeinen, den Engländern ertheilten Freiheitsurkunden in Erinnerung gebracht und für den König, seinen Sohn und ihren Anhang die Versicherung gegeben, dass sie über die vollbrachten Thatsachen allen Unwillen fahren lassen wollten. Mit Bezug auf die Magna Charta verblieb der Kirche die Ordnung ihrer eigenen Angelegenheiten, doch leistete, was bereits als ein übles Anzeichen gelten konnte, Erzbischof Bonifaz der Aufforderung zur Heimkehr keine Folge *).

 

1) Die Proclamationen vom 17. 25. 28. Mai, vom 2. 4. und 11. Juni bei Rymer I, 441—443. Vgl. Rishanger, ed. Eiley 29.

2) Rot. Lit. Pat. 48 Henr. III, membr. 12. Vgl. A. Wood, Hist. et Antiq. Oxon. p. 113.

3) Quatuor de legalioribus et discretioribus militibus dicti comitatus per assensum ejnsdem comitatus ad hoc electos ; Rymer 1, 442, Jnnl 4. Da ihre Anwesenheit nicht urkundlich erwähnt wird, bezweifelt sie hyperkritisch der Report on the Dignity of a Peer I, 154. 1) Rymer I, 443. 444.

 

An demselben 23. Juni nun erhielten der Bischof Stephan von Chichester, graf Simon und Gilbert von Glocester die königliche Vollmacht zur Wahl der neun Räthe. Die Seele der ganzen Wendung, welche eingetreten war, der Regent des Reichs, der Protector, wie ihn sein Zeitalter schon genannt hat, konnte selbstverständlich in dieser Commission nicht fehlen. Im Unterschiede zu der Baronialregierung, an welcher er früher betheiligt gewesen, wusste er diesmal mit politischem Scharfblick die Vielzahl aus den gewählten Ausschüssen fern zu halten, theils um grössere Eintracht, vornehmlich aber um seine Einzelmacht zu wahren. Ihm selber als der Spitze der Pyramide sollte die Berufung der Ritterschaft zur breiten, sichereren Basis dienen.

 

Ungewöhnlich und unberechtigt war doch durchaus die Stellung, die er.aus Pflichtgefühl für die Wohlfahrt des Reichs nicht minder als aus wirklicher Herrschlust zu behaupten trachtete. Allen anderen war das Waffentragen untersagt, sich selber, seiner persönlichen Sicherheit behielt er es vor 1). Für und gegen ihn und sein Werk ergieng sich jetzt heftig und scharf die Beurtheilung der Parteien, die, da sie nicht zu unterdrücken war, höchst eigentümlich zu Worte zu kommen wusste.

 

Die Gegner schrieben ihm für sich und seine Söhne, die er zärtlich liebte, die selbstsüchtigsten Entwürfe zu : wie ein Vormund habe er bereits die weiten englischen Herrschaften des römischen Königs und achtzehn Baronien royalistisch gesinnter Standesgenossen in Verwahrung genommen ; er schleppe seinen König gleich einem Gefangenen mit sich im Lande herum ; ein graf als Mitregent achte sich der königlichen Majestät gleich*). Die Leute aber, die ihn beschuldigten, nur auf den eigenen und seiner Nachkommen Vortheil bedacht zu sein, übersahen ganz den Eifer, mit dem er rastlos seit 1258 sich der allgemeinen Angelegenheiten annahm ; sie verschlossen ihre Augen vollends gegen die heillosen Missbräuche, in welche das Reich durch das legitime Willkürregiment immer tiefer gestürzt worden war, und die Niemand energischer bekämpfte, als der von ihnen Verführer und Usurpator Gescholtene 2).

 

1) Eymer I, 445 ; Juli 16. Praesertim cum ex hoc nulli de reguu dampnum debeat vel periculum imminere.

 

Mit merkwürdiger dialektischer Schärfe sind diese Gegensätze in einer langen gleichzeitigen Dichtung gezeichnet, deren Verfasser, ohne Frage ein Kleriker, wahrscheinlich Minorit, tief religiös und zugleich national königlich gesinnt, in nüchterner, fast staatsrechtlicher Begründung den einzigen Ausweg aus dem Streite in dem reinen, unbehinderten constitutionellen Vertrag fand, den Grafen von Leicester aber als völlig selbstlos und opfermuthig, als Retter und Heiland des Reichs feierte3). Nach volksthümlicher Ueberzeugung hielt Simon, den Geboten des katholischen Glaubens aufrichtig ergeben und wie ein Gelehrter in den kanonischen Satzungen bewandert,unwandelbar an dem Eide fest, den er geschworen, vermittelst der Statuten von Oxford das Reich zu reformiren. Nachdem so viele untreu geworden, hätten ihn keine Verfolgung, selbst die Drohung des Prinzen Eduard mit Strick und Galgen nicht zu erschüttern vermocht. Nun ist durch das Gottesurtheil von Lewes entschieden, und zwei Könige nebst ihren Erben, die einst meineidig eine billige Abkunft verschmäht, sind wegen Uebertretung der göttlichen und menschlichen Gesetze tief gedemüthigt. Gott dem Herrn mögen alle Engländer für den Sieg danken, ohne welchen ihr Dasein vertilgt worden wäre *).

 

1) Supra modum glprians in virtute sua sibi et flliis suis, qnos tenerrime diligebat .... Regem suum regere non embuit, a qno regi rectissime tenebator. Th. Wikes 63, der zwar später, aber in derselben populären Redeweise schrieb, die dem Zeitalter der Bürgerkriege eigentbümlich ist.

2) Sednctorem nnminant S. atqno fallacem ;

Facta sed examinant probantque veracem.

3) Die schon mehrfach benutzte Dichtung bei Wright, Political Songs, p. 72 ff.

 

Qui se Christo similis dat pro multis mortl .. .

 

Nec fraus neo fallacia Comitem promovit,

Sed divina gratia, quae quos juvet novit.

Pag. 89.

 

Der Dichter, der sich scheut, den Charakter des Königs zu schildern, hegt hohe Bewunderung vor der Tapferkeit seines Sohns, den er einem Löwen vergleicht. Aber schillernd wie das bunte Fell des Leoparden, des Wappenthiers der Plantagenets, ist leider seine Treue, da er in der Noth Alles versprochen, und, kaum wieder frei, Alles gebrochen. Wie will er einmal König sein ohne Ehrfurcht vor dem Gesetz ? Die Lehre nämlich, dass Gesetz und Recht über der Krone stehe ?) mit allem ihrem Glanz und aller ihrer Eigenmacht, man möchte sagen, die germanische Auffassung vom Königthum im Gegensatz zu der römisch imperatorischen, war diesem insularen Geschlecht bis in das innerste Mark gedrungen. Um diesen Angelpunct drehen sich denn auch alle übrigen Argumente des seltsamen Poems. Daher wird als Wurzel des Streits bezeichnet*), dass der Fürst nach eigenem Gutdünken handeln, das Reich als seine Domäne betrachtend, ohne Einmischung der Barone über Landvögte und Burgvögte, über Kanzler, Schatzmeister und Richter verfügen wollte. Die Idee von der intacten, absoluten Würde, die sich über dem Gesetz, erhaben glaubt, hat die nothwendige Wirkung, dass Herren, Ritter und Freie, die durch Uebereinkunft eine Controle, eine Theilnahme an der Staatsgewalt beanspruchen, als Rebellen erscheinen müssen.

 

1) Haeo Angli de praelio legite Lewensi,

Cujus patrocinio vivitis defensi ;

Quia si victuria jam victis cessisset,

Augloruni memoria victa viluisset.

Pag. 92.

 

2) Nam quid lege rectius qua cuncta reguntur. Et quid jure yerius quo res discemuntur ?

Pag. 94.

 

Als Gegenbild wird der durch Schmeichler, arglistige Betrüger und die Habgier der Fremden corrumpirte Hof und das daraus entsprungene Verderben des Reichs geschildert. Dies zu reformiren war der Zweck der Barone ; und wie wäre es ohne dieselben nur zu dem Versuche gekommen, heisst es stolz 2). Mochte der König, verführt oder böswillig, seine Macht über das Recht stellen, einerlei : des Reichs Magnaten hatten die moralische und die juridische Verpflichtung, das Unheil zu beseitigen durch eine Besserung, der kein Schaden anhängt*). Dem Einwurfe, dass alsdann ja der König, das Abbild der einigen Majestät Gottes, seiner Freiheit beraubt sei, wird mit dem Hinweis auf die Sündhaftigkeit aller Menschen und der knapp und klar gefassten Formel begegnet, dass nicht jeder Zwang die Freiheit beeinträchtigt, sondern dass im Gegentheil vor schädlichen Einflüssen geschützt der Fürst, indem er nur Gutes zu thun vermöge, seine königliche Würde erweitern und verherrlichen werde 2). Der König vergesse nicht, dass auch er ein Knecht Gottes ist, denn nur je nachdem er selber Gehorsam und Liebe übt, kann er sie von seinen Unterthanen beanspruchen. Daraus folgert dann freilich mit unerbittlicher Consequenz, dass, wenn er irrt und sich nicht bessert, er auch von diesen zur Rechenschaft gezogen werden könne s). Jeder Fürst, der wirklich Wahrhaftigkeit, Weisheit, Erkenntniss und Gnade aus Gott besitzt, und nicht nur wähnt, alle übrigen darin zu überragen, wird sein Volk leicht davon überzeugen, wogegen die Schwäche der menschlichen Natur und alle Drangsal der Regierung keine bessere Stütze finden, als vertrauensvolles Zusammenwirken mit der Commune des Reichs, mit den freien Volksgenossen, denen die Principien des gemeinen von den Vätern ererbten Rechts besser bekannt sind als solchen, die dem Reiche nicht angehören *). Der Dichter hat das Vertrauen, dass diese Berechtigung nicht ausarten könne, da alsdann die Freiheit sich wider sich selbst kehren müsste. Noch einmal erinnert er an den gewaltigen Hergang, der jüngst den Spruch : was der König will, das ist Gesetz, zu nichte gemacht3) ; er erinnert daran, dass ein Fürst nicht sich selber, sondern nur seiner erhabenen Aufgabe zur Ehre seines Reichs leben dürfe, und schliesst im Hinblick auf das Beispiel des Herrn und seiner Jünger mit der Forderung : ein König habe seine Rathschlüsse zumal denen mitzutheilen, die er dem Brauche gemäss um Hilfeleistung angeht 3).

 

1) K radicem tangimus perturbationis Regni, de quo scribinins.

Pag. 96.

2) Non sine baronibos tunc reformaretnr. Pag. 99.

1) Cnr melioratio non admitteretur,

Cui vitiatio nnlla commiscetur ?

Pag. 102.

2) Non omnis arctatio privat libertatem,

Nee omiiis districtio tollit potestatem.

Ad quid vtilt libera lex reges arctari ?

Ne possiot adultera lege maculari.

Et haec coarctatio non est servitatis,

Sed est ampliatio leglae virtatis.

Ergo regi libe.it omno quod est bonum,

Sed malum non audeat ; hoc est Dei donum.

Pag. 105. 106.

3) Si prineeps erraverit, debet revocari

Ab biis quos gravaverit injnste negarl,

Nisl velit corrigi.

Pag. 109.

 

1) Igltur commnnitas regni consulatur,

Et quid universitas seutiat, sciatur,

Cui leges propriae maximo sunt notao.

Nec euneti provinciae sie sunt idiotae,

Quin sciant plus caeteris regni sui mores,

Quos relinqumit posteris hü qui sunt priores.

Pag. 111.

 

2) Dicitur vnlgariter :, nt rex vult, lex vadit ; Veritas vnlt aliter, nam lex stat, rex cadit.

Pag. 116.

 

3) Cor sua consilia non communicabit,

A quibus auxilia sopplex postulabit ?

Pag. 119.

 

Man staunt über die Reife der politischen Erkenntniss, die diesen Gedankengang eingegeben. Schlummerte sie auch im Kern des englischen Gemeinwesens, so hatte doch das Auftreten Simon's erst, sein aus dem Volke befruchteter und wiederum die Nation befruchtender Geist sie in das Leben gerufen. Schwerlich war bis dahin irgend anderswo die Idee von der Wechselwirkung zwischen dem verfassungsmässigen Königthum und der parlamentarischen Mitregierung, über denen sich ein gemeinsames Dach, nämlich die Heiligkeit des Gesetzes, zu wölben habe, so klar und bestimmt ausgesprochen worden. Sie zu verwirklichen, war die Nation schon damals entschlossen ; allein nur zu bald ergab sich, dass mehrere der unerlässlichsten Bedingungen für diese Staatsform entweder völlig fehlten oder nur höchst unvollkommen entwickelt waren. Liegt es doch überhaupt in ihrem Wesen, dass sie sich rasch und leicht zur Klarheit und Reife in der Idee, im Wort erhebt, aber überaus schwer und nur um den Preis einer allseitigen Selbstbeherrschung, welcher die Menschheit in den seltensten Fällen gewachsen ist, zur Ausführung gelangt.

 

V.

 

Kaum hatte der graf von Leicester die arbiträre Gewalt an sich genommen, in der festen Absicht, sie mit so vieler Mässigung als nur irgend möglich zu üben *), kaum machte er Ernst mit unvergleichlicher Rührigkeit zum Heil des Gemeinwesens, den Friedensbrechern jeder Art zu begegnen, so wurde er zunächst von aussen her daran erinnert, von welcher dem Zeitalter unerträglichen Anomalie eben diese Macht war.

 

Heinrich HI. hatte seinem Schwager dem Könige von Frankreich von der vollzogenen Abkunft von Lewes zeitige Anzeige machen müssen, war aber als gefangener Fürst, und da Ludwig jetzt noch unmöglich den Schiedsrichter spielen konnte oder wollte, von ihm Anfangs keiner Antwort gewürdigt worden 2). Dagegen wurden die eifrigsten Rüstungen geduldet, namentlich auf der flandrischen Küste, wo die vom Schlachtfelde über das Meer entkommenen Herren mit der seit dem Januar auf dem Festlande verbliebenen Königin Eleonore zusammentrafen. Sie erschien in Begleitung ihres Sohns Edmund, ihrer Oheime Bonifaz und Peterj auch der verjagte Bischof von Hereford und Johann Mansell waren zugegen. Söldner aller Nationen, Deutsche und Franzosen, Britonen, Basken und Spanier harrten am Strande von Damme auf einen günstigen Segelwind. Während Heinrich in mehreren Schreiben vergeblich bei Ludwig IX. die Gefahr hervorhob, in welche durch dieses Treiben die für ihn haftenden Geiseln, sein Erstgeborener und sein Neffe, gestürzt wurden, und ihn Simon sogar das Völkerrecht anrufen liess *), traf dieser die energischsten Anstalten zur Vertheidigung. In den südlichen Grafschaften Kent, Essex, Suffolk, Norfolk wurden geistliche und weltliche Barone, Ritter und Gemeine in die Waffen gerufen und den Leuten von Dorf zu Dorf befohlen, sich zu rüsten, so gut wie jedermann vermochte. Die Schiffe der fünf Häfen und der Städte von der Ostküste, patriotisch wie wenige, bewachten sorgfältig das freie Meer 2). In das Lager auf der Haide bei Canterbury wurde im August auch der König mitgeführt. Bald hernach indess verliefen sich gegenüber die feindliehen Haufen von selber, da die Löhnung stockte und die Seefahrt denn doch zu bedenklich erschien.

 

1) Modeste agere conatus est, se nihil tnagis cavere quam ne vel parvo detrimento vinceret magnates quos ad sacraraentum jusjurandi sorvandum flectere non posset : satis habebat in officio continere, et qui nasquam acqniescere vellent, minus nocerent heisst es in dem Opus Chronicornm aus St. Albans, ed. Riley, p. 12.

2) De quo turbati sumus et non mediocriter anxiati, Heinrich an fcudwig, Juli 10. Shirley II, 258.

 

1) De jure gentium praedictis obsidibus supremnm periculnm et Status sni subversio. Shirley ). c. Alles Eigenthum der Königin wurde am 28. Juli in custodia gegeben. Rot. Lit. Pat. 48 Henr. III, membr. 7. Vgl. Ranke, Englische Geschichte VI, 3.

2) Aufgebot für Kent, Juli 8, Rymer I, 444 ; für Essex, Juli 7, Lib. de antiq. leg. 67 ; für die Hafenstädte, August 16, Rot. Lit. Claus. 48 Henr. III, membr. 4. Die Barone des Nordens nnd von der schottischen Mark wurden wiederholt, aber vergeblich citirt, Juli 18, Aug. 5. Shirley II, 259. 269, der Gräfin Margareta von Flandern die Sicherheit der englischen Kaufleute ans Herz gelegt ; Ibid. 273. 279,

 

Gleichzeitig aber bemühte sich die revolutionäre Staatsgewalt ebenso rastlos um einen Vergleich auf diplomatischem Wege, indem sie noch immer, wenn auch nicht mehr bei dem Könige von Frankreich, so doch durch eine gemischte Commission einen annehmbaren Schiedsspruch zu erhalten verhoffte. Nachdem nun Ludwig IX. selber zugesagt, einer in Boulogne abzuhaltenden Conferenz Nichts in den Weg zu legen, wurden in den letzten Tagen des Juli die Grafen von Leicester und Glocester zur Beschickung ermächtigt *). Von englischer Seite bezeichnete man den Bischof von London und den Justiciar Despenser, von französischer den Abt von Bec und den Grafen Carl von Anjou, der wohl gar schon als Candidat der Krone von Sicilien für einen Freund des Grafen von Leicester galt 2). Zum Unparteiischen, falls sich die vier nicht einigen könnten, war der Erzbischof Odo II. von Rouen, ein Minorit, ausersehn, zu welchem Simon nach dem sichersten Zeugnisse gastfreundliche Beziehungen hatte s). Suchte dieser auch offenbar die Commission seiner Sache so günstig wie möglich zu componiren, so war sein Verlangen nach einer friedlichen Lösung doch so dringend, dass er sich überdies noch zu einem anderen bemerkenswerjfchen Schritte entschloss. Gegen die Bürgschaft von neun englischen Bischöfen und drei französischen Botschaftern wurde Heinrich der Deutsche, wie man ihn nannte, König Richard's Sohn, am 4. September provisorisch seiner Haft in Dover entbunden, damit er in Person beim Könige von Frankreich das Friedensgeschäft fördern helfe 1). Wie gering aber musste trotz alledem bei allen Theilen die Aussicht auf freimüthige, leidenschaftslose Verhandlung, wie erbittert die Stimmung der beiden Nationen sein, denn als Heinrich mit seinem Gefolge in Boulogne landete, gab es sogleich eine Rauferei mit den Einwohnern, in welcher neun Engländer erschlagen sein sollen 2). Eine unüberwindliche Schwierigkeit vor allem aber hemmte von Anbeginn alle diese noch so wohl gemeinten Versuche.

 

1) Heinrich an Ludwig : celsitudini vestrae qoantas possumus gratiarum referimus actiones ; Juli 27. An die beiden Grafen gemeinschaftlich ; Juli 30. 31. Der König ersucht um Aufschub wegen der Kriegsgefahr ; Aug. 2. Shirley II, 261—265.

2) Rymer 1, 446, im September, Donnerstag nach Maria Geburt. Attamen inclitus comes illc Andegavie Karolus parti com. Leyc. favebat ; Chron. Ron*. Ms. Cott. Nero D. II, fol. 175. Auch an ihn wie au mehrere Bischöfe und königliche Räthe in Frankreich wandte sich Heinrich mit dem Ersuchen die Rüstungen auf französischem Boden tu behindern ; Shirley II, 265—269, Aug. 2. 4.

3) Utinam inclytus comes Leycestriae vestrae sublimitati, sicut veraciter comperi, in Christo de\ otissimus, pium sanctae familiaritatis contubernium apud Tos invenerit schrieb einst .Adam von Marsh an ihn, bei Brewer, Mou. Francisc. 86.

 

Der Papst hatte ein Wort mitzusprechen ; aber seinem Legaten Guido, der längst in Frankreich eingetroffen, wurde, nachdem die Barone im Felde gesiegt, von ihnen standhaft die Ueberfahrt nach England verweigert. Wenn irgend jemand, so wusste Simon von Montfort, wie innig die universal hierarchische Gewalt mit den national monarchischen Mächten verschlungen war ; er begriff, dass die öffentliche Meinung Europas seinem Beginnen als Vasall wider seinen Lehnsherrn wie ein ebenbürtiger Herr rechten zu wollen schnurstracks zuwider lief. Ein gefangener König konnte keinen bindenden Vertrag eingehn. Die unerhörte, exceptionelle Gewalt, zu der er dagegen sich aufgeschwungen, konnte nun und nimmer auf allgemeine Anerkennung, am Wenigsten von Seiten des alleinigen Administrators des Völkerrechts, des heiligen Vaters rechnen. Aber den König frei geben hiess auf der Stelle und unabsehbar den Bürgerkrieg von Neuem entfachen. Die Haft Heinrich's III. war ein verhängnissvoller, jedoch unvermeidlicher Fehler, der sich rächen musste ; und das Dilemma, in welches Simon hierdurch gerieth, konnte nicht schlimmer gedacht werden, denn es zwang ihn, seine illegitime Autorität fest zu halten gegen jeden noch so mächtigen Widersacher.

 

1) Eymer I, 446.

2) Chron. Eon*. 1. c.

 

Noch eine andere Commission, bestehend aus den Bischöfen von Worcester und Winchester und Peter von Montfort*), war abgefertigt worden, um bei König Ludwig und dem päpstlichen Legaten die Anerkennung des Compromisses von Lewes zu erwirken. Abgesehn von der Ausschliessung der Fremden, die aber freilich in dem päpstlichen System der Zeit unentbehrliche Werkzeuge geworden waren, sollten sie in den übrigen Stücken zur Wiederaufrichtung der Ordnung in Kirche und Staat die versöhnende Hand bieten. Unterwürfigkeit gegen den Stellvertreter des Papsts war auf das Bestimmteste ausgesprochen *). Die grosse Majorität des englischen Klerus sehnte sich nach einer günstigen Lösung, einfach schon wegen der von Rom auferlegten Zehnten, die jetzt von der neuen Staatsgewalt erhoben und charakteristisch ihr nur im Erzsprengel von York verweigert wurden 1). Aus freien Stücken begaben sich noch andere Prälaten wie die von London und Chichester über das Wasser, um als wahre Friedensfreunde ein gütliches Entgegenkommen zu empfehlen. Vergebens. Cardinal Guido liess sich auf ernstliche Verhandlungen mit ihnen gar nicht ein. In seinem Zorn über den ihm verweigerten Eintritt in das Reich hielt er den Bannstrahl gegen das in England herrschende System und alle seine Förderer bereit, ja, gab den Bischöfen, als sie nach fruchtlosem Hin- und Herreden sich im October wieder einschifften, die Strafsentenzen behufs Proclämation in ihren Diöcesen mit. Es wird erzählt, dass sie, angehalten von einem Kreuzer aus den fünf Häfen und durchsucht an der Zollstätte in Dover, die Pergamente willig fahren liessen und Zeugen waren, wie sie vor ihren Augen zerrissen und ins Wasser geworfen wurden. Gleich darauf am 23. appellirte die Convocation des englischen Klerus vom Legaten an den heiligen Stuhl 2). Die Bannbulle, am 20. in der Priorei Hedin ausgestellt, und zum Vollzuge an die Erzdiöcese von Reims gerichtet, berührte nur flüchtig die auf Gesprächen in Boulogne und Gravelingen gescheiterten Annäherungsversuche, betonte heftig den an dem Legaten begangenen Frevel und excommunicirte' bei Namen die Grafen von Leicester, Glocester und Norfolk nebst ihrem ganzen Anhange und speciell die Stadt London und die fünf Häfen *). Einstweilen bheb sie ein kalter Schlag, da am 2. October schon Papst Urban gestorben war und der Cardinal bald darauf nach Rom abreiste, wo er selber, der kluge provenzalische Jurist, am 5. Februar als Clemens IV. den päpstlichen Thron bestieg. Während der Pause, die hierüber eintrat, ruhten darum aber die Versuche nicht, die Herrschaft des Grafen von Leicester zu erschüttern. Am 18. November musste einmal König Heinrich sowohl an Ludwig wie an die eigene Gemahlin und den Grafen Peter von Savoyen schreiben, dass sie der Absicht gewisser Leute, den Lehnsbesitz seiner Krone auf französischem Boden sammt allen Rechten und Prärogativen zu entäussern, entgegen treten möchten 2). Der Verdacht, sich durch ein solches Unternehmen zu Gelde zu verhelfen, fiel schwer auf Eleonore. In England selber wollten mehrere verwegene Barone, besonders von der Waliser Mark, die, zum Theil aus der Schlacht bei Lewes entronnen, heftig ihre Fehde mit dem Fürsten Llewellyn, dem Verbündeten des Grafen von Leicester, weiterführten, die als Geisel haftenden Prinzen, als sie in Wallingford lagen, durch List befreien. Dem Prinzen Eduard wurde wahrscheinlich in Folge davon das feste Kenilworth zur Residenz angewiesen, wo er in der glänzenden Hofhaltung Simon's und der Gräfin Eleonore.

 

1) Veritatis, pacis et tranquillitatis zelator. wie er in seinem Geleitsbriefe genannt wird. Rymer I, 447.

2) Sabiciendo nos Jurisdiction! et cohercioni praedicti legatl, nt ipse per sententiam excommonicationis et omne genus censurae ecclesiasticae Dos compellere possit ad Observationen! praemissornm. Kymer I, 146.

 

1) Kymer I, 445.

2) Th. Wikes 64. 65. Rishanger, ed. Halliwoll 38. 39. Ann. de Dunst. 234. Matth. Westmonast. 385.

 

1) Rymer I, 447.

2) Kymer I, 448.

 

Weihnachten begieng *). Dort blieb es ihm unverwehrt, einige jener eifrigen Royalisten, Mortimer, Clifford und Leiburne, als sie sich endlich für drei Jahre zur Selbstverbannung nach Irland verpflichtet hatten, zu einem Gespräche zu empfangen 2), ein Beweis, dass er weder hart behandelt wurde, noch dass sich der Gewalthaber vor einer billigen Abkunft in Betreff seiner Befreiung sträubte, von der jetzt viel die Rede war. Selbst dem so stark compromittirten Johann Mansell wurde gestattet, heimkehren und auf seiner Pfründe residiren zu dürfen s). Vereinzelt, wie diese Massregeln begegnen, helfen auch sie doch die Politik des Staatsmanns zu begreifen, dem es, zurückgestossen vom Auslande, von Frankreich und vom Papste, die nur mit dem legitimen, seiner selbst mächtigen Könige pacisciren wollten, unter gewaltigen Schwierigkeiten niemals an schöpferischen Gedanken gebrach. Er hoffte jetzt durch Versöhnlichkeit gegen seine eingeborenen Feinde die verschiedenen ihm gewogenen Klassen der Nation um so fester an sich zu ziehn. Da war vor allen die Kirche, nicht mehr allein die Pfarrer und Bettelbrüder, sondern die Bischöfe in ihrer Mehrheit, auf die immer mehr von der Erkenntniss eines Grosseteste überzugehn schien, die mit wachsendem Vertrauen zu Simon von Montfort emporblickte, als demjenigen, der, was der König seit mehr als einem Menschenalter unterlassen hatte, dem ganzen System der päpstlichen Provisionen einen Riegel vorschob. Indem der Klerus sein heimathliches Eigenthum nicht fremder Habgier zur Beute lassen wollte, brachte er dem Vertheidiger der Nationalität seinerseits ebenfalls eine na : tionale Gesinnung entgegen, so weit er den Muth hatte, sie zu äussern^ Da war die Ritterschaft, welche die Krone sich gehütet, anders als in den seltensten Fällen cjfr Noth über einzelne öffentliche Angelegenheiten zu befragen, die Städte, die von ihr immerdar nach Gutdünken geschatzt worden, deren Lebenselement, der Handel, sich niemals ihrer fördernden Gunst erfreut hatte. Sie sämmtlich neben den Baronen ganz anders als je zuvor in dem grossen Reichsrathe der Nation zu verwenden, berief er nunmehr mit kühnem, genialem Entschluss ein Parlament zum 20. Januar 1265 nach London, das mehr als alles Andere sein Andenken unvergänglich machen sollte.

 

1) Green, Prirjcesses II, 125.

2) Mandat des Königs ans Worcester, wohin auch er dem Grafen folgen musste ; Dec. 15. Rymer I, 449. Geleitbrief für die drei Herren ; Dec. 14. Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 27. Enndo apud Kenylworth cum propria familia sua secum existente ad loquendum cum Edwardo fllio suo primogenito. Vgl. Lib. de antiq. leg. 70, Tb. Wikes 66.

3) Dec. 14. Rot. Lit. Pat. 1. c.

 

In dem ersten Rescript aus Worcester vom 14. December entbot der König,, nachdem die Bewegung gestillt, zur heilsamen Berathung über Sicherheit und Frieden so wie anderer Angelegenheiten seines Reichs den Erzbischof von York, zwölf Bischöfe und 24 Aebte, Prioren und Decane ; am 24. des Monats von Woodstock aus wurden noch 83 andere Aebte und Prioren, unter ihnen auch die Vorstände der Johanniter und der Templer, citirt. Ingleichem fünf Grafen, Leicester,. Glocester, Norfolk, Oxford, Derby, so wie 18 Barone. Und endlich wurde den Sheriffs sämmtlicher Grafschaften aufgegeben, je zwei Ritter, den Städten York, Lincoln und den übrigen Flecken (burgi, boroughs) je zwei Bürger, den fünf Häfen je vier Männer zu entsenden *). Die vollständige Reihe des durch seine Prälaten und die Vorsteher der Capitel vertretenen Klerus sprach für das Gewicht, das Simon auf diesen Stand legte, und für die dort vorhandenen ihm günstigen Sympathien. Dass im Ganzen nur 23 und wohl sämmtliche um diese Zeit seiner Partei anhängende Barone eine Ladung erhielten, während mindestens eben so viele übergangen wurden, liess dagegen deutlich die Schwäche seiner Stellung gegenüber dieser vornehmsten Klasse der Lehnsträger und den Grund erkennen, weshalb er es wagte, neben ihnen Ritter und Bürger einzuführen. Uebrigens erhielten nachträglich am 17. Januar noch zehn nordische Barone, darunter Baliol und Bruce, sicheres Geleit für das bevorstehende Parlament2). Die Stadt London, die grösste und ergebenste Commune des Landes, war unmöglich ausgelassen, obwohl seltsamerweise jede Andeutung fehlt, dass ein Wahlausschreiben an sie ergangen. Auch hat kein Zeitgenosse einen Wink hinterlassen, wie die hoch bedeutsame Massregel in der Nation aufgenommen worden. Allein wer den breiteren Schichten in Stadt und Land ein solches Vertrauen entgegen trug, wer die höchste, so lange in Wort und Schrift klar ausgesprochene Sehnsucht derselben, statt durch unbefugte Fremdlinge durch die Landeskinder selber die ihnen am Besten bekannten heimathlichen Gesetze zu verwalten *), zur Wahrheit machte, der konnte wohl mit Gewissheit auf eine weite, populare Zustimmung rechnen. Die aus der politischen Lage entspringende Nothwendigkeit allerdings hatte den Plan reifen lassen, dessen neuernder und selbst revolutionärer Charakter sich nicht läugnen liess, der ein gewagtes Experiment in der Hand Montfort's war und dennoch, aus gründlicher Kenntniss des englischen Communallebens stammend, das seine eigenen Angelegenheiten längst mit Hilfe der Vertretung zu besorgen ISich gewöhnt hatte, den fruchtbaren Keim zu einer Schöpfung in sich trug, in welcher der um das Besteuerungsrecht geführte Streit eines Jahrhunderts, wenn auch erst in zukünftigen Tagen, zur Versöhnung kommen sollte.

 

1) Rymer I, 449 : dnos de legalioribus et discretioribus mllitibns singnlorum comitatuum .... duos de discretioribus et legalioribus et probioribus tarn civibns quam bnrgensibus suis. Summonition der fünf Häfen im Report on the Dignity of a Peer, Appendix I, 36 : quatuor de legalioribus et discretioribus portug viri.

2) Rymer I, 450.

 

Ein Bild der auf jenem denkwürdigen, so völlig neu zusammengesetzten Parlament geführten Verhandlungen ist nicht mehr zu gewinnen. Wie schon in den Einberufungsschreiben stand, sollten sie sich mit der Auslösung des Thronfolgers aus seiner Geiselhaft befassen. Am 16. Februar erinnerte der König schriftlich die Grafen von Leicester und Glocester, dass der Termin, an welchem über diese wichtige Angelegenheit Beschluss gefasst werden sollte, auf den 19. angesetzt war. Und als sie dann nebst vielen Parteigenossen höchst auffallender Weise eben jetzt zu einem Turnier nach Dunstaple reiten wollten, warnte er sie auf das Strengste, nicht wegzubleiben, damit das Geschäft nicht durch ihre Schuld verzögert werde. Der Justiciar, der Bischof von London und Meister Thomas de Cantilupe, der Neffe des ehrwürdigen Bischofs von Worcester und einer der vielen frommen, der nationalen Sache durchaus ergebenen Kleriker, der wenige Tage später zum Kanzler erhoben wurde, contrasignirten diesen königlichen Erlass *).

 

1) Neo cuncti provinciae sie sunt idiotae,

Quin sciant plus caeteris regui sui mores. Politlcal Songs, p. 110. Vgl. Ranke, Englische Geschichte I, 81. 82.

 

Die in die Länge gezogenen, namentlich den Vertretern der Grafschaften und der Städte wegen der Kosten sogleich lästig werdenden Sitzungen kamen hierauf nun allerdings in Fluss. Im Geiste gegenseitiger Versöhnung meinte man das rechte Mittel gefunden zu haben, als bereits am 10. März die Prinzen Eduard und Heinrich aus ihrer bisherigen Hut dem Könige ausgeliefert wurden 2). Die für den Staat unerlässlichen Garantien wurden alsdann in einer am 31. vollzogenen vollständigen Parlamentsacte zusammengefasst. Der König befahl und der Prinz verpflichtete sich den Baronen und der Communität3) des Lands in offenen Schreiben zu bürgen, dass sie die im lateinischen Wortlaut in das französische Instrument aufgenommenen Beschlüsse des Parlaments vom vergangenen Juni, die Misa von Lewes, unverbrüchlich wahren wollten. Nach Kecapitulation der Amnestie für Leicester und Glocester, für die Bürger Londons und der fünf Häfen, unter Hinweis auf die Magna Charta gelobten der König und sein Sohn den unterlegenen Parteigängern niemals wieder die Hand zu bieten und die Aechtung aller derer zu vollstrecken, die sich gegen den Vertrag zu erheben wagten. Andererseits nahmen sie von allen treuen Leuten, denen einst vor dem Tage bei Lewes der Lehnsund Unterthansverband aufgesagt worden, eine erneute Huldigung entgegen unter dem Vorbehalt der Kündigung von Seiten der Sieger, falls ihnen die Krone nochmals aufsagen sollte. Wie die Schlösser nur unverdächtigen Hütern anvertraut und ohne Zustimmung des Reichsraths keine Fremden wieder in das Land gezogen werden sollten, hatte auch der Prinz fortan sein Gefolge nur aus zuverlässigen Eingeborenen zu bilden und auf die Gefahr, alle seine Ehren und Besitzungen einzubüssen, für die nächsten drei Jahre England nicht zu verlassen. Nicht nur fünf seiner bereits im Jahre zuvor occupirten Burgen blieben auch fernerhin als Pfänder in der Hand der Regierung, nicht nur wurde Bristol als sechstes hinzugefügt, sondern Simon forderte von ihm auch eine persönliche Sicherheit, die mit dem für das Land erforderlichen militärischen Schutz zusammentraf. Gegen Schloss und Grafschaft von Chester, gegen Peak und New-Castle im Norden, die wichtigsten Posten um Wales und Schottland im Zaum zu halten, tauschte ihm der graf eigenes Lehn von entsprechendem Werthe aus. Den Papst um Intervention anrufen, wurde ausdrücklich als Bundesbruch bezeichnet. Durch allgemeine Proclamation endlich wurden alle Reichsgenossen und Unterthanen, nicht nur in England, sondern auch in Irland und der Gascogne und selbst der König von Schottland von der Abkunft in Kenntniss gesetzt. Der König, die Prinzen Eduard und Heinrich, zehn Bischöfe, die mit brennender Kerze alle mit dem Bann bedrohten, die zuwider handeln würden, der Johanniter Prior, der Tempelmeister, Major und Commune von London unterschrieben und besiegelten dieselbe. Wahrscheinlich waren sogar Bevollmächtigte des Königs von Frankreich anwesend, da am 15. März Geleitsbriefe an sie ausgefertigt wurden, ein merkwürdiges Zeugniss dafür, dass auch bei dieser Gelegenheit die lehnsrechtliche Verbindung und selbst die völkerrechtlichen Gesichtspuncte, die bei den früheren directen Verhandlungen mitgewirkt, nicht ausser Acht gelassen worden sind 1).

 

1) Die beiden Schreiben vom 16. Februar bei Rymer I, 450. Die Ernennung Cantilupe's Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 22, Febr. 25 ; nach dem Kanzleivermerk faltete der König das Patent mit eigenen Händen nnd Hess es in seiner Gegenwart siegeln.

2) Patent bei Rymer I, 452. Der König macht Ludwig IX. und seiner Gemahlin Anzeige von der Befreiung seines Sohns, März 14, ad commodnm et honorem nostrum auctore Domino liberatus est. Shirley II, 280.

3) Requere as haux homes e au comun de la tere par lnr lettres overtes.

 

Dass der Hof auch an dieser Form des Zwangs kein Gefallen fand, dass er sich nur mit stummem Groll in Erwartung eines Umschlags darein fügte, war natürlich. Man wollte wissen, dass der König auch in seiner Haft das durch Krönung und Salbung unveräusserliche Recht anrufe ; man achtete auf jedes Mienenspiel im Antlitze des Grafen und fand statt Sorge und Schwermuth nur freudigen, festen Entschluss darin abgespiegelta). Allein die royalistische Partei, das Ausland hatten nun einmal kein anderes Verständniss als nur für das an der Legitimität begangene Unrecht. Daher denn die zahllosen erbitterten Anklagen gegen die Person des Grafen von Leicester, gegen die Raubsucht seines Hauses, seine ganze politische Handlungsweise. Dass er geradezu nach der Krone gestrebt hätte, liess sich nicht von Ferne behaupten, noch weniger beweisen. Die Versicherung eines einsamen königischen Chronisten, Simon habe sich achtzehn Baronien angeeignet, stimmte nur insoweit mit der Wahrheit, als er zahlreiche Emigrantengüter allein zu Staatszwecken in seine Verwaltung nahm. Bei der Lage der Dinge durften doch die Gegner unmöglich davon zehren. Während der Sequestration der weiten Herrschaften, die dem römischen Könige gehörten und für dessen Treue haften mussten, sollten ausdrücklich alle seine Vögte und Verwalter unbehindert im Amte verbleiben *). Am 8. Mai liess Simon durch die Staatskanzlei dem Thronfolger das ihm für Chester und Peak verschriebene Aequivalent übertragen 2). Seine Parteigänger, unter denen viele das Gebot absoluter Armuth zu erfüllen hatten, läugneten daher in eben so bestimmten wie begeisterten Worten, dass er jemals daran gedacht sich selber zu bereichern ; seine Uneigennützigkeit zum Besten des gemeinen Wesens galt ihnen als tadellos 3). Und bald genug sollte die Confiscation seines eigenen Lehns und Besitzes darthun, dass sie recht hatten. Möglich freilich, dass er, als liebevoller Vater bei Freund und Feind bekannt, dem Uebermuth und der Gewaltthätigkeit seiner Söhne durch die Finger sah ; doch scheint auch die Anklage vereinzelt und sehr fraglich, dass einer derselben, Heinrich, der Wardein von Dover, die Wollenballen englischer und französischer Kaufleute zu eigenem Nutzen mit Beschlag belegt habe *). Als einziges Beispiel einer persönlichen Gunstbezeugung findet sich die Verleihung eines Hospizes in Westminster an seinen treuen Genossen und entfernten Vetter Peter von Montfort 2). Endlich war die Handelsstockung, obwohl durch den Bürgerkrieg und die Spannung mit dem Auslande verursacht, nicht in erster Linie das Werk des Regenten. Der Legat ja hatte, als er seine Bannbulle publicirte, die Völker des Continents aufgerufen, den Verkehr mit dem ketzerischen Eiland abzubrechen. Das Jammern des Handelsstands auf beiden Seiten des Wassers wurde gross, als die flinken Wachtschiffe der fünf Häfen fremde Fahrzeuge nicht nur nach päpstlichen Mandaten und Kriegscontrebande, sondern nach Waaren aller Art zu durchsuchen begannen. Viele bereits unentbehrlich gewordenen Lebensbedürfnisse, Luxusartikel und Specereien stiegen hoch im Preise. Sprach graf Simon wirklich das Wort, dass die Engländer ohne Zufuhr aus der Fremde mit ihren eigenen Producten auskommen könnten s), so zeugte das nicht sowohl von

 

1) Die Parlamentsacte, Eduard's Gelöbnis vom 10, des Königs Charte vom 14, Geleit für die französischen Gesandten vom 15, Uebertragung der fünf Schlösser vom 17, der Grafschaft Chester vom 20. März, Alles bei Rymer I, 451—454. Unter den Historien hat nur Lib. de antiq. leg. 71—73 beglaubigte Kunde und lässt die rege Betheiligung der Stadt London an der Vollziehung des Vertrags erkennen.

2) Nemo comitem Leycestriae vel infractum mente, seu etiam tristem vultu vidit. Ita conscientiam altae nobilitatis inspirabat Spiritus Sauctus et roborabat. Opus Chronicorum, ed. Riley, p. 17.

 

1) Eymer I, 448 ; Deo. 13. 1264.

2) Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 17.

3) Commodnm si proprium comitem movlsset, Nec haberet alinm zelum, nec quaesisset Toto suo studio reformationi

Regni, sed intentio dominationi. Polltlcal Songs, p. 88.

 

1) Suis usibuB, Wikes 65.

2) Eymer I, 453 ; März 14. 1265.

3) Quod sine commeatu extraneorum possnnt indigenae bonis propriis sustentari. Th. Wikes 65 ; vgl. Gesch. v. England III, 785.

 

seiner volkswirthschaftlichen Einsicht, sondern stimmte zu der nationalen Haltung, welche unter ihm das Reich im Vertrauen auf seine insulare Lage in politischen, kirchlichen und selbst materiellen Dingen dem Auslande gegenüber annahm. Die weissen Tücher, die man statt der in Flandern gefärbten anlegte, konnten eben so gut in der Mode einer kriegerischen, von Kreuzzugsideen getragenen Zeit ihren Grund haben. Alle diese Motive nun waren immerhin geeignet, Missvergnügen zu erregen, die Macht des klugen, durch wirklich moralische Grösse seine Zeitgenossen überragenden Staatsmanns zu untergraben hätten sie nicht hingereicht. Dazu musste erst wieder der Abfall unter seinen Genossen einreissen und der eigene Anhang gemeinschaftliche Sache mit den Verbannten machen, die längst auf der Lauer standen. In die Tage jenes Parlaments fiel der Höhepunct seiner in Weisheit und Energie begründeten Macht. Als ob er nach einem sie auch äusserlich bezeichnenden, sie gewissermassen ehrlich machenden Titel gesucht hätte, fügte er seinem Namen jetzt nicht nur die ihm erblich zustehende Würde des Seneschall von England bei*), sondern nannte sich auch graf Justiciar 2), obwohl Hugo Despenser das Amt des Grossrichters weiterführte. Hatte er wirklich, nachdem der Zug einer mächtigen popularen Bewegung und die eigene Kraft ihn an die Spitze gebracht, das Muster Aragon's im Auge, wo unter demselben Namen und mit ähnlicher Befugniss ein Wächter der ständischen Privilegien dem Könige gegenüberstand und die Souveränetät desselben dauernd beschränkte ? Von London hinweg, wo die eigentlichen Parlamentsverhandlungen im März ihr Ende erreichten, hatte sich Simon zu seiner Gemahlin begeben, die seit einigen Wochen auf Schloss Odiham in Hampshire Hof hielt. Am 17. geleitete ihr Sohn Heinrich die Prinzen Eduard und Heinrich dorthin ; am 19. traf der graf selber mit einem Gefolge von 160 Reitern ein. Er blieb bis zum 2. April und sah fortan sehr wahrscheinlich Eleonore und seine Häuslichkeit nicht wieder 1). Nicht allein von der französischen Küste oder der Waliser Mark drohte der Feind. Freunde und Anhänger, die sich in Recht und Billigkeit nicht fügen wollten, bereiteten die ernsteste Sorge. Schon im Winter war Robert de Ferrers, graf von Derby, ein wilder, zuchtloser Mensch, den wesentlich nur die Raublust zum Genossen der Erhebung gemacht hatte, auf offenem Friedensbruch betroffen und durch Spruch seiner Standesgenossen im Parlament zur Einsperrung im Tower verurtheilt worden 2). Eine besonders üppige Quelle der Zwietracht war die Habgier vieler, die bei Lewes Gefangene gemacht und dafür Loskauf oder Ersatz aus deren Güter verlangten. In diesem Falle befand sich auch John Gifford, ein Ritter vom Haushalte des Grafen von Leicester, treu und tapfer wie wenige *). Als ihm sein Begehren wiederholt abgeschlagen worden, gieng er davon und schloss sich Gilbert von Glocester an, der wie sein Vater schon von länger her mit dem mächtigen Gebieter ihrer aller haderte.

 

1) Comes Leicestriae et seuoscallus Angliae, zuerst wieder Mai 20, Kymer 1, 454.

2) Comes Justiciarlus zuerst nach einer Urkunde vom 7. Januar bei Foss, Jodges of England II, 155. Comes Leicestriae Justiciarius unter Proclamationen vom 20. Mai, 7. 8. 28. Juni bei Kymer I, 455—457.

 

1) Rot. Hospic. Comitissae Leicestriae in Hudson Turner, Manners and Household Expences of the XIIIlh. Century (Roxburgh Club), p. 13—15. Green, Princesses II, 127.

2) Ann. de Dunst. 235. Nach Wikes 66 sei er einer Intrigue Simon's zum Opfer gebracht ; nach Ann. Waverl. 358 sei der König der Kläger, Simon der Beschirmer eines Freunds gewesen.

 

Denn auch dieser habsüchtige Edelmann sann nur auf reichliches Lösegeld, auf die Administration möglichst umfangreicher Emigrantengüter und einen Abkauf von Seiten des römischen Königs, den er ausschliesslich als seinen Gefangenen beanspruchte. Ueber den Widerstand, auf den er stiess, und die bedeutende staatsmännische Thätigkeit Simon's kam dem jungen, ehrgeizigen Manne die traditionelle Nebenbuhlerschaft ihrer Häuser immer mehr zum Bewusstsein. Während er das Schicksal des Grafen von Derby befürchten zu müssen meinte, verkehrten Royalisten wie Mortimer und Leiburne ungehindert auf seinen Besitzungen im Westen. Das königliche Verbot jenes Turniers in Dunstaple, das zwischen ihm und Heinrich von Montfort angesagt gewesen, hatte noch einmal die beiden rivalisirenden Factionen auseinander gerissen. Der graf von Leicester in Person sorgte für Wahrung des Landfriedens 2). Dafür rächte sich dann jener, als er auf dem Parlament in heftigen Ausfällen den Fremdling angriff, der sich die Herrschaft über das Königreich anmasse 9), den König gefangen halte, seine Bischöfe in Aemter und Stellen bringe, anderen aber ihren Antheil entziehe. Vergeblich suchten der Bischof von Worcester und Hugo Despenser Versöhnung zu stiften ; fast scheint es, dass Glocester, schon im Complot mit den Emigranten, den grösseren Einfluss über den König zu gewinnen wusste. Ehe Heinrich nach Vollziehung der grossen Acte (März 31) von London aufbrach (April 2), hatte Simon mit seinen Reisigen bereits die Hauptstadt verlassen *).

 

1) Strenultate militiae et animi probitate nulli secnndns. Wikes, 1. c.

2) Kishauger, ed. Halliwell 42.

3) Qnod bic alieoigena praesumebat sibi totius regni dominium eubjugare. Rishauger, ed. Riley 32.

 

Nun hatten seine Söhne auf den 19. April abermals ein Turnier nach Northampton ausgeschrieben und auch den Grafen von Glocester geladen ; der aber, im Argwohn, dass ihm eine Falle gelegt werden solle, hatte sich nach der Waliser Grenze davon gemacht, wo die Symptome einer Erhebung immer deutlicher wurden. Während nun Simon, der nach seinem Aufbruch von Odiham den König und die Prinzen wieder mit sich führte, zuerst nach Northampton gezogen war, wahrscheinlich doch um das den öffentlichen Frieden gefährdende Kampfspiel zu unterdrücken, und sich dann über Glocester nach Hereford gen Westen gewendet hatte, landeten in den ersten Tagen des Mai Johann von Warenne, graf von Surrey, und Wilhem von Valence, des Königs Stiefbruder, mit 120 Bewaffneten bei Pembroke in Wales, dessen Grafentitel letzterem einst ertheilt, aber niemals von den Baronen anerkannt worden war. Sie gehörten zu denen, die von Lewes nach Frankreich entkamen, und waren noch am 19. März durch Vermittlung des Sheriffs von Sussex nebst Peter von Savoyen und Hugo Bigod zum Parlament auf den 1. Juni geladen worden, wo sie zu Recht stehn und Recht empfangen sollten *). Statt dessen hatten sie sich mit Mortimer und Glocester in Verbindung gesetzt und handelten nach einem fest verabredeten Plane, der vor allen Dingen auf die Befreiung des Thronfolgers angelegt war. Auf die Kunde von ihrem Erscheinen hess Leicester sofort durch königliche Proclamation vom 10. Mai an sämmtliche Sheriffs die Weisung ergehn, die Friedensbrecher zu ergreifen, gleichzeitig aber den letzten Parlamentsbeschlüssen gemäss die alten Freibriefe sowie die jüngst vollzogenen Constitutionen über die bestehende Staatsordnung zu verlesen 2). Gegen den Aufruhr, der den alten heillosen Zustand zurückzuführen trachtete, appellirte er muthig an die durch den Act eines politischen Vertrags aufgerichteten öffentlichen Gesetze.

 

1) Juncta Gib! militum turma non modica epreto parliamento eecesstt ad partes oocidnas. Tb. Wfkes 66,

Noch gab er die Hoffnung nicht auf, dem Lande den Frieden zu bewahren. Zu dem Zwecke wurde am 18. Mai eine dringende Botschaft an den König von Frankreich abgefertigt, mit dem auch in der Zwischenzeit der Verkehr niemals abgebrochen worden. Mit klugem Blick wählte der graf abermals den jungen Heinrich, Richard's Sohn, zum Ueberbringer, da er ja

 

1) Rymer I, 449.

2) Antiguas cartas communium libertatum ... ordinationem super nostro et regni nostri statu nuper Londoniae factam nee non et quosdam articnlos de nostro et magnatum terrae nostrae communi assensu de quibusdam constitutionibus dndum provisis. Shirley II, 282. Auch auf der Patentrolle 49 Henr. III, membr. 16.

 

zu einer wie der anderen Partei gehalten hatte. Der König musste ihm den Befehl ertheilen, schleunig abzureisen und so lange, wie sein Auftrag es erforderte, fortzubleiben 1). Auch mit dem Grafen von Glocester, mit Gifford und ihren Verbündeten, die im Forste von Dean, nördlich von der Ausbuchtang der Severn, eine drohende Stellung genommen hatten, bestanden Verhandlungen, da sie immer noch den Oxforder Statuten treu bleiben zu wollen versicherten. Vier Mediatoren unter dem Bischof von Worcester liessen es an Mühe nicht fehlen, und am 20. Mai wurde, um viele Gemüther zu beruhigen, verkündet, dass die Eintracht zwischen den beiden Grafen niemals getrübt gewesen 2). Selbst die verbannten Lords Leiburne und Clifford erhielten noch einmal Zutritt zu ihrem Lieblinge dem Prinzen Eduard, als er sich im Gefolge des reisigen Hofs in Hereford aufhielt. Warenne und Valence, welche vom Könige die Rückgabe ihrer Güter gefordert hatten, wurden beschieden r sich in Person zu stellen. Allein alle diese wohlgemeinten Massregeln dienten jenen nur, um ihren Streich desto wirksamer zu führen. Nicht in offener, ehrlicher Begegnung, sondern durch List versetzten sie dem verhassten Machthaber den Stoss, dessen Folgen ihn entwurzeln sollten.

 

Seit dem letzten Parlament durfte sich der Thronfolger auf Ehrenwort freier bewegen in der Gesellschaft Heinrich's von Montfort, Robert's de Ros und Thomas' de Clare, seines nächsten Freunds 1), eines Bruders Glocester's, den der graf von Leicester, da er den Jüngling besonders lieb hatte, auch nach jenem Zerwürfniss mit unbegreiflicher Arglosigkeit in einer solchen Vertrauensstelle gelassen hatte. In der Abendstunde des 28. Mai versuchten die jungen Leute vor dem Thore von Hereford ihre Rosse. Nachdem Prinz Eduard schon mehrere Thiere müde geritten, bestieg er ein frisches und sprengte dann plötzlich, gefolgt von Clare, einem anderen Ritter und vier Knappen, davon 2) einem Dickicht entgegen, wo Roger Mortimer mit einiger Mannschaft im Verstecke lag. Bald befand sich der Königssohn errettet als Gebieter in Wigmore, der Burg seines Befreiers. Der Schreck bei Hofe war ungeheuer, da sich nun voraussichtlich eine Verbindung der Flüchtlinge mit den Grenzbaronen, mit Glocester und den von Pembroke heranziehenden Royalisten kaum noch verhindern liess. Zwei Tage später wurde alle Lehnsmiliz mit Ausnahme derer, die sich auf Glocester's Seite geschlagen, unverzüglich nach Worcester befohlen. Wer sich unterfangen würde, den Aufständischen zuzuziehn, sollte selber als Rebell behandelt werden, zumal nachdem auch der graf von Glocester Eid und Unterschrift nun offen gebrochen hatte, denn wie eine Fehde zwischen ihm und Leicester erschien der Streit nach dem Wortlaut der officiellen Erlasse *). Am 8. Juni unterzeichnete der König, für den in diesen Tagen Simon als Justiciar, Peter von Montfort, Giles von Argenton und Robert von St. John als Räthe handelten, einen Befehl an den Bischof von London und die übrigen Bischöfe der Provinz, dass sie diejenigen, welche den Prinzen') zum Eidbruche verführt, insonderheit die Grenzritter excommunicirten. Wohl klagte er über die gewagte That, die sich sein Sohn wider das erst im März heilig beschworene Wort hatte zu Schulden kommen lassen. In einem langen Schreiben benachrichtigte er die Bürger von London von den jüngsten Hergängen, vielleicht schon in der Absicht, ihr Mitgefühl zu gewinnen. Zwei Tage später am 10. in einem Schreiben an den Erzbischof von Dublin und die irischen Stände, in welchem wegen der Geiselhaft des Prinzen und der ursprünglich nach Irland verbannten Grenzbarone von denselben Dingen die Rede war, bezeichnete Heinrich III. selber bereits den Tag von Lewes als einen verabscheuungswürdigen 8). Schon hielt der Protector nicht einmal mehr die Puppe, die er bei sich führte, fest in der Hand.

 

1) Rex prorogavit ei terminum suae reversionis usqne ad terminnm ab ipso petitum. Kanzleivermerk zu dem Patent vom 18. Mai, Rymor I, 455.

2) Rymer I, 455.

 

1) Tanquam familiaris et cubicularius ; Th. Wikcs 67.

2) Die Jovis, in ebdomade Penteeostes, circa horam vespertinam, a militum comitiva, quos secam ad spatiandum extra Hereford' dnxerat, cum dnobus militibns et quatuor scutiferis, propositi sni consciis. Der offlcielle Bericht in der königl. Proklamation Tom 30. Mai, Rvmer I, 455. Dazu stimmen Wikes, 1. c, der Cläre bei Namen nennt ; Kishanger, ed. Riley 33 ; ed. Halliwell 43 ; Chron. de Mailros 198.

 

Wenige Tage nach seiner Flucht hatte Eduard in Schloss Ludlow eine Zusammenkunft mit Gilbert von Glocester, der sich von ihm geloben liess, die alten Institutionen des Reichs zu wahren und niemals Fremde in dessen Verwaltung zu ziehn. Dann wurde die Verbindung mit Warenne und Valence vollzogen ; im Süden wie im Norden der Mark loderte nun unbehindert die Erhebung auf. Der Befehl Simon's an die Besatzung der Burg von Bristol, sie nur für den König zu halten *), traf bereits zu spät ein ; die Grafschaft Chester, das dem Prinzen entzogene Grenzlehn, schlug sich sofort freudig auf seine Seite. Shrewsbury, Bridgenorth, Worcester, wo die Brücke zerstört wurde, endlich am 29. auch Stadt und Schloss Glocester, die ganze Linie des Severnflusses, wandten sich dem Thronfolger zu, der jetzt mit Hilfe dieser Stellung den Grafen und den eigenen ihm unfreiwillig folgenden Vater in Hereford abzusperren suchte. Alle Uebergänge waren zerstört oder besetzt, die Schiffe vom Strome entfernt. In seiner Verzweiflung wandte sich Simon an den Fürsten Llewellyn von Wales, den angestammten Feind der Herren von England, der, schon seit einigen Jahren ein gern gesehener Gast in Kenilworth, der Montfort'schen Politik als eine wenig rühmliche Stütze ihrer nationalen Tendenzen diente. Um sich seines kriegerischen Bergvolks, das wegen der unmittelbaren Nähe allein verfügbar war, zu versichern, wurden ihm bedeutende von der Krone und dem Adel Englands bereits entrissene Gebiete zurückgegeben. Er hatte dafür 30000 Mark zu zahlen und nicht nur dem Könige, sondern den Beschlüssen des letzten Parlaments Treue zu geloben, selbst für den Fall, dass jener abspenstig werden sollte 2). An diesem

 

1) Rymer I, 456 ; Juni 7.

2) Quem proh dolor 1 ad eredondum levem et ad circnmveniendum facilem invenerimt .... qtii cum eisdem se nobis contumacem, et rebellionis fllium exhibet in praesenti. Rymer, 1. c.

3) Post aliud detestabile bellum de Lewes. Rot. LH. Pat. 49 Henr. III, membr. 13.

 

1) Rymer I, 457 ; Juni 9.

2) Zwei Verschreibungen Llewellyn's vom 19. Juni bei Shirley II,

Flecke, in solcher Noth scheute sich der Vorkämpfer für die Verfassung nicht, einen halbbarbarischen Häuptling in das parlamentarische System aufzunehmen, während die königstreue Ritterschaft in dem Eroberungskriege gegen die Kymren an der ihrem Stamme beschiedenen Aufgabe festhielt. Möglich, dass graf Simon als geborener Franzose weniger von Keltenhass beseelt war ; Eroberung gehörte überhaupt nicht in sein Programm.

 

Von Hereford aus zog er nun mit dem Könige nach Monmouth, wo sie einige Tage verweilten. Der Anschlag, die Stadt Glocester zu retten, misslang, da Prinz Eduard und Warenne eher zur Stelle waren *). Als jene von Newport aus über den Canal von Bristol setzen wollten, sperrten ihnen feindliche Schiffe die Ueberfahrt und schlugen sich die Mannschaften in den Strassen der Stadt. Durch Wälder und unwirthsame Gegenden musste daher der Rückmarsch nach Hereford angetreten werden ; schmerzlich entbehrten die Engländer das Brot unter einem Volke, das von Milch und Ziegenfleisch lebte 2).

 

Inzwischen hatte Simon der Jüngere, der wie die Friedenswächter von Dorset, Devonshire, Somerset am 28. Juni von Monmouth aus herbei beordert worden, die Belagerung des noch immer von der Gegenseite behaupteten Schlosses Pevensey an der Küste von Sussex abgebrochen, um dem Vater im Nordwesten einen Ausweg zu erkämpfen. Allein in räthselhaften Bewegungen verbrauchte er die kostbarste Zeit. Zuerst wandte er sich nach London, wo der von einem Jahre zum anderen wieder gewählte volksthümliche Mayor Thomas Fitz-Thomas schon Mühe hatte, die erstarkende Partei der Aldermen durch Zwangsmassregeln niederzuhalten *). An der Spitze von sechszehn Ritterfähnlein und einem Trupp Londoner Fussknechte eilte er alsdann noch einmal südlich nach Winchester. Als die Bürger, königlich gesinnt, ihre Thore verschlossen hielten, erzwang er sich mit Gewalt am 16. Juli den Eintritt und liess Christen wie Juden schwer für ihren Trotz büssen. Ueber Oxford und Northampton kreuz und quer gieng hierauf sein Marsch, offenbar um überall noch Truppen an sich zu raffen, bis nach Kenilworth, wo er nicht hinter den Mauern des wohlbekannten Schlosses, sondern überaus unvorsichtig im Flecken und auf den Pachthöfen Quartier nahm. Hier wurde er in der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August plötzlich von Eduard, Valence und Warenne überfallen, die, durch Kundschafter über seine Bewegungen auf das Genauste unterrichtet, von Worcester herbeigeeilt waren. Zehn Barone, darunter der graf von Oxford, geriethen ohne Rüstung und Wehr in Gefangenschaft ; mit wenigen Begleitern entkam der junge Montfort, selber im Hemde, über den See in das Schloss *). Nachdem der Prinz Beute und Gefangene in Glocester geborgen, eilte er wieder auf seinen Posten, damit die Kriegskunst des Grafen von Leicester, der auf den Anzug des Sohns und auf einen glücklichen Durchbruch der Severnlinie gerechnet hatte, nicht gerade wegen des so kühn ausgeführten Gegenzugs auf Kenilworth irgendwo eine schwache Stelle entdecke. Ohne eine Ahnung von dem Schicksal derer, die ihm helfen sollten, war der graf am Sonntag dem 2. August von Hereford aufgebrochen, und hatte bei Kempsey, einem Gute des Bischofs Walter, vier Meilen südlich von Worcester die Severn überschritten. Erst am folgenden Abend zog man unbehindert weiter nach der Abtei Evesham, deren Mönche freundlichen Empfang bereiteten. Hier wurde am nächsten Morgen die Messe gehört, der König verlangte noch vor dem Ausritt zu frühstücken 2), als von Nordosten her sich berittene Geschwader zeigten. Da sie Montfort's Banner führten, glaubte Simon froh bereits den Sohn zu begrüssen. Erst vom Glockenthurme aus wurden die Leoparden Eduard's erkannt, der Tags zuvor listig die Strasse nach Norden eingeschlagen, als wolle er Shrewsbury oder Stafford erreichen, und mit der gleichen Absicht zu täuschen die Trophäen von Kenilworth vor sich her tragen liess. Da nun auch Mortimer und Glocester, die anfanglich durch einen Höhenzug gedeckt gewesen, in Rücken und Flanke erschienen, da das ganze feindliche Heer sich durch rothe Kreuze kenntlich gemacht hatte, so wurde den von allen Seiten Abgeschnittenen der ganze Ernst ihrer Situation klar. Als Simon von einer Anhöhe die trefflichen Anstalten des Feinds überblickte und Nichts von dem tollen Ungestüm gewahrte, der den Prinzen im vorigen Jahre bei Lewes so verhängnissvoll geworden, rief er beinah stolz :, Beim Arme St. Jakob's, das haben sie nicht von sich selbst, sondern von mir gelernt ; befehlt Gott euere Seelen, denn unsere Leiber gehören ihnen! *) Kaum hatte der greise Bischof von Worcester Zeit, für Beichte und Absolution zu sorgen. Wie ihr tapferer Führer bereit, das Leben einer heilig erachteten. Sache zum Opfer zu bringen, verschmähten allesammt, obwohl sie etwa nur zwei gegen sieben fochten 2), dem Zufall vertrauend sich einzeln davon zu Tnachen. Gleich das erste Treffen, das unter Eduard beim Klange der Trompeten anrannte, drängte Simon und die Seinen in einen engen Knäuel zusammen ; nicht um strategische Kunst, nur noch um Todesmuth handelte es sich. Es blieb kein anderer Ruhm, als im dichtesten Handgemenge Schild an Schild das Leben so theuer als möglich zu verkaufen. Sich ergeben konnte und wollte kein Einziger. Vor den Augen des Vaters wurde Heinrich von Montfort niedergehauen ; der Vetter Peter, Hugo Despenser, Ralph Basset, treu ihrer Sache bis an das Ende, fielen auf Seiten des alten Streiters, der, nachdem ihm das Pferd unter dem Leibe erstochen, das Schwert mit beiden Händen fassend, um sich hieb, bis er von hinten zu Tode getroffen, ein Held für die nationalen Freiheiten seines Vaterlands, starb. Bald lag die junge Blüthe vornehmer Geschlechter, ein Mandeville, ein Beauchamp, bis an 160 Ritter erschlagen. Halb lebend wurden der junge Gui von Montfort, zwei Söhne Peter's, der junge Humphrey de Bohun und andere unter den Haufen der Erschlagenen hervorgezogen und zu Gefangenen gemacht. Einige Tausend Waliser suchten sich frühzeitig zu retten, so gut es gieng. Nicht durch eine Schlacht, da der Sieger keinen nennenswerthen Verlust zu beklagen hatte, sondern in einem fürchterlichen Gemetzel, das zwischen 6 und 9 Uhr Morgens entschieden war, vollzog sich der jähste Umschwung in den Geschicken des Reichs. Schon länger hatte ein strahlender Komet den Sinn des Volks auf ungewöhnliche Ereignisse gerichtet ; am Tage des 4. August hauste vieler Orten ein entsetzliches Gewitter 1).

 

283—287. Die königliche Bestätigung vom 22. Juni bei Rymer I, 467. Der Londoner Alderman sagt entrüstet : per iniquum consilium ; Lib. de antiq. leg. 73.

 

1) Am 25. und 28. in Monmonth, Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membt. 12 und Rymer, 1. c. Noch Einiges zu den beiderseitigen Bewegungen in dem Fragment eines Briefs von G. de Morley an H. de Manley bei Shirley II, 288.

2) Wikes 68. 69. Ann. Waverl. 362. 363.

 

1) Lib. de antiq. leg. 114.115. Aach der Verfasser Arnold Thedmar, von deutscher Herkunft, war unter den Bedrohten.

 

1) Wikes 69. 70. Rishanger, ed. Halliwell 44. Der Ueberfall besonders ausgemalt im Chron. de Mailros 199. Die Erzählung in den Waverley Annalen, 363. 364, dass der junge Simon schon sechs Tage in Kenilworth gelegen und siogesgewiss eine förmliche Herausforderung des Thronfolgers angenommen habe, steht vereinzelt.

2) Wikes 70, devenit Eveshamam tertio die mensis supradicti, feria secnnda. Ann. Waverl. 364, die Martls ... .mane versus Ewesham iter arripuit ... dominus rex cum suis voluit jentaculari, quod et factum est. Noluit autem dominus Symon de Monteforti ibidem aliquid cibi capere,

 

1) Rishanger, ed. Halliwell 45 ; ed. Riloy 37. Ckrou. de Lanercost. 76.

2) Cbron. de Mailros 200

 

Der alte König, dem im Getümmel fast ein Leid geschehn wäre, wurde erst auf den Ruf :, ich bin ja Harry von Winchester von den Siegern erkannt und im Triumphe in die Abtei zurückgeleitet. Dort fanden auch mehrere der gefallenen Herren ehrliche Bestattung, namentlich Heinrich von Montfort, des Prinzen Altersgenosse, den als Erstgeborenen seines Schwagers der König in Person einst aus der Taufe gehoben hatte. Nur an dem entseelten Leibe Simon's selber, der wie ein Märtyrer für eine tief wirksame Ueberzeugung in den Tod gegangen, wurde die rohste Kache geübt. Das Kriegsvolk, vom glühenden Hasse seiner Führer gestachelt, hieb, die Leiche in Stücke. Arme und Beine wurden als die Gliedmassen eines Verräthers an bestimmten Plätzen öffentlich aufgepflanzt ; das Haupt mit seiner scheusslichen Zier soll in Wigmore der blutdürstigen Gemahlin Roger Mortimer's überbracht worden sein *). Was die Mönche von Evesham von den Resten sammeln konnten, setzten sie still und ehrfurchtsvoll an der untersten Stufe des Hauptaltars ihrer Abteikirche bei.

 

1) üeber die Schlacht bei Evesbam ist Wikes 70. 71 gut mit den zahlreichen Quellen in Einklang zu bringen, welche den Untergang des Grafen beklagen. Eine Revision ergab nichts wesentlich Neues zu Blaauw, The Barons' War, p. 242 ff. und Gesch. v. England III, 791 ff.

 

Sie handelten durchaus im Einklang mit der allgemeinen Verehrung, die in dem gefallenen Edelmann nicht den Rebellen, sondern den uneigennützigen Wohlthäter des Volks erblickte. Der schwere nationale Verlust, den Laien und Kleriker beklagten, wurde in ihren Augen wegen der blutigen und tragischen Form zu einem glorreichen Märtyrerthum, das für den Frieden des Lands, das Heil des Reichs und der Kirche erduldet worden 2). Bei seinem Untergange trat noch einmal das ganze ungewöhnliche Bild den Zeitgenossen vor die Seele. Sein Muth und hoher Sinn, die nicht das Ihre gesucht, sondern den armen Mann vor Unterdrückung schützen, im Staate Gerechtigkeit und Recht aufrichten wollten, wurden zu Glaubensartikeln, denen der Himmel selber das Siegel der Wahrheit aufgedrückt. Die Geistlichen, hoch und niedrig, Priester und Mönche, denen er von jeher nahe gestanden, rühmten sein tiefes Wissen in der Schrift nicht minder, wie die Ehrfurcht und Beharrlichkeit, womit er sich der Andacht hingegeben. Selber fest und zuverlässig wie sein Wort, vertraute er unbedingt ihrer Fürbitte ; er wachte und fastete mit ihnen um die Wette. Sein inniges Verhältniss zu dem unvergesslichen Bischof von Lincoln war ein Haushaltwort unter unzähligen Dächern. Das Volk wollte wissen, dass Grosseteste seinem Freunde einst zur Busse seiner Sünden aufgegeben, sich der Sache, für die er stritt, bis zum Tode zu weihen, weil nun einmal ohne das Schwert von Eisen der Friede der Kirche von England nicht sicher sei *). Durch echte Frömmigkeit den Besten der Nation ebenbürtig, wurde ihm für unsterbliche Verdienste mit der Krone des Heiligen gelohnt, die ihm begeisterte Anhänger vorausgesagt, die ihm das Volk, nicht der Papst auf Bitte des Königs verlieh. Aus der ersten wunderbaren That, welche die nach Wigmore tiberbrachten abgehackten Hände verrichtet haben sollten, erwuchs ein Katalog von 212 Mirakeln, meist wohlthätigen Heilungen an Menschen und Thier. Bald ergieng sich die fromme, abergläubische Dankbarkeit in einem -fest ausgebildeten Cultus. Die Liturgie, mit welcher in Vers und Prosa dieser politische Heilige angebetet wurde, ist noch vorhanden ; sorgfältig aber hat eine feindselige Hand zwei Seiten, welche den auch für den Kirchendienst üblichen Lebensabriss enthielten, herausgeschnitten *).

 

1) Testicnli abscisi fuorunt et appensi ex utraque parte nasi, et ita missum fuit Caput etc. Lib. de antiq. leg. 75. 76. Wikes 71 tadelt gleich den übrigen Chronisten die begangenen Brutalitäten. Eine bildliche Darstellung aus Ms. Cotton. Nero D. II, fol. 176 bei Blaanw zu p. 254.

2) Rishänger, ed. Halliwell, p. 48. Praecipue religiosi, qui partibus illis favebant vel favere credebant. Ann. Waverl. 365 : martyrium pro pace terrae et regni reparatione et matris ecclesiae, ut credimns, consummavit gloriosum. Das Jahrbuch dieser Cistertienser ist gleichzeitig bis 1266 ; Luard, p. XXXVI.

 

1) Asserens pacem ecclesiae Aoglicanae sine gladio materiali non posse flrmari, et constanter afflrmans, omnes pro ea morientes martyrio coronari. So in St. Albans. Risbanger, ed. Uiley, p. 36.

 

Es war doch gewiss nicht von ungefähr, dass alle gleichzeitigen Aufzeichnungen mit wenigen, allerdings bemerkenswerthen Ausnahmen, dass sämmtliche Annalen alter und neuer Stifter dem Grafen Simon, als dem Schirm vogt der kirchlichen * und der nationalen Freiheit, das begeistertste Andenken widmeten. Auch die vornehmen Stände, Baronie und Ritterthum, soweit sie ihm angehangen, überliessen sich derselben Auffassung. Eine französische Ballade besingt nicht uneben den letzten Heldenkampf des Grafen, dieser, Blume des Kriegsruhms, und seiner treuen Genossen. Wunderlich genug und was Papst und König betrifft wenig treffend stellt sie ihn dem einzigen, allgemein verehrten National ?

 

1) Ms. Cotton. Vespasian A. VI, fol. 189.

 

Salve Symon Montis Fortis,

Totius flos militiae,

Duras poenas passus mortis,

Protector gentis Angliae etc.

 

Ora pro uobis, beate Symon 1 ut digni efflciamur promissionibns Christi.

 

Halliwell zu Rishanger, p. 67 ff. Wright, Political Songs 124. Chronicon de Mailros 201—216.

 

heiligen, Thomas von Canterbury, zur Seite *). Wie bei diesem wollte man auch auf Simon's entseeltem Leibe das härene Gewand des Mönchs gefunden haben. Um seine Fürbitte wie um die Becket's bei dem Sohne der heiligen Jungfrau möge daher alles Volk zum Himmel rufen, damit jetzt, wo so viele untreu geworden, der Glaube und seine Diener in der Kirche gerettet würden.

 

Gewiss waren die Frömmigkeit oder die hohen Feldherrngaben Montfort's nicht die einzige Ursache seines dauernden Ruhms. Dass er sich der bedrückten Klassen des Volks, der Rechte und Freiheiten des Lands wie noch kein anderer angenommen, dass er mit der Berufung bis dahin noch nicht vertretener Volksklassen einen grossen politischen Griff gethan, trug nicht minder dazu bei. Noch konnte indess kein Mensch ahnen, dass hierdurch wirklich eine Generation später die Lösung aus dem Conflict eines Jahrhunderts angebahnt und das englische Staatswesen in die ihm entsprechende Vertragsform gerückt werden sollte. Simon selber ist vermuthlich gestorben ohne die Zuversicht, gerade deshalb unsterblich zu werden*). Für die Nation erst wurde es klar, als der Sieger von Evesham, der grosse König auf dem Throne, sich genöthigt sah jenen schöpferischen Gedanken wieder aufzunehmen und im Namen der Krone die Vertretung der Gemeinen zum Zweck der Betheiligung an der Steuerverwilligung in das Staatsrecht einzuführen. Damals aber übersah man, wie vjele unreine Elemente doch auch der Handlungsweise des Grafen zu Grunde gelegen, welches Verderben er dem Staate hätte bereiten können. Seine fremde Geburt, die persönliche Zwietracht mit dem Könige, die Lust zu herrschen, die verhängnissvolle Nothwendigkeit, einmal Sieger nun auch dauernd widerrechtlichen Zwang üben zu müssen, bildeten eine Kette, die ihn selber immer fester umschlang. Nimmermehr hätte England im dreizehnten Jahrhundert den Freistaat unter einem illegitimen Protector ertragen können, der sich noch im siebenzehnten unmöglich erwies. Das Königthum, das diesen Staat begründet, liess sich selbst in den Herzen jener frühen Verfassungsfreunde nicht entwurzeln, es musste gerade zum Heil der Gesammtheit in seine Rechte restituirt werden. Das Papstthum, an dessen Lehre noch Niemand in dem altorthodoxen Lande ernstlich zu rütteln gewagt, besass Ansprüche, welche diese Macht am Wenigsten sich auf dem Wege der Revolution entreissen lassen durfte. Beide vereint erwiesen sich schliesslich stärker als der populare Aufstand. Erst als sie sich wieder entzweiten, brach eine Epoche der Transaction, der Concessionen und Reformen an.

 

1) Der dritte Vers lantet :

Mes par sa mort, le cuens Montfort

conquist la victorie,

Come ly martyr de Canterbyr

flnist sa vie ;

Ne voleit pas li bon Thomas

qe perist seinte Eglise,

Ly cuens auxi so combat!

e rnorust saunt* feyntise. Or est ocys la flur de pris, qne taunt savoit de guere, Ly cuens Montfort, sa dure mort molt enplorra la terre. Kitsou, Ancient Songs I, 15. Wright, Political Songs 125.

 

1) Sehr schön sagt Sir James Mackfntosh, History of England I, 238 : He died unconscions of the imperishable name which he acquired by an act which he probably considered as of very small lmportance.

 

VI.

 

An dem Tage von Evesham stürzte das kunstvolle Verfassungsgebäude in sich zusammen, das ein genialer Baumeister denn doch aus den Provisionen des tollen Parlaments von Oxford hatte aufführen wollen. Der König, seiner selbst wieder Herr, nahm auch sofort die ganze Autorität seiner Würde in Anspruch. In öffentlichen Erlassen verkündete er, dass er nunmehr wie zuvor aus eigener Machtvollkommenheit verfüge ; er widerrief die ihm abgedrungenen, von dem Grafen von Leicester, der mit dem grossen Siegel unstatthaften Missbrauch getrieben *), ausgefertigten Befehle. Für alle Grafschaften wurden sofort des Königs Sheriffs bestallt. Nachdem Simon der jüngere, der am 4. August von Kenilworth aus vergeblich seinem Vater Hilfe zu bringen versucht hatte, sich hinter die festen Mauern der Burg geworfen, entliess er wenigstens seine Gefangenen, den König Richard und dessen jüngeren Sohn Edmund. Die Wittwe Despenser's capitulirte im Tower. Schlagfertig und rührig wie kein anderer rieth doch namentlich Prinz Eduard zu raschem Vergleich mit den feindlichen Garnisonen, zu einer billigen Uebereinkunft mit der Bevölkerung der fünf Häfen, falls sie von ihren Seezügen abstünden und gutwillig zu dem Gehorsam gegen den König zurückkehren würden *).

 

1) Praefatus comes literas sigillo nostro, quo uou nos, sed comes ipse pro suo utebatur arbitrio, formari feclt. Kymer I, 458 ; Worcester, August 7. Literas sigillo nostro,' quo pro suo libito volantatis utebatur, signari fecit ; an Erzbischof Bonifaz Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 9, August 24. Bei Wikes 69 heisst es vom Abschluss des Vertrags mit Llewellyn : eamque sigillo regio consignavit, qnod dnobns laicis deportandnm commiserat, viz. Domino Petro de Monteforti et Domino B. de Sandwich militibus, quod a seculo t'uerat inanditum.

 

Sobald nur wieder die Pforten des Reichs zur Verfügung standen, wurde auf den 8. September das Parlament nach Winchester geladen, sämmtliche Bischöfe ausser den vier besonders compromittirten, den von London, Lincoln, Worcester und Chichester, von dem hohen Adel Alles, was entweder die Treue bewahrt, oder nur verdächtig gewesen und sich nun herbeidrängte, Beinen Frieden zu machen. Auch die Wittwen der im Bürgerkriege gefallenen royalistischen Herren waren vertreten. Hier wurden mit der bei jeder Reaction unvermeidlichen Hast und Rachsucht alle Regierungshandlungen seit dem Tage von Lewes für ungiltig erklärt, sämmtliche Rebellen geächtet, die bei Kenilworth und Evesham die Waffen getragen, ihr Grundbesitz confiscirt und aus der ungeheueren Masse des herrenlos gewordenen Eigenthums die Habgier der Sieger befriedigt. Glocester, Valence, Roger Mortimer, Philipp Basset so gut wie die Prinzen Eduard und Heinrich machten sich für ihre Dienste bezahlt. Die hoch angewachsenen Schulden des römischen Königs abtragen zu helfen, wurden die geistlichen und weltlichen Barone um Vorschüsse angegangen. Edmund, der einst König

 

1) Dam tarnen voluntati domini nostri se submittant. August 24. Shlrley II, 289.

 

von Sicilien werden sollte, wurde mit dem ganzen Lehn des gefallenen Grafen von Leicester, dem Oberhofmeisteramt des Reichs, der Grafschaft Derby und anderem Rebellengut entschädigt. Selbst treue Anhänger schüttelten den Kopf bei einer so thörichten Ueberstürzung 1). Der Besitzwechsel war viel jäher und ausgedehnter als im Jahre zuvor, wo der Protector mit fester Hand auch die selbstsüchtigsten seiner Anhänger niederzuhalten bemüht gewesen und das Eigenthum der Gegner unter die Hut des Staats gestellt wissen wollte. Das Land wimmelte daher von geächteten Patrioten, welche versprengt sich in abgelegenen, unzugänglichen Gegenden, namentlich in den marschigen Niederungen um Ely und Cambridge zu sammeln begannen, eben dort, wo einst die letzten Angelsachsen der eisernen Gewalt des Eroberers Trotz geboten hatten. Besonders hart aber gestaltete sich das Loos der Stadt London, die, als sie sich im October auf Gnade und Ungnade unterwerfen musste, als ihre Bevollmächtigten trotz dem Geleitsbriefe in Windsor festgenommen wurden, nicht nur das demokratische Regiment der letzten Jahre einbüsste, sondern mit Vertreibung und Beraubung vieler ihrer Bürger, mit 20000 Mark Sterling aus der Stadtkasse büssen musste, was sie an dem Könige und seiner Gemahlin, an Richard und Eduard verbrochen hatte. Der Freibrief, welcher ihr vor Alters die Selbstverwaltung übertrug, wurde ausser Kraft gesetzt, so lange der Constable im Tower als Seneschall des Königs frei verfugte, und auch nach dem am 10. Januar 1266 ertheilten Pardon eine Menge Bürgen für den Gehorsam der unruhigen Bevölkerung haften mussten *).

 

1) Wikes 74. Pertransire non possumos Domini Regis et consiliariorum insipientiam (si fas est dicere). Im Uebrigen Gesch. von England III, 797 ff. und Verzeichnisse der Debertragnngen bei Blaauw 267. 268.

 

Die Schärfe der Gegensätze, Trotz auf der einen, unkluge Ueberstürzung auf der anderen Seite liessen indess das Reich auf mehr als Jahresfrist nicht zur Ruhe kommen. Anfangs gab auch der Papst nur Gedanken der Züchtigung zu erkennen. Clemens IV., einst selber als Legat gegen diese für Thron und Altar gleich gefährliche Empörung 2) thätig, hatte, noch ehe er von Montfort's Untergang erfahren, Ottoboni, den Cardinal Diakon von St. Adrian, nach England entsendet und ihm den Auftrag ertheilt, noch einmal die Magnaten wie den Fürsten von Wales vor jeder Gemeinschaft mit Simon zu verwarnen 3). In Folge der Siegesnachricht griff er dann dem Könige mit der Bewilligung des Zehnten für ein Jahr unter die Arme, liess den Grafen von Glocester absolviren, dem Prinzen und seinem Vater zu ihrer Befreiung Glück wünschen *). Als der Cardinallegat zu Ende October in Gesellschaft der Königin, die seit zwei Jahren in Frankreich geblieben, herüber kam, gestaltete sich sein Weg nach London zu einem wahren Triumphzuge der siegreichen Kirchengewalt. Rieth auch der Papst zur Anwendung milder Massregeln, da Strenge wohl einzelne beugen, aber die Masse nur aufreizen werde J), so waren die Gemüther beiderseits doch noch zu erhitzt, um der Vernunft ihr Recht zu geben. Auch mussten so vielfach betheiligte Prälaten wie die Bischöfe von London, Chichester, Winchester und Worcester zur Rechenschaft gezogen werden, schon weil sie im vergangenen Jahre den ihnen aufgetragenen Bann gegen den Grafen von Leicester und seinen Anhang nicht vollzogen hatten. In feierlicher Sitzung suspendirte sie der Legat von ihrem Amt ; auch wurde den drei ersten ein Bussgang nach Rom auferlegt. Den alten, in seiner Ueberzeugung unerschütterlich treuen Walter von Cantilupe rettete, wie selbst ein Gegner es ausdrückte z), am 12. Februar 1266 der Tod vor bösen Tagen. Nach dem allgemeinen Urtheil hätte ihm, wenn er nicht zu Leicester gehalten, die Glorie des Heiligen nicht entgehn können.

 

1) Lib. de antiq. leg. 77—82. Rymer I, 464 ; Oct. 6. Bericht des Grafen Humphrey von Hereford ; Oct. 6. Sbirley II, 293.

2) Clemens IV. an Ludwig IX. bei Raynaldl XXII, 179. 1265. Quid putas, Ali charissime, in iis agi ? quid per talia machinamenta quaeri ? ad quid per tales eorundem baronum insidias anhelari, nisi ut de regno illo regium nomen aboleatur omnino et extincto ibi semine regio ipsi regnent ? nisi ut Ghristianus populus a devotione matris ecclesiae et observantia fldei orthodoxae avertatur. Vgl. Ränke, Englische Geschichte I, 82. >

3) Zwei Bullen vom 13. September bei Rymer I, 460. 461.

4) Leta nobis et tristia nuuciasti, an Ottoboni XIII Kai. Oct. in Ms. Add. Mus. Brit. 15,362, fol. 83 und fünf Bullen bei Rymer I, 462-465.

 

Noch viel schwieriger war es gegen das Nachspiel des Bürgerkriegs, welches nicht enden wollte, Gnade und Erbarmen zu üben, da die Besatzung von Kenilworth mit dem Heldenmutbe der Verzweiflung aushielt und die starken Banden der Geächteten, die in der Mitte und im Osten der Insel ihr Wesen trieben, ihr mehrmals die Hand reichten. Erst im Sommer 1266 konnte zu einer regelrechten Belagerung des festen Platzes geschritten werden, ohne dass auch diese einen schleunigen Erfolg verhiess. Noch im September erneuerte und verschärfte der Papst seine Sentenzen gegen die Rebellen ; höchstens am Todtenbette dürfte der Legat vom Banne absolviren *). Allein gerade der hartnäckige Widerstand, den sie noch immer fand, machte denn doch allmälich die Staatsregierung auf ihre eigene Lage aufmerksam. Die vornehmen wie die niederen Stände, die ihr entweder treu geblieben, oder sich unterworfen hatten, begannen von Neuem zu murren wegen der endlosen militärischen und finanziellen Anforderungen. So geschah es, dass auf einem Parlament, das man am 24. August Angesichts des Schlosses von Kenilworth abhielt, drei Bischöfe und drei Barone vom Könige und dessen Räthen deputirt wurden und sich eine gleiche Anzahl Standesgenossen cooptiren durften. Unter Leitung des Legaten und des Prinzen Heinrich fällten diese Zwölf den Spruch (Dictum) von Kenilworth, der ernstlich dem Reiche den Frieden wiedergeben und ein billiges Abkommen mit den depossedirten Edelleuten treffen wollte 2). Auf der nach Northampton verlegten Reichsversammlung am 26. October erhielt dies Erkenntniss Gesetzeskraft. Der Legat selber bestätigte die Magna Charta, freilich nur in der Form, in welcher sie seit 1224 stets erneuert worden war. Dem Könige wurde auf Anregung des Papsts und zu geringer Freude des Klerus für drei Jahre der Zehnte bewilligt. Die Geächteten sollten mit einziger Ausnahme der Nachkommen Leicester's und Robert Ferrers', des wilden Grafen von Derby, ihre Güter von denen, die sie an sich gebracht, zurückerhalten gegen Erlegung des fünf-, vier-, drei-, zwei- oder einjährigen Ertrags, je nach der Grösse der Schuld bemessen. Noch einmal wurde die ganze Gesetzgebung, die sich aus den Provisionen von Oxford entwickelt hatte, feierlich annullirt *). Hier zuerst unter dem weise von Rom inspirirten Rath geschahen demnach Concessionen, die trotz allen Zerwürfnissen, wie sie während der gegenwärtigen und nächstfolgenden Regierung nicht ausblieben, doch den seit dem Anfang des Jahrhunderts immer heilloser gewordenen Zustand des Reichs wesentlich besserten.

 

1) Clemens IV. an Heinrich III. ; October 4 : cnm fervor vindictae paucorum odium roprimat, multorum irritet.

2) Qui tanta sauctitatis eminentia caeteris praepollebat episcopis, quod nisi contra juramentum quod Domino regi de fldelitate praestari debuit, imo etiam contra inbibitionem sedis Apostolicae Comiti Leicestriae tarn familiariter et fortiter adhaesisset, in catalogo Sanctorum non immerito fuerat ascribendus. Wikes 73 ; vgl. Rishanger, ed. ßiley 47.

 

1) Rymer I, 469 ; September 15.

2) Annales Waverl. 371 ff.

 

Auch hiernach freilich hielten die muthigen Vertheidiger von Kenilworth noch immer Stand, schon weil ihnen allein ein siebenjähriger Ertrag ihres confiscirten Eigenthums als Lösegeld abverlangt wurde 2). Sie capitulirten erst, als Alles aufgezehrt war und jede Aussicht, auf Hilfe verschwand. Darum war indess der Landfriede noch keineswegs aufgerichtet, denn in den östlichen Grafschaften sassen die Rebellen so fest, dass sie selbst die Städte wie Lynn, Cambridge, Norwich in ihre Gewalt brachten, und um dieselbe Stunde erhob sich noch einmal der gefürchtetste Magnat des Lands, weil ihm die neueste Bürgschaft der nationalen Privilegien jetzt keineswegs genügte. Gilbert von Clare, graf von Glocester, der wie so mancher seiner Standesgenossen für und wider das Verfassungsrecht gestritten, hatte in jenem Zwölferausschuss eifrig das Abkommen von Kenilworth befürwortet, war aber auf die heftigste Opposition der Ultras von der Richtung Roger Mortimer's gestossen, die von einer Herausgabe des durch Hochverrath verwirkten Guts Nichts wissen wollten. So gerieth er in die Lage Montfort's, die er diesem einst selber bereiten helfen. Gegen einen Angriff der Grenzbarone musste er auf die Sicherheit seiner Person wie seines benachbarten Gebiets bedacht sein, und, da sich eine von Warenne und Valence eingeleitete Vermittlung zerschlug, da er selber bei dem Heere, mit welchem der König im Februar 1267 bei Bury St. Edmund's zu Felde lag, nicht zu erscheinen wagte, so appellirte er plötzlich wieder an die Provisionen von Oxford. Er berief sich auf das eidliche Gelöbniss, das ihm Prinz Eduard unmittelbar nach seiner Befreiung gegeben, dass Ausländer hinfort von Besitz und Einfluss ausgeschlossen sein sollten. Und beanspruchte Valence nicht die Grafschaft Pembroke ? Wollte der König nicht eben jetzt Norfolk von dem stolzen Roger Bigod, der gleichfalls in die Bewegung verwickelt gewesen, auf seinen Eidam, den Sohn des Herzogs der Bretagne, übertragen ? Glocester forderte ferner auf Grund des Dictum Amnestie der Geächteten, statt sie mit Gewalt zu unterwerfen. Nicht gegen den König und seinen Sohn, sondern lediglieh gegen Mortimer und Genossen versicherte er ausdrücklich, greife er zu den Waffen 1). Als nun die Aufständischen aus den Marschen von Ely und Axholme die Aufforderung des Legaten, in den Gehorsam der Kirche und des Throns zurückzukehren, trotzig mit den Sätzen abwiesen, die unter Simon von Montfort so viel gegolten, als sie sich treue Söhne der Kirche und die besten Patrioten nannten, da erhob sich Glocester, damit die Vertheidiger der nationalen Freiheiten nicht einfach vergewaltigt würden, im April zu einem raschen Zuge nach London, wo die demokratische Partei so wenig erstickt worden, dass sie trotz Confiscation und Austreibung ihrer thätigsten Genossen neuerdings den Jahre lang vergötterten Mayor Fitz-Thomas lärmend zurück verlangt hatte. Cardinal Ottoboni, der im Tower residirte, konnte, ja, wollte nicht verhindern, dass der graf am 8. des Monats quer dureh die Stadt nach Southwark rückte. Dieser hatte sogar eine Zusammenkunft mit dem Legaten, der höchst wahrscheinlich mit italienischer Gewandtheit ein tief angelegtes Spiel in Scene setzte, damit der Hof gehörig eingeschüchtert werde und endlich von seiner Halsstarrigkeit abstehe 2). Bald schlug sich Johann d'Eyville, einer der kecksten Parteigänger in den östlichen Strichen, mit seiner Streifschar zu dem Grafen ; sämmtliche Thore wie die Brücke befanden sich in ihren Händen, die Volkspartei gebot wieder in der Stadt, und der Legat sass daneben im Tower.

 

1) Dictum de Kenilworth, Statutes of the Realm I, 12.

2) Add. de Dunst. 243.

 

1) Wikes79. Ann. de Dunst. 245. Eishanger, ed. Halliwell 60 ; ed. Kiley 47.

2) ünde manifestum est quod comes habnit introitum civitatis per consilinm et assensnm legati. Lib. de antiq. leg. 90.

 

Der König, entsetzt über die drohende Haltung Londons *), sah sich genöthigt seine Unternehmung im Osten abzubrechen und den Prinzen aus dem Norden an sich zu ziehn. Aber erst zu Anfang Mai konnten sie sich von Essex her behutsam nähern, während Glocester die Strassen nach dem Westen beherrschte. Der Legat, nach den Einen aus den Nöthen einer Belagerung errettet, nach den Anderen unbehindert und freiwillig, begab sich in das königliche Hauptquartier. Da nun ausser ihm König Richard, sein Sohn Heinrich und andere dringend zur Versöhnung riethen, so kam es endlich Mitte Juni zum Vergleich. Nur zum Schein, auf einen Tag wurde über London das Interdict erneuert. Gegen Zulassung der königlichen Bailiffs und ihrer eigenen Aldermen erhielten' die Bürger jetzt vollständige Begnadigung, so wie der graf von Glocester, der ihnen'dazu verholfen, sie für sich selber und Eyville's Mannschaften erwirkte. Die Verbündeten mussten sich ihrerseits zu Schadenersatz und Caution verstehn 2). Hierauf bereiteten auch die Geächteten in der Gegend von Ely keine erheblichen Schwierigkeiten. Nach einer Verständigung zwischen ihrem Führer Nicolaus von Segrave, einem der treusten Anhänger des Grafen von Leicester, und dem Prinzen Eduard capitulirten sie am 11. Juli, indem ihnen jetzt noch alle Vortheile des Spruchs von Kenilworth gewährt wurden. Nachdem dann zuletzt auch der Waliserfürst Llewellyn gleichfalls mit Zuthun Cardinais Ottoboni am 29. September in Montgomery Frieden geschlossen, legten sich alsbald die letzten krampfhaften Zuckungen des Bürgerkriegs. Rom hatte erkannt, dass es nicht fortfahren dürfe, rücksichtslos wie bisher die Selbständigkeit der englischen Kirche anzutasten, ihre Reichthümer für sich zu beanspruchen und sein Protectorat über das Königthum allzu sehr gegen das anwachsende Nationalgefühl herauszukehren. Die Krone stand endlich davon ab, fremde Verwandte und Günstlinge in Lehn und Aemtern unterzubringen. Und selbst die zum Landesgesetz erhobenen Freiheitsrechte erhielten jetzt eine Anwendung, die wohl geeignet war, die so lange gestörte Eintracht zwischen Regierung und Volk wieder herzustellen. Auf dem Parlament, das im November 1267 nach Marlborough berufen wurde, fanden sich nicht nur die Magnaten und Geschäftskundige (discreti) wie Kanzler und Richter beisammen, sondern auch Leute von niederem Range !), um durch Beschlüsse, die seither immer als Theil der Landesgesetzgebung gegolten haben, Hoch und Niedrig zur Nachachtung des Rechts zu vermögen. Es mochten einige Ritter und Bürger zugegen sein, jedenfalls aber nicht als Vertreter von Stadt und Land. Man befragte sie und die Barone wohl in zuvorkommender Weise, ohne den Ständen damit das Recht weiterer Einmischung, zumal in Betreff der Abgaben zu gestatten. Zog doch nun auch endlich, genährt durch die schwersten Erfahrungen, gleichzeitig der Geist der Sparsamkeit in die Schatzkammer und der Gerechtigkeit in die im Namen des Königs Recht sprechenden Tribunale ein. Nachdem Krone und Barone im Streit mit einander Grossjusticiare aufgestellt, ausgestattet mit der höchsten politischen, für die Entwicklung der Monarchie nimmermehr zuträglichen Befugniss, verschwand diese Würde nun völlig und machte Oberrichtern an der Spitze der einzelnen Höfe Platz, die unabsetzbar waren, so lange sie unbestechlich ihre Pflicht thaten *).

 

1) Audito qnod civitatum Angliae principissa per infldos indigenas in dolo fuerat occnpata ; Wikes 79.

2) Die Freibriefe für den Grafen nnd für die City, beide vom 16. Juni bei Kymer I, 472 and Lib. de antiq. leg. 93 ff.

 

1) Convocatis discretioribus regni tarn ex majoribus quam minoribus, Statut von Mariebridge, Statutes of tbe Realm I, 19 ; vgl. Report on the Dignity of a Peer I, 159.

 

So war denn die Revolution und der Bruch mit der Curie beigelegt und eine langjährige Störung überwunden, die neben vielen argen doch auch gute Früchte zeitigte. Nur Alles, was den Namen Montfort trug, schien ausgestossen unter Acht und Bann. Was war das Ende des Geschlechts, das, wie von einem Fluch getroffen, in dem nach England verpflanzten Zweige rasch verwitterte ?

 

Als damals am 28. Mai 1265 Prinz Eduard seinen Wächtern entsprang, weilte die Gräfin Eleonore noch in glänzender Haushaltung auf Schloss Odiham in Hampshire. Auf die Kunde von dem Ereigniss begab sie sich zuerst nach Porchester, wo sie eine Begegnung mit ihrem Sohne Simon hatte ; am 15. Juni traf sie in Dover ein, wo sie auf der Burg, deren Vogtei ihrem Erstgeborenen zustand, Wohnung nahm. Man dachte noch entschieden an Vertheidigung der Seefesten in der Absicht, die enge Strasse von Calais so lange wie möglich zu beherrschen. Französische Gesandte, die immer noch den Verkehr mit dem damals in Hereford abgeschnittenen Hofe unterhielten, wurden gastlich bewirthet *), zahlreiche Boten nach verschiedenen Seiten abgefertigt, der letzte noch am 1. August direct an den Grafen. Dann kam die Nachricht von dem harten Schlage bei Evesham, der über das grösste Wagniss ihres Lebens entschied und das Weib zugleich des Gatten und des ältesten Sohns beraubte. Alle stolzen Hoffnungen dieser hochstrebenden, seit Jahren den ihr gewiesenen Bahnen entrückten Frau waren mit einem Mal zertrümmert. Tief gebeugt legte sie den Purpur ab und Wittwenkleider an, die sie schon in früher Jugend getragen2). Fastend, Almosen spendend gestaltete sie ihr Leben fortan wie im Kloster. Mehrmals, am 19. August und am 3. September, wurden Seelenmessen für den abgeschiedenen Gemahl gehalten 3). Aber nur allmälich liess sie die Gedanken fahren, in Dover Widerstand zu leisten, wie ihr Sohn Simon es in Kenilworth that. Erst als sie die ganze Wucht der Reaction erkannte, die für sie statt fürstlicher und brüderlicher Gnade nur Aechtung und Verbannung bedeutete, hoffte sie durch Preisgeben des Schlosses vielleicht noch einen Schimmer von Erbarmen zu gewinnen. So wurde die Besatzung abgelöhnt, und Alles reisefertig gemacht. Am 18. September sandte sie ihre jüngsten Söhne, die sie mit Mutterliebe so bald als möglich zu sich kommen lassen, Richard und Amaury, von denen letzterer bereits eine nunmehr verwirkte Domherrnstelle in York bekleidete, hinüber nach Gravelingen *). Sie nahmen die stattliche Summe von 11000 Mark bar mit sich, auf welche der König einige Wochen später, wie es scheint vergeblich, durch ein Schreiben an Ludwig IX. fahnden liess 2). Am 1. October schloss sie ihre Rechnung ab mit dem Botenlohn für die letzte Sendung nach Kenilworth 3). Nun war es höchste Zeit für sie selber, in Frankreich zum letzten Mal eine Zuflucht zu suchen, denn schon am 28. September befahl eine königliche Ordre den Baronen der fünf Häfen, sie mit ihren Schätzen auf keinen Fall hinaus zu lassen *). Sie kannte das kalte Herz und die Tücke ihres Bruders, doch hatte sie den Trost, dass der Neffe, Eduard, den sie als Geisel in Kenilworth und Odiham bei sich beherbergt und stets mit Güte und Hochachtung behandelt hatte, ihr in der Noth mit Dankbarkeit und Edelmuth vergalt. Während jener in seinen Erlassen hinfort die Bezeichnung, Unsere Schwester ganz unterdrückte, hatte der Thronfolger doch noch ein freundliches Wort für sie. Schon am 16. August hatte sie von dem jungen Sieger ein Schreiben erhalten, das vielleicht über das schreckliche Ende des Grafen Simon nähere Mittheilung machte. Am 26. October, nachdem Eleonore bereits über das Meer entflohen, empfahl der Prinz, damals schon die Seele einer besonnenen Restauration, dem Kanzler, Bischof Walter von Bath, auf Bitten seiner geliebten Tante eine ganze Reihe von Edelleuten, die ihrem Hofhalt angehört, zu Gnaden anzunehmen und ihnen ihr Grundeigenthum zurückzuerstatten *). Daran schloss sich einige Tage später eine besondere Verwendung für Johannes de la Haye, der von jeher einer der treusten Diener und Parteigänger Leicester's gewesen war2). Auch ihr Bruder, der römische König, hatte sich herbeigelassen, wenigstens auf dem Privatwege seiner Schwester und ihren Kindern unwandelbare Liebe auszudrücken und, so weit in seinen Kräften, ihre Rechte geltend zu machen verheissen ; Der erste der von ihm zugezogenen Bürgen, eine rührende Erscheinung, war Niemand anders als der ehrwürdige Bischof von Worcester 3).

 

1) Fobs, The Judges of England II, 155. 221.

 

1) Rot. Hospltii Comitissae Leicestriae, ed. Hudson Turner, p. 51, wo vom 19. Febrnar bis 1. October 1265 jedes Datum, jeder Ortswechsel, so wie die geringfügigsten Ausgaben verzeichnet sind.

2) Habitum vidualem, quem voto castitatis temere violato per carnis petulantiam indiscrete reliquerat. reassumens. Wikes 73.

3) Rot. Hospitii 68, 12 Schilling, 9 Pfennige für die Messe. Vieles Einzelne ans demselben Document zusammengestellt bei Green, Prineesses II, 145 ff.

 

1) Rot. Hospitü 74.

2) Rot. Lit. Claus. 49 Henr. III, membr. 2, dorso ; Oct. 10.

3) Rot. Hospitü 75. Die Handschrift gehörte einst dem Nonnenstift der Montforts, Montargis ; aus den Verheerungen der französischen Revolution gerettet, kam sie in das britische Museum als Ms. Add. 8877.

4) Bei Green II, 464 und Shirley II, 292.

 

Als die Gräfin in Gesellschaft ihrer gleichnamigen Tochter in Frankreich anlangte, fand sie bei dem Könige dieselbe rücksichtsvolle Aufnahme, die dort dem Hause Montfort in so auffallender Weise eigentlich niemals versagt worden war. Ludwig IX. war noch immer bereit, für die unglückliche Familie ein Wort einzulegen. Er bewog denn auch gar bald den König von England, weniger unerbittlich und grausam mindestens an ein Abkommen mit seiner Schwester zu denken. Die Einkünfte aus ihrem Witthum, ihre persönliche Habe sollten ihr vorbehalten werden*). Aber ein grosses Hinderniss, die muthige Gegenwehr des jüngeren Simon in Kenilworth, stand noch im Wege. Auf Monate hin verbreitete die Besatzung durch verheerende Ausfälle Furcht und Schrecken *) über die Mitte der Insel, bis erst im Juni 1266 die Einschliessung des Orts beginnen konnte. Bei Zeiten indess hatte sich der junge Simon hinausgeschlichen, um das seiner Mutter in Frankreich erwiesene Wohlwollen zu verwerthen, vielleicht gar sich directe Hilfe zu verschaffen. Konnte ihm doch nicht unbekannt'sein, dass Ludwig IX. sich dringend für sie verwandte 3). Allein das Verlangen, ritterlich und abenteuernd sein Leben daranzusetzen, war viel stärker als der Wille, sich in Gehorsam zu unterwerfen. So stahl er sich, einem Haftsbefehle trotzend4), zurück, jedoch nicht nach Kenilworth, sondern zu den Aufständischen in den Marschen von Ely. Er selber war daher Schuld, wenn in dem Dictum vom October die Mitglieder seiner Familie von den Wohlthaten desselben ausgeschlossen blieben, und ihr Loos höchstens der französischen Arbitration anheimgegeben wurde *). Zwar hiess es, er habe der Besatzung gerathen, unter billigen Bedingungen die Burg zu übergeben. Von einem tapferen Ritter, Heinrich Hastings, befehligt, hielt sie bekanntlich noch einige Monate länger aus, indem sie unter Protest erklärte, ihr sei der Platz von seiner Herrin, der Gräfin, und nicht von deren Sohne übertragen worden i). Erst am 21. December 1266 fiel dies letzte Bollwerk Montfortscher Gewalt in England.

 

1) Ad instantiam carissiiuae amitae nostrae, dominae comitissao Leycestriae. Dover, October 26. Green II, 454. Shirley II, 294.

2) Eduard an den Kanzler, November 5, Shirley II, 296. Die Schreibart de la Hare muss nach Adam von Marsh bei Brewer, Mon. Franc. 268. 298 ein Irrtfmm sein.

3) Das merkwürdige Docnment aus dem französischen Archiv bei Blaauw, The Barons' War Appendix, p. 2 : Eichard par la grace de Den Rey des Romeins tot jors cressaunt .... Donne en la priorie de Kenilwerthe le Dimeinche prechein avant la feste de la Nativite Nostre Dame l'an du rengne le Rey quarante uevime (September 1265).

 

1) Rot. Lit. Pat. 49 Heor. III, membr. 29, Not. 18 bei Green II, 151.

2) Cum .... qnemlsm de nnntiis nostris miper per partes Mas transeantem ceperjnt et ei mannra truncaverint etc. Heinrich an den Sheriff von York, März 15. 1266. Shirley II, 300 ; Tgl. Kishanger, ed. Kiley 43.

3) Ad procurandam pacem et amicitiam liberornm S. qnondam comitis Leycestriae, nepotum vestrorum, ac comitissae genitricis eorum, vestrae sororis etc. Ludwig IX. an Heinrich III., Mai 5. 1266, Shirley II, 304.

4) Kot. Lit. Pat. 50 Henry III, membr. 18, dorso.

 

Inzwischen hatte sich die Gräfin nach Montargis, dem von Amicia, der Schwester ihres Gemahls, errichteten, den Dominicanern affiliirten Nonnenstift, zurückgezogen 3), voll Schmerz und Trauer, aber noch immer ruhelos thätig für sich und ihre Kinder einige Trümmer aus dem Schiffbruch zu retten. Durch Vermittlung ihrer Schwägerin, der Königin Eleonore, schlug sie für sich selber ein Jahrgeld von 500 L, die auf ihre ehemaligen Besitzungen angewiesen wurden, heraus 4), doch gab sie sich keineswegs damit zufrieden, da ihr die Söhne nicht minder am Herzen lagen. Simon war, als seine letzten Genossen in den östlichen Grafschaften endlich im Sommer 1267 ihren Frieden machten, glücklich über das Meer entkommen ; ihm folgte etwas später sein Bruder Gui, dem, seit Evesham in der Haft der Sieger, durch Bestechung seines Wärters die Flucht aus Dover gelang 1).

 

1) Statutes of tbe Realm I, 17.

2) Dlcentes, se nullam a Simone sascepisse castri oustodiam, sed a Comitissa, panlo ante a regno expulsa ; nee ulli vtventl de resignatione proposuerunt, nisi fpsimet Comitissae et in sua praesentia respondere. Rishanger, ed. Kilcy 43.

3) In domo Sororum de ordine Praedicatorum apud Mountargys, a sorore viri sni fundata, uiorabatur. Risbanger, ed. Riley 87 ; vgl. Gallia Christiana XII, 256.

4) Rot. LH. Pat. 51 Henr. III, membr. 20, dorso.

 

Um dieselbe Zeit hatte Ludwig IX. nun auch zu Gunsten der Söhne intercedirt. War es persönliche Hochachtung für die Mutter, mit welcher er sich so oft begegnet hatte, war es eine tiefer liegende politische Berechnung, die ihn bewog, seine Verwendung zu erneuern, genug, im Augenblicke der vollständigsten Niederlage des Hauses Montfort vermochte er den König von England, ihn bereitwilliger anzuhören. In Antwort auf eine feierliche Gesandtschaft erfolgte am 24. Juni 1267 ein Decret, wonach Simon der jüngere den von seinem und dem Anwalt der Krone abgeschätzten Werth der ehemaligen Besitzungen seines Vaters erhalten sollte. Als Schiedsrichter wurde der römische, König bestellt. Die härtesten Bedingungen aber verclausulirten wieder das Ganze. Heinrich behielt sich das Recht vor, die Güter des Grafen von Leicester, die ja im ersten Rausche der Reaction bereits auf den Prinzen Edmund übertragen worden, in jedem Augenblick an sich zu bringen, und zwar nach einer Abschätzung, welche dem Könige voll Frankreich anheim gegeben wurde. Ausdrücklich sollten dabei die der Krone von den Montforts zugefügten Schäden in Abzug gebracht werden 2). Ferner hatten Simon und seine Brüder jeder feindseligen Absicht oder Verbindung wider den König von England und die Dynastie Plantagenet zu entsagen. Keiner durfte ohne Erlaubniss jemals wieder einen Fuss auf englischen Boden setzen. Es war nicht zu verwundern, wenn diese, kaum ehrlich gemeinten Bedingungen, von der anderen Seite nicht acceptirt wurden. Dass alle Mühe des Vermittlers Nichts fruchtete, zeigte sich schon nach wenigen Monaten. Am 6. September schrieb Heinrich III. dem Könige von Frankreich, er sei bereit, die Gräfin oder ihren Sohn gegen sicheres Geleit jeden Augenblick zu empfangen und ihnen Gerechtigkeit zu gewähren, so weit die Reichsgesetze dies zuliessen. Er müsse aber bei jenen Bedingungen beharren, die, jetzt nicht angenommen, in der Folge ausser Kraft treten würden 1). Merkwürdig, um dieselbe Zeit machte sich die processsüchtige Gräfin ernstlich zu schaffen, um bei den französischen Gerichten ein Bruchstück des Erbes ihrer in zweiter Ehe mit dem Grafen von Marche und Angoule~me vermählten Mutter für die Subsistenz der Familie zu gewinnen 2). Sie mochte Grund haben an einer Aussöhnung derselben mit dem Könige ihrem Bruder zu verzweifeln. Die Söhne wenigstens führten sich nicht so auf, als wollten sie der Heimath das Entgegenkommen erleichtern.

 

1) Custos Gnidonis de Monte Forti In Castro Doveriae corroptos ipsam dimisit liberum ; Rislianger, ed. Kiley 47.

2) Precium vero speramus esse taxandum, si vestrae serenitatis circumspectlo diligenter advertat turbationes et damna innumerabilia quae sustinuimus hactenus et adhuc etiam sustiuemus, occasiono seditionis per patrem suum etc. Heinrich III. an Ludwig IX., Stratford, Juni 24, kurz nach dem Abschluss mit London, bei Green II, 455.

 

1) Quod si ad praesens admittere recosaverit, ad hoc alias regressum si voluerit non habebit. Shirley II, 315.

2) Green, Princesses II, 155.

 

Simon fühlte sich ganz als Erbe seines Stamms ; setzten doch die Lieder, welche den Tod des Vaters besangen, die Hoffnung nicht minder auf ihn 1). Die letzten Fäden der Verbindung mit den Patrioten waren auch nach den Niederlagen des Jahrs 1267 nicht gänzlich gerissen. Gui hatte bald abenteuernd das französische Asyl verlassen und sich zu Carl von Anjou begeben, um in dessen Heer zu der Unterwerfung Neapels und Siciliens mitzuwirken 2). Später scheint ihm dann der ältere Bruder nach Italien gefolgt zu sein, aber erst nachdem er ein eigenthümliches Wagestück ausgeführt. Im Spätsommer 1270 nämlich hatte Prinz Eduard seinen Kreuzzug nach Palästina angetreten, dem sich ein grosser Theil des englischen Adels, namentlich auch Gilbert von Glocester, anschliessen musste. Die Ruhe und Leere des Reichs nun benutzte der junge Montfort zu einem geheimen Besuche ; nachdem er in Evesham an dem Grabe des Vaters und Bruders gebetet3), floh er wieder hinweg voll Rachegedanken über die Alpen.

 

Dort herrschte seit dem am 29. November 1268 erfolgten Tode des Papstes Clemens IV. ein langes Interregnum, da die Cardinäle sich über die Wiederbesetzung des heiligen Stuhls nicht einigen konnten. Während nun Eduard im Februar 1271 von Palermo

 

1) Friez touz, mes amis donz, le fitz Seinte Marie

Qe l'enfant, her puissant, meigne en bone vie.

Wrlght, Political Songs 127.

2) Ueber sein Verhältniss zu dem Könige, Gnil. de Nangis, Kecueil XX, 438. Karl machte ihn zum Vicar in Toscana, G. Villani bei Muratori Rer. Ital. SS. XIII, 261.

3) Die merkwürdige Nachricht bei Bartholom. Cotton, ed. Lnard, p. 146, a. 1271 (Rer. Brit. med. aevi SS.).

 

aus in See gieng, fertigte er seinen Vetter Heinrich, den Sohn König Richard's, in die Heimath ab. Wahrscheinlich auch mit geheimen Aufträgen für das Conclave versehn, traf dieser in Rom mit seinem Oheim Carl von Neapel und dem Könige Philipp III. von Frankreich zusammen ; am 9. März begaben sich die drei Fürsten nach Viterbo, wo, wie man verhoffte, endlich die Papstwahl zu Stande kommen sollte.

 

Hier nun geschah als letztes Nachspiel des Bürgerkriegs in England eine Unthat sonder gleichen, schon damals im Norden selten und weit mehr nach dem Brauche des heissblütigen Südens. Auch Simon und Gui von Montfort fanden sich in Viterbo ein, in Gesellschaft des in Tuscien begüterten Grafen Aldobrandini, Rosso dell' Anguillara, dessen Tochter Margareta letzterer einige Zeit zuvor geheirathet hatte. Nach einer Angabe von päpstlicher Seite hatte Heinrich der Deutsche den Auftrag, unter Mitwirkung Carl's von Anjou seine unglücklichen Vetter zu einer Aussöhnung mit dem englischen Thronfolger zu vermögen 1). Die Elenden erfuhren hiervon entweder Nichts, oder vergassen, unbekümmert um die Bande der Blutsverwandtschaft, wie viel Achtung und Liebe sie einst mit jenem ausgetauscht hatten. War doch Simon, damals im Frühling 1264 bei Northampton zum Gefangenen gemacht, durch König Richard von schimpflichem Tode errettet worden ; späterhin nach dem entscheidenden Tage von Evesham beherbergte er diesen und seinen Sohn bei sich in Kenilworth, bis er sie aus eigenem Entschlusse frei gab. Hatten die Gebrüder Montfort keinen anderen Grund, ihrem Verwandten zu grollen, als weil er, ehedem der Sache der Patrioten zugethan, sich dann in einem ernsten Augenblicke von ihrem Vater abgewendet hatte ? Oder wurden sie von ihren italienischen Connexionen zu tückischem Verbrechen angestachelt ? Genug, am 13. März, als die Herrscher von Frankreich und Sicilien bei den Franciscanern ihre Fastenandacht verrichteten, erschienen sie plötzlich mit einer bewaffneten Bande in der seiner Wohnung gegenüber liegenden Kirche, wo Heinrich der Messe beiwohnte *). Unter dem Rufe :, Jetzt entrinnst Du nicht, Verräther! fielen sie mit Schwert und Dolch über ihn her, als er, Nichts ahnend, andächtig auf den Knien lag. Gui, verwegener als die anderen, riss den halb Entseelten vom Altar hinweg, zerrte ihn an den Haaren durch die Menge hindurch vor die Pforte und mordete ihn draussen nun vollends in grässlicher Weise. Dann sprangen sie auf ihre Rosse, um bei ihrem Gönner, dem Grafen Anguillara, Schutz zu suchen 2). Von dem Könige von Neapel wurden unverzüglich Anstalten getroffen, die Mörder zu ergreifen s), für deren Sicherheit indess in dem gesetzlosen Lande viel besser gesorgt worden war. Simon ist noch in demselben Jahre in Siena, nach einer anderen Nachricht in Frankreich natürlichen Todes gestorben 1). Aber erst ein Jahr, nachdem ein neuer Papst, Gregor X., den heiligen Stuhl bestiegen, damals, als Eduard, nach dem Tode des Vaters nunmehr König von England, von Ptolemais langsam über Italien zurückkehrte, im März 1273 schritt die Kirche gegen die Mörder ein 2). Fast schien es, als ob derselbe Papst, der endlich die aus der Zeit der Unruhen noch suspendirten Bischöfe von London und Chichester begnadigte 8), nach einer Ausflucht für sein Zaudern gesucht hätte ; doch Eduard I. drängte, da er sogar die Könige von Frankreich und Neapel als Hehler in Verdacht hatte. So wurden denn Gui und sein Schwiegervater wenigstens zur Verantwortung gezogen. Ersterer hatte die Keckheit, durch seinen Bruder den zum Geistlichen geweihten Amaury von Montfort, der nach einer Nachricht um das Complot gewusst haben sollte 4), Recurs ergreifen zu lassen. In drei noch vorhandenen Schreiben an Gregor läugnete Gui schlechtweg die Mitschuld5). Nur dem Grafen Anguillara gelang es, sich zu reinigen ; Gui aber, nachdem er durch den Bann der Kirche für vogelfrei erklärt worden, warf sich, als der Papst im Herbst durch Florenz zog, ihm barfuss und mit einem Stricke um den Hals- zu Füssen,, so dass ihm die Thüre der Barmherzigkeit geöffnet ward *). Zehn Jahre büsste er alsdann in einsamer Zelle, bis Martin IV. ihn frei gab, ihn als seinen Condottiere in der Eomagna benutzte und ihm gestattete, das Erbe seiner Gemahlin in Anspruch zu nehmen2). Während der Klosterhaft indess hatte der König von Neapel noch einmal versucht, ihm bei dem Könige von England Gnade zu erwirken, der aber nur von ewiger Verbannung des blutbefleckten Menschen jenseits der Berge wissen wollte3). Im Jahre 1288 focht Gui wieder zur See für die Neapolitaner, wurde aber nebst dem Prinzen von Salerno gefangen genommen und in einen sicilianischen Kerker geworfen, wo er sein Leben beschloss, da alle Versuche, ihn mit Geld zu lösen, fehlschlugen 4). Seine blutige That, an dem Sohne des römischen Königs verübt, lebte lange im europäischen Gedächtniss fort. An den Wänden der heiligen Stätte, wo sie geschehn, wurde sie in Farben abgebildet ; und Dante versetzte diesen Sohn und Enkel der beiden grossen Simone unter die Mörder in den Blutpfuhl der Hölle 6).

 

1) Processus Gregorii X. Papae contra Guidonem bei Rymer 501, ad qnos rostituendos ad carissimi in Christo fllii nostri E. Regis Angliae illustris gratiam.

 

1) Philipp III. an König Eichard, März 13. 1271, in Lib. de antiq. leg. 134. Wikes 94 nennt die Kirche St. Blasius, Kishanger, ed. Eiley 67 nnd Guil. de Nangis, Recenil XX, 484 St. Laurentins, Annal. de Wintonia 110 St. Silvester ; der Papst : in qnodatn parochlali ecclesia ejasdem civitatis, Rymer I, 501.

2) Andonne salvo e sano in Maremma nelle terra del Conte Rosso sno suocero. G. Villani bei Mnratori XIII, 262.

3) Carl von Anjon an Ednard, Viterbo ; März. 13. Rymer I, 488.

 

1) Matth. Westmonast. 401. Ann. de Dunst. 259. Simone fatali sorte rebns hunianis exempto, Process bei Rvmer, 1. c.

2) Citation bei Rymer I, 499 ; März 1.

3) Mai 31 nnd November 26. 1272. Copien, in Ms. Add. Mus. Brit. 15,363, fol. 24. 87.

4) Non sine assenso, nt credi poterit, Emmerici fratris eorundem ; Wike 94.

5) Die drei Schreiben copirt in Ms. Add., 1. c., fol. 62. 55. 61.

 

1) Rymerl, 501 ; April 1. 507 November 29, uxoris suae praesentla.

2) Rishanger, ed. Riley 105, a. 1283.

3) Eduard I., April 11. 1279 bei Rymer I, 568. Pene novit totus orbis, qaaliter ille Simon, pater Baus, et idem Guydo caeterique fratres et complicea sui, olim sanguincin nostrum sitientes, domino H. regi patri nostro et nobis mortales insidias praeparaverunt. Zwei Schreiben des Fürsten von Salerno, p. 584. 586.

4) Ptolemaeus von Lucca bei Muratori XI, 1164. Girard. de Francheto, Reoueil XXI, 9. Vgl. Rymer I, 695.

5) Viterbienses vero in memoriam interfecti modum interfectionis in pariete depiuxerunt. Rishanger, ed. Riley 67.

 

Mostrocci un'ombra dall'un canto sola,

Es war ein schöner Zug in dem Wesen Eduard's I., dass er der beklagenswerthen Mutter wenigstens nicht entgelten liess, was ihre Söhne verbrochen hatten. Auf der Rückreise durch Frankreich bestätigte er, von Philipp III. für sie angegangen, die Auszahlung ihres Witthums und, so lange sie keine feindlichen Gedanken hegen würde, die Anerkennung aller ihrer Rechte. Er hat aus seiner Kasse Schulden für sie bezahlt, noch ausstehende Forderungen ihres ersten Gemahls für sie einziehn lassen ; die 1500 Mark freilich, die sie von englischen Depositen im Templerhause zu Paris aus den Tagen des Bürgerkriegs auf Grund des Testaments des heiligen Ludwigs reclamirte, waren trotz aller Verwendung des Königs von Frankreich nicht wiederzuerlangen *). Nachdem endlich Eleonore im Januar 1275 ihr Testament gemacht und diesen letzten Willen sammt ihren überlebenden Kindern der verwittweten Königin Margareta empfohlen hatte, ist sie im Frühling des Jahrs wahrscheinlich in Montargis gestorben und dort in aller Stille beigesetzt worden 2). Auf Verwendung Margareta's wurde die Zulassung ihrer Executoren vor den englischen Gerichten nicht beanstandet s). Hätte Eleonore sich selber besser im Zaum zu halten vermocht und über das mächtige Temperament Leicester's besänftigenden Einfluss gewonnen, statt es zu schüren, sie wäre als Prinzessin des Hauses und mit ihren Gaben vor allen geschaffen gewesen, der königlichen Familie die Eintracht und dem Lande den Frieden zu schenken.

 

Dicendo : Colui feese in grembo a Dio Lo cor che in sul Tamigi ancor si cola. Inferno, canto XII,

 

1) Eduard, Melun, August 10. 1273. Dnm tarnen bene et fldeliter versus nos et fideles nostros se babeat. Philipp an Eduard, October 10. 1273. Bei Green II, 456. 457 ; vgl. p. 158. 159. Champollion Figeac, Lettres I, 159.

2) Ann. de Dunst. 259. 265.

3) Margareta an Eduard : la Contesse de Leycestre nous pria et requist a sa fln etc. bei Green II, 457. Eot. LH. Claus. 3 Edw. I, rnembr. 13.

 

Von den übrigen Kindern war Richard wahrscheinlich schon vor dem Tode der Mutter verschollen 1). An ihrem Sterbebette standen Amaury und die einzige Tochter Eleonore, das jüngste Kind Simon's, das ihm vor 22 Jahren geboren wurde, als er in der Gascogne abwesend war. Noch aus dem Jahre 1265 von Kenilworth her stammte eine Neigung des stattlich schönen Fürsten Llewellyn II. zu der jungen Dame ; von der sterbenden Mutter noch wurde das Verlöbniss in Erinnerung an die damalige politische Einigung bestätigt. Wir wissen nicht, welche geheime Verabredungen von Frankreich aus mit Wales gepflogen wurden. Wohl aber, scheint es, hatte Amaury wieder Zutritt in England, wo sich der Bischof von Chester seiner als seines Klerikers annahm2). Im Frühling 1276 jedoch, als schon die Zwistigkeiten begonnen hatten, welche wenige Jahre später die gewaltsame Unterwerfung des Berglands durch Eduard I. herbeiführten, gieng Eleonore die jüngere in Begleitung ihres Bruders, so wie zwei französischer Ritter und zwei Bettelbrüder zur See nach Wales. Aller Vorsicht unerachtet wurden sie unweit den Scilly - Inseln von vier Schiffen aus Bristol aufgebracht, ohne Frage auf Anordnung des Königs, da er für den Fang hinterdrein einen Preis von 200 Mark zahlen liess 1). Amaury wurde zuerst in Corfe Castle und späterhin in Sherburne'in Gewahrsam gethan, seine Schwester, die verlobte Braut eines Landesfeinds, in Windsor untergebracht. Die trotzigen Forderungen Llewellyn's, seine heftigen Beschwerden beim Papste blieben fruchtloss). Erst als er sich tollkühn in den Krieg stürzte und ihn während des nächsten Jahrs so unglücklich führte, dass ihm sein ganzes Land bis auf die Insel Anglesey und einige Bezirke am Snowdon verloren gieng, liess sich der mächtige König zur Gnade herbei. Erst nachdem er ihm die Unabhängigkeit genommen, lieferte er ihm die Braut aus. Am 13. October 1278 wurde zu Worcester in Gegenwart des englischen Hofs die Hochzeit gefeiert3).

 

1) Nach Annal. de Dunst., 1. c,

2) Cepit In societatem suam Emerionm de Monte Forti ad conducendnm et veniendum secum in Angliam. Llb. de antiq. leg. 159, a. 1273.

 

So hatte denn ein romantisches und tragisches Geschick die Tochter des grossen Simon von Montfort zur, Fürstin von Wales und Lady von Snowdon gemacht. Als solche brachte sie nun auch das immer noch nicht vollzogene Testament ihrer Mutter bei Eduard I. in Erinnerung, damit doch wenigstens ihr Antheil vom Erbe ausgeliefert werde 4). Aber die Haltung ihres Gemahls, die Absicht des Königs von England, die kymrische Freiheit gänzlich zu ersticken, waren wohl Schuld, dass sich die Sache hinzog. Wurde doch Amaury erst, als im Jahre 1281 Erzbischof Peckham von Canterbury für ihn bürgte, in Freiheit gesetzt*). Er selber dankte aus Arras in einem Schreiben an den König für die Gnade und bat um Unterstützung in seiner bedürftigen Lage a). Späterhin gieng auch er wiederum nach Italien, wo er zur Zeit, als sein Bruder Gui in die Gefangenschaft der Aragonesen gerieth, das geistliche Gewand abthat, sich zum Ritter schlagen Hess, aber bald hernach starb 3). Er war der letzte des Zweigs, der den Namen Montfort trug, denn Gui hinterliess nur Töchter, und ob Simon oder Richard Kinder hatten, ist ganz zweifelhaft.

 

1) Rishanger, ed. Riley 87. Wikes 104. Bartholom. Cotton 153. Vgl. Green, Princesses II, 163.

2) Ms. Add. Mus. Brit. 15,363. Johann XXI. an Eduard, Januar 30. 1277.

3) Eishanger, ed. Riley 92. Annal. Waverl. 389. Vgl. Green II, 163 und Geschichte Ton England IV, 23.

4) Ihr Brief vom 9. October 1279 bei Rymer I, 576.

 

Noch mehrmals freundlich wie eine Verwandte richtete sich die Fürstin von Wales an den König,' obwohl sich bald ergab, dass ihre Mutter nur Schulden und sogar Verschreibungen für ihren Wechsler, einen Lucchesen, hinterlassen hatte, die auf Eduard lauteten. Sie verwandte sich für ihren Gemahl, für ihren Bruder. Anfang 1281 weilte sie selber einige Zeit in Windsor als Gast bei Hofe4). Aber sie vermochte nicht, den Sturm von dem Keltenlande abzuwehren, das sie, die Enkelin eines Köpigs von England, zur Heimath erwählt hatte. Bald nachdem im Frühling 1282 ihr Schwager David und dann Llewellyn selber die rohen Bergvölker in den Freiheitskrieg riefen, am 21. Juni erlag Eleonore im Kindbett. Sie erfuhr Nichts von der Unterwerfung des ganzen Fürstenthums unter die englische Krone, noch erlebte sie, dass das abgeschlagene Haupt des Gemahls auf der Zinne des Towers von London aufgepflanzt wurde. Die kleine Tochter aber, die sie geboren, welche 'die Sieger Guenciliana tauften, verbrachte ihr Leben im Kloster Sempringham. Freundlich sorgte der König von England für ihren Unterhalt, doch wachte er aufmerksam darüber, dass sie als Nonne lebte und starb, am 7. Juni 1337 *). Die seltsame Mischung des Bluts in der Enkeltochter Simon's von Montfort, dem einzigen Kinde des letzten nationalen Fürsten von Wales, liess sie noch auf ein halbes Jahrhundert hin der Krone als ein gefährliches Geschöpf erscheinen.

 

1) Rymer I, 602. 603. 605.

2) Champollion Figeac, Lettres I, 301 ; Mal 22. 1282.

3) Ms. Roff. in Cotton. Nero D. II, fol. 182, an. 1287. Emerlcus frater eins clericns eminentis litterature qni Ultimos fuit de progenie Guenelonis faotus est miles abjecto habitu clericali.

4) Rymer I, 587 ; vgl. Green, Princesses II, 166—168.

 

1) Continuatio Florent. Wigorn. II, 226 (Engl. Hist. Soc). Viele Bewilligungen in den Rot. Lit. Pat. und Rot. LH. Clans. Ednard's III. von 1327 bis 1337.

 

Mit freudigem Stolze pflegen Rechtsgelehrte wie Historiker namentlich in England die frühe ständische Entwicklung dieses Reichs mit der in Aragon zu vergleichen 1). Und es ist wahr, ein merkwürdiger Parallelismus der Zeit nicht allein, sondern der verfassungbildenden Elemente selber tritt auf den ersten Blick entgegen. Auch auf der pyrenäischen Halbinsel ist es ein eng begrenztes Reich, dessen Abgeschlossenheit wesentlich auf die Verknüpfung altgermanischer Volksfreiheit und westgothischen Brauchs mit feudalen Institutionen hinwirkte. Noch früher, schon im zwölften Jahrhundert finden wir neben dem hohen Adel und dem Klerus in den Cortes Ritter und Städte zugezogen. Hier heisst ganz wie in England das vornehme Lehn H o n o r mit demselben Doppelbegriff des grösseren Besitzes und der höheren Würde ; die Communitäten bezeichnen sich als brazo de universidades, wie es wenigstens bei dem Chronisten Matthäus Paris und in den volksthümlichen Reimen der englischen Minoriten geschieht. Aragon endlich hat die berühmte Würde seines Justicia, die

1

 

1) Statt vieler anderen nur Haliam, View of the State of Europa during the Middle Ages II, 43, ed. 1855. Perhaps in no European monarchy except our own was the form of government more interesting than in Aragon.

 

sich wohl mit den Grossjusticiaren zusammen stellen lässt, wie sie von Heinrich II. bis auf Heinrich III. auf der britischen Insel erscheinen.

 

Vor diesen Analogien aber darf man eben so wenig die grossen, principiellen Divergenzen übersehen, die doch von vornherein eine ganz andere Entwicklung bedingten. Unter welchem aragonesischen Könige vor Pedro IV. (1348) liesse sich die Autorität der Krone mit dem Königthum der Normannen und Plantagenets vergleichen ? Gab es auch in den Jahren 1264 und 1265 zwischen Fürst und Adel von Aragon Zerwürfnisse, die höchst auffallend an die gleichzeitigen Hergänge in England erinnern, so stimmt doch erst das auf den Cortes- von Zaragoza im Jahre 1283 ertheilte Privilegium generale Aragonum einigermassen zu der Magna Charta. Die Ritter, Infanzones, Hidalgos, sind weder besonders zahlreich vorhanden, noch haben sie die Grafschaft, den Kreis zur Basis einer ununterbrochenen Gemeindeordnung und selbstverwaltenden Thätigkeit. Für sie konnte füglich auch die Repräsentation des Bezirks als eine höhere Stufe der WeiterentwicKlung niemals eintreten. Ferner beschickten aus früher Zeit nur wenige königliche Städte die Landesversammlung, aber freilich mit zahlreichen Procuratoren, wie denn Zaragoza allein acht bis zehn zu deputiren pflegte. Ein dauerndes Recht bewaffneten Widerstands gegen die Eigenmacht der Krone, wie er in dem spanischen Reiche gäng und gebe war, bezweckte selbst der berüchtigte Artikel 61 der Magna Charta nicht*). Und

 

1) Der ständischen Gewalt wird ausdrücklich eine Schranke gesetzt : donec l'ucrit emendatam secnndnm arbitrium eorum. Dazu was endlich den Justicia Mayor betrifft, so war seine Einsetzung lange Zeit Sache des Königs, so gut wie in England die Ernennung eines Ranulf de Glanville, Hubert de Burgh und anderer zu ihrer oberstrichterlichen Würde, welche in diesem Reiche völlig verschwinden musste, sobald einmal die Gerichtshöfe mit ihren Collegien sich herangebildet hatten und im Namen der Krone als Reichsinstitute Recht sprachen. Erst als in Aragon die Königsmacht erstarkte, seit 1348, gewann der Justicia seine lebenslängliche, völlig exceptionelle Stellung. Man könnte auch sie die Permanenz des berechtigten Widerstands nennen, während in England Simon von Montfort als der letzte vorübergehend nach der Amtsbefugniss des Grossjusticiars griff, lediglich um seiner unberechtigten Autorität jene legale Würde zu verschaffen, welche der Krone selber einst die wesentlichsten Dienste geleistet hatte.

 

Dass der graf von Leicester die aragonesische Verfassung, vornehmlich auch die Theilnahme der Ritterschaft und der Städte an den Cortes kannte, lässt sich kaum bezweifeln *). Dagegen ist es sehr fraglich, ob sich gerade diese Institutionen ihm als Vorbild für seine Reformprojecte in England aufhöthigten. Allerdings hatte sein Vater schon die Systeme kennen gelernt, wie sie in Südfrankreich bestanden und auch in dieser Beziehung den unmittelbaren Zusammenhang mit Land und Leuten im Süden der Pyrenäen, sowie den grellen Gegensatz zu dem staatlichen Leben im Norden der Loire offenbarten. Doch schroff wie in anderen Dingen hatte er ihnen als Eroberer auf der Stelle das nordfranzösische System entgegengesetzt. Als er auf dem Höhepuncte seiner Macht im November 1212 ein Parlament nach Pamiers berief, um durch einen Zwölferausschuss — vier Kleriker, vier französische Edelleute, vier Eingeborene, unter welchen zwei Bürger — neue Statuten redigiren zu lassen, da wurden ausdrücklich der neuen allgemeinen Erbschaftsordnung die Coutumes von Paris zu Grunde gelegt *). Von einem der wichtigsten Lebensgebiete aus sollte die straffere Zucht des Nordens an die Stelle südlicher Licenz treten. Auch Simon der ältere stand vergeblich mit dem Leben für eine Reform ein. Und hatte der Sohn für politische Institutionen an den Abhängen der Pyrenäen wesentlich andere Sympathien als der Vater ? Er war kaum zehn Jahre alt, als dieser fiel, wuchs in Nordfrankreich auf, gerieth dann nach England. Während der Administra-* tion der Gascogne, dem einzigen Abschnitt seines Lebens, der ihn wieder auf längere Zeit mit dem Süden in Berührung brachte, erscheint er gelegentlich als Hort der Unterdrückten, vorzüglich aber als Restaurator der Krongewalt im Kampfe mit einem übermüthigen Adel und ebenso trotzigen Stadtgemeinden. Die dortigen Erfahrungen, die Zustände von Bearn oder Jaca können ihn doch unmöglich zu seinem englischen Experiment ermuthigt haben. Dies ist dagegen einzig und allein aus den vorhandenen nationalen Bedingungen entsprungen *), und vielleicht auch gerade weil es keine auswärtigen Analogien zu berücksichtigen brauchte, schon ein Menschenalter später geglückt.

 

Gneist, Geschichte und heutige Gestalt der Aemter und des Verwaltungsrechts in England I, 288, 2' Auflage.

 

1) Ranke, Englische Geschichte I, 81 :, und leicht konnte Simon Montfort hiervon wissen, da sein Vater in so mannigfaltiger Berührung mit Aragon gestanden.

 

1) Tant entre les Barons et Cheualiers, quo Bourgeois et Rureaux, les heretiers succederont ä leurs heritages, selon la coustume et vsage de France pres Paris. Vic et Vaissete, Histoire Ge'ne'rale de Languedoc, V, Additions et Notes, p. 54. Die Editoren bemerken dazu, p. 51 : La malheureuse ide'e d'introduire en Languedoc, dans ce pay6 de franchises et de libert^s, les contumes de Paris, n'eut qu'un succes passager.

 

Nahe genug liegt eben in England die Tendenz der niederen Stände, wie in Kreis und Stadt so auch im grossen Rath des Reichs zu Worte zu kommen, und die Entstehung, man möchte sagen, die Entdeckung der Repräsentation für diesen Zweck. Das ganze dreizehnte Jahrhundert arbeitet immer bewusster auf dieses Doppelziel hin.

 

Gemeinsames Gericht, Antheil an der Polizei- und Strafordnung war den wirthschaftlich unabhängigen Insassen der Grafschaft von den Angelsachsen her verblieben und unter dem normännischen Vicecomes, dem ^königlichen Landvogt, auf jährlich regelmässigen Sessionen wie in der Civiljury nur in schärfere, lebensvollere Formen gebracht worden. Wahl und Vertretung der freien Insassen zu Gerichts- und Steuerzwecken war hier längst durch den Brauch gegeben. Der zwölfte Artikel der Magna Charta von 1215, nach welchem auch der ganze Stand der kleinen Kronvasallen für zwei bestimmte Fälle durch die Sheriffs in den gemeinen Rath des Reichs berufen werden sollte, kam dann niemals in dieser Form zum Vollzuge, blieb aber der Fühler für die Zukunft.

 

1) But the presence of such influences, however fully admitted, does not make it the less troe tli.it it is from an English root that the House of Commons sprang, and that root no other tban the English county conrt. Shirley II, p. XXIII.

 

Oft genug hören wir hierauf von der Ladung einzelner Ritter aus den Grafschaften, ohne dass sie darum zum Parlament erschienen wären. Schon im Jahre 1213 folgte Johann sicherlich älterem Vorgang, als er je vier discreti milites nach Oxford entbot, mit ihnen über Reichsangelegenheiten, nämlich ein Kriegsaufgebot wider Frankreich zu verhandeln. Zu einem anderen, noch weniger allgemeinen Zweck, nämlich um als Ankläger gegen die der Magna Charta zuwider handelnden Sheriffs zu fungiren, wurden 1226 aus acht Grafschaften wieder je vier Ritter eingezogen, die ausdrücklich von den Standesgenossen gewählt werden mussten *). Das Beispiel vom 11. Februar 1254, nämlich die Berufung von je zwei Rittern an der Stelle aller und jeder ihrer Grafschaft nach Westminster, war dann insofern wenigstens ein bemerkenswerther Vorgang 2), als damit der erste Versuch geschah, die Vertreter von Corporationen wenn nicht in den Reichsrath zu ziehn, so doch wie die grossen Barone zu befragen. Der Klerus tagte um dieselbe Zeit und aus demselben Anlass ; von gemeinsamer Verhandlung mit dem Adel oder gar einer Anwesenheit der Städter verlautet dagegen Nichts. Der Zweck der Berufung war noch der gleiche wie im Jahre 1213, das Bedürfniss einer ausserordentlichen Kriegshilfe, und die Geladenen erschienen als Vertrauensmänner, nicht als Abgeordnete. Von Ausschreiben zu dem, tollen Parlament nach Oxford 1258 findet sich keine Spur, aber Ritter, kleine Kronvasallen, müssen unter der grossen Menge gewesen sein, mit welcher der Adel dort eintraf ; Ritter, nicht nur Magnaten wurden nachweislich in mehrere der Commissionen gewählt.

 

1) Rot. Lit. Claus. 10 Henr. III, niembr. 13. Dicae militibns et probis hominibus baillie tue, quod quatuor de legalioribus et discrecioribus militibns ex se ipsis eligant.

2) Rot. Lit. Clans. 88 Henr. III, membr. 13, dorso. Vice omnium ef singnlornm eornndem comitatunm. Die Bedeutung dieses Writ wird auch im Report on the Dignity of a Peer I, 96 zugegeben : the election of two knights for each county might be considered as a Substitution for the general summons provided by the charter of John.

 

Der graf von Leicester nun, bei dem man nicht vergessen darf, dass er als Franzose viel weltmännischer gebildet, weit mehr Gentleman war als die doch gleichförmig ziemlich rohen Gestalten seiner Zeitgenossen unter dem englischen Adel, durchschaute längst mit scharfem Auge das Keimen und Werden dieses neuen Elements. Was ihm an Kenntniss der altenglischen Communalverfassung, der Bedeutung von Gentry und Stadt noch gemangelt hatte, das brachte ihm die tägliche Uebung als Grundherr bald ein. Seine Ideen reiften ohne Frage im Verkehr mit Männern, wie die Bischöfe von Lincoln und Worcester, welche vermittelst der Franciscaner einen grossen Theil des Volks hinter sich hatten. Seine Hand nach dieser Richtung bemerkten wir zuerst, als er nebst Worcester und Glocester, die alle drei im Jahre 1258 Mitglieder des Regierungsausschusses gewesen waren, in offener Opposition drei Ritter aus jeder Grafschaft auf den 21. September 1261 nach *St. Albans citirte, und der König denselben Männern bei ihm in Windsor zu erscheinen gebot. Das Beginnen, das allerdings eine beschliessende Versammlung zur Folge gehabt hätte, wurde demnach noch einmal geschickt gekreuzt *). Weder durch Gesetz noch Brauch war bis dahin in diesen Dingen irgend etwas zu Stande gekommen, nur die Revolution wagte sich immer wieder an eine Grund legende Neuerung.

 

Es mag auffallen, dass der Sieg bei Lewes und die gewaltsame Unterwerfung des Königs nicht sofort von Simon zu einer legislatorischen Massregel in dieser Richtung benutzt wurden. Die Zeit aber erforderte zunächst die Bedingungen der Misa, des Waffenstillstands so schleunig wie möglich in Statute zu verwandeln. Das zu diesem Zweck auf Mittsommer 1264 nach London geladene Parlament war wesentlich eine Versammlung von Baronen, denn die nur aus 29.Grafschaften berufenen 4 Getreuen — fideles, also ebenfalls unmittelbare Vasallen — werden einfach zugezogen, um den Landfrieden aufrichten zu helfen, obwohl die Hauptacte auch im Namen der Communität des Reichs ausgefertigt wurde. Ganz vereinzelt erscheinen Mayor und Stadtrath von London unter den Garanten einer Urkunde.

 

Erst später im Jahre reiften die constitutionellen Pläne des Grafen und führten, wie wir wissen, zu dem wegen seiner Zusammensetzung so berühmt gewordenen Parlament vom 20. Januar 1265. Hier nun wurden ausdrücklich zum ersten Mal je zwei Vertreter nicht nur der kleinen Kronvasallen, sondern für die Grafschaft als solche, d. h. die Communität der Lehnsträger wie der Freisassen, und desgleichen für eine Anzahl von Städten geladen. Nicht aus einem einzelnen Anlass, Krieg oder Frieden, verlangte man ihren Rath, sondern für die Reichsangelegenheiten überhaupt *). Damit war das Muster für die Zukunft sogar bis auf die Diäten für die Abgeordneten 2) fertig, wenn auch bald hernach die Reaction zu Gunsten des restaurirten Königthums eintrat und noch auf lange hin kein Gesetz es aussprach, dass zur Berathung von Statuten und zur Verwilligung von Subsidien die Anwesenheit der Vertreter von Land und Stadt fortan verfassungsmässig und unerlässlich sein solle. Der Geburtstag der Gemeinen fiel trotzdem in dies denkwürdige Jahr.

 

1) Shirley II, 179. Heinrich 111. an sätnmtliche Sheriffs diesseits des Trent, September 11. 1261. Vgl. Report on the Dignity of a Peer I, 133.

 

Die damals geborene Generation musste indess erst zu vollem Mannesalter heranwachsen, bis der Sieger von Evesham, Eduard I., als Krieger und Regent gleich gross, nachdem er nachweislich schon wiederholt die Communitäten herangezogen, um gemeinsame Lasten tragen zu helfen und im Jahre 1295 um hohe Subsidien zu erhalten, sogar von allen Grafschaften zwei Ritter, von 115 Ortschaften zwei Bürger berufen hatte, immer ärger bedrängt durch die gleichzeitigen Kämpfe mit Schottland und Frankreich, am 5. November 1297 von Gent aus mit schwerem Herzen die berühmte Confirmationsurkunde bestätigte, in welcher er sich verpflichtete, ohne gemeinsame Einwilligung von Klerus, Adel und Communität keine neuen Auflagen und diese nur zu gemeinem Besten zu erheben 1). Beugte sich auch die Selbständigkeit dieses grossen Fürsten noch keineswegs vollständig vor dem eigenen Wort, vermied er es unter Anderem ausdrücklich, auf das Recht zu verzichten, die Städte nach Gutdünken zu schatzen, so rückte doch die von diesen bewilligte Hilfeleistung derjenigen der Lehnsvasallen immer näher, je mehr Ritter und Bürger während der beiden folgenden Regierungen zu dem Unterhause zusammen wuchsen, das in dieser Gestalt auch die kühnsten Ahnungen des ersten Schöpfers berathender und beschliessender Gemeinen weit übertraf.

 

1) Report on the Dignity of a Peer I, 154. Hallam, View of the State of Europe during the Middle Ages III, 15. Gneist I, 310 : die kleinere Vasallenschaft und das Freisassenthnm hatten zum ersten Mal einen formirten Körper erhalten und das Bewusstsoin, dass ihnen unter Umständen eine mitentscheidende Stimme im Rath des Königs gebühre.

2) Duobas militibus .... racionabiles expensas suas in veniendo ad dictum parliamentum ibidem morando et inde ad partes suas redenndo provideri et eas de eadem communitate lcvari facias. An den Sheriff von York, Report on the Dignity of a Peer, Appendix I, 36.

 

1) Qne mes pur nule busoigne tien manere des aydes mises ne prises de nostre Roiaunie ne prendrums fors ke par ccmmun assent de tout le Roiaume e a common proflst de meismes le Roiaume, sauve les auncienes aydes e prises dues e acoustumees. Charters and Liberties, p. 37 in Statutes of the Realm, Vol. I.