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Simon von Montfort, graf
von Leicester
Der schöpfer, des hauses, der gemeinen
Reinhold Pauli
Verlag
der Laupp’schen buchhandlung, Tübingen, 20 février 1867
Vorwort
Neben der Macht der Ideen und der Energie neuer
politischer Grundsätze hat es zu allen Zeiten des einzelnen hervorragenden
Menschen bedurft, der sie gleichsam personificire, ihnen die Bahn breche, indem
er sich selber daran versucht. In den Tagen eines gewaltigen Umschwungs tritt
in der Regel auch ein oder der andere mächtige Geist auf, schon selber das
Product grosser allgemeiner Erregung, der die wesentliche Tendenz, auf welche
es ankommt, in sich concentrirt, der, indem er sich an die Aufgabe wagt, die
noch dem Räthsel oder dem Glücksspiel gleicht, als Sieger oder Märtyrer aus der
Entscheidung hervorgeht. Er ist um so merkwürdiger, je mehr sich in ihm das
Princip der Erhaltung wohl begründeter Zustände mit dem der Neuerung
verschlingt, je weniger die landläufige Phrase, ob liberal oder conservativ,
bei ihm zutrifft.
Dass Simon von Montfort, graf von Leicester, der
frühen Entwicklung parlamentarischen Staatswesens in England eine entscheidende
Richtung gewiesen, als er den Gedanken der Repräsentation in die bereits
übliche Berufung einzelner Stände hineinwarf, als er zum ersten Mal die
Gemeinen zu laden sich unterfieng, hat von jeher Niemand bezweifelt. Aber
Jahrhunderte später noch galt er gleich Oliver Cromwell ausnahmslos für einen
Revolutionär, dessen Wirken trotz den unwiderleglichen Erfolgen, vor Allem doch
wegen des persönlichen Ausgangs, vom Argen gewesen sei.
Es
muss auffallen, dass die Vertheidiger parlamentarischer Rechte im siebenzehnten
Jahrhundert, von denen doch die Urkunden und Berichte früherer Epochen der
vaterländischen Geschichte so eifrig an den Tag gezogen wurden, sich so wenig
nach seinem Leben und Wirken umthaten *). Das geschah erst von den Gegnern,
welche, nachdem das persönliche Königthum der Stuarts wiederhergestellt und zum
zweiten Mal gescheitert war, die englische Geschichte im Zusammenhange
schrieben. Thomas Carte, der Jacobit, behandelt in seinem Buche Montfort als
einen niedrigen und undankbaren Rebellen ; und ein ganzes Jahrhundert hindurch
haben ihm im Tory Sinne die Historiker nachgesprochen, vorzüglich Hume, der den
Eindruck grosser Eigenschaften zwar nicht ganz bewältigen kann, aber Heuchelei
und Herrschsucht viel stärker findet, der ihn a hold and artful conspirator
schilt und
1)
Fast vereinzelt steht Sir Roger Twysden, Certaine considerations upcm the
government of England, ed. J. M. Kemble (Camden Society 1849), p. 97 : And it
is cleere the people of England were so far from accounting them who dyed in
armes against their prince to have beene guilty of sinn for it, as they have
beene hardly restrained from honouringe them as saints, thinking them to dye, pro
justitia ecclesiae et regni.
das
Haus der Gemeinen a plant, set by an inauspicious hand, nennt *). Naturgemäss
haben sich die Whigs erst in neueren Tagen seiner als des unbewussten Streiters
für die Freiheit späterer Geschlechter angenommen 2).
Jüngst
nun hat ein Artikel in der Quarterly Review auf Grund der besten, ungemein
zahlreich gewordenen Materialien eine viel weitere, höhere und unparteiische
Charakteristik versucht ; und aus denselben Kreisen wird ein grösseres Werk
über Simon von Montfort in Aussicht gestellt s). Der Verfasser der vorliegenden
Arbeit gesteht, dass er eben hierdurch gereizt worden ist, sich, wenn auch kaum
erschöpfend, noch einmal mit dem Gegenstande zu befassen. Ihn bewog dazu theils
die Fülle der während der letzten Jahre in der unter der Aufsicht des Master's
of the Rolls erscheinenden Sammlung zugänglich gewordenen Documente und
Annalen, theils der Wunsch an der Hand derselben wenigstens die einschlagenden
Episoden eines vor vierzehn Jahren geschriebenen Abschnitts der englischen
Geschichte, für den das Wichtigste noch mühselig im Archiv des Towers zusammen
1)
History of
2)
Sir James Mackintosh, History of
3)
Quarterly Review, Vol. CX1X, 26 ff. Januar 1866, vermutlich von Dr. Shirley,
dem leider vor einigen Monaten im besten Mannesalter verstorbenen Professor der
Kirchengeschichte in
gelesen
werden musste, sorgfältig zu revidiren. Dabei bot sich die biographische Form
für die Monographie von selbst.
Wenn
ihr der Verfasser den Namen des berühmten, hoch verehrten Lehrers und Meisters
voranstellt, so wird das jeder in der Ordnung finden, der Ranke's neuestes,
grosses Werk verfolgt, das in wenigen, aber unvergleichlichen Strichen auch dem
ahnungsvollen Schöpfer des Unterhauses seine Stelle im Zusammenhange der Dinge
angewiesen hat.
Die
starke monarchische Gewalt der Normannenkönige in England, einzig in ihrer Art,
während überall anderswo feudale Autonomien den Thron beschränkten, hatte doch
schon nach wenigen Generationen Mühe, sich unerschüttert in den Grundlagen,
ohne Störung der Umrisse zu behaupten, wie sie einst von dem Eroberer
vorgezeichnet worden. Ein Thronstreit, der für eine Weile das Faustrecht an die
Stelle des Landfriedens setzte, der Conflict des Staats mit der Kirche unter
dem ersten Plantagenet, der Kreuzzug, der den Sohn und Erben die Pflichten des
souveränen Königs vergessen liess,' hatten nach einander Mächte entwickelt, die
neben und unter dem Fürsten stets da gewesen, und Rechtsansprüche wachgerufen,
welche zum Theil älter waren als seine Gewalt. Während ein bewundernswürdiges
Verwaltungssystem, das mit Hilfe der Landvögte und richterlicher Delegationen
Finanzen und Polizei, Heerwesen und Justiz an die Person des Inhabers und
Pflegers der gesammten Autorität band, noch leidlich vorhielt, hatte doch
Heinrich IL schon die alten Hoftage seines Ahnen gelegentlich in eine Art von
Reichsversammlung erweitern und wenigstens den vornehmen Adel zu seinem
Beistand wider den hochmüthigen Priester heranziehen müssen, durch den die
Kirche auch in dem kleinen Inselreiche die ganze Summe geistlicher und
weltlicher Vorrechte beanspruchte, welche die mächtigsten Päpste über Salier
und Staufer erstritten. Eben gegen Thomas Becket und die kanonischen Gesetze
wurden die altgermanischen Institutionen, die angelsächsischen
Rechtsgewohnheiten, die unvergessen und von den fremden Herren dem
unterworfenen Volke bei jedem Regierungswechsel neu beschworen worden waren, zu
Hilfe gerufen. Wie sehr aber auch der Monarchie willkommen um den Staat vor der
Lehnsoberhoheit Roms zu schirmen, waren sie ihr nicht minder gefährlich, sobald
die Lehnsträger der Krone sich ihrer zu bedienen lernten um daran zu grösserer
ständischer Geltung emporzustreben. Im Kreise der mächtigen normännischen
Vasallen lebte die Erinnerung an die viel bedeutenderen Privilegien ihrer
Vorgänger, der angelsächsischen Witan, auf ; die kleineren, weit eher von dem
öffentlichen Leben der Grafschaft als des Reichs angezogen, begannen sich den
zahlreichen sächsischen Freisassen und deren niemals unterbrochenem
Gemeindeleben zu nähern ; wenigstens eine Stadt, die grösste des Lands, wählte
sich, indem sie die dem Grundherrn schuldigen Gefälle in die eigene Pacht nahm
und dafür durch königliche Freibriefe als Commune anerkannt wurde, ihre eigene
Obrigkeit ; und in der Kirche endlich vermochte weder ihre universale
Bestimmung noch die durch Wilhelm I. vollzogene Einreihung des normännischen
Klerus in seine social glänzende, aber politisch abhängige Lehnsordnung jemals
den nationalen Gedanken völlig zu ersticken. Wie viel doch traf hier zusammen
um auf einem beschränkten, abgeschlossenen Gebiet im Laufe der Zeit die
Heftigkeit der Stainmesfeindschaft zu lindern, den Gegensatz zwischen Siegern
und Besiegten allmälich auszugleichen, eine Versöhnung zwischen dem
Herrschertalent jener und den Ueberlieferungen uralter persönlicher und
communaler Freiheit anzubahnen. Das erste Verschmelzen zwei verschiedener
Nationalitäten bedeutete demnach an sich auch eine Gefahr für das absolute
Königthum, das in dieser Gestalt überhaupt nur durch den schroffen Gegensatz
der Racen möglich geworden. Wie sehr aber musste sie gesteigert werden, sobald
das continentale Stammland der Gebieter, die Normandie, verloren gieng und die
Schicksale der Dynastie wie die Stammesart der Eroberer enger als bisher an die
der Insel gekettet wurden.
König
Johann, der einst arglistig die von dem kreuzfahrenden Bruder eingesetzte
Regentschaft hatte stürzen helfen, nach dessen Tode den erbberechtigten Neffen
beseitigt und wahrscheinlich mit eigener Hand ermordet hatte um sich gewaltsam
auf den Thron zu setzen, musste für solche Unthat büssen, als ihm sein
Lehnsherr, Philipp August von Frankreich, im Pairsgericht und im Felde
schmachvoll das Land seiner Väter entriss. Die eigenen Vasallen, deren er sich
bei seinen früheren Anschlägen zu versichern gesucht, fassten Abscheu und
Ingrimm gegen einen Fürsten, dessen böser Charakter sie allesammt an Habe und
Gut, an Macht und Ehre bedrohte, der im Besitz der noch kaum erschütterten
Machtmittel souveräner Autorität eine ruchlose Missregierung führte. Die eigene
Sicherheit erforderte es, dass die Magnaten normännischer Abkunft mit ihren
Hintersassen englischer Zunge und den freien Gutsherren dieses Stamms gegen den
Wütherich zusammenstanden.
Bald
hernach zog sich Johann nun überdies die Censuren Roms zu, als er nach einer
streitigen Wahl für den Erzstuhl von Canterbury dem Nominirten und von der
Studienzeit in Paris her persönlichen Freunde Papsts Innocenz III., dem
Engländer Stephan Langton, den Eintritt in das Reich versagte und dann mit
seinem Neffen, dem gebannten Weifenkaiser Otto IV., jene weit angelegte
Combination aufnahm, die an den Marken Deutschlands und Frankreichs der
verbündeten Politik der Hohenstaufen und der Capets entgegen zu treten sich
unterfieng und in Languedoc der Ketzerei wider die orthodoxe Herrschaft der
Kirche, den zahlreichen fürstlichen Machthabern an den Abhängen der Pyrenäen
gegen die Fortschritte der französischen Centralisation beisprang. Es gab einen
Moment, wo die englischen Barone, die nicht nur für die Sicherheit ihres Lehns,
sondern wie sie feierlich erklärten, auch für die Rechte der Kirche aufgestanden
waren, als Bundesgenossen des Papsts erschienen, wo Philipp August selber eine
Expedition nach
Sofort
aber nahmen die Gegensätze eine neue, allen Theilen überraschende Wendung. Die
Barone, die es auf Privilegien ihrer Sicherheit und Selbständigkeit abgesehen,
irrten sich, wenn sie im Papst fernerhin noch einen Verbündeten erblickten ;
dieser wurde unsanft über seinen gelehrten Freund enttäuscht ; und dem Könige misslang
der Versuch an seinen Gegnern unbehindert Rache zu üben, da eben dieser
Erzbischof Langton den Bann der Kirche nicht eher von ihm nahm, als bis die
alten Gesetze Eduards des Bekenners von Neuem beschworen worden. Als der König
nichtsdestoweniger bei seiner Gewaltsamkeit beharrte, machte derselbe
rechtskundige Patriot seine Landsleute auf ältere Urkunden, namentlich auf die
Wahlcapitulation Heinrich's
Mag
in der Verfassungsgeschichte anderer Völker dies oder jenes Statut an ein
ähnliches staatsrechtliches Abkommen erinnern, Nichts gleicht dem Grundpfeiler
der englischen Verfassung, der, als die Monarchie gleich sehr durch rohe
Willkür wie durch eigenmächtige Selbsthilfe erschüttert war, wieder festen
Felsboden, das altgermanische Geburtsrecht persönlicher Freiheit erreichte und
vermittelst des Prihcips der Vertretung zu einer reichsständischen Regierung
emporzustreben begann.
In
drei und sechzig den feudalen Zuständen der Zeit möglichst scharf angepassten
Sätzen galt es der militärischen, juridischen, der Polizei- und Finanzhoheit
des Lehnsherrn rechtliche Schranken zu ziehen und diese fester als durch die
bisher üblichen Freibriefe, einmal durch einen eidlich beschworenen Vertrag der
beiden streitenden Theile, und sodann auch durch die Einsetzung eines
Ausschusses von 25 Baronen zu sichern, denen als Hütern der Uebereinkunft sogar
das Recht des bewaffneten Widerstands und der Pfändung ertheilt werden sollte,
falls der König dem Vertrage nicht nachkam (Art. 61). Ausserdem musste die
Krone zusagen, dass, wenn sie noch andere Lehnshilfe als drei altherkömmliche
Leistungen, wenn sie namentlich Schildgelder statt des persönlichen
Kriegsdiensts beanspruche, der gemeinsame Rath des Reichs, die grossen Barone
einzeln durch königliches Ausschreiben, die kleineren unmittelbar zu Lehn
haltenden Herren durch eine collective Summonition der Landvögte (vicecomites,
sheriffs) zu laden seien (Art. 12. 14). Ohne weiter in die Executive
einzugreifen, verhoffte man gegen arbiträre Ausübung derselben mit diesem
Zustimmungsrecht aller Betheiligten die beste Garantie zu gewinnen, ähnlich wie
in dem berühmten Satze, dass hinfort kein freier Mann gefangen, enterbt,
verbannt oder irgend wie an Leib und Leben geschädigt werden dürfte, es sei
denn, dass nach dem Spruch der Pairs, also durch Urtheilsfindung seiner
Rechtsgenossen, und zwar nach dem Rechte des Lands über ihn erkannt worden (Art.
39), der Willkür der Strafjustiz ihre Grenze gezogen wurde.
Einige
allgemeine Ideen aber drückten der Magna Charta ihren unvergänglich
eigenthümlichen Charakter auf. Wie die Leute sächsischer und normännischer
Herkunft, wie alle Klassen, alle Stände der Bevölkerung sich wider dieselben
Leiden erhoben hatten, so bezeichnete die grosse Acte nicht nur einen mächtigen
Schritt in der weiteren nationalen Versöhnung, sondern traf den Grundgedanken,
auf dem sich ein Rechtsstaat erhebt, das gemeinsame Interesse aller freien
Schichten der Einwohnerschaft. Hier war es nicht der einzelne Vasall, der
einzelne vornehme Stand, der wie so oft auf dem Continent sich ein neues
Privileg ertrotzte, sondern es war auf den Rechtsschutz aller abgesehn mit
einer klaren, bewundernswürdigen Achtung vor den unwandelbaren Hoheitsrechten
des Staats. Daher hatte denn auch der Normanne dem englischen Freisassen, der
Edelmann seinen niederen Vasallen, je nach dem einzelnen Massstab dieselben
lehnsrechtlichen Verpflichtungen zu geloben, die sie von der Krone
beanspruchten. Daher waren Bürger und Bauern nicht ausgeschlossen, in dem bei
ausserordentlichen Hilfsgeldern die Reichsstandschaft zur Bedingung machenden
Artikel das mächtige
Dennoch
lag vor allen in der Einigung mit dem Klerus, obwohl ihm seine Privilegien an
erster Stelle garantirt wurden, ein Keim zur unmittelbaren Gefährdung des
gemeinsamen Werks. Treuer stand auch in der Folge freilich keiner zu demselben
als Erzbischof Stephan, der ja gewissermassen der geistige Vater der Erhebung
gewesen war, aber mächtiger erwies sich auf der Stelle ein höherer Absolutismus
als der königliche, der des Papsts, dem Johann sein Reich zu Lehn begeben. Nur
eine allgemeine Zusicherung, den römischen Stuhl um keinen Widerruf der
Concessionen anzugehn, dagegen nicht die persönliche des anwesenden Meisters
Pandulf war behufs Aufnahme in die Urkunde zu
Hierauf
verliess sich auch König Johann. Im Moment des Schwurs fest entschlossen ihn
nicht zu halten, behinderte er in keiner Weise die förmliche Ausführung des
Instruments oder seine Deposition in den Hauptkirchen des Reichs ; aber dass
man vermied es in die Jahresrolle der Erlasse aus der Staatskanzlei
einzutragen, ist deutlicher Beweis, wie es nach dem Willen des Fürsten
keineswegs Reichsgesetz werden sollte. Schon am 24. August erfolgte die
befürchtete Dispensationsbulle, in welcher Innocenz III. die Magna Charta einen,
niedrigen, hässlichen, schimpflichen und ungerechten Vertrag schalt und ihre
Urheber für schlimmer als die Saracenen erklärte. Stephan Langton wurde
suspendirt, die Barone wie die Bürger von London in den Bann gethan, dem Könige
selber feierlich verboten, die ihm abgenöthigte Uebereinkunft zu beobachten.
Dass
durch dieselbe die freie Bewegung der königlichen Autorität für eine Weile,
vielleicht auf immer beschränkt worden wäre, wer könnte es verkennen. Dass dies
mit revolutionären Massregeln versucht wurde, wie sehr auch zumal über eine
Zwangsberechtigung der Vasallen die Ansichten des Mittelalters und die heutigen
aus einander gehn mögen, liess sich eben so wenig läugnen. Da ihm nun aber
jedwede Schranke einer Schmälerung der persönlichen Regierung gleichkam, so
sträubte sich König Johann in innerster Seele vorzüglich gegen die 25 ihm und
dem neuen öffentlichen Recht gesetzten Hüter, gegen Unterthanen, die sich
factisch herausnahmen, die Krone zu suspendiren. Er dachte nicht daran, seine
fremden Truppen zu entlassen, den überseeischen Hauptleuten, wie er hatte
schwören müssen (Art. 50), die ihnen in
Fast
war es ein Glück für die monarchischen Ansprüche selber, dass sie auf ein Kind
von neun Jahren, Heinrich III., übergiengen und von einem einsichtsvollen
Protector, graf Wilhelm von Pembroke, vertreten wurden. Ueberhaupt lenkten nach
dem Ableben der beiden bedeutendsten Persönlichkeiten die Dinge selber auf
einen Vergleich hin. Ein Theil des Adels wenigstens, als Engländer stutzig über
das Gebahren der Franzosen, als Stand in Scrupel über den missglückten Versuch
die eigene Autorität dauernd der des Königs zur Seite zu stellen, der
Repräsentant des Fürsten und der Repräsentant eines Papsts, dem die hohen wie
die schroffen Eigenschaften seines gewaltigen Vorgängers mangelten, alle drei
Sphären einigten sich bereits am 11. November auf einem Gespräch zu Bristol, um
den Schrecken des Bürgerkriegs wie des Bannes zu entgehn, zu einer
Uebereinkunft, welcher die Bestätigung der Magna Charta zu Grunde gelegt wurde,
aber freilich mit Hinweglassung jener frühreifen constitutionellen Forderungen,
jenes ständischen, eine Art Mitregierung beanspruchenden Ausschusses (Art. 61)
und des für gewisse ausserordentliche Fälle von der Versammlung der Stände
beanspruchten Steuerbewilligungsrechts. Der Artikel über die persönliche
Freiheit blieb unangetastet ; in gleichem der über die Strafgewalt der Barone
durch die Standesgenossen (Art. 21), doch wurde dieser dahin ausgelegt, dass
ein solcher privilegirter Gerichtsstand nur vor der königlichen Oberbehörde
geltend gemacht werden könne. Dieselben Ausnahmen begegnen in einer abermaligen
Confirmation vom November 1217, bald nachdem die Franzosen zu einer
glimpflichen Abkunft und zum Abzuge genöthigt und die Fürsten von Schottland
und
Die
Männer der Versöhnung waren bald zurückgetreten, der alte graf Pembroke
gestorben, Cardinal Guala, nachdem er dem Reiche Frieden drinnen und draussen
verschafft zu haben meinte, nach Italien heimgekehrt. An seine Stelle trat der
habgierige Pandulf, neben welchem der herrschsüchtige Bischof von Winchester,
der Poitevine Pierre des Roches, das Land nach Gutdünken zu regieren suchte.
Friedfertige, königstreue, aber nationale Gedanken beherrschten dagegen die
Kreise, die sich um den Grosjustitiar Hubert de Burgh, um Erzbischof Stephan,
die Söhne des verstorbenen Erbmarschalls Pembroke und andere Häupter der
Aristokratie sammelten, um während der Minderjährigkeit das Reich vor factiosem
Treiben zu bewahren und namentlich von einer Anzahl fremder Abenteurer zu
säubern, die sich seit den Tagen Johann's noch in einzelnen königlichen Festen
behaupteten.
Mit
dem Jahre 1227 auf dem Tage zu
Die
Spannung zwischen der Krone und den Ständen wurde vorzüglich durch die
unnationalen Anschauungen der ersteren wach gehalten, während die besseren
Elemente des Adels sich auf patriotische Gesinnung stützten. Denn gegen die
Erstarkung einer eigenen englischen Nationalität war nicht nur das klerikale
und finanziell verderbliche Regiment päpstlicher Sachwalter gerichtet, sondern
die sehr bestimmte Vorliebe des Königs, dessen Mutter sich in zweiter Ehe mit
einem Edelmann in Poitou verbunden, dessen älteste Schwester den König
Alexander IL von Schottland geheirathet hatte. Er selbst versuchte schon in
jungen Jahren den Krieg gegen Frankreich wieder aufzunehmen um die zahlreichen
continentalen Verluste seines Hauses zurückzugewinnen ; über jedes Bedürfniss
hinaus und zum dauernden Schaden seiner heimischen Macht unterhielt er seine
auswärtigen Beziehungen. Mit solchen Neigungen im Bunde gelang es denn jenem
Bischof Peter von Winchester im Jahre 1232 den würdigen Grossrichter Hubert dem
schnödesten Undank und nichtswürdiger Verfolgung zu opfern und, als darauf die
vornehmen Herren die Beisteuer von Hilfsgeldern verweigerten und sich um den
Erbmarschall Richard vonPembroke scharten, diesen durch Ermordung aus dem Wege
zu räumen. Erst nachdem der Adel wiederum bewaffnet im Felde erschienen war und
der Primas des Reichs, der späterhin heilig gesprochene Edmund von Canterbury,
den König mit dem Banne bedroht hatte, auf einem Gespräch zu Westminster im
Frühling 1234 wurde der fremde Prälat, der bei Gregor IX. für seinen Fürsten
nochmals eine Dispensation von dem Eide auf die Magna Charta ausgewirkt hatte,
nebst anderen verhassten Räthen aus dem Amte entlassen. In dem Kampfe, der nach
kurzen Pausen immer von Neuem um die Besetzung des königlichen Raths ausbrach,
hatte die Krone einmal wieder dem Willen des Lands weichen müssen.
Trotzdem
ruhte König Heinrich keinen Augenblick, stets auch mit Hinblick auf die inneren
Schwierigkeiten weit reichende Connexionen mit den mächtigsten Gewalten Europas
anzuknüpfen. Der Ehebund, den er einst selber im Gegensatz gegen die welfischen
Traditionen der Plantagenets mit einer Staufin ersehnte, aber gewiss in der
Absicht einen wirksamen Beistand gegen Frankreich zu gewinnen, gedieh
wenigstens dahin, dass seine Schwester Isabella im Jahre 1235 mit Kaiser
Friedrich II. vermählt wurde. Papst und Kaiser hoffte er gleichzeitig zu
Patronen zu erhalte^, während im nächsten Jahre durch seine eigene Verbindung
mit Eleonore von
Eine
dumpfe, schwüle Gährung herrschte im Lande, das, da nach dem Ende Hubert's und
dem Ausgange des Geschlechts jenes grossen Earl Marshall kein hochherziger
Vertreter nationalen Rechts aus dem einheimischen Adel aufstand, noch lange
nach germanischer Art weiter geduldet haben würde, wenn nicht, ebenfalls in
Verbindung mit den allgemeinen europäischen Verwicklungen um die Mitte des
Jahrhunderts, wunderbarer Weise ein Fremdling und dieses Mal durch
eigenthümlich romantische Verkettung der Umstände sich als Vorkämpfer
nationaler Freiheit aufgeworfen hätte.
I.
Das
Geschlecht, das sich nach seiner Burg auf einem Hügel zwischen
1) L'Art de verifier les dates ed. 1818. 8°.
Vol. XI, 471. Darnach Histoire Literaire de France XVII, 205.
2) Les antres (desquels l'opinion est plus
certaine) dient ä Bandoain, surnomnie' de l'Isle, Conto de Flandres,
Der zweite Sohn und Nachfolger jenes Amaury in
Montfort wie in Evreux war seit 1140 Simon III., der Kahle genannt, ein
Zeitgenosse der Ereignisse, durch welche Heinrich Plantagenet seine Macht in
der Normandie und in England begründete. Da er gleichzeitig Lehnsträger dieses
rührigen Fürsten und des Königs von Frankreich war, konnte er bei der niemals
ruhenden Rivalität der beiden nur den eigenen Vortheil ins Auge fassen und
möglichst geschickt Partei nehmen oder wechseln. Einer vorübergehenden
Beziehung zu England, wahrscheinlich um die Zeit, als dort der Thronfolger wie
mit anderen normännischen und englischen Grossen auch mit dem Grafen Robert von
Leicester ein weit verzweigtes Complot wider seinen Vater schmiedete, verdankte
er dann auch die Ehe, die für seine Nachkommenschaft so bedeutsam geworden ist,
nämlich die Verbindung mit der Schwester und Miterbin Robert's, des erst im
Jahre 1204 verstorbenen vierten und letzten Grafen von Leicester aus dem Hause
Beaumont, das nach dem Domesday Buche einst voi\ seinem Stammsitze Meulent dem
Eroberer über den Canal gefolgt war und jene grosse englische Baronie als Lehn
davongetragen hatte. Amicia de Beaumont hat ihrem im Jahre 1181 mit Tode
abgehenden Gemahl drei Söhne : Amaury den späteren Grafen von Evreux, Simon
Herrn von Montfort und Gui Herrn von
1)
And Hugo of Mundford he sende to Engleland. and let hine don on ifele bendas on
tkone castel on Glencestre. Saxon Chronicles, ed. Karle, 1865, p. 252. S.
Lappenberg, Geschichte von England II, 273.
1)
Ueber die Verbeirathung Amicia's mit Simon III. Dugdale, Monasticon Anglicanum
I, 312 und Alber. de Trois Fontaines ed. Leibnit. Access. Hist. II, 402. Vgl. Anselme,
Histoire Genealogique et Chronologique de
Wiederum
mit dem zweiten Sohne dieser Ehe pflanzte sich nicht nur das Geschlecht in dem
alten Erhe fort, sondern erhob sich zugleich zu dem höchsten Aufschwung, den es
überhaupt erreichen sollte. Denn Simon von Montfort IV. war jener als
Kreuzfahrer, Eroberer und Staatsmann gleich hoch gepriesene Held der orthodoxen
Kirche, die fürchterlichste Zuchtruthe aller ketzerischen, auch vorwiegend
einer anderen Nationalität angehörenden Feinde. Als er sich abenteuernd im
Jahre 1202 an dem Kreuzzuge der Venetianer gegen Constantinopel betheiligen
wollte, aber dem Verbote Innocenz' III. gehorsam davon abstand, hatte er
bereits das volle Mannesalter erreicht. Ihm, dem zweitgeborenen, war einige
Jahre später das Anrecht der Mutter auf die englische Grafschaft zugefallen und
vom Könige Johann bestätigt worden. Demzufolge führte er den Grafentitel von
Leicester weiter, auch nachdem ihn seine unternehmende Natur bald hernach die
Vasallentreue nach dieser Seite brechen liess *). Ein glühender Bewunderer 2)
schildert die schmucke, stattliche Erscheinung, die körperliche Gewandtheit und
den ritterlichen Sinn. Beredt und von scharfem Verstand, fest und
unerschütterlich in allem Vorhaben, heldenmüthig, tapfer und dem reinen Glauben
sowohl aus Interesse als aus Ueberzeugung ergeben, vereinigte er in sich die
Summe aller Eigenschaften eines nordfranzösischen Edelmanns, wie sie in seinem
lange blühenden Hause bei den einzelnen Persönlichkeiten desselben verschieden
ausgetheilt begegnen, und war in einem tief aufgewühlten, eine Menge neuer
Gestaltungen erzeugenden Zeitalter, romantisch und praktisch zugleich, einer
der mächtigsten Förderer derselben.
1)
In der citirten Urkunde vom 28. August 1206 nennt ihn Jobann Simon Comes
Leicestrie. Bestätigung vom 10. März 1207 bei Rymer, Foedera I, 96. Aber schon
unter dem 27. December 1207 heisst es : terra illa fuit in manu Comitis
Leicestrie Simonis quem de terris suis precepimus disseisiri. Rot. Lit. Claus.
I, 99.
2)
Petri Vallium Sarnaii Monachi Historia Albigensium, Receuil XIX, 22 genere
praeclarns, virtute robustus, in armis plurimum exercitatus .... statura
procerns, caesarie spectabilis, facie elegans, aspectu decorus, humeris
eminens, brachiis exertus, corpore venustus, membris omnibus agilis et habilis,
acer et alacer .... facundia disertus, affabilitate communis, contubernio
amabilis, castitate mundissimns, humilltate praecipuus, sapientia praeditus, in
proposito flrmus. in consilio
Um
1190 *) bereits hatte er sich mit Alice, Tochter Bouchard's V. von Montmorency,
verbunden, die von vornehmer Herkunft, nicht minder wegen ihrer Frömmigkeit und
Klugheit 2) als wegen des Muths und der Ausdauer gepriesen wird, womit sie den
Gemahl auf den grossen südfranzösischen Eroberungszügen begleitete, während von
den Kindern, vier Söhnen und drei Töchtern, die Mehrzahl noch unmündig war und
die jüngste wahrscheinlich erst 1211 zu Lavaur geboren wurde. Nachdem sie dem
Gatten zur Fastenzeit 1210 bei Pezenas frische Mannschaften aus dem Norden
zugeführt, erscheinen sie und ihr Erstgeborener Amaury ein Jahr später als
vornehmste Zeugen bei Verleihung desselben Schlosses an den reichen Raimund von
Cahors, und am 23. April 1212 bei einer ähnlichen Uebertragung *). Am 24. Juni
1213 geleiten Vater und Mutter den noch jugendlichen Amaury an den Altar der
Kirche von Castelnau d'Arri, damit er zum heiligen Kampfe wehrhaft gemacht
werde. Vor der Schlacht bei Muret gegen den König von Aragon hat
providus,
in jadicio jnstus, in militiae exercitiis sednlus, in suis actibns circnmspectus,
In incipiendis arduus, in perflciendis non defessns, totas divinis gervitiis
mancipatus.
1) L'Art de vfrifler les dates XI, 481 sagt :
avant l'an 1191, Vic et Vaissete Histoire Wiiörale de Languedoc ed. 1842, V,
129 : avant l'an 1190. Ich weiss nicht woher,
da sich das Alter der Kinder auch nur annähernd schwer bestimmen lässt.
2)
Petri Vallinm Sarnaii Mon. Hist. Albig., p.
1) Conscnsti et volcntate dominae Aelipdis
comitissae uxoris meae et consensu et volnntato Amalrici primogeniti fllii mei
; Mai 12. 1211. Hist. de Langnedoc, Preuves V, 582 cf. 188.
2)
Nach dem Tode seiner Mutter war das Kronlehn von
Leicester zwischen Saiher de Quency, Grafen von Winchester, und dem Hause
Montfort getheilt und Simon am 10. März 1207 von König Johann mit dem dritten
Pfennig von der Grafschaft und dem mit dem gräflichen Titel verbundenen
Haushofmeisteramt von England betraut worden *). Eigentlich
angetreten aber hat er das ihm zuerkannte Erbe nie. Da ihn nach einer Nachricht
im Jahre 1210 die aufständischen Barone Englands zu ihrem Führer, wenn nicht
gar zum Könige machen wollten *), da er im Kriege zwischen England und
Frankreich zu letzterem hielt und auf der Kreuzfahrt wider die Ketzer vor allen
den Grafen Raimund VI. von Toulouse, den Schwager Johann's, bekämpfte, hat ihn
dieser vielmehr seiner Aemter und Güter entsetzt und dieselben dem Grafen Ralf
von Chester übertragen *). Allein trotz Absetzung und Verbannung führte er doch
den Titel eines Grafen von Leicester fort, mit dem ihn namentlich im Jahre 1209
auch Innocenz III. bezeichnete, als er selber sich mit dem Könige von England
überworfen und dessen Vasallen in den eroberten Territorien von Beziers und
Carcassonne bestätigte 2). Regelrecht nannte sich Simon um diese Zeit Herr von
Montfort, graf von Leicester und von Gottes Gnaden Vicomte von Beziers und
1)
Rymer, Foedera I, 96. Vgl.
2) Annales de Dunstaplia ed. Luard 1866 (Eer.
Brit. med. aevi SS.), p.
1)
Nach Hudson Turner 1. c. erst im Jahre 1215. Im Jahre 1217 wird von Heinrich III. dem
Grafen von Chester noch ein Manerium übertragen, qnod est de feodo Comitis
Simonis de Monte Forti, nicht Leicestrie. Rot.
Lit. Clans. I, 326.
2)
Innoc. III, Epp. XII, 122—129. Die Meinung Hnrter's, Gesch. Innoc. III. II,
303, N. 834, dass der Grafentitel personell gewesen, ist hinfällig.
3) Die Urkunden bei Vic et Vaissete V, 671. 573. 674. 577.
4)
Ibid. 583. 592.
5)
Ibid.
So
lange der grosse Simon die volle Unterstützung des Papsts besass und dieser
sich noch nicht mit England vertragen hatte, schwebte das den Plantagenets
gehörende Herzogthum Aquitanien mit seinen Lehnfürstenthümern in höchster
Gefahr, ebenfalls von der Kreuzfahrt verschlungen zu werden ; der Seneschall
Johann's, Savary de Mauleon, hatte damals einen harten Stand. Auf der Synode
von Lavaur im Jahre 1213 wurde graf Raimund vorzüglich auch deshalb beim Papste
verklagt, weil er sich mit allen Feinden der Kirche, Kaiser Otto IV., den
Königen von England und Aragon und dem Sultan von Marocco verbunden hätte 3).
Während Kreuzfahrer aus dem ganzen Norden, auch vom Rhein und aus Deutschland
zusammenströmten, fehlten die Engländer gänzlich auf dieser Seite mit einer
sehr bemerkenswerthen Ausnahme. Im Jahre 1211 nämlich wurde Walter Langton, ein
Bruder des Erzbischofs von Canterbury, der sich unter die Fahnen Simons
gestellt, von dem ketzerischen Grafen von Foix gefangen genommen *). Der
Vertrag zwischen Tnnocenz und Johann, zunächst wider die aufständischen Barone
in
1)
Ibid. 606.
2)
Ibid. 625. 645. 646.
3)
Innoc. III, Epp. XVI,
41.
1) Galterum de Langatone, fratrem episcopi
Cantuariensis, Petr. Vall. Sarn. Eeceuil XIX,
50,
Häresie
ab, damit in
Unter
Heinrich III. war die Entsetzung Simon's von Montfort aufrecht erhalten worden
*), bis zur Zeit des Abschlusses eines dürftigen Friedens mit den Franzosen im
Jahre
1)
Heinrich III. an Stephan de Segrave, Juli 28. 1218. Rot. Lit. Claus. I, 366b.
Audivimus, quod Comes Simon de Monte Forti in fata concessit .... plenam
saisinam de omnibus terris in balliva vestra que ipsum Simonem hereditaria
contingebant de Honore Leicestrie. Aug. 26, ibid. p. 399. Eex concessit P. Winton.
Ep. (des Roches) cnstodiam terre que fuit Comitis Simonis de Monti Forti quam
diu ei placuit.
2) Geschichte von England III,'582. .
Wir wissen nicht, wo und wann dieser merkwürdige
Mann geboren, nur die Vermuthung liegt nahe, dass er, ehe die Mutter zu dem
Gemahl nach Süden eilte, also um 1208, zur Welt kam und späterhin unter ihren
Augen auf dem Schlosse Montfort aufwuchs. Er
hatte dann, einige zwanzig Jahre alt, in den unruhigen Tagen, als die Königin
Blanche für ihren jungen Sohn Ludwig IX.. regierte, emporzukommen gesucht, vor
dem Unwillen der Fürstin aber
1)
Chron. Guil. de Nangiaco, Eecueil XX,
2)
Shirley, Royal and otlier historical letters illustrative of the reign of Henry
III. (Eerr. Brit. med. aevi SS.) I, 362. 401. Auch Excerpta e Bot. Finium I,
217, August 1231 cujus homagium res. cepit de honore Leicestrie.
3)
Freilich wurden Simon auch Gefälle (eschaeta) in der Normandie verschrieben,
donec terra nostra Angliae et terra Normanniae communes fucrint. Juni 15. 1232.
Shirley I, 407.
Allein
noch Jahre vergiengen, bis Simon, der selber habelos und verschuldet, mit
Pensionen aus den Einkünften von Leicester unterhalten werden musste *), zu
seinem Ziele gelangen konnte. Ein abenteuernder, hochstrebender Zug, an den
Vater erinnernd, indem er in seiner Heimath zweimal schon eine vornehme
Verbindung erreichen zu können meinte, zweimal aber an der Eifersucht des
französischen Hofs gescheitert war 2), liess seinen energischen Geist endlich
am englischen Hofe das geeignete Mittel finden, um zugleich mit dem begehrten
Besitz eine persönliche Stellung und die Gelegenheit zu gewinnen, seine Talente
zu verwerthen.
Sein
schönes Antlitz, die hohe Gestalt und das ritterliche Wesen3) nicht minder als
eine bedeutende geistige Begabung erwarben ihm die Liebe der jüngsten Schwester
Heinrichs III., Eleonore, die 1215 geboren, schon 1224 neunjährig mit dem
vierzigjährigen Grafen Wilhelm von Pembroke dem jüngeren vermählt worden, seit
April 15, 1231 aber Wittwe war *). Freilich hatte sie einst vor Edmund von
Canterbury und Bischof Ralf von Chichester das Gelübde gethan, den Schleier
nehmen zu wollen 2). Das verhinderte aber nicht, dass der königliche Bruder,
wie devot er sonst auch sein mochte, sich ihren und Simon's Wünschen fügte. War
ihr doch noch keineswegs der Ring an den Finger gesteckt, der sie als Verlobte
Christi bezeichnet haben würde. Am 7. Januar 1238 wurden die beiden heimlich in
der Hofcapelle von
1) Quod exitus terrae qne de honore de
Leicestria nsque in IUI annum post obitum ejus (des Vaters) sint ad
acquietationem debitorum suorum. Eot. Lit. Pat. 20 : Henr. III, membr. 4 ; Juli
28. 1236.
2) Alber. de Trois Font. 1237 : Receuil XXI, 619.
Quidam machinatores contra regem Franciae clani procuraverunt matrimnnium
couiitissae Flandriae cum viro nobili Simone de Monte Forti, fratre comitis
Almarici, qui Simon alienatus erat a Francia eo quod esset suspectus in regia
curia propter reditus quos habebat in Anglia et fldelitatem quam Anglorum regi
fecerat. Quapropter istud matrimonium perdidit sicut et illud comitissae
Boloniae perdiderat.
3) Vir in armis strenuns et armorum peritia
callidissimus, Gnil. de Nangaco, Recenil XX, 414. Sicut erat miles strenuus, in
corpore procerus et facie formosus. Chron. de Lanercost, p. 39 : Bannatyne Club.
Beide Stände fühlten ich durch den Abschluss
desselben, der natürlich keinen Augenblick verborgen bleiben konnte, auf das
Tiefste verletzt, weil die Prinzessin ohne ihre Zustimmung an den fremden
Edelmann vergeben worden, gegen den sich längst Neid und Eifersucht regen
mochten. Des Königs Bruder, graf Richard von Cornwall, erhob an der Spitze des
Adels geradezu die Fahne des Aufruhrs, indem er die Mannschaften der fünf Häfen
in die Waffen zu rufen suchte 1). Stürmisch forderte Alles die Entfernung
Montfort's ; auf die Vermittelung des päpstlichen Legaten wollte keiner hören,
bis auf dem Hoftage während der Fasten unter den übrigen ständischen
Beschwerden dahin entschieden wurde, dass Simon vom Rathe des Königs
ausgeschlossen bleiben sollte. Damit schien sich denn
auch sein Schwager graf Richard zufrieden geben zu wollen. Um so ernster jedoch
waren die kirchlichen Bedenken. Auch wenn Eleonore nur ein vorläufiges Versprechen
gegeben, ehelos bleiben zu wollen, so war durch ihre Trauung doch schwer gegen
kanonische Satzung gefehlt worden. Nur der Papst konnte nachträglich von dem
Gelübde entbinden und Verzeihung ertheilen.
1)
Mrs. Green, Lives of the Princesses of
2)
Thomas Wikes ap. Gale, SS. II, 40 zum Jahre 1224, quae viro suo defuiii'to
aliquamdiu permanens in viduitate, in praesentia Sancti Edmundi Cantuariensis
Archiepiscopi et Sancti Richardi Cicestrensis Episcopi solenne votum castitatis
emisit, cujus postea praevaricatrix effecta nnpsit Simoni de Monteforti Comiti
Leycestriae.
3)
Matthaeus Paris 465, ed.
Um
Schimpf und Missgunst zu begegnen, begab sich Simon daher schon im März auf die
Reise nach Rom ; das an der Curie erforderliche Geld, 500 Mark, hatte ihm ein
reicher Bürger von Leicester vorgestreckt*). Unterwegs 'wartete er seinem
grossen Schwager, Kaiser Friedrich II. auf, der vor Kurzem erst Sieger bei
Cortenuova rastlos den Trotz der gegen ihn verbündeten lombardischen Städte zu
brechen bemüht war. Gern wüsste man Näheres über die persönliche Berührung
dieser beiden Männer. Die Kriegsdienste, die der abenteuernde Ritter während
eines kurzen Beisammenseins dem mächtigen Herrscher bei der fruchtlosen
Bekämpfung bürgerlicher Freiheit leistete, wurden ihm durch Empfehlungen an den
Papst vergolten, die eben noch wirken konnten, ehe dieser unversöhnlich mit
Friedrich zerfiel 2). Simon erlangte bereits am 10. Mai von Gregor IX. die
gewünschte Dispensation s) ; trotz dem Widerspruch der Dominicaner und des
Erzbischofs Edmund wurde der Legat Otho angewiesen, Eleonore von ihrem Gelübde
zu entbinden. Froh zog er heim, wurde schon am 14. October wieder zärtlich von
König Heinrich umarmt und eilte dann weiter auf das Schloss Kenilworth, wo
sechs Wochen später sein Weib eines Sohns genas zur Freude des Hofs, der noch
die Unfruchtbarkeit der Königin befürchtete *). Am 2. Februar 1239 wurde
Montfort endlich in aller Form in die Grafschaft Leicester eingesetzt und damit
unter die Barone des Reichs und die Räthe der Krone aufgenommen 2).
1)
Verbot Heinrich's an dieselben vom 3. Februar 1238 : eo quod tradidimus uuptui
comitissam Fembrochiae sororem nostram Simoni de Monte Forti. Shirley, Royal Letters II, 15. Matth. Paris, Historia Minor (Compendiuro
der grossen Chronik), ed. Sir F. Madden (Eer. Brit. med. aevi SS.) II, 404.
Commotum est regnum vehementer, eo ruaxime quod rex, praeter suorum magnatum
consilium et assensum praesertim comitis Ricardi, proeuravit illud tarn arduum
matrimonium inter Simonem de Moote-forti et Alionoram, contra etiam voluntatem
et consilium sanctissimi archiepiscopi Edmnndi, in cujus praesen.tia dicitur
ipsa Alienora votum fecisse continentiae vidualis, vestibus utens tinctura
carentibus.
1)
Matth. Par. 468, Historia Minor II, 405. 406. Qeleitsbrief des Königs vom 27.
März. Rot. Lit. Pat. 22 Henr. III, membr. 8.
2)
Es lässt sich nach Matth. Paris ohne continentale Berichte mir vermuthen, das's
Simon dem Kaiser im Mai bei Gelegenheit des Hoftags in Crcmona begegnete, and
nach der Rückkehr vom päpstlichen Hofe, gleich vielen anderen fremden Herren,
bei der Belagerung von Brescia Dienste leistete. Vgl. Böhmer, Reg. Irap.
1198—1254, p. 179. 180. Schirrmacher, Kaiser Friedrich der Zweite III, 28 ff.
Winckelmann, Geschichte Kaiser Friedrich's des zweiten II, 94 ff.
3) Snper matrimonio, quod iuter te ac nobilem
virnm S. de Monte Forti Comitem Leicestrie (ac nobilem feminam E. flliam regis
Anglie) in facie ecclesie intelleximns esse contractum, nobis et fratribns
uostris sunt a diversis diversa relata, per qae non vidimns contra jam
contractam matrimoninm presumendam. VI. Id. Mai. Doppelte Ausfertigung in
Monnm. lirit. ez antographis Rom. Pont. Mns. Brit. Ms. Add. 15,354, p. 84.
1) Matth. Par. 471. 475. 481.
2) Matth. Par. 483. Die vero Puriflcationts S.
Virginia contulit Dominos Hex comitatam Legria Simoni de Monte Forti et
investivit, vocato primo comite Almarico primogenito fratre ejus et paciflcato,
no super hoc aliquando moveret questionem. Rot.
Cart. 23 Henr. III, 32. 34. Der Verzicht Amaury's bei Rymer I, 203, freilich
datirt an. 16, Henr. III (1237a), aber sicherlich eine spätere Ausfertigung, da
Cardinal Otho (1237 bis
n.
Der
Sonnenschein des Glücks und der Eintracht war jedoch nur von kurzer Dauer, denn
bald hernach trieben die Sinnesart des Königs und die politischen Verhältnisse
Englands und Europas den Grafen von Neuem in unstetes, abenteuerndes Leben
hinaus.
Am
16. Juni war zu Westminster ein Thronfolger geboren, Prinz Eduard, bei dessen
durch den Legaten am vierten Tage vollzogener Taufe Simon als Pathe und
Oberhofmeister zugegen war. Als dann aber die Königin am 9. August in
Die
Katastrophe war nicht ein Ausfluss der gewohnheitsmässigen Unzuverlässigkeit
Heinrich's III., der über ein Jahr lang mit Wohlgefallen der Ehe seiner
Schwester zugesehen, sie öffentlich mit seiner königlichen Sanction geschirmt
und, soweit in seinen Kräften stand, den Bittgang nach Rom befördert hatte.
Auch das factiose Treiben der Aristokratie, an welchem sich,Simon noch gar
nicht betheiligt hatte, gab nicht den Anstoss. Er stack vielmehr in der von
Neuem ausgebrochenen Todfeindschaft zwischen Papst und Kaiser 2). Denn über
Friedrich II. war am Palmsonntag März 20, 1239 der Bann verhängt worden, und um
Rom zog sich drohend das Kriegswetter zusammen. Wie sehr auch der König von
1)
Matth. Par. 497.
2)
Der Biograph im Quarterly Keviow CXIX, p. 31.
Unglaublich,
dass ein Fürst die eigene Schwester so beschimpfen mochte, aber dennoch im
Sinne der Zeit, des Einflusses, unter dem er stand, und seiner eigenen Schwäche
durchaus entsprechend. Schon dass Eleonore ihrem Gemahl folgte, sprach laut für
ihre Unschuld, noch mehr jedoch die Freundschaft und das Zeugniss eines der
edelsten Männer in
1)
Matth. Paris, Historia Minor II, 408.
2)
Vgl. Gesch. v.
Robert
Grosseteste, geringer Herkunft aus Suffolk, aber zu den höchsten Würden der
Kirche emporsteigend, glänzte nicht nur als frommer, eifriger Seelsorger, als
Gelehrter und Kanzler von Oxford, sondern im ganzen englischen Klerus war
Niemand, der die Zeit mit ihren zerstörenden und aufbauenden Tendenzen so sehr
begriffen hatte wie er, kein treuerer Wächter über Zucht und Lehre bei
Priestern und Laien, kein muthigerer Vorkämpfer, wo es die nationalen Rechte
der Kirche gegen die Habgier der Curie oder die Willkür der Krone zu schirmen
galt. Durch ihn vor allen war es den Minoriten gelungen, sich auch in diesem
Reiche rasch einzubürgern, aller Opposition der Weltgeistlichkeit und der
Klöster zum Trotz ihre eigenthümliche Mission zu entwickeln und an der
Universität sich theologische Lehrstühle zu begründen. Ueberzeugt, dass ihre
reformirende Thätigkeit das beste Mittel gewähre der sittlichen Noth der Menschheit
zu begegnen, legte er selber im Bunde mit ihnen durch Wort und Schrift wie in
unerschrockener That überall rüstig Hand an, die Seelen zu retten, die Geister
zu festigen, das Recht zu wahren. Einst als Archidiakon von Leicester schon war
er mit dem gräflichen Hause in Beziehung getreten *) ; seit 1235
1)
Der Brief Grosseteste's an Margareta de Qnincy, Comitissa Wintoniae, wird von
Luard, Roberti Grosset. Epistolae. 1861 (Rerr. auf den bischöflichen Stuhl von
Lincoln erhoben, stand er der weitesten, volkreichsten Diöcese des Reichs vor,
welche sich über einen bedeutenden Theil von Mittelengland erstreckte und unter
Anderem auch Oxford mit dem Mutterhause der Franciscaner und die Herrschaften
umfasste, die nach schicksalsvollem Wechsel wieder einem Herrn von Montfort
zuerkannt worden waren.
Simon
und seine Gemahlin, beide von warmer, inniger Gemüthsrichtung, hatten sich, von
Anfang an der Warnung und dem Rathe dieses geistlichen Oberhirten nicht
verschlossen 1). Hier war eine echte Freundschaft entsprungen, die den Grafen
in eine ebenso merkwürdige Beziehung mit dem Franciscanerorden brachte, wie sie
sein grosser Vater einst mit den kaum gestifteten Dominicanern unterhalten
hatte. Diese erquickende Quelle versiegte nicht, als das Ehepaar, von den Angehörigen
in Schmach und Seelennoth Verstössen, in die Fremde zog. Auf eine schriftliche
Anzeige von der schweren Prüfung, die ihn betroffen, antwortete der Bischof,
anknüpfend an die Trostworte des Apostels von der, Züchtigung, die nicht Freude
dünkt, aber denen, die dadurch geübt sind, eine friedsame Frucht der
Gerechtigkeit gibt. Er verwies ihn auf die Früchte, die nicht ausbleiben
würden, und deutete mit der auch sonst in seinen Schriften häufig begegnenden
Neigung zu etymologisiren seinen schönen Familiennamen. Aus tiefer
Erniedrigung, die er jetzt dulde, werde er emporsteigen zu dem Gipfel des
starken Berges, auf welchem Christus thront 1). Zum Schluss versprach er der
Bitte des Grafen gemäss seiner zu gedenken, sich für ihn beim Könige zu
verwenden und seinen Untergebenen, vorzüglich zwei, die seiner Fürsorge
besonders empfohlen worden, mit aller Treue Trost zu spenden, da er in diesem
wie in allen übrigen Stücken bereit sei zu leisten, was, wie er hoffe, der Ehre
und dem Vortheil seines Freundes fromme.
Brit.
med. aevi SS.), p. XXXV, p. 33 richtig unter das Jahr 1231 eingereiht, da
Robert Hs 1232 Archidiakon von Leicester war ; aber der Dominas Leicestriensis,
gegen den die Jaden des Orts in Schatz genommen werden, war nicht Simon von
Montfort, sondern noch Ralf von Chester. Ueber Orosseteste im Allgemeinen s.
mein Tübinger
Programm vom Jahre 1864, S. 11 ff.
1)
Die Briefe des Bischofs sind wie damals fast allgemein nicht datirt. Seine
ernste Verwendung bei Simon, in Christo carissimo domino de Monteforti, für
einen von diesem allzu hart bestraften Bürger von Leicester, Lnard, p. 141,
wird annähernd dem Jahre 1238 angehören. Sie athmet die ganze überzeugungsvolle Sinnesart
des Briefstellers : Quia igitur vestram ingenuitatem brachiis caritatis arctius
amplectimnr .... ut sitis exemplum clementiae et mansuetudinis et uon magister
crudelitatis.
Der eifrige, strenge Prälat, der beste seines
Stands, hielt hiernach graf und Gräfin nicht nur nicht für schuldig, sondern
setzte, so weit es in seinen Kräften stand, Alles daran um die Versöhnung mit
Heinrich und wahrscheinlich auch mit dem Papste und dessen Sachwaltern
herbeizuführen. Seiner Verwendung vornehmlich gelang
es, schon in Kurzem das zerrissene Band wieder anzuknüpfen. Anfang April 1240
durfte Simon heimkehren ; bei Hofe wurde ihm vom Könige ehrenvoller Empfang zu
Theil 2).
1) In oacumen montls fortis, hoc est Christi,
qui est mons in vertice montinm et virtus Dei Fatris ; Lnard, p.
2) Calend. Aprilis .... receptus est cum honore
a rege et a regallbus, Mattli. Paris 516.
Die Kreuzfahrt nach Palästina, zu welcher der
Graf, während er seine Gemahlin abermals schwanger in Frankreich zurückgelassen
hatte, sogleich zu rüsten begann, indem er sich durch den Verkauf von Waldungen
und Ländereien zu Gelde verhalf, war schwerlich eine Folge des letzten
Zerwürfnisses. Nichts deutet darauf hin, dass er durch dieses Mittel etwa
denen, die seine Verheirathung tadelten, eine Sühne habe bieten wollen. Weder Grosseteste noch die Minoriten, die mit fast methodistischer
Selbstprüfung die Busse nicht sowohl in die äusseren Werke als in eine Umkehr
von allem sündhaften Leben setzten, konnten darauf hindrängen. Er hatte
vielmehr gleich anderen Magnaten des Reichs ein älteres Gelübde zu erfüllen,
von dem ihn wie die Grafen Richard von Com wall und Wilhelm von Salisbury der
Papst schon seit einigen Jahren um so lieber dispensirt hatte, als ihm schon
vor dem Bruche mit dem Kaiser der einst gebotene Zug in den Orient, der dort
nur die staufische Macht gefördert haben würde, höchst unlieb war *). Jüngst
forderte die Curie eifrig in aller Welt zu einer Unternehmung nach
Constantinopel auf. Jetzt aber dachte eine Schar vornehmer Herren in
1)
Imminet eidem regno pericnlum, si tuo anxtlio et consilio hoc presertim
relinquitur tempore destitutum. Gregor IX. an die drei Grafen V. Kai. Mart.
1238, Ms. Add. Mus. Brit. 15,354, p. 399.
1)
Wilkens, Geschichte der Krenzzöge VI, 604 ff.
2) Ms. Cotton. Vespas. F. I, citirt bei Hndson
Turner, Manners and Household Expeoses etc., p. XIX, quil nos baut a bail moli
sire Simon de Montfort Conte de Leicestre jusqe alage de nostre seignor le Roi
Conrad.
3)
Matth. Par. 568. Die Begegnung fand Ende Juni in
Irre
ich nicht, so hieng in diesen Jahren sein persönliches Loos je von dem
kaiserlichen oder päpstlichen Einflüsse ab, der wechselweise am Hofe von
Westminster vorgewaltet zu haben scheint. Auch nach seiner Rückkehr vom
Kreuzzuge blieb er um so eher im Besitz der königlichen Gnade, als mit dem Tode
des steinalten Gregor's IX. (August 21, 1241), den dreiwöchentlichen Pontificat
Cölestin's IV. abgerechnet, in Rom eine fast zweijährige Sedisvacanz eintrat,
die ihre Spuren auch in der inneren Politik Englands zurückliess. König
Heinrich, von keinem Legaten überwacht, musste um so sorgfältiger vor den
ständischen Forderungen auf seiner Hut sein. Eben jetzt suchte er ihnen durch
systematische Beförderung der habgierigen Sippe seiner Gemahlin einen Riegel
vorzuschieben. Die Lage war wahrlich nicht der Art, dass er den persönlichen
Groll gegen den Grafen von Leicester, den ein grosser Theil des Adels ebenfalls
als einen Fremdling anfeindete, hätte weiter nähren sollen. Ausserdem stürzten
ihn dynastische Neigungen, von Günstlingen eifrig genährt, in einen auswärtigen
Krieg, für welchen ein leidliches Verhältniss zu seinen Schwägern, Kaiser
Friedrich II. so gut wie Simon, nur erwünscht sein konnte.
Der
König von Frankreich, Ludwig IX., hatte seine Hand immer mehr auf die Provinzen
im Süden der
1)
Das Ausschreiben Omnibus episcopis, abatibns, comitibns et baronibus in Reports
from the LoräV Committee touching the dignity of a Peer III, p.
Im
Mai trat er dann, von der Königin und seinem Bruder, von sieben Grafen und 300
Rittern begleitet die thörichte Fahrt nach der Garonne an. Zunächst nahm er
sein Feldlager nordwärts in Saintes, von wo aus der kriegslustige Adel seiner
südfranzösischen Herrschaften in die Waffen gerufen und Streitkräfte selbst aus
Irland und Wales herangezogen wurden. Im Kampfe mit dem Heere Ludwig*s IX.
aber, dem die Engländer am 22. Juli bei Taillebourg den Uebergang über die
Charante nicht zu wehren vermochten, zogen sie den Kürzeren, da die Poitevinen,
die sie gerufen, Hugo von Marche an der Spitze, zum Feinde übergiengen. Viel
kostbare Beute fiel diesem in die Hände ; die Engländer wären vernichtet, ihr
König selber gefangen worden, wenn die Grafen von Leicester,
1)
Bericht Heinrich's III. an Kaiser Friedrich bei Rymor I, 206, Sept. 19, aber
falsch nnter 1232. Das Datum erhellt ans den Rot. Vascon. 26 Henr. III, membr.
5, von denen leider nur einige Bogen gedruckt, aber niemals veröffentlicht
worden sind. Mattb.
Par. 591—596.
1) Qaingentas marcas de dono nostro, Juli 2 ;
quinquaginta marcas de anmio feodo, Sept. 8. Zeuge
bei der Belehnung eines Vasallen Richard's, Aug. 3. Kot. Vascon. 26 Henr. III,
membr. 2. 3. 11.
2)
Kot. Lit. Pat. 28 Henr. III, membr. 8, Febr. 13. 1244. 32 Henr. III, membr. 11,
Jan. 9. 1248.
Gegen
solche Bedrückungen und Spoliationen wuchs naturgemäss die längst vorhandene
Opposition. Wiederholt beschwerte sich die Kirche durch den Mund ihrer
Procuratoren bei dem Papste selber ; zweimal erschien der muthige Bischof
Robert von Lincoln in Person zu
1)
Zuerst offlciell Rot. LH. Claus. 28 Henr. III, membr. 13. 1244 Parliamentum
Runemede quod fuit iiiter Dom. Jobaunem Regem patrem nostrum et Barones suos Aogliae. Cf.
Ann. de Dunstaplia
Fünf
Jahre lang sah der graf von
1)
Ueber den Besuch von
2)
Ipsins consilio tractabat ardua, tentabat dubia, flnivit inchoata, ea maxime,
per qnae meritum sibi succrescere aestimabat. Will. Rishanger, Fortsetzer des
Matth.
Im
Jahre 1248 entschloss sich der König den Grafen von Leicester nach der Gascogne
zu senden. Nicht als ob er ihn aus dem Wege haben wollte, denn sie standen um
diese Zeit durchaus auf gutem Fuss mit einander. Erst im vergangenen October
war Simon von einer Mission an den französischen Hof zurückgekehrt, welche die
Verlängerung und Befestigung des vor fünf Jahren abgeschlossenen
Waffenstillstands zum Zweck hatte. Dem Februar-Parlamente, das stürmisch auf
Einsetzung würdiger, den Ständen angenehmer Männer als Kanzler, Grossjusticiar und
Schatzmeister drang, hatte er zwar beigewohnt, aber ohne sich an der heftigen
Opposition zu betheiligen. Gleich anderen abermals von aufflackernder
Begeisterung ergriffen, hatte er so eben nebst seiner Gemahlin und ihrem ganzen
Hause das Kreuz genommen 2). Das konnte ihn jedoch nicht hindern, dem Rufe des
Königs Folge zu leisten, der ihn mit dem hohen Range eines Stellvertreters
(locum tenens) und nicht als gewöhnlichen Seneschall für die lange Dauer von
sechs Jahren auf einen überaus schwierigen und verantwortlichen Posten wies *).
Nachdem er die erforderliche Ausrüstung vollendet, namentlich Geld bei den
Bürgern Londons aufgenommen hatte, eilte er noch im October über Frankreich,
dessen Regierung nur zögernd auf die friedlichen Anträge der Engländer einzugehen
schien, nach
1) Ipsa antem non tantum de beneplacito vestro
non est molettata etc. Adam de Marisco an
Bischof Robert, bei Brewer, Monumenta Franciscana, p. 170. Rerr. Brit. med.
aevi SS., 1858. Adam's Briefe sind in einem Codex gesammelt, aber sämmtlich
undatirt.
2)
Matth.
Noch
weit misslicher als früher lagen die Dinge im Herzogthum. An der Spitze des
ewig unruhigen Landesadels trotzte der mächtige Vicomte Gaston von B4arn,
dessen ränkevolle Mutter einst im Jahre 1242 von Heinrich III. namhafte
Vergünstigungen erschlichen hatte, der Obergewalt des Hauses Plantagenet,
während von Süden der König Theobald von Navarra auf die morschen Zustände der
Provinz drückte, von Norden selbst trotz den friedlichen Beziehungen sich die Fortschritte
des französischen Königthums beständig geltend machten. Auch die inneren
Missstände Englands wirkten bereits herüber, da nach den Launen des Königs zum
grossen Nachtheil der staatlichen und wirthschaftlichen Verbindung mit den
Statthaltern und Seneschallen unablässig gewechselt wurde. Schon sann eine
feindselige Faction in den Städten, ob es nicht rathsam sei, die Quelle ihres
Reichthums, die Weinausfuhr, von England nach Spanien zu verlegen. Es galt in
der That den vor einem Jahrhundert durch Eleonore von Poitou herbeigebrachten
aquitanischen Besitz vor unmittelbarem Verlust zu retten. Und Simon widmete
sich dieser Aufgabe sogleich beim ersten Anlauf mit so wundervoller Energie,
dass, nachdem Graston zur. Unterwerfung genöthigt worden, auch die wilde
Ritterschaft wieder ihrer Lehnspflicht eingedenk wurde und der König von
Navarra sich in Betreff gewisser Grenzstreitigkeiten einen schiedsrichterlichen
Spruch gefallen Hess *). Zu allgemeinem Erstaunen überbrachte der graf in
eigener PerBon seinem Hofe bereits zu Weihnachten die Anzeige von der
vollständigen Beruhigung der Provinz und empfieng dafür in aller Form den Dank
des Fürsten 2). Im Februar 1249 begab er sich abermals nach Süden. Doch schon
von Paris aus, wo es wieder höhere Aufträge zu erledigen gab, richtete er ein
merkwürdiges Schreiben über die Verhältnisse der Gascogne an den König, wohl
das einzige, das überhaupt von ihm erhalten ist und den ersten Einblick gewährt
in seine schlimme Stellung zwischen südfranzösischen Rebellen und den am englischen
Hofe thätigen Intriguen. Er meldete 3), dass nach den neusten Nachrichten aus
Bordeaux eine Anzahl gascognischer Edelleute, die während der letzten Unruhen
ihr Eigenthum verwirkt hätten und es nimmermehr von dem competenten
einheimischen Tribunal zurückerhalten würden, sich mit ihrem Anhange
verschworen hätten es mit Gewalt wieder zu gewinnen. Ein Aufstand sei mit
Sicherheit gegen Pfingsten zu erwarten und werde ihm persönlich sehr gefahrlich
werden, denn der Adel des Lands hasse ihn, da er die Rechte der Krone und des
niederen Volks vertrete 1). Ehe er sich dorthin begebe, müsse ihm daher der
König neue Instructionen ertheilen und vor allen die ünerlässlichen
Streitmittel gewähren, denn nicht ein Pfennig von den Landesrevenuen stehe zur
Verfügung, da der König von Frankreich sie vollständig mit Beschlag belege.
Auch mit einem einfachen Heere und gewöhnlicher Kriegführung lasse sich gegen
ein Volk nicht fertig werden, das sich wie Räuber und Stegreifritter in vielen
Trupps zu zwanzig, dreissig, vierzig auf die Gegner stürzt um ihnen Hab und Gut
zu zerstören. Aus allen diesen Gründen wünschte der Graf, ehe er aufbrach, noch
einmal dringend den König zu sprechen, um so mehr als diesem wohl allerlei
dunkle Beschuldigungen zugetragen würden, als ob sein Schwager der Anstifter
des befürchteten Aufstands wäre. Da für die königlichen Schlösser und
Garnisonen an der Garonne die nöthigste Sorge getroffen worden und das dem
Grafen aufgetragene Geschäft am Pariser Parlament guten Verlauf nahm, so gieng
er denn auch noch einmal über die Meerenge, vorzüglich um den Anschlägen seiner
Gegner den Weg zu dem wankelmüthigen Könige zu verlegen.
1)
Rot. Lit. Pat. 32 Henr. III, membr. 2, Sept. 7. 1248. Matth. Par. 838 :
confecit ei chartam suam de Custodia per sex aimos continuanda.
1)
Rymer I, 269, Febr. 6. 1249.
2) Grates vobis referimus copiosas de
sollicitudine nec non et laborlbus immensis, negotii nostris terrae Dostrae
Wasconiae vigilanter a virilitate vestra mnltotiens impensis. Rymer I, 271. Cf.
Matth. Paris 757. 767.
3) Donnee a Paris
Nachdem
er sich in dieser Weise daheim den Rücken gesichert zu haben meinte, trieb er
dann im Sommer den Herrn Gaston von Bearn und seine Helfershelfer zum zweiten
Mal zu Paaren, liess sie ergreifen und als Gefangene nach London abfuhren.
Diese Erfolge, die er rings durch das Land durch feste Posten zu stützen
wusste, erfreuten sich anscheinend des vollen Beifalls seines Herrn, der ihm
jetzt die irischen Staatseinkünfte und den Erlös einer grossen Versteigerung
aus den königlichen Weinlagern anweisen liess, um die Gascogne nach Kräften
sicher zu stellen *). Allein mit demselben Boten, der diese erwünschten
Mittheilungen überbrachte, zeigte der König seinem Statthalter an, dass er den
Vicomte von Bearn und den Ritter' Arnald de Hasta, da sie sich ihm reumüthig
unterworfen und auf ewige Zeiten Treue geschworen, in Freiheit gesetzt und nach
Hause entlassen habe 2). War es selbstherrische Thorheit oder von anderen
genährter böser Wille, Heinrich selber störte die wackere Arbeit seines
Bevollmächtigten, dem es erst im Laufe des Jahrs 1250 gelang das festeste
Schloss Gaston's, Egremont, zu brechen, einen anderen gefährlichen Rebellen den
Vicomte von Fronzac zu besiegen und den stolzen Gilden von Bordeaux, die sich
ihm gleichfalls sehr spröde gezeigt hatten, den schuldigen Respect
abzunöthigen. An Zeugnissen für seinen Gerechtigkeitssinn fehlte es
andererseits nicht, denn die Bürger von Castel d'Uza hatten, wie sie dem Könige
vorstellten, in einem alten Handel mit dem Herrn von Tartas, nachdem die
früheren englischen Statthalter sämmtlich taub geblieben, zuerst bei dem Grafen
von Leicester Gehör gefunden 3).
1) Por ce qoe je snl si raauvolen de les graunz
genz de la terre, por ce quo je sostien voz dreitures et de la poure genz
contre aus,
1)
Patente vom 28. Nov. nnd 28. Dec. bei Shirley II, 55. 56.
2)
Shirley II, 56. 57, Deo. 27. 28. Cf. Matth. Paris 775.
3) Hanc veritatem et querelam ostendinras multis
ballivonim vestrorum, qui nulluni ibidem consiliuni posuerunt, donec per Dei
gratiam
Trotzdem
wuchsen diesem die Schwierigkeiten über den Kopf. Durch das Meer und Frankreich
in weiter Ferne von dem Herzoge geschieden, war
Dominus Simon de Monte Forti, comes Leicestriae,
venit in Vasconiam, cni banc veritatem ostendimus et querelam. Bei Shirley II, 58.
Antwort
:, Beim Haupte Gottes, Du sagst die Wahrheit, Graf, und ich will Dir, da Du mir
so tüchtig dienst, die wirksame Hilfe nicht versagen. Aber schwere Klagen sind
an
Es
war während dieses, jedenfalls nur kurzen Aufenthalts, dass Simon über sein
Hauswesen einige bemerkenswerthe Verfügungen traf und sich wieder im freien
Gedankenaustausch mit seinen vertrauten Freunden erquickte. Die Bischöfe von
Lincoln und
1)
Matth.
2)
Auch der gelehrte Jobannes von Basingstoke, der in Athen Etndirt nnd Griechisch
verstand, gehörte in diesen Kreis. 1252 hatte Simon seinen Tod zu beweinen, gemitus
et lachrymas multiplicavit comitis memorati. Matth.
3)
Die vielen sehr dunkel gehaltenen Briefe Adam's sind schwer unterzubringen,
doch ziehe ich hierher K, 144 und 145 bei Brewer, Monnmenta Franciscana, p. 276
ff., da sie an Simon nnr während seiner Anwesenheit in England gelichtet sein
können.
Auch
nachdem Simon sich mit Frühlingsanfang eingeschifft und dann bald kräftiger
gerüstet die Empörung zum dritten Mal niedergeworfen hatte, erhielt er auf
demselben Wege Mittheilungen über Vorgänge und Stimmungen bei Hofe, so wie
weise Rathschläge für das eigene Verhalten. Wenn er bisweilen dem Verzagen nahe
über die Unzuverlässigkeit des Königs, der weder die Bande des Bluts noch sein
Versprechen zu achten schien, sich schon verloren gab, so verwies ihn der
fromme Franciscaner nicht nur an die Trostbücher des alten Testaments, den Hiob
und die Proverbien, sondern erzählte auch von einem ermuthigenden Gespräche mit
dem Könige, dessen Vertrauen in die Integrität des Grafen schon festzuhalten
wäre, wenn seine Umgebung es nicht verhinderte *). Mit demselben Boten, Johann
de
1)
Longe sereniorem solito, sit benedictus Dens pacis et dilectionis, concepernnt
benevolentiam. An
Simon, N. 146.
2) Dominus comes Leycestriae, si contingat enm
maturins redire in Vasconiam deliberatione cum domina comitissa et mectim super
hoc habita, proponit etc. An Grosseteste, N. 25. Vgl. Rishanger ed. Riley 36
eique snos parvules tradidit nutriendos.
1)
Si in hac parte ipsam favorabiliter sua fulcircnt latera.
2)
Ich combinire wegen des in beiden genannten Boten N. 140 nnd N. 161, obwohl
Brewer, p. 297, das letztere Schreiben unter 1252 setzen möchte.
Mittlerweile
rührten sich die Basken abermals nicht nur mit den Waffen in der Hand, sondern
mit immer ärgeren Beschwerden gegen denjenigen, der, wenn irgend einer, ihnen
den für die öffentliche Ordnung unerlässlichen Zaum anzulegen vermochte. Listig
bezeichneten sie ihn als den schlimmsten Verräther an de^ Krone, weil er
Edelleuten und Bürgern mit unerhörter Gewalt ihr Gut abpresse sich selber zu
bereichern, während der König, den der Papst unaufhörlich zu einem Kreuzzuge
antrieb, nicht mehr aus noch ein wisse 4). Als Simon sich beklagte, dass
solchen tückischen und
1)
Der lange Brief, N. 143, nach dem 18. Oct. [1251] geschrieben, an welchem Adam
durch eine Predigt den Zorn des Königs erregt zu haben erzählt.
2) De profectione vestra erga regnum Angliae
cavendum est omnino ne flat sine magna deliberatione et provisione discreta. Adam an Eleonore, N. 160.
3)
Matth.
4)
Beschwerdeschriften der Commune
längst
überführten Menschen mehr Glauben geschenkt werde als ihm dem Diener der Krone,
erwiderte der König trocken, dass ihm, wenn er sich so unschuldig fühle, ja
eine unparteiische Untersuchung nur erwünscht sein müsse. Er war gekommen um
weitere Unterstützung und vorzüglich Ersatz für die von ihm selber geleisteten
sehr bedeutenden Vorschüsse zu erwirken — und wirklich wurden am 4. Januar 1252
eilf vornehme, aber zum Theil übel gesinnte Magnaten zu Schiedsrichtern
ernannt, um über die Höhe seiner Geldforderungen abzuurtheilen 1). Statt ihm
jedoch sofort auch nur in diesen Stücken gerecht zu werden, bezeichnete der
König vielmehr gleichzeitig zwei Commissare, die sich nach der Gascogne zu
begeben hatten um ein förmliches Verfahren wider ihn einzuleiten, den
Tempelmeister in England Rocelin de Fos, einen geborenen Basken, und Heinrich
on Wingham, der einmal selber Seneschall in Bordeaux gewesen war und jetzt der
königlichen Kanzlei angehörte 2). Allein der Engländer und der Südfranzose
wurden über ihre Nachforschungen bald entgegengesetzter Meinung ; und obwohl
ein dritter, des Königs böser Halbbruder, Wilhelm von Valence, das Haupt der
ausländischen Partei, sich ebenfalls hinausbegeben hatte, kamen sie einstweilen
zu keinem anderen Ergebniss, als dass die Ritterschaft und eine Reihe Städte
und Burgen von Guienne eii^e gemeinsame Beschwerdeschrift formulirten, die
durch eine Anzahl vornehmer Delegirten mit dem Erzbischof Girald von Bordeaux
an der Spitze, dessen Treue in sehr zweifelhaftem Rufe stand, in Westminster
überreicht werden sollte. Die Commissare sistirten überdies den Kampf um die
Burg von
1)
Patent bei Shirley II, 68. Wozu die Protectio qnam diu fuerlt in serviclo regis
in Vasconia, Rot. Lit. Pat. 36 Henr. III, membr. 11, Febr. 22.
2)
Schreiben an die Königin Blanche von Frankreich, da es sich auch um Bruch des
Waffenstillstands handelte, und Vollmacht vom 6. Jan. Shirley II, 69. 70.
1)
Bericht von Fos nnd Wingham bei Champollion Figeac, Lettres de rois etc. I, 116
irrig anter 1253, bei Shirley II, 76 richtig, März 6. 1252. Gesuch der
Gascogner, petunt quod dominus comes Leycestrie presens sit in Anglia etc.
Brief N. 1604 im Public Record Offlce. Heinrich's Citationsschreiben an Simon
vom 23. März, a die Paschae in unum mensem. Shirley II, 81 ; cf. Matth.
Die
Gascogner, angefeuert durch die ihnen gewährte Gunst, während Simon statt des
Grusses nur verhaltenen Groll im Antlitze des Königs las, hüben laut und heftig
mit ihren Klagen an, die sie auf einen Vergleich mit den vorhergehenden, von
ihnen als segensreich geschilderten Administrationen stützten. Der graf dagegen
bestritt die Glaubwürdigkeit von Leuten, welche sich gegen jede Autorität
aufbaumten, und appellirte gerade an seine Vorgänger und namentlich an den
Grafen Richard von
1) Matth. Paris 836 : circa Pentecosten, paucis
ante diebus vgl. Ann. de Dnnstaplia 184. Nach
dem Berichte Adam's an Grosseteste : circa festam ascensionis Domini (Mai 9).
Brewer, Monum. Francisc. 123.
1)
Nec Deum timentes, nee hominem reverentes, sine reg (ine lege agentes, foedera
violantes, affectionem non curantes .,. idem comes studiis quibus valuit
coercere curabat. Adam von Marsh 1. c.
2)
Per omnia moderantiam mansuetudinis cum magnanimitatis maturitate et ad suum
Dominum et ad adversarios Buos observans. Ibid.
1)
Der Wortlaut der Sceno nach Matth.
Selbst
der vorliegende Streitfall wurde wegen des königlichen Eigensinns nicht für
noch wider ausgetragen. Simon erbat sich, von Neuem ausgerüstet, mit
allerhöchster Vollmacht den Kampf in der Gascogne zu Ende zu führen unter der
Bedingung, dass ihm und seinem Anhange alle Einbusse ersetzt werde. Er erbot
sich andererseits' auf den ihm für sechs Jahre übertragenen Posten zu verzichten,
wenn unter der Gewähr der Stände ihm und den Seinigen dieselben Sicherheiten
gegen jeden Nachtheil, namentlich auch den der Ehre gegeben würden. Von Beidem
wollte der König Nichts wissen ; er fertigte vielmehr, wozu die Genossen des
Reichsraths • kleinmüthig schwiegen, aus eigener Machtvollkommenheit eine Reihe
von Erlassen aus, durch welche er den beiden streitenden Theilen Ruhe gebot,
bis er oder sein Erstgeborener zu Lichtmess in der Gascogne erscheinen würden.
Als Conservatoren des Waffenstillstands sollten inzwischen Rocelin de Fos und
Nicolaus de Molis die Gegner auseinanderhalten ; der Stadt Bordeaux wurde
aufgegeben den Frieden zu wahren, indem die Juraten der Corporation in gleicher
Anzahl aus beiden Parteien gewählt würden *). Das waren aber nach dem Urtheile
wohlgesinnter Patrioten Thorheiten 2), die wohl den Grafen verderben, aber
leicht auch König und Reich um eine Provinz und Heinrich persönlich um die
Achtung seiner Unterthanen bringen konnten.
Der
graf unterwarf sich dem, wenn auch unklugen Willen seines Fürsten, der
seinerseits ihn nicht verhindern konnte, sich, nachdem die Dinge diese Wendung
genommen, am 13. Juni *) noch einmal nach
1)
Erlasse vom 6. und 16. Jnni
bei Shirley II, 89. 90. 391.
2) De aliis pluribus iueptiis, uisi diviuitas
subveniat, plurimum nocituris. Adam, 1. c.
1)
Feria quinta post festum beati Barnabae, Adam 1. c.
2)
Matth.
3)
Kot. Lit. Pat. 36 Henr. III, membr. 6, Juni 9 und Kymer I, 282, Juni 13, an dem
Tag, wo Simon sich nach
4)
Erkennbar aus dem Befehl, Simon's Ausgaben für die Barg Cusac zu untersuchen
und Blancfort seinem aufständischen Besitzer zurückzuerstatten ; August 10,
Shirley II, 91. 92.
Mit
Schadenfreude mochte er dann wohl im nächsten Jahre zusehn, wie seine
schlimmsten Verheissungen in Erfüllung giengen, wie der König von Castilien die
englische Herrschaft bedrohte und B^arn nebst vielen anderen gascognischen
Edlen, die bisher ihre Treue für die Krone so listig zu erheucheln gewusst,
sich ihm sofort in die Arme warf, wie König Heinrich, seiner wiederholten
Kreuzzugsgelübde uneingedenk, sich in hohe Geldforderungen und in eine äusserst
gewagte und unerspriessliche Expedition stürzte. Im October 1253 hatte er die
schönste aller Genugthuungen, dass der König, als er mit den Basken nicht mehr
aus noch ein wusste, ihn endlich unter sicherem Geleit rufen und sofort an
Reitern und Schützen mitbringen hiess, was er
als
namhafter Feldherr zusammenraffen konnte *). Es zeugt von dem edlen Sinne des
Grafen, dass er ein ganzes Jahr hindurch als Verbannter bei der misslichen Lage
der beiden Reiche seine Connexionen in Frankreich nicht benutzte um mit ihrer
Hilfe Rache zu nehmen für die Beleidigungen, die ihm sein Schwager, der
Herrscher Englands, zugefügt. Er, der Mann des Schwerts, war doch auch der
Freund derer, die damals in der Christenheit am Innigsten den Frieden
predigten. Noch haben wir ihre Zeugnisse, dass sie auch mitten in seinen schwersten
Prüfungen nicht abliessen über sein Seelenheil zu wachen und das Feuer zu
dämpfen, das ihn selber und die gute Sache, für die er eingetreten war, zu
vernichten drohte.
Schon
zu Ende 1251 schrieb Adam von Marsh an Grosseteste, dass graf und Gräfin, wenn
je zuvor, jetzt seines weisen Raths bedürftig seien. Beide sahen längst mit
Schrecken die Katastrophe heranziehn 2). Während er dann selber seine Sache in
1) Champollion Figeac, I.ettres de rois eto. I, 90 ; Oct. 4. 1253. Vgl. Geschichte von England III, S. 687 ff.
2)
Epp. Ad. de Marisco, N. 22. 34.
3)
N. 135 : Stodeat, uro, vestrae discretionis diligentia cum efiectu, Divinae
roluutati, secundum qnod literae praeferont incanctanter, ?dhibere consensum.
1)
N. 136 vgl. N. 158 : Gratulationsbrief an Eleonore bei der Geburt einer
Tochter, des jüngsten Kindes, wie Elizabeth Green, The Princesses of England
II, 104, nachweist.
2)
Locntus fni de negotio snbventionis vobis faciendae per indnlgentiam
Apostolicam. Ep. 141. Auch der Brief an die Gräfin, N. 161, wo von magniflcis
eventibus domino comiti et vobis per Dei clementiam concessis die Rede ist, mag
hierher gehSren.
3)
Breve an den Bischof von Clermont : Innoc. IV, Ep. X, 642 (Ms. Mus. Brit. Add. 15,357) ; III
Non. Apr. 1253.
4) Cui Comes tanquam patri extitit
familiarissimus, Matth. Parts 879, cf. 876.
Fronzac und die Juraten von
Eine Art gütlicher Auseinandersetzung fand
hierauf auch wegen der Geldforderungen zwischen den beiden Schwägern statt. Der
König zahlte in mehreren hohen Summen, was Simon in seinem Dienste aufgewendet
hatte, und entschädigte ihn wenigstens theilweise für die noch rückständigen
Jahre seines Gouvernements *). Eine Versöhnung aber war dies nicht zu nennen,
und der graf hatte sich schon wieder nach Frankreich zurückgezogen, als Heinrich
im Frühling 1254 von Bordeaux aus die bedeutsame Verlobung seines Thronfolgers
mit Eleonore von Castilien abschloss.
1) Rymer I, 294, Dec. 21. 1253. Champollion
Flgeao, Lettre de rois etc. I, 99.
2)
Auszahlung von 7000 Mark nach Rot. Liberate 38 Henr. III, membr. 8. 4. Aach
Rot. Ltt. Fat. 37 Henr. III, membr. 11. Cf. Champollion Figeac, Lettres I, 94.
95.
in.
Für
die nächste Zeit verschwand graf Simon beinah aus dem öffentlichen Leben. Weder
die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Könige waren wieder hergestellt, noch
trat er der Opposition der englischen Magnaten bei. Er lebte vielmehr
zurückgezogen mit den Seinen in der französischen Heimath, noch immer ohne ein
festes Unterthansverhältniss und unbetheiligt an merkwürdigen Begegnungen und Abkünften,
deren politische Bedeutung ihm am Wenigsten entgehn konnte.
Eben
jetzt nämlich knüpfte der dynastische Ehrgeiz Heinrich's III. auf dem Festlande
die weitesten, aber der nationalen Unabhängigkeit höchst nachtheiligen Bande.
Der spanischen Heirath seines Thronerben folgte noch von Bordeaux aus das
begierige Eingehn auf die arglistigsten Entwürfe der Curie. Papst Innocenz IV.
bezweckte die letzten Hohenstaufen in Unteritalien durch Berufung eines fremden
Fürsten auf den Thron von Neapel-Sicilien zu entwurzeln und hatte, nachdem
Richard graf von Cornwall, der Inhaber der reichen Zinn- und Kupferminen jener
Grafschaft, ausgeschlagen, dazu den jüngeren Sohn Heinrich's, den erst
neunjährigen Edmund, ausersehn. Die Freude des Vaters war grenzenlos, obwohl alle
bisherigen Leistungen seines Reichs zu Gunsten der päpstlichen Weltpolitik
dadurch unfehlbar verdoppelt werden mussten. Unter der Form von
Kreuzzugssteuern drückten die fremden Exactionen immer schwerer auf
Ein
anderes Ziel politischer Entwürfe lag in
1)
Darüber die neuste Schrift : A. Busson, Die Doppelwahl des Jahrs 1257 nnd das
römische Königthnm Alfons X. von CastilieD, Monster 1866, S. 10 ff.
2)
Kanke, Englische Geschichte I, 98. Einzelheiten in meiner Geschichte von
England III, 696. 700. 707.
Wohl
durfte es auffallen, dass zu allen diesen, die auswärtigen Dinge betreffenden
Verhandlungen der graf von Leicester nicht zugezogen wurde J), und dass selbst
Eleonore, die einzige noch überlebende Schwester des Königs, an jenem
Damencirkel nicht Theil hatte, da sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach doch
in der Nähe befanden. Erst als Heinrich sich wieder zu Hause eingelebt, am 10.
Mai 1255 wurde dem Grafen von Leicester, der in eigenen Angelegenheiten in
Frankreich weilte, abermals zugleich mit Peter von Savoyen das lästige Geschäft
übertragen, den französischen Waffenstillstand zu erneuern, der denn auch im
Juli auf weitere drei Jahre prolongirt wurde s). Um diese Zeit jedoch war die
Gräfin schon wieder nach
1)
Eine geheime
2)
Vollmacht für Simon : Rot. LH. Fat. 39 Benr. III, membr. 8 ;
Trotz
alledem schienen die Beziehungen zum Hofe doch allmälich besser zu werden.
Unter den ersten Häuptern des Adels garantirte Simon am 16. August 1256 die
Uebertragung des Lehns von Huntingdon auf den jungen König Alexander III. von
Schottland 3).
fiir
Peter : SMrley II, 107 ; hier heisst es von Leloester : qui pro quibusdam suis
negotiis ad partes Franciae se jam transtulit. Der Vertrag bei Rymer I, 324.
1)
Rot. LH. Clans. 39 Henr. III, membr. 10 ; 40 Henr. III, < ? membr. 7.,
2) Die Zengnisse ans den Rot. Lit. Clans, bei Green, Frincesses II, 111. 112.
3)
SMrley II, 120,
Ohne
Zweifel um sich seiner Unterstützung bei den sehr heftig gewordenen
Verhandlungen mit den Ständen zu versichern, wandte sich die königliche Huld
ihm wieder zu. Am 11. Februar 1257 wurden ihm selber einige Ritterhöfe zu Lehn
verliehen, am 20. er von Neuem, neben dem rechtskundigen Robert Waleran, als
Waffenstillstandscommissar bestellt und ihm ausdrücklich die Genehmigung
ertheilt, falls ihn König Ludwig in das Ganze oder Stücke seines in Frankreich
beanspruchten Erbes einsetzen wollte, es antreten zu dürfen. An demselben Tage
erhielt er auf sein Verlangen die Erlaubniss über seine gegenwärtige Habe ein
Testament anzufertigen, das Heinrich als Schuldner für sich und seine Erben
niemals anfechten zu wollen gelobte *). Dieselbe Nachgibigkeit äusserte sich
noch im Sommer 1258, als über ein Dorf Hudden processirt wurde, ob es zu der
Grafschaft Berkshire oder zu der Baronie der Grafen von Leicester zu rechnen
sei 2). Um diese Zeit aber hatte Simon bereits Partei genommen, und zwar gegen
seinen Schwager den König.
Seit
dessen Rückkehr aus der Gascogne war die böse Stimmung unter den Ständen
unaufhaltsam angewachsen. Sie sollten den Fürsten, der sich neuerdings bis auf
350,000 Mark in Schulden gestürzt s) und sofort wieder bei seinem Bruder zu
borgen, der Stadt London unrechtmässige Bussen und den Juden, auch in England
den Kammerknechten der Krone, ihren wucherischen Reichthum abzupressen begonnen
hatte, durch freigebige Bewilligungen aus dem Schlünde retten, in den er immer
tiefer versank. Gleich der grosse Rath, das Parlament, das nach Ostern 1255
berufen worden, hatte daher als Gegenleistung wieder Theilnahme an der Wahl der
drei obersten Reichsbeamten, des Grossrichters, Kanzlers und Schatzmeisters
gefordert und überdies verlangt, dass dieselben ohne Einwilligung des
Parlaments nicht von ihren Posten entfernt werden dürften. Da von Nachgeben so
wenig wie früher die Rede war, Barone und Prälaten aber, obwohl in ihren
Verpflichtungen zu König und Papst verschieden gestellt, sich solidarisch
verbunden *) erklärten, waren die fruchtlosen Verhandlungen auf den Herbst
vertagt worden. Inzwischen aber gedieh der Vertrag wegen der sicilischen Krone
zum Abschluss, durch welchen der König in grenzenlosem Leichtsinn nun auch den
Papst zum gewaltigsten seiner Gläubiger machte, denn er übernahm um die bereits
von König Manfred occupirten Länder zu erobern nicht nur die erniedrigendsten
Verpflichtungen für seinen Sohn, sondern gelobte auch Mannschaften zu senden
und die für ihn völlig unerschwingliche Summe von 135,541 Mark Silber
einzuzahlen 2). Ueberglücklich zwar stellte er im October den wieder
versammelten Grossen den jungen Edmund als König von Sicilien und Apulien vor
mit dem vom Papste verliehenen Ring am Finger ; und Meister Rustand, der Bevollmächtigte
der Curie, wollte über die Beiträge nicht mit der Gesammtheit oder den
Procuratoren des Klerus, sondern nur mit jedem Einzelnen sich einigen. Die
Mehrzahl aber hielt mit ihren
1)
Urkunden bei Shirley II, 121. 392. Dazu Green II, 113..
2)
Shirley II, 393 ; Juli 6. 1258.
3) Matth. Paris 913,
1) Ex parte universitatis ; Matth. Paris 902.
2) Rymer I, 316 ff.
weltlichen Standesgenossen zusammen, und die
Stände als solche wiesen alle Anträge zurück, weil sie nicht, wie die Magna
Charta ausdrücklich bestimmte, alle mit einander geladen und jener Handel ohne
ihre Zustimmung abgeschlossen worden sei *). Im
nächsten Jahre wiederholten sich dieselben Versuche mit demselben Erfolge. Im
Jahre 1257 leistete die Geistlichkeit freilich gegen ein erneutes Gelübde auf
den grossen Freibrief eine ausserordentliche Beisteuer, verwarf aber schon drei
Wochen später wieder einträchtig mit den Baronen die Zumuthung mit englischem
Gut und Blut Süditalien der Curie zu erobern, obwohl diese durch ihre
erfinderischen Agenten das Land immer jämmerlicher auszusaugen und gelegentlich
König und Reich durch Androhung von Bann und Interdict mürbe zu machen
trachtete.
Das
Unglück wollte, dass um dieselbe Zeit ernste Zerwürfnisse mit Schottland
ausgebrochen waren, wo der unbändige Adel den jungen Alexander III. genöthigt
hatte bei seinem Schwiegervater von England Zuflucht und Hilfe zu suchen, und
dass, nachdem Prinz Eduard mit der Markgrafschaft Wales investirt worden, auch
dort sich der nationale Fürst, der jugendliche, schwungvolle Llewellyn II. an
der Spitze der einheimischen Geschlechter erhoben hatte, um die Unabhängigkeit
ihres Berglands zu vertheidigen. Als die wegen Mangel an Geld und der bereits
unzuverlässigen Haltung der Ritterschaft sehr lässig geführten Unternehmungen
gegen beide Länder den kläglichsten Ausgang nahmen und Schotten und Waliser gar
zu einem Kriegsbündnisse zusammentraten *), da schien auch der dürftige Gewinn
verscherzt zu sein, welchen frühere, bessere Regierungen eines politisch
geordneten Staats über halb barbarische Nachbaren davon getragen hatten. In
jeder Beziehung hatte Heinrich III. durch Thorheit und Wankelmuth, durch
Starrsinn und Eitelkeit die Liebe seiner Unterthanen und die Ehre des Reichs
verwirkt.
1) Sine consilio suo et assensu baronagil sui ;
Matth. Pari 913.
An
einem anderen Elend, das aber nicht minder den Geist der Unzufriedenheit und
Auflehnung nähren half, war er unverschuldet. Bei dem nassen Sommer von 1257
missrieth alles Getreide und, da die Waizenpreise im Winter um das Zehnfache in
die Höhe giengen, brach unter dem niederen, schon durch die übrigen Nöthe der
Zeit stark mitgenommenen Volke allgemeine Hungersnoth aus 2). Die Gefahren für
das Königthum und die nationale Entwicklung liessen sich gar nicht absehn, wenn
jetzt der zähe passive Widerstand der Magnaten in einen activen umschlagen und
die unteren Klassen in Stadt und Land, noch halb an den Fleck gebunden und
geistig roh, von loosen, unverstandenen Ideen ergriffen, sich zu einer
zerstörenden Bewegung erheben sollten. Bisher waren einzelne Zuckungen der Art
stets leicht unterdrückt worden ; der angelsächsische Bauer, vom Vater her an
Dulden und sauere Arbeit im Schweisse seines Angesichts gewöhnt, brütete stumpf
in dem alten Zustand weiter. Wie, wenn nun aber eine mächtige Persönlichkeit
erschien, die mit nationaler Begeisterung und politischem Scharfblick alle
Kreise des Volks auf ein Ziel zu lenken verstand, welches zugleich materielle
Erleichterung und öffentlichen Frieden statt der bitteren Noth und allgemeiner
Schmach verhiess ?
1)
Ihr Vertrag vom 18. März 1258 bei Rymer I, 370.
2)
Geschichte von England III, 714.
Seit
Stephan Langton hatte es auf der dornigen Bahn zur Erlangung politischer Rechte
keinen namhaften Führer gegeben. Die Bischöfe wurden kraft der Demüthigung
Johann's vor Innocenz III. durch ein doppeltes Verhältniss zum Papste
niedergehalten ; Grafen und Barone Hessen wegen der niemals rastenden
gegenseitigen Eifersucht auf den doch noch sehr unentwickelten Versammlungen
keinen Einzelnen emporkommen. Die Autorität der Krone und ihrer in Gericht und
Verwaltung erfahrenen Beamtenschaft herrschte durchaus auch in geschäftlicher
Beziehung. graf Richard, des Königs Bruder, gleich den anderen häufig genug
verletzt, hätte vielleicht zugleich versöhnend und gebietend wirken können,
aber er war weder ein gediegener Charakter, noch erlaubte ihm seine Stellung,
sobald die dynastischen Interessen des Hauses Plantagenet in das Spiel kamen,
mit diesen ernstlich zu brechen. Wenn irgend einem im Reiche, so war ihm der
königliche Bruder seit Jahren verpfändet, ihm selber aber dadurch die Hand
gebunden. Nun hatte Richard gar, nachdem er wegen seiner weltbekannten
Reichthümer und ohne wie wegen des sicilischen Throns der Krone und ihren
Lehnsträgern wesentlich zur Last zu fallen von der päpstlichen Partei in
Deutschland zum Könige gewählt worden, im Frühling 1257 das Reich verlassen und
dadurch, wenn auch nur vorübergehend, die Stände seines persönlichen Raths
beraubt.
Das
war im Allgemeinen die Lage, aus welcher gewiss nicht unvorbereitet, aber von
sehr verschiedenartigen Motiven getragen und begünstigt, sich der graf von
Leicester in wenigen Jahren zum Leiter einer populären Bewegung emporhob. Was
vermochte ihn eben jetzt aus seiner Zurückhaltung hervorzutreten ? Obwohl durch
seine Heirath dem Könige kaum weniger nahe gestellt als die anderen vornehmen
Ausländer, die im Lande ein übermüthiges Wesen trieben, hatte er im Gegentheil
behutsam vermieden sich gleich ihnen durch Aemter und Einkünfte schnöde zu
bereichern oder vorlaut in die öffentlichen Angelegenheiten des Reichs
einzusprechen. Das uneigennützige Auftreten in
Wirksamer
dagegen wurde eine Art eigener Hauspolitik, an der sich die Gräfin eifrig
betheiligte. Das warme, unternehmende Temperament Eleonorens stimmte wenig zu
der launischen, von fremden Eingebungen abhängigen Weise ihres Bruders, des
Königs. An der weiblichen Ehre nicht allein hatte er ihr wehe gethan, er hatte
auch längst zuvor ihr Erbtheil verkürzt, als er der minderjährigen Wittwe des
Grafen Marschall statt der ausgesetzten 2000 Mark nur
1) Rot. Lit. Claus. 17 Heur. III, membr. 9 dorso. S. die reichen Beiträge bei Green, Lives of the Prlncesses II,
116 and 453.
Die
Vornehmen und Getreuen des Reichs waren wie gewöhnlich auf vierzehn Tage nach
Ostern 1258 nach
1)
Nach Brewer, Monumenta Franciscana, p. XCIX muss Adam 1257, spätestens im
Frühling 1258 gestorben sein. Es fällt auf, dass kein Brief in seiner Sammlung
später als nach der letzten Rückkehr ans der Gascogne an graf und Gräfin
gerichtet ist.
2)
Rymer I, 370 ; Mai 2 : pro negotiis nostris arduis .... proceres et fldeles
regni. Unter den testirenden Mitgliedern des königlichen Raths erscheint neben
Prinz Eduard von eingeborenen Baronen nnr der graf von
1)
Rymer I, 360 ; Juni 28. 1257. Die Keise wurde wahrscheinlich gar nicht
angetreten, und Kot. Lit. Pat. 42 Henr. III, membr. 15, wo der König dem Grafen
2)
Shirley II, 126 : undatirt, aber nicht später als Anfang Februar anzusetzen.
1) Non tarnen regi, sed nniversitati
praecordialiter est conquestus, exigens instanter sibi justitiam exhiberi. Mattb.
wollen
der König auf seine Seele schwören liess *). So war endlich nach langem,
dürftigem Hinhalten der Damm durchbrochen, wie einst in König Johann's Tagen ;
doch fragte sich, ob sich sobald wie damals die Wasser wieder fassen lassen
würden.
Zum
angesetzten Tage, dem 11. Juni, zog der Adel, an die hundert Herren, gross und
klein, beritten und bewaffnet, mit ihren Reisigen gen
1)
Die Docnmente bei Rymer I, 370. 371. 372. Das Ausschreiben lautete ausdrücklich
: ad hoc parliamentum nostram Oxoniae, quod erit in unum mensem post festum
Pentecostes.
2)
Matth.
1)
Nach Patent vom 22. Juni in Reports of the Lords' Committee tonching the
Dignity of a Peer I, 103 wurde Richard von Glocester vom Könige gewählt, aber
die gleichzeitigen Berichte, namentlich die urkundlichen Mittheilungen in den
Annales de Burton (jetzt neu edirt von Luard, Annales Monastici, Rer. Brit.
med. aevi SS. I,) 447, die selbst in jenen Reports I, 105 als, Anthentio
documents bezeichnet werden, weisen ihn entschieden der anderen Seite zu.
Ueberdies ist das späte Datum des Patents auffallend. Vielleicht stritten beide
Theile um den zweifelhaften Grafen, der sich von Anfang a schwer neben Simon
fügte.
Durch
den Ausschuss der 24, der keineswegs zurücktrat, sondern im Namen der
Gesammtheit der unmittelbaren Lehnsträger der Krone (per le commun) weiter
handelte, wurde zunächst eine Reihe von Petitionen eingereicht, welche auf
Abstellung der Missbräuche in Lehnssachen und in der Rechtspflege zielten,
bezeichnend für den nationalen Zug der Bewegung, sämmtliche königliche Burgen
der Hut von Ausländern entzogen und nur an Einheimische verliehen, so wie
Erbtöchter ebenfalls nur solchen verheirathet wissen wollten. Sie drangen auf
Herabsetzung der aus dem hohen Pachtzins der Sheriffs entspringenden Exactionen
und vieler anderen von der Krone selber gesteigerten Gefalle, auf Einschreiten
gegen die Juden und cahorsinischen Wucherer, denen so mancher verschuldete Herr
zur Beute fiel. Aus solchen Eingaben formulirte der Ausschuss neue
Verfassungsartikel, die sogenannten Provisionen von Oxford, und liess sich in
erster Linie unverbrüchliche Beobachtung der so oft beschworenen Freibriefe
gewährleisten. Er legte sich selber die alljährliche Ernennung des
Grossjusticiars, Kanzlers und Schatzmeisters bei, wonach so lange getrachtet
worden, ein Uebergriff in die Executive, der zum Schaden der kräftigen
Cehtralisation, in welche das Rechtswesen seit Heinrich II. gebracht worden,
die feudalen Prätensionen der Baronialjustiz an die Stelle des von Kronrichtern
entwickelten Landrechts gesetzt haben würde. Der Grossjusticiar zumal, bis auf
Hubert de Burgh der höchste Staatsbeamte und Vertreter des Königs als
persönlicher Quelle aller Gerechtigkeit, seitdem von der monarchischen
Selbstherrlichkeit verdrängt, wurde von den Herren selber, aber umgekehrt zum
wichtigsten Garanten ihrer politischen Rechte restituirt. Ihr Erwählter, Hugo
Bigod, der Bruder des Grafen von Norfolk, erhielt eine Stellung, die an den
Justicia in
Ein
eigener Beschluss ordnete regelmässige Berufung eines Parlaments zum 6.
October, 2. Februar und 1. Juni an, wozu ausser den fünfzehn dem Könige
gesetzten Räthen einzig nur ein wiederum im Namen der Gesammtheit erwählter
Ausschuss von 12 Magnaten (prodes homes) zu erscheinen hatte, um der Commune
die Kosten zu sparen, wie es hiess *), in Wahrheit aber um die Gerichtstermine
im Sinne eines Baronialhofs einzuhalten und, so weit der König befiehlt, die
allgemeinen Reichsangelegenheiten zu erledigen. Den Beschlüssen dieser
oligarchischen Repräsentation hatte sich die Gesammtheit einfach zu fügen.
Noch
ein anderer Ausschuss von 24 Mitgliedern wurde erwählt, um wegen einer
Landessteuer offenbar mit Rücksicht auf die Forderungen des Papsts zu berathen
; doch kamen sie wegen des jähen, revolutionären Umschwungs, der sich eben
vollzog, zu keinerlei Verständigung. Ein eigener Artikel verfügte die Wahl von
4 Rittern in jeder Grafschaft 2), um die Beschwerden der Kreise und Bezirke je
für das nächste Parlament aufzunehmen. Allen gewählten Commissionen, den neuen
Beamten und Burgvögten wurden Eide vorgeschrieben. König Heinrich, unfrei und
ohne die Möglichkeit einen Widerstand zu üben, musste die ihm aufgedrungenen
Gesetze mit einer Kerze in der Hand beschwören. In einer Reihe unter dem Druck
der Umstände erzwungener Urkunden musste er für sich und seinen Sohn den Eid
bestätigen, für die ihm noch gelassenen Vertrauensmänner bürgen, die Sheriffs
zur Abstellung ihrer Bedrückungen anhalten *). Seine Demüthigung konnte nicht
vollkommner sein.
1) Pur esparnier le cnst del commun, Aunales de
Kurten 452.
2) Qaatuor discreti et legales homines, qui
qnolibet die, ubi tenetur coraitatus, conveniant etc. Ibid.
446.
Dieser
Erfolg indess wäre ohne einen entschiedenen Act der Gewalt nicht errungen
worden. Schon am 22. Juni wurde von der siegreichen Partei über das Schicksal
der königlichen Burgen beschlossen, deren Wacht fast ausschliesslich den
fremden Günstlingen anvertraut gewesen, zu denen Prinz Eduard, Heinrich,
Richard's Sohn, und der graf von Warenne hielten. Obgleich Leicester, mit jenen
wegen seiner Herkunft in derselben Lage, ihnen mit gutem Beispiel vorangieng
und seine Schlösser Kenilworth und Odiham an den König auslieferte, so erhoben
sie doch heftigen Widerspruch. Prinz Heinrich erklärte in Abwesenheit seines
Vaters sich dem Beschluss nicht fügen zu können. Dem trotzigen Wilhelm von
Valence rief Simon, seine neuliche Schmähung vergeltend, ins Gesicht :, die
Burgen her oder Deinen Kopf! Um dem Sturme auszuweichen, entfernten sich
Valence, seine Brüder Gui und Geoffrey von Lusignan nebst ihrem Tross plötzlich
aus Oxford und warfen sich nach Wolvesham Castle bei Winchester zu ihrem
Bruder, dem erwählten Bischof Aimar. Die Barone unter Simon's Führung — denn an
demselben 22. liess er sich die Custodie des Schlosses von Winchester ertheilen
*) — hoben auch ihrerseits die Sitzung auf und setzten ihnen, den König mit
sich führend, bewaffnet nach. Dort kam es im Juli zu einer Convention,
derzufolge die ganze Coterie, auch Wilhelm, obwohl Herr von Pembroke, und Aimar
der Bischof aus dem Lande verbannt wurden, nachdem auf ihr Anstiften noch bei
einem Gastmahle der Abt von Winchester und ein Bruder Glocester's vergiftet
worden waren. Aus dem Rathe des Königs verdrängt, zogen sie durch ihr freches
Benehmen die nationale Rachsucht auf sich herab und büssten alle ihre
Besitzungen, Titel und Ehren ein, die als Raub betrachtet ihr hoher Gönner
selber ihnen absprechen musste. Ihr Sturz erst hatte die Unterwerfung Eduard's,
Heinrich's, Warenne's zur Folge 2).
1)
Shirley II, 127, Juni 26 : flat reformatio et ordinatio status regni nostri ;
p. 129, Angnst 4, ähnliches französisches Ausschreiben ; an die Sheriffs,
Annales de Bnrton 456.
Nicht
überall fand ein solcher Zwang Beifall und wohl mochten Missgünstige bei Zeiten
wittern, dass er zu einem Rückschlage gegen die Provisionen erwünschten Anstoss
geben werde 3). Und war es nicht die grösste Anomalie, die schwerste Verletzung
des neuen Gesetzes, dass ein geborener Ausländer, wie der graf von Leicester,
sich eigenmächtig als Wortführer einer vaterländischen Erhebung aufwarf, dass
er sich Winchester, einen der Schlüssel des Reichs, übertragen, und seinen
Erstgebornen, Heinrich von Montfort, den Exilirten über das Wasser bis Boulogne
nachsetzen liess, um ihnen die fortgeschleppten Schätze abzujagen ? Aus der
Erniedrigung des Königs und dem Versuche der Lehnsmannen reichsständisch selber
zu regieren drohte sich sofort die Dictatur eines Einzelnen zu erheben.
Einstweilen jedoch war Nichts populärer als die Vertreibung der Fremden aus
Lehn und Pfründen und die Uebertragung der festen Orte an eingeborene Burgvögte
im Namen des Reichs. Der nationale Friede überwog bei Weitem das Vermögen, die
Verfassung kraftvoll, vortheilhaft und lebensfähig umzugestalten. Daher denn
auch in den meisten gleichzeitigen Stimmen eine fast begeisterte Billigung des
Geschehenen, und erst später, als keine süssen Früchte reifen wollten, von
entgegengesetzter Seite für die in Oxford abgehaltene Versammlung der Spottname
des, tollen Parlaments 1). Als man im Sommer 1258 rüstig an die Ausführung der
dort beschlossenen Satzungen gieng, überblickten die Allermeisten schwerlich
die Gefahr der selbst geschaffenen Lage. Sie verliessen sich, obschon
misstrauisch, auf den klugen Kopf Montfort's, der in den dunklen auswärtigen
wie inneren Fragen Licht schaffen werde. Es war auch durchaus im Sinne der
weltlichen Kronvasallen, als die päpstlichen Agenten unverzüglich mit dem
Bescheide heimgeschickt wurden, dass, da die Krone Siciliens ohne ihr
Gutheissen angenommen worden, sie auch zur Zahlung des hohen Preises nicht
verpflichtet seien *). Wer war geeigneter als Simon einen festen Frieden mit
Frankreich einzuleiten, der vorzüglich doch wegen der eitlen Hoffnung des Königs
Poitou oder selbst das normännische Herzogthum zurückzugewinnen fast schlimmer
als durch den Krieg seit zwanzig Jahren durch morsche Waffenstillstände gehemmt
wurde. Der dem König octroyirte Verwaltungsrath und der landständische
Ausschuss, in denen
1)
Rot. Lit. Pat. 42 Henr. III,
membr. 6.
2) Hauptquelle ist neben Matth.
3)
So urtheilt der fast vereinzelte königlich gesinnte Geschichtschreiber Thomas
Wikes, p. 52. Quintus articulus omnino illicitus fuit et praecipue detestandus.
Er muss ein urkundliches, numerirtes Exemplar der Provisionen vor sich gehabt
haben, wie es uns nicht erhalten ist.
1)
Die Chronisten von St. Albans,
Und
doch blieb das Regiment des landständischen Ausschusses fast auf der Stelle
hinter den wesentlichsten Verheissungen zurück. Wie Hugo Bigod der
Grossjusticiar kein gelehrter Richter war, so ersetzte die Baronialjustiz auch
keineswegs das System, das, einst von der Krone zu einem Landesinstitut
erhoben, gewiegte Kenner des gemeinen Rechts verlangte, welche gerade in diesem
Jahrhundert noch den Legisten von Bologna wenigstens formelle Stützen für die
nationale Jurisprudenz abzulernen suchten. Indem man ferner durch Verfolgung
der loyalen, im Dienste erfahrenen Beamtenschaft der starken Monarchie einen
Nerv abgeschnitten zu haben meinte, beraubte man sich selber der nöthigsten
Werkzeuge, ohne welche die neue Verwaltung zum Wirrwarr werden musste. Auch den
hohen Klerus bis auf wenige Reformfreunde hatte sich der Adel entfremdet ; weil
er so unnachsichtig über die Ansprüche der Curie hinweggieng, konnte schon bei
den vielen Commissionswahlen auf die meisten Prälaten keine Rücksicht genommen
werden. Endlich war die Menge der kleinen Vasallen, deren Ladung als
Gesammtheit einst in der Magna Charta zugesichert, aber niemals ausgeführt
worden war, gewiss nicht damit zufrieden, dass sie nur wie bisher innerhalb
ihrer Shires zur Geltung kommen sollten, und dass sich dagegen die grossen
Herren allein als die Communität des Reichs geberdeten. Bei den ersten
Versuchen administrativer Reform, wie sie die Jurisdiction und Finanzgewalt der
Sheriffs jedenfalls erforderten, wurde nothwendigerweise eine Opposition der
kleinen Lehnsträger laut, die, wie freudig sie auch die Erlösung vom Druck der
Krone begrüssen mochten, sich doch durch den nur aus den Magnaten gewählten
ständischen Ausschuss in Reichssachen keineswegs vertreten erachteten. Mit
allem Wählen und Sichten für die verschiedenen Commissionen war doch immer nur
eine Vertretung für die Elite der Kronvasallen geschaffen worden.
1)
Das Schreiben der 15 Keicbsrätho an den Papst in Annales de Burtou 457, Matth.
2)
Ann. de Bnrton 456. Eymer I, 375.
Merkwürdig,
wie diese abweichenden Ansichten, die sich auf die uralte Erinnerung einer
allgemeinen Standschaft begründeten, wenn auch behutsam und leise, doch gleich
auf dem vorgeschriebenen nächsten Octoberparlamente zum Vorschein kamen. Nach
den constituirenden Beschlüssen von Oxford fühlte sich dasselbe in Westminster
freijich recht eigentlich als eine legislative Versammlung, indem es durch den
Regierungsausschuss der Fünfzehn im Namen des Königs und sehr bezeichnend zum
ersten Mal in beiden vernacularen Idiomen französisch und englisch der Nation
die Vollziehung der neuen Gesetze kundgab *), durch welche der Fürst
thatsächlich seiner freien Machtwaltung entkleidet wurde und die grossen Barone
durch die von ihnen gewählten 15 Minister und 12 Repräsentanten als Gesetzgeber
und Regenten die Reichsregierung selbständig in ihre Hand nahmen. Gerade
hiergegen aber war es von um so grösserer Bedeutung, dass sich die
Ritterschaft, die Communitas bacheleriae Angliae, wie sie sich nannte, mit
einem Protest hervorwagte, den sie an den jungen, aber der ganzen Entwicklung entschieden
abholden Thronfolger einreichte. Voll loyaler Gefühle für den König, nachdem er
sich den ihm auferlegten Bedingungen unterzogen, beschuldigten sie die Barone,
nur aus eigenem Vortheil zu handeln und noch gar Nichts zum Nutzen des Reichs
gethan zu haben. Offen wurde, falls das nicht anders werde, persönlich auch vom
Prinzen Eduard mit einer Gegenreformation gedroht*).
1)
Die merkwürdigen Patente vom 18. October 1258 bei Kymer I, 377. 378, und
Geschichte von England III, 909. 910.
Zu
ihrem eigenen Schaden indess übersahen die vornehmen Herren auch fernerhin eine
zahlreiche Klasse von Standesgenossen, durch deren Aufnahme, wenn sie gewollt
hätten, dem ganzen Beginnen wirklich populäre Kraft beigebracht worden wäre.
Als wenn sie Niemand stören könnte, schalteten die 12 Vertreter der Gesammtheit
weiter und erliessen eben jetzt in
1) Annales de Burton, p. 471 : festivitate S.
Edwardi regis et confessoris in qnindenam S. Michaelis, der 13, und nicht der
6. October. Wegen der losen Einreihung vieler Documente
in diesen Jahrbüchern bleibt das Jahr, ob 1258 oder 1259, unbestimmt. Ich
entscheide
2) Le cunseil le Rey et les duze esluz par le
cummuri de l'Engleterre saluent tute gent heisst es in ihrer Ansprache vom 18. März 1259 ; Rymer I, 381. Noch im November werden die Reiserichter in
die Grafschaften abgefertigt per consilium magnatum nostrorum ; Shirley II, 141.
Der
einzige, der sie alle überragte, vor dem der König zitterte, war graf Simon,
der, wenn er wirklich Dictator und nicht einer unter vielen gewesen wäre, wohl
manche gefährliche Klippe hätte umschiffen können. So aber blieb immer die
Möglichkeit, dass irgend eine Entzweiung unter den Baronen selber die
Widersacher, an denen es dem Grafen nicht fehlte, auf die Seite Heinrich's
hinüberwarf. Als der letztere einmal in dem gewitterreichen Sommer 1258 auf der
Themse vom Sturm überrascht wurde und in der Herberge Simon's eine Zuflucht
suchte, sagte er demjenigen, der ihm seine Blutsfreunde und Lieblinge entrissen
hatte und den Hof knapp und sparsam zu leben zwang, offen ins Gesicht :, ich
fürchte mich sehr vor Donner und Blitz, aber, beim Haupte Gottes! Dich fürchte
ich mehr als alle Wetter der Welt 1). Und die vornehmsten Standesgenossen
fürchteten ihn nicht minder. Nicht nur seine ganz besonderen Connexionen, seine
stürmische Art zu gebieten hielten ihren Argwohn rege ; schwerlich war er
durchweg mit der exclusiven Haltung des Adels einverstanden, welche den Ritter
und Bürger ängstlich von jeder Theilnahme an den öffentlichen Dingen
aussperrte. Zudem aber war fast ohne ihr Zuthun die Auseinandersetzung mit
Frankreich von Seiten des neuen Regiments vornehmlich in die Hand dieses
geborenen Franzosen gelegt. Als er zum Frühlingsparlament 1259, von seinen
Freunden bereits sehnlichst erwartet, spät vom Continent zurückkam, gab es auf
der Stelle einen Wortwechsel mit demjenigen, der ihm
1)
Matth.
überall
im Range am nächsten stand, der, obwohl ein langjähriger Vertheidiger
reichsständischer Rechte, doch seinen Sohn jüngst mit der Tochter Gui's von
Lusignan, eines der Halbbrüder des Königs, verlobt hatte und nach einem
Zeugnisse sogar von der Krone in den Verfassungsausschuss der 24 gewählt sein
sollte. Den besonderen Anlass, welcher jetzt eben Richard von Clare, -den
Grafen von Grlocester und Hertford, mit Montfort überwarf, so dass dieser
aufbrausend ausrief :, ich mag mit so wetterwendischen und trügerischen
Menschen Nichts mehr zu schaffen haben 1), erfahren wir nicht. Wohl aber
bezeichneten populäre Stimmen die Grafen von Glocester und
Zornig
war Simon gleich darauf wieder nach Frankreich geeilt, wo er bei dem Abschluss
des lange erstrebten Friedens unerlässlich war. Derselbe überliess dann endlich
in aller Form die Normandie sowie die Grafschaften Anjou, Maine,
1)
Ibid. 986.
2)
0 Comes Gloverniae, comple quod coepisti ;
Nisi clandas congrae, maltos decepisti ....
0 tu, Comes le Bygot, pactum serva Sanum :
Cum
sis miles strennus, nunc exerce manum ....
Th.
Wright, Political Songs (
3)
Rymer I, 383 ff.
1)
2) Vic et Vaissete, Histoire de Languedoc VI,
110 und Preuves, p. 522, Urkunde Simon's ausgestellt zu Paris im December 1259.
Fortan
begann zwischen ihnen beiden ein gefahrvolles Doppelspiel, indem sie sich
einander auszuweichen und bei dem englischen Adel wie dem Könige von Frankreich
den Rang abzulaufen suchten. Kaum hatten Simon und seine Gemahlin am 4.
December ihren Beitritt zu dem englisch-französischen Frieden vollzogen 3), so
verliessen sie den französischen Boden und landeten mit einem stattlichen
Aufzuge von Reisigen, der allgemeines Aufsehen erregte. Am 10. Februar 1260 lag
der graf einmal wie ein Fürst bei dem Abte von
1)
Alle Belege bei Green, Pnncesses II, 114 ff.
2)
Gomes autem Leycestriae huic paci opposuit, proponens quod processu temporis
contingere posset quod eaedem terrae simul cum regno Angliae ad alias suos vel
haeredes jure haereditario descendere possent, sagt der Eoyalist Th. Wikes 53.
Vgl. Geschichte von Eng- . land III, 736.
3)
Rymer I, 392.
1)
Matth. Westmonast. 371.
2)
Negotium Siciliae quod assumpsimus secnndum effectmn nostri desiderii veluti
proponebamus hucusque prosequi nequivinius. Shirley II, 147.
3)
Ibid. II, 148. Aehnlich noch einmal an die übrigen Mitglieder des Ministeriums
am 19. Februar, p. 153.
1)
Rymer I, 396 : per quod motum animi ejusdem comitis evidentius perpendere
poteritis qualiter erga Dos se halicat. Das Datum April 28 ist irrig. Eine
ähnliche Warnung an König Richard, der in
2)
Nach Rot. LH. Pat. 44 Henr. III, membr. 6, Montag nach Peter und Paul erhielt
er von Ludwig 14,583 Turnosen für sich und 5000 Mark für König Richard.
3)
Ann. de Dnnstaplla 214. Will. Risbanger Chronica, ed. Riley, p. 9 : iratus
valde, a patris absentavit se conspectibus, adhaerens Baronlbus in häc parte,
sicut juniver.it. Nach Tb. Wikes 54 beschwuren alle Barone das Oegentheil des
Gerüchts. Vgl.
Gesch. v. England III, 738.
1) L'atorne Simon de Montfort conte de Leicestre
a servir pur li. Rymer I, 402.
2) UM parliamentum tenere consueverunt, et non
alibi ; Ann. de Dunst, 217.
riefen aber selber dadurch die längst
vorbereiteten Streiche gegen ihre Satzungen herbei, die sie vor drei Jahren
gleichfalls doch an einem aussergewöhnlichen Orte abgetrotzt hatten.
In
1)
Vor allen Liber de antiq. legibus 45. 46, und Eymer I, 405. Doch auch Th. Wikes 1.
c. : coepit proponere plures articulos contra Barones, et rationes prout sibi
videbatur satis efflcaces, quod non tenebatur observare provisiones Oxoniae.
2)
Eot. Lit. Pat. 45 Henr. III, membr. 13, April 30.
Wie
einst Innocenz DL seinen Vater, so sprach jetzt Alexander IV. den König von
allen ihm aufgenöthigten Verpflichtungen los. Vor der Eintracht der Barone
hatte die Curie einige Jahre geschwiegen, auch niemals den Legaten abgefertigt,
um dessen Beistand Heinrich so dringend ersucht hatte, als er sich im Jahre
1258 den Ständen unterwerfen musste. Der geheime Verkehr zwischen ihm und Rom
war indess ununterbrochen fortgeführt worden. Nothgedrungen ersuchte er um
Nachlass der hohen für Sicilien verschriebenen Geldsummen und bat um Gottes
Willen, nicht auf die Rückführung Aimar's von Lusignan in das Bisthum von
Winchester zu bestehen *). Zum Glück war dieser, als bereits der Bruch zwischen
1)
Ad Titandtim enorme pericnlnm qnod nobis et regno nostro occasione ipslns
posset imminere. Noch von St. Denis ans, Jannar 18. 1260. Shlrley II, 151.
Obwohl
es in Winchester zu keinen geordneten Verhandlungen kam, so traten jetzt doch
der graf von Glocester und andere, die wie er gemässigter dachten, offen auf
die Seite des Königs über, und dieser getraute sich wieder aus eigener
Machtvollkommenheit Justiciar, Kanzler und Schatzmeister zu ernennen. In die
einzelnen Grafschaften aber seine Sheriffs zurückzuführen, fiel weit schwerer.
Vergebens wurde darüber im Juli zu Kingston ein Gespräch mit der Gegenpartei
angeknüpft, die auf Grund der Satzungen von Oxford nur ihre Beamten anerkennen
wollte ; vergebens waren die Befehle des Königs an seine Getreuen diese zu
vertreiben ; vergebens verhandelte dann wieder ein gemischter Ausschuss Monate
lang über einen Vergleich, bis man in Verzweiflung an den Schiedsspruch König
Richard's appellirte, der zu Ostern 1262 dahin erkannte, dass allein der König
wie vor Alters das Recht habe, alle richterlichen und Verwaltungsbeamten frei
ein- und abzusetzen. Darüber brach ein kleiner Krieg rings durch
1)
Rymer I, 405. 406.
Der
graf von Leicester, nachdem Glocester und andere ihm aufgekündigt hatten, der
Leiter der Verfassungstreuen, gab das Spiel nicht verloren. Eine Weile noch
trotzte er auf seine Reisigen, gegen deren Ueberführung der König vergeblich
seine Befehle ausgehn liess ; nebst seiner Gemahlin nahm er den Streit wegen
der Mitgift wieder auf2). Ob er selber in
1)
Shirley II, 192 ; Oct. 18. 196 ; Dec. 6. Rymer I, 411 ; Dec. 7. Vgl. Gesch. von
England III, 742.
2)
Datum est intelligl qnod Simon de Monteforti comes Leycestrtae nititur
introducere in regnum nostrum gentem extraneam cum armis contra nos. Rymer I, 406 ; Mai 28.
1261. Vgl. Green, Princesses II, 129.
3) Ann. de Dunst. 217,
dicens, se sine terra malle mori, quam perjnrus a veritate recedere.
Heinrich
hatte nämlich, noch ehe er sich mit päpstlicher Hilfe zu emancipiren wagte, am
14. März mit Simon und der Gräfin Eleonore die Uebereinkunft getroffen, dass
sie ihren persönlichen Streit der Entscheidung des frommen und Gerechtigkeit
liebenden Königs von Frankreich, und wenn dieser sich weigern sollte, der
Königin Margareta unter Beistand des berühmten französischen Kronjuristen
Pierre le Chambrelain übertragen wollten. Man erwartete, dass der Spruch bis
Ende Juni gefällt sein werde *). Die Antwort Margareta's zwar versprach die
Angelegenheit zu beschleunigen, sobald die Parteien entweder selber oder ihre
Bevollmächtigten erscheinen würden. Ludwig IX. aber, unparteiisch gegen den
Grafen wie gegen Heinrich III., erkannte, dass hier in einem viel allgemeineren
Streite als wegen gewisser Geldansprüche zu entscheiden sei, und die
Veröffentlichung der Bulle auf dem Tage zu Winchester liess darüber keinen
Zweifel. Am 21. April schon erklärte er die Vorlagen beider Theile für
unvereinbar 2). Bald hernach aber, am 20. Juli, rief Heinrich ELT., nunmehr
auch die politischen Differenzpunkte einräumend 3), noch einmal die Vermittlung
der Königin an. Nicht lange darauf nun war der graf heimlich und auf eigene
Hand an den französischen Hof geeilt, um dort wohlbekannt und geachtet, wie er
war, zu Gunsten seiner und der Sache seines Anhangs zu wirken. Ein Schreiben
Heinrich's an Ludwig vom 2. September athmete den Schrecken über diese
Nachricht *) und bat inständigst, weder Simon noch andere seiner Partei
vorzulassen, bis nicht seine eigenen Botschafter einträfen, um Ludwig über die
Lage der Dinge aufzuklären. Daraus wurde nun aber fürs Erste Nichts, weil um
diese Zeit die Aussichten der Royalisten in
1) Nos Henris, par la grace Den rois
Dangleterre, et nos Simon de Muntfort et Alienor, cnens et contesse de
Leycestre. Jetzt gedruckt bei Shirley II, 168. Dazu die Schreiben
an Ludwig vom 17. März,
p. 170. 171. Ueber Pierre de Fontaines vgl. Histoire Litteraire de France XIX,
131 ff.
2)
Bei Green, Princesses II, 121 ; vgl. Shirley II, 173.
3)
Pro facto nos et barones nostros, et specialiter S. de M. comitem L. et
Alienoram, comitissam L. sororem nostram contingente ; Rymer I, 407. Dazu das
Patent vom 5. Juli bei Sbirley II, 176, welches den Herzog Hugo von Burgund und
Pierre le Chambrelaio als Mediatoren bezeichnet.
1) Ob quam tarnen causam, cum id de nostra
conscientia non processerit, penltus ignoramus. Kymer I, 409.
2) Cum .... quidam de regno nostro agentes in
curia Romana in nostri juris et honoris pTaejudicium diversa suggerere et
contra nos impetrare praesumant et Intendant etc. Mai
26. 1262 an die Procuratoren Hemingford und Lovel bei Sbirley II, 210.
Noch
andere Zwecke hiessen ihn die Reise beschleunigen, denn sein Thronfolger
Eduard, der sich in Gesellschaft seiner Vetter, der beiden jungen Montforts,
Heinrich und Simon, an den Ritterhöfen von Südfrankreich und Burgund
herumtummelte, schien noch immer dem Vater und seiner Restaurationspolitik
auszuweichen. Im Juli traf nun freilich der ganze englische Hof, auch Eduard
und sein Bruder Edmund, der Candidat für Sicilien, in Paris zusammen, es wurde
die Einigkeit im Schosse der königlichen Familie wieder gefestigt ; aber eine
Begegnung mit dem Grafen von Leicester, zu welcher die Königin Margareta einlud
*), um sich der von ihr übernommenen Pflicht zu entledigen, scheiterte
einestheils an einem hartnäckigen Fieber, welches Heinrich in St. Germain an
das Bett fesselte, andererseits entzog sich ihr Montfort gewandt und
hinterlistig. Die Abwesenheit des Königs aus dem Reiche war für ihn wie vor
zwei Jahren eine willkommene Aufforderung, sich dort blicken zu lassen. Es kam
hinzu, dass am 15. Juli sein Rival Richard von Glocester gestorben war, und
dass dessen Sohn und Erbe, graf Gilbert, von der Mutter verhindert dem Könige
den Eid der Treue zu leisten, sich der Sache der Barone wieder zugewandt hatte
1). Durch die Fehler, die Schwäche und Falschheit des Gegentheils, schienen
sich die Aussichten, die bis dahin schlimm genug gestanden, wieder zu heben.
Heinrich erkannte nun auch sehr wohl die Gefahr dieses neusten Schachzugs. Schleunig
notificirte er an Justiciar und Kanzler, die in seiner Abwesenheit das Reich
verwalteten, die Abreise des Grafen, damit sie dem Beginnen desselben
entgegenträten, und seinen eigenen Entschluss, da der von der Königin von
Frankreich verhandelte Compromiss nicht aus der Stelle wolle, bei diesem
Verfahren gegen Simon nicht ferner zu beharren 2). Nichts desto weniger blieb
er aber noch bis zum 20. December draussen, fruchtlos bemüht den französischen
1)
Ad praesens non invenire possumus aliquam viampacis ; Rymer I, 416 und
Champollion Figeac, Lettres I, 135.
2)
Champollion Figeac, Lettres I, 136 ; Tgl. Green, Princesses II, 122.
1) Instigante matre sua, Tb. Wikes 58.
2) Quia compromissum nuper initom inter nos et
comitem Leyccstriae coram Regina Franciae non processit nec habemus in eousilio
per illam viara ulterias procedere contra eum. Oct.
8, Rymer I, 422.
1)
Heinrich an Ludwig, Jannar 18. 1263 durch Johann de Chishull, Archidiakon von
2)
Shirley II, 235. 239.
3)
Hein coraos praedietum dominum regem Franciae rogavit qnod, ad praesens, circa
praemissa ulterius non laboravit. Bericht der Gesandten Ghishnll und
Montferrant, Data Parisiis, in crastino cinerum, bei Rymer I, 416 dem Jahre
1262 eingereiht, dem ich noch Gesch. v. England IIIf 744 folgte, jetzt wegen
des datirten Schreibens vom 18. Januar, das dieselben Boten erwähnt, von
Shirley II, 242 dem nächsten Jahre zugewiesen.
IV.
Wohl
war der niedere Adel, die kleinen Kronvasallen normännischer Herkunft so gut
wie die angelsächsische Gentry, vielfach gegen die Magnaten aufgebracht, die
stolz über sie hinwegsahen, wohl hielten viele von ihnen, in richterlichen oder
Verwaltungsämtern geschult, treu zur Krone. Auch in der City gab es unter den
Honoratioren eine starke royalistische Partei, zu der sich mancher ehrenfeste
Alderman, wie Arnold, Thedmar's Sohn, der Verfasser interessanter
Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte der Zeit, bekannte. Die Häupter des Klerus
wenigstens standen noch so gut es gieng dem Streite fern. Allein Ritter,
Bürger, Kleriker waren in ihren breiten Schichten längst dem Beginnen zugethan,
die für alle gleich schädlichen Missbräuche, welche aus der Verbindung des
monarchischen und des curialen Absolutismus erwuchsen, auszurotten. Selbst der
Bauer, der sich für sie alle placken musste, horchte bereits auf Stimmen, die
dem Volke durch den Mund geschickter Ausleger den Anbruch einer besseren Zeit
verkündeten. In allen Ständen herrschte ein mächtiges Verlangen nach
Erleichterung ; Habgier an der Spitze, Willkür von oben erschien allen als der
gemeinsame Feind *), gegen den sich zu erheben endlich der Tag anbrach ; die
Idee, dem Unheil durch ein gemeinverträgliches, ein nationales Mittel
abzuhelfen, schlug tiefe Wurzeln. In denselben Kreisen, die zuerst das
Bedürfniss der sittlichen Umkehr, der socialen Reform aussprachen, unter den
Franciscanern, den Bettelmönchen überhaupt und der niederen Weltgeistlichkeit,
die an den Höfen der Grossen wie in den Hütten der Armen Zutritt hatten, die
auf der Universität ein neues reges Streben hervorriefen und auf den Gang der
Weltereignisse achteten, entstanden gewisse Organe der öffentlichen Meinung,
meist in der Form politischer Reime, roh aber populär, voll bitterer Satire,
aber nicht minder voll derber, gesunder Wahrheit. Die geistlichen Federn verrieth
das Vorwalten des Latein, der volksthümliche Vers war auf das Ohr der grossen
Menge derer berechnet, die nicht lesen konnten und sich doch um die allgemeinen
Interessen zu bekümmern begannen. Studium und Disciplin, wie sie von den
gelehrten Ordensbrüdern in Oxford geübt wurden, standen in innerer Verwandtschaft
mit den Tendenzen, aus welchen die staatsrechtlichen Theorien entsprangen, die
vor einigen Jahren an demselben Orte ihren Ausdruck in Form von Gesetzen
gefunden hatten. An der religiösen, wie an der politischen Erregung aber, in
denen die gleiche starke, populäre Ader pulsirte, hatte kein Mensch grösseren
Antheil als Simon von Montfort. Je mehr er Ritter und Bürger, die
Mittelklassen, wie wir sagen würden, an sich heranzog, desto leichter konnte er
die
1)
Mundi Status hodie multum variatur,
Semper
in deterius misere miitatur :
Nam qui parcit ncmini, quiqne plus lncratur.
Ille plus dilectus est et plus commendatur. Wright, Political Songs, p. 47.
Machtstellung behaupten, zu der ihn sicherlich
ein heftiger Ehrgeiz anstachelte, die an sich illegal gleichwohl in den Augen
vieler das einzige Rettungsmittel gegen die Willkür des unbeschränkten und
treulosen Königthums blieb.
Es
war denn auch schon einmal, als im Sommer 1261 der ständische Ausschuss wegen
Einsetzung der Sheriffs noch verzweifelt mit dem Könige rang, der Versuch
gemacht worden drei Ritter aus jeder Grafschaft, eine Vertretung der
Bachelleria, auf den 21. September zum Parlament der Barone naeh
1)
Cum ex parte episcopi Wygomiensis, comitum Leycestriae et Gloncestriao, et
quorundam aliorum procerum regni nostri vocati sunt tres milites de singnlis
comitatibns nostris, quod sint coram ipsis apnd S. Albamim in instanti festo S.
Mattbaei apostoli, secum tractaturi super commuDJbus negotiis regni nostri.
Sept. 11. 1261. Shirley II, 179.
S*
1)
Juniores Angliae .... tanquam cera liquescens ductilea ad quamlibet formam cum
qaibnsdam baronibus sagt Tb. Wikes 56.
2) Et alii barones et milites sibi adhaerentea
quo magis inter ipsum et nos cum comnioditate majori valeat tractari de pace. Shirley II, 245.
Da
wagte es graf Simon offen die Waffen zu ergreifen. Zu Pfingsten beschied er
seine Mannschaften nach Oxford, und zahlreicher noch als 1258 strömten die
englischen Edlen dorthin ; der graf von Warenne und Anfangs selbst Heinrich,
König Richard's Sohn, entzogen sich nicht. Als ob die eingeborene Ritterschaft
endlich Rache üben durfte an den feilen, fremden Werkzeugen eines unerträglich
gewordenen Drucks J), stürzte sie sich längs der Grenze von Wales von einem
festen Ort auf den anderen, züchtigte den Bischof Peter von Hereford, der aus
Aquabella in Savoyen stammte, verjagte die ausländischen Burgvögte und
Sheriffs, die sich vielerwärts für den König behaupteten, ohne dass Prinz
Eduard hätte entgegentreten können, da Simon den Fürsten von Wales gewähren
liess und auch die Theilnahme der Städter zu gewinnen wusste. Ohne
Gewaltthaten, ohne Raub und Plünderung freilich gieng es dabei nicht ab, um so
eifriger aber strömten die Abenteuerlustigen dem Heere zu, das bald quer über
die Insel bis in die östlichen Grafschaften seinen Rachezug ausdehnte und sich
drohend gegen den Süden und die vornehmsten Stützpuncte der Krone wandte. In
den Reihen herrschte die grösste Begeisterung für den Führer, auf den in solchen
Tagen wohl aus der Schar der Edelleute jenes Lied gedichtet wurde, das seinen
Namen,, die feste Burg, vor allen anderen pries wegen der Liebe zum Recht und
des Hasses wider das Unrecht, dem die Gemeinsamkeit des Landes zujubelte, weil
er den Bischof,, der alle Engländer verspeisen wollte, eingesperrt., Darum
gebührt auch ihm die Meisterschaft *>
1)
Indignati Angligenae .... ad expellendum alienigenas uno animo properabant,
Ann. de Burton, p, 500,
Nachdem
er sein Heer bei Dover gelagert hatte, von wo aus die schmale See sich am
Besten bewachen liess, sandte Simon im Juni den Ritter Roger Clifford mit einem
Schreiben unter seinem Insiegel nach London und forderte die Bürger auf, die
Oxforder Provisionen zu proclamiren, da sie zur Ehre Gottes, zur Treue gegen
den König und zum Frommen des ganzen Reichs erlassen seien *). In einer
lärmenden Volksversammlung, über die Bedenken der königlich gesinnten Aldermen,
der Häupter der Geschlechter, hinweg, jubelte die Commune ihrem Mayor Thomas
Fitz-Thomas zu, als er beantragte, auf die Einladung des Grafen einzugehn.
Damit war es wieder einmal um den König geschehn, der sich nebst den Seinigen
und dem Hofe im Tower eingeschlossen befand. Von verschiedenen Seiten wurde ihm
ein Vergleich angetragen : am 29. Juni wandte sich der Bischof von Worcester an
den königlichen Kanzler Walter von Merton mit inständiger Bitte, dem Reiche zum
Frieden zu verhelfen ; und an demselben Tage verhandelte König Richard mit dem
Heere, das inzwischen an der Themse oberhalb London Stellung genommen hatte.
Dringend rieth er bei Hofe, den Prinzen Eduard in Zaum zu halten, der gewaltsam
in das Tempelhaus eingebrochen war und
1) Il est apel(i de Monfort,
II est el mond et si est fort,
Si ad graut chevalorie ;
Ce voir, et je m'acort,
II eime dreit, et het le tort,
Sl avera la mestrie.
El mond est veräement,
La ou la comun ä ly concent
De la terre lo£e ;
C'est ly quens de Leycestre,
Que baut et joins Be puet estre
De
cele renome'e.
Wright,
Politlcal Songs, p. 61.
1)
Liber de antiq. leg. 54 statuta facta ad honorem Dei, ad fldem Domini regis, et
ad utllltatem totins regni.
2)
Zwei Schreiben Eichard's bei Rymer I, 427. Das zweite anch bei Shirley II, 247.
Vgl. Ann. de Dunst. 222.
3)
Shirley II, 248. Schon am 16. war königliches Geleit für Simon ausgefertigt ;
Bot. Lit. Fat. 47 Henr. III, membr. 8.
lungen
die Seele des Widerstands bei Hofe gewesen war und durch zahllose Pfründen der
eigenen Habgier fröhnte, zu schleuniger Flucht die Themse hinab über den Canal.
Als Heinrich, der Sohn des römischen Königs, der ihm nachsetzte, drüben von
einem französischen Edelmanne festgenommen wurde, machte sein Vater Miene, sich
auf eigene Hand mit den Baronen zu vertragen, falls der König selber nicht für
die Befreiung bürge und sich zu Unterhandlungen herbeilasse*). Der gab sofort
sein Wort, ohne es wie gewöhnlich redlich zu meinen. Mittlerweile nämlich war
es seinem Erstgeborenen gelungen, sich mit getreuen Mannschaften auf die feste
Königsburg von Windsor zu werfen, und auch die Mutter, die Königin Eleonore,
eine Frau von weit grösserer Willenskraft als ihr Gemahl, aber eben deswegen
und wegen des Verbleibens ihrer provenzalischen und savoyischen Sippe die
Zielscheibe des popularen Grolls, gedachte sich zu Wasser zu ihm zu begeben. Da
am 13. Juli, als sie durch die Londoner Brücke fuhr, zwang sie der Pöbel mit
schmählicher Verhöhnung und thätlichem Angriff zur Umkehr.
Solche
Auftritte hatte der graf von
1)
Richard aus Berkhamstead, Juli 10 ; Rymer I, 427. Der König aus dem Tower,
ebenfalls Juli 10 ; Rot. LH. Fat. 47 Henr, III, membr. 7.
Jedoch
sein Erfolg war so wenig sicher und dauernd wie vor fünf Jahren, als er sich
noch weit mehr den Widersprüchen anderer fügen musste. Der Adel von Nordengland
pflichtete ihm nicht bei, sondern lud vielmehr den König ein sich in seine Arme
zu werfen. Prinz Eduard, der tollkühn mehr gewagt, als er ausführen konnte,
sich aher nur gezwungen in sein Schicksal ergab, wurde fast unmittelbar der
Mittelpunct, um welchen sich viele Barone und Ritter sammelten, die
missvergnügt über die gewaltsamen Ereignisse und über die gebieterische,
unrechtmässige Stellung dessen, den sie an ' die Spitze gebracht *), gleich wieder
auf eine Umwälzung sannen. Selbst von denen, die sich bei der Verfolgung der
Fremdlinge durch ihre Leidenschaftlichkeit hervorgethan, sprangen einzelne
über, wie Leiburne, Vaux, Bigod. Der ruhelose Heinrich, Richarde Sohn, der nach
seiner Rückkehr von der französischen Küste nebst einigen von jenen den Auftrag
erhalten hatte den Thronfolger auf die Statuten zu verpflichten 2), erklärte
eines Tags an Leicester, er werde gegen seinen Vater und seinen Oheim, die
beiden Könige, gegen seine Blutsverwandten nimmermehr das Schwert ziehn, und
verlangte Abschied mit dem Gelöbniss auch gegen ihn nicht zu fechten, worauf
jener erwiderte :, Lord Heinrich, nicht wegen Eures Schwerts bin ich betrübt,
sondern wegen Eurer Unbeständigkeit. Geht daher und kehrt in Waffen wieder, da
ich die nicht fürchte 3).
1)
Ita quod per quosdam electos ad hoc statuta Oxoniae per dicta eorum deberent
augmentari vel diminui, prout utilitati regis et regui expediret. Ann. de
Dunst. 224. Ein königlicher Erlass vom 18., der den Prinzen Edmund das Schloss
von Dover an den Bischof von London übertragen heisst, hebt an : Qnia pax inter
nos et barones nostros reformata est et flrmata ; Rymer 1. c.
2)
Die üebergabe des grossen Siegels an Nicolaus von Ely erfolgte am 19. Juli zu
Unter
solchen Verhältnissen dachte König Heinrich wiederum an eine Begegnung mit
Ludwig IX., was völlig unbegreiflich gewesen wäre, wenn der Inhaber der
Staatsgewalt die Reise hätte verhüten können. Zwar liessen sich die Barone-,
als die königliche Familie förmlich nach Boulogne eingeladen wurde, eidlich
geloben, dass der Fürst nach einem kurzen Gespräch baldigst von dort
zurückkehren wolle, zwar forderte dieser selber den Grafen auf, ihn zu
begleiten *), aber die Verabredung zu einem Anschlage gegen seine Autorität
vermochte er auch trotz seiner Gegenwart nicht zu behindern. Das betrieb schon
die Königin, die in Frankreich zurückblieb, während ihr Gemahl sogleich nach
seiner pünktlichen Heimkehr durch die Forderung eines Schadenersatzes für die
depossedirten Fremdlinge und durch Abweisung der ihm aufgedrungenen Räthe an der
Waffenruhe, die er hatte schliessen müssen, zu rütteln begann. Der Bruch war
dann bald vollzogen. Zu Anfang December fanden sich Vater und Sohn so weit
schlagfertig, dass sie von Windsor aus plötzlich gegen Dover rücken konnten
und, nachdem ein Handstreich auf diesen wichtigsten Schlüssel des Reichs
misslungen war, durch einen kecken Anlauf die Hauptstadt wieder in ihre Gewalt
zu bringen suchten. Im Einverständniss mit vier namhaften Bürgern hatten sie
den Moment gewählt, wo Simon in
1)
Comes qaippe Leicestriae omni peue iiobilitim regni caterva obnixius erexit
sibi cornua superbiae, moliendo grandia, cogitando sublimia, nec permisit ejus
improbltas nt aliquatenos flecteretar ad pacem nrtheilt der Royalist Tb. Wikes,
p. 57.
2)
Rymer I, 430.
3)
Will. Eishanger, Chronica 13, ed. Riley.
1)
Heinrich an Ludwig, Ang. 16 : barones nostri ex certis causis ' volnnt
securitatem sibi praestari de reditu nostro festino ; Rymer I, 429. Heinrich an
Simon, Sept. 16 : Einladung am
2)
Green, Priucesses II, 124.
So
hielten sich wieder Gewalt und Verrath, Trotz und Kleinmuth die Wage ; vielfach
durch einander gerüttelt wagte die Lehnsmannschaft Englands noch nicht gegen
das eigene Fleisch und Blut zu wüthen, und eben so wenig vermochte sie oder die
Krone aus sich selber einen Ausweg zum Frieden zu entdecken. Da fand sich
endlich — was überhaupt wohl durch die letzte royalistische Erhebung
vorbereitet werden sollte und wozu die Begegnung in Boulogne den Grund gelegt
2) — Ludwig IX. bereit, die Angelegenheit in ihrem ganzen Umfange vor sein
Tribunal zu ziehn. Am Sonntag dem 16. December erklärten Heinrich III., Prinz
Eduard und ihr Anhang von Windsor aus, wenn der Spruch wegen der Oxforder
Provisionen und aller Streitigkeiten, die daraus erwachsen, bis zu den nächsten
Pfingsten gefällt sein würde, die Entscheidung des Königs von Frankreich
unbedingt anzuerkennen, nachdem bereits am 13.
1)
Quatinus .... ad perturbationem predicti regni nostri cnm equis et arrais
commorantes vis'is litteris istis sine dilatione aliqua amoveatis ab eadem,
Dec. 8.' Jetzt gedruckt bei Shirley II, 250.
2)
Auch Erzbischof Bonifaz, der Königin Oheim, war in Paris, in sermonibus
publicis tarn apud Präedicatores quam apud Minores regis Angliae comitisque
Leicestriae Processus gestaque declaravit, Nicolai Trivet Annales 254 (Engl.
Hist. Society).
3) Super provisionibus, ordinationibus, statutis
et obligationibus Omnibus Oioniensibus, et super omnibus contentionibus et
discordiis quas babemus et habuimus usque ad festem Orunium Sauctorum. Die Instrumente bei Rymer I, 433. 434, nnd Shirley II, 251.
Gleich
nach Weihnachten begäben sich der König und sein Sohn mit zahlreichem Gefolge
nach Amiens, wohin die Ladungen ausgeschrieben worden, und auch graf Simon
hatte sich bereits inKenilworth verabschiedet, als er durch einen Sturz vom
Pferde bei Catesby in Northamptonshire den Oberschenkel brach und daheim
bleiben musste. Seinerseits indess wurden am 31. December Humphrey de Bohun der
Jüngere, Heinrich und Peter von Montfort, Adam von Newmarket, Wilhelm
Marschall, Wilhelm le Blond und drei geschäftserfahrene Kleriker deputirt1). Es
war am 23. Januar 1264, als Ludwig, nachdem die Anwalte beider Theile gehört
worden, in feierlicher Sitzung seinen Schiedsspruch, die sogenannte Misa von
Amiens, abgab. Er cassirte, nachdem schon der Papst sie für null und nichtig
erklärt, die Provisionen und das ganze Verfassungsrecht, das daraus abgeleitet
werden sollte, da sie der Krone nur Abbruch an Macht und Ehre, dem Reiche
Unfrieden, der Kirche Beraubung, den Privaten, Weltlichen und Laien,
Eingeborenen und Ausländern die grössten Einbussen bereitet hätten. Ihre
Beobachtung oder gar eine fortgesetzte Gesetzgebung auf Grund derselben wurde
verboten, alle dem Könige abgenöthigten Verträge widerrufen. Diesem sollten
seine festen Plätze ohne irgend ein Pfand zurückgegeben, die unverkümmerte
Befugniss seine hohen und niederen Diener ein- und abzusetzen, sie aus Fremden
so gut wie Inländern zu wählen gelassen werden. Gegen die völlige Restitution
der monarchischen Autorität blieben keine anderen Garantien, als dass
sämmtliche vor dem Jahre 1258 ausgestellten Freibriefe und Charten hierdurch
nicht berührt und für Alles, was inzwischen geschehn war, eine allgemeine
Amnestie zugesagt wurde *).
1)
Ann. de Dunst. 227, und Simon's Vollmacht aus dem Pariser Archiv, abgedruckt zu
der von Halliwell unter dem Namen Risliangcr's herausgegebenen Chronik (The
Chronicle of William de Rishanger of the Barons' War, Camden Society 1840), p.
122.
Alle
Zeitgenossen mussten wissen, dass von dem heiligen Ludwig, dem Mehrer seines
Reichs, dieser Zierde monarchischen Regiments nur ein Urtheil zu Gunsten des
unbeschränkten Königthums zu erwarten stand. Als Schwager Heinrich's konnte er
überdies kein unparteiischer Richter sein. Aber hofften die Barone wirklich,
dass er für sie entscheiden werde ? Giengen sie etwa nur zum Schein auf diese
Unterhandlungen ein ?
1)
Das Actenstück bei Kymer I, 433, auch im Pariser Archiv und aus Mittheilung an
die City von London im Liber de antig., leg. 59.
1) Forte minus sapienter et inutiliter quam
deceret eructatione siquidem improvisa suum praecipitavit arbitrium. Tb. Wikes 58.
2)
0 rex Francoram, multorum causa dolorum, Judex non rectus, ideo äs jure
rejectus.
Ms.
Cott. Otho D. VIII, citirt bei Blaauw, The Barons' War 1844, p. 98. 1) Rymer I,
428.
Wenn
er sich überhaupt kaufen liess, so geschah das um einen Preis, der an einer
ganz anderen Stelle lag, der dem Könige von England nicht nur Nichts kostete,
sondern zur grössten Erleichterung gereichte. Am 28. Juli 1263 *) nämlich hatte
Papst Urban IV. diesen von allen und jeden Verpflichtungen entbunden, die er
für die seinem Sohne 'Edmund zugesprochene Krone von Sicilien auf sich
genommen, während gleichzeitig Ludwig's Bruder graf Karl von Anjou ins Auge
gefasst wurde als die geeignete Persönlichkeit,um die letzten Sprossen der
hohenstaufenschen Dynastie niederzuwerfen. Und auch die Misa von Amiens sprach
es deutlich aus, dass der heilige Vater noch immer der oberste Schiedsrichter
über die Schicksale der Reiche war, über den Normannenstaat des Nordens, wo der
devote Träger der Krone gegen die parlamentarischen Gelüste seiner Unterthanen
geschützt' werden musste, wie über den des Südens, wo es galt, ein
unbotmässiges, auf ewig verfluchtes Herrscherhaus abzuwälzen. Der König von
Frankreich hatte immerhin als Nachbar und Lehnsherr ein Wort in dem
Verfassungsstreite mitzureden, und seine reale Macht war gross genug, um bisher
beide Theile von offenem, blutigem Kampfe zurückzuhalten. Bei Urban dagegen lag
das Erkenntniss in höchster Instanz. Er hatte denn auch ganz nach der Taktik
seines Vorgängers, als dieser den ersten Eidbruch Heinrich's III. im Voraus gut
hiess, gewissermassen als Einleitung zu der durch den König von Frankreich
erfolgenden Cassation der Oxforder Artikel, während des Sommers 1263 den
Engländern wiederholt in Erinnerung gebracht, dass Alles, was sie durch
Conspiration erstrebten, das vom bösen Feinde ausgestreute Unkraut und deshalb
längst vom heiligen Stuhl verdammt sei. Auf Grund diplomatischer Uebereinkunft
erliess er zur verabredeten Zeit am 27. November das Mandat, gegen die
englischen Rebellen das Kreuz zu predigen, und schrieb drohend an den Grafen
von Leicester,, den Rädelsführer des Aufruhrs, der so fluchwürdig von dem
Beispiel seiner berühmten Vorfahren abgewichen, die einst für einen
lobenswerthen Frieden geeifert hätten *). Mit demselben Boten gieng die
Nachricht ab, dass demnächst einer der tüchtigsten Vertreter der päpstlichen
Politik, Guido der Cardinalbischof von Sabina, als Legat eintreffen werde. Fast
mit umgehender Post Mitte März wurde in Rom die Bestätigung des Spruchs von
Amiens ausgefertigt2). Man sieht, wie Alles bestens in einander griff, wie die
Curie und Frankreich als Verbündete der englischen Krone den
ständisch-nationalen Prätensionen gewachsen zu sein glaubten, die ihnen allen
drei unbequem zu werden drohten.
König
Heinrich hatte sich erst am 15. Februar in sein Reich einzuschiffen gewagt,
nachdem er von der Abreise des Cardinallegaten erfahren und bei Ludwig abermals
beträchtliche Geldmittel aufgenommen hatte. Ihm war doch unheimlich zu Muth,
als zwar manche seiner Gegner vor Schreck über das harte Urtheil die Waffen
niederlegten, andere dagegen nun erst recht die Oxforder Artikel behaupten zu
müssen glaubten, da ja alle früheren Freibriefe, insonderheit die Magna Charta
bestätigt worden, als deren Consequenz jene lediglich zu betrachten seien. Von
graf Simon lief das Wort um : er werde mit seinen vier Söhnen festhalten,
obschon er in fernen Landen unter Christen und Heiden nicht auf solche Tücke
und Treulosigkeit gestossen wie hier in
1)
Primas inter actores turbationis hujnsmodi .... nam com tat progeuitores sicut
de ipsis habet fama laudabüis pacis zelatores extiterunt .... immo
dampnabiliter degenerare videris ab Ulis. Urbani IV, Epp. III, 188. 199 nach
den Copien in Ms. Add. Mus. Brit. 15,361. Dazu Raynaldi, a. III, § 83. 84.
2)
Die Acten der Curie in der Angelegenheit zusammengestellt in meiner Geschichte
von England III, 758. 759.
Die
Wahl dieser Stadt, nach welcher Heinrich nicht nur die Baronie des Reichs zum
Parlament berufen, sondern die wegen ihrer strategischen Lage sich geschickt
zum Angelpunct für seine militärischen Unternehmungen im Bürgerkriege darbot,
hatte eine sprechende Bedeutung im Gegensatz zu dem, was hier einst vor sechs
Jahren geschehn war. Allein eine grosse Schwierigkeit musste zuvor
hinweggeräumt werden, der Geist der Universität, den die Barone ohne Zweifel
schon damals mit Erfolg verwerthet hatten. Von den rührigen Franciscanern
gepflanzt, war er der von ihnen verkündeten Sinnesänderung aus streng
religiösem Bedürfniss und der practischen Reform in socialer Richtung
entschieden zugewandt} der intime Gedankenaustausch zwischen Männern wie
Grosseteste, Marsh und Montfort, der sich auf die höchsten Fragen in Kirche und
Staat erstreckte, hatte die tiefsten Wurzeln geschlagen. Gerade um die Mitte
des Jahrhunderts hatte sich das Studium zum ersten Mal zu der Höhe einer
Landesschule aufgeschwungen, denn aus allen Gegenden des Reichs strömten
lernbegierig die Angehörigen der besitzenden Klassen hierher zusammen, um in
der nüchternen, aber populären Scholastik der Minoriten disciplinirt zu werden
*). Die Entwürfe und Ideen, von denen die Väter ergriffen waren, fanden bei der
Jugend eine noch weit stürmischere Aufnahme. Die ab- und zuwandernden
Scholaren, durch die im ganzen Lande spukende Rauflust gestachelt, schlugen sich
wüthend mit den Bürgern in dem Augenblick, als Eduard auf dem Marsche nach
Glocester vorüberzog 2). Hierdurch wohl zunächst bewogen, hatte der König
sofort, nachdem er in
1)
Die von Halliwell dem Kishanger beigelegte Chronik, p. 17. 18.
2)
Shirley II, 254.
1)
S. im Allgemeinen mein Tübinger Programm von 1864, p. 21 ff. 2)% Wood,
Hist. et Antiq. Oxon., p. 111.
In
1)
Nos attendentes quod sine gravissimo pericnlo ibidem morari non possetis,
maxime com in
2)
Erat enim clericorum numerus, qnornm nomina scripta fuernnt in matricntis
rectorum, excedons XVM. Rishanger, ed. Halliwell, p. 22.
Diese
Schlappe war indess an einer anderen Stelle mehr als aufgewogen. In der Stadt
London, wo jeder nachgiebige Schritt verworfen wurde und die Bewegungspartei,
die Bacheleria *), durchaus, die Oberhand hatte, griff die ganze zahlreiche
Bevölkerung unter eigenem Constable und Marschall zu den Waffen. Hier schaltete
Hugo Despenser noch als Grossjusticiar und ohne Zweifel auch in
Uebereinstimmung mit dem Grafen von Leicester. Am 31. März läutete die grosse
Glocke von St. Pauls zum Sturm, und hinaus gieng es, um die herrlichen
Parkanlagen König Richard's in Isleworth, die benachbarten Güter Wilhelm's von
Valence, Walter's von Merton, Philipp Basset's von Grund aus zu zerstören.
Drinnen überfiel man die Juden und forschte nach ihren im Tempelhause
deponirten Geldern. Ein Edelmann, der den reichen Kok Abrahamson erschlagen,
bot dem Grafen von Leicester die Hälfte des Raubs. Auch an die Beamten der
königlichen Gerichtshöfe in
1)
Copie einer Aufzeichnung des Stadtschreibers von London in Ms. Mus. Brit. Add.
5444, fol. 66b : quod saltem nnicnm et solum remittat articulum, viz. quod
alienigenis ab
2)
Vier Docnmente bei Rymer I, 436. 437 ; März 18. 18. 20. Im letzten heisst es :
Com jam in regno nostro gravissima turbacio Sit suborta, ex qua pericnlum regni
et corone Angiie, qnod absit, de facili possit imminere.
3)
Walter de Hemingburgh I, 311 (ed. Engl. Hist. Soc.) habebant enim vexillnm per
se et in sublime contra regem erectum.
Schon
von Oxford aus hatte eine Abtheilung unter dem Grafen von Warenne, der
neuerdings wieder der entschiedenste Partisan des Königs geworden, sich nach
Rochester in Kent gewendet. Am 19. entriss ihnen Simon mit stürmender Hand die
Stadt, aber das alte,
1)
Innumora multitudo ribaldormn quos bachilarios vocitabant, Th. Wikes 58.
2)
Th. Wikes 58—60. Lib. de antiq. leg. 61. 62.
einst
von Bischof Gundulf, dem grossen Baumeister des Eroberers, errichtete Schloss
vermochte er mit allem seinen Sturmgeräth nicht zu bezwingen. Die Ostertage
verstrichen ; da kam die Nachricht, dass Prinz Eduard, der bisher in Leicester
und Nottingham, in den Besitzungen Montfort's und Derby's, stark gehaust und
sich nun vollends mit den Herren von der schottischen Mark vereinigt hatte, das
königliche Hauptheer in Eilmärschen heranführte. Während nun die Londoner
Bürger den Grafen nöthigten, am 26. zur Deckung ihrer Stadt zurückzugehen,
Darüber
war jeder Versuch auf
Am
6. Mai war Leicester, nachdem er mit den Edelleuten und Bürgern
übereingekommen, nochmals gegen Annahme der Statuten von Oxford die Hand zum
Frieden zu bieten, an der Spitze seiner Reisigen, denen sich ein starker^Haufe
Londoner, bis an 15000 Mann, angeschlossen hatte, nach Süden ausgerückt*). Am
12. Mai lagerten sie auf dem waldigen Höherücken, etwa eine Stunde oberhalb
Lewes bei dem Dorfe Fletching. Ein kurzes, höfliches Schreiben an den König,
unter den Siegeln der Grafen Leicester und Glocester, das ihn ersuchte, gewisse
Rathgeber, seine Feinde und die ihrigen, aufzugeben, wurde von den Bischöfen
von London und Worcester in das- Kloster überbracht, wo sie mündlich sich ihres
eigentlichen Auftrags entledigten. Indess die Kampfbegier Eduard's und dieses
Mal auch Richard's wollte von keinen Anträgen wissen, obwohl
1)
Rishanger, ed. Halliwell, p. 27. Lib. de antiq. leg. 62.
Der
Streit mit Worten hatte ein Ende, der blutige Waffengang allein musste nunmehr
entscheiden. Auf Seite der Patrioten war Alles von einem Gefühl, demselben
Glauben und Willen, derselben Liebe zu Gott und dem Nächsten durchdrungen s),
kraft deren der Tod für das Vaterland nicht zu fürchten sei. Zu der Thatkraft
und der Feldherrngabe Simon's, von der er einst in der Gascogne die
rühmlichsten Beweise gegeben, hegte jedermann unbedingtes Vertrauen *). Allen
voran befahl er dem Himmel den Ausgang, indem er, wie es sein Vater zu thun
pflegte, und wozu die unvergesslichen Seelsorger, wenn sie noch gelebt hätten,
ermahnt haben würden, die Nacht im Gebet verbrachte. Den würdigen Bischof
Walter von Worcester, standhaft und gleichgesinnt, sah man von Zelt zu Zelt
durch die Reihen schreiten und überall nach dem Sündenbekenntniss Sacrament und
Absolution ertheilen. Auch das weisse Kreuz auf Brust und Rücken, das ein jeder
angelegt, galt als Symbol, dass es sich um einen heiligen Streit handelte. Noch
waren die Unternehmungen gegen die Ungläubigen in fernen Landen, an denen der
Feldherr selber einst sich betheiligt hatte, nicht abgebrochen. Wie damals im
Jahre 1215 die Väter thaten, scharten sich die Engländer abermals zu einem, Heere
Gottes wider dieselben Bedränger zusammen.
1)
Darauf gebt auch die Ballade, oder vielmehr das Spottlied, dag älteste in
englischer Sprache, das so oft abgedrnckt ist :
The
Kyng of Alemaigne, bi im leaute°
Thritti
thousend ponnd askede he
For
to make the pees in the conntre'e.
Percy,
Reliques of ancient English poetry, ed. 1840, p. 90. Wright, Political Songs,
p. 69.
2)
Die drei Schreiben finden sich nicht auf den durch die kriegerischen Hergänge
stark gestörten Rollen der Staatskanzlei, dagegen In den meisten Annalen der
Zeit, aus den Fortsetzern des Matth.
3) Per omnia una fides, una volantag fuit, amor
et Del et proximi ; Risbanger, ed. Halliwell, p. 34.
Beim
ersten Morgengrauen am Mittwoch dem 14. Mai erhob sich der graf und ordnete
seine Scharen am Saume des waldigen Höhenzugs, von dem sie auf Burg, Ort und
Stift von Lewes und auf den stattlichen Fluss herabschauten. Ein Wagen, dessen
sich Simon wegen des noch kaum überstandenen Beinbruchs bedient hatte, stand in
der Mitte. Jetzt trug er nach dem Brauche der Zeit die Hauptstandarte und in
Fesseln jene vier Londoner Bürger, die ihn im vergangenen November in Southwark
an den König hatten ausliefern wollen. Rings herum unter starker Bedeckung eine
Burg aus allerhand Fuhrwerk, und auf beiden Flügeln in dichten Massen die zum
Angriff bestimmten- Haufen. Eben stieg die Sonne aus dem Meere auf, als Simon
noch einmal die Knie bog und das Heer desgleichen mit ihm das letzte Gebet
verrichtete. Dann trat man, nachdem der graf den jungen Glocester und zwei
Altersgenossen Robert de Vere, graf von
1)
Tum prnpter ejus constantiam, tum propter belli notitiam. Tantus erat ei ardor
flnem maus imponere, nt mallet ultima experirl, quam regni calamitatem ulterlus
protendi. Opus chronicorum, ed. Eiley (Eerr. Brit. med. aevi SS. 1866), p. 10,
eine neuerdings erst herausgegebenr, ebenfalls aus St. Albans stammende
Aufzeichnung, die schon von beiden unter Rishanger's Namen gehenden Redactionen
der Fortsetzung des Matth.
Die
Königlichen, die nach Art von Cavalieren den Abend lustig bei Gesang und
Becherklang und sogar trotz der geistlichen Herberge in Weiberarmen verbracht
hatten, wurden völlig überrascht 2). Aus den Betten hinweg rief sie die Meldung
ihrer Feldwachen in den Kampf, der fast unter den Mauern des Orts von einer
Streifschar aufgenommen wurde, die früh Morgens zum Fouragiren gesattelt hatte.
Allein rasch war die Rüstung übergeworfen und unter den wappenbemalten Bannern
ihrer Führer sammelten sich die Mannschaften in Reihe und Glied. Sobald das
uralte Feldzeichen der Könige von England, der britische Drache, hoch in der
Luft flatterte, gieng das Heer voll ritterlichen Muths in drei Treffen, vom
Kronprinzen, dem römischen Könige und Heinrich HI. selber befehligt, zum
Angriff vor. Der graf von Leicester hatte gerade noch Zeit, eine andere
Stellung zu nehmen, deren Nothwendigkeit er mit scharfem Blick aus der Natur
des Bodens erkannt hatte. Die wenig disciplinirten Londoner Banden wurden drei
tapferen jungen EdeUeuten, Hastings, Segrave und Borham übergeben, um von
Norden geradeswegs auf die Mauern der Burg heranzudringen ; das zweite Treffen
befehligte Gilbert von Glocester, das dritte rechts neben ihm die beiden jungen
Montforts, Heinrich und Gui. Ihr Vater verblieb bei der Nachhut und leitete das
Ganze.
1)
Hauptquelle ist die gewiss von einem Augenzeugen stammende Partie über die
Schlacht in Rishanger, ed. Halliwell, p. 31 ff. Dazu Mittheilungen ans der
handschriftlichen Chronik von Rochester, ebendort, p. ISO, nnd Rishanger, ed.
Riley, p. 25. 26.
2)
Allgemein Th. Wikes, p. 62 At Uli stupefacti perpropere snrgentes .... exeuntes
in occursum multitndinis tarn profanae. Nach gleichzeitiger populärer Schilderung
Political Songs, p. 80 :
Qui carnis luxuria foeda sordnerunt,
Factis lupanaribus robur minuerunt,
TJnde militaribus indigni fuerunt. Dazu
Chronicon de Mailros, ed. Stevenson, p. 193, noctem illam corei et cantileois
occnpans, potacionibns et scortacionibus insistebat, freilich ; protestante
mihi nno nobili qui ibi fuerat.
Als nun Eduard voll wilden Ungestüms und
bitteren Ingrimms sofort gegen die Städter einrannte, die seine Mutter
verunglimpft, sie rechts ins Wasser, links die Höhe hinauf jagte, gelangte er
weit ab bis zu dem Carrocium, dessen Bedeckung mitsammt den vier unglücklichen
Gefangenen niedergemacht wurde. Schon glaubte er in stundenlanger Verfolgung
und blutigem Gemetzel den Kern des feindlichen Heers und seinen Führer selbst
geworfen zu haben, als dieser, ohne viel nach den Bürgern zu fragen, seine weit
schlagfertigeren Treffen gegen die beiden Könige anrücken liess. Nach längerer
Gegenwehr wurden deren Reihen völlig gebrochen. Was nicht erschlagen lag,
suchte sein Leben zu retten, wie es eben gieng, die Einen im Asyl der Priorei,
die Anderen, indem sie sich auf der Walstatt den Siegern ergaben. Warenne, Valence, Gui von Lusignan, Hugo Bigod nebst 300 Reitern
schlugen sich nach Pevensey durch und setzten von dort nach der französischen
Küste über. König Heinrich, dem das Pferd unter dem Leibe gefallen war, reichte
sein Schwert dem Grafen von Glocester ; und sein Bruder Richard gar, der auf
einer im Gefechte als Stützpunct und Observatorium benutzten Mühle *) Zuflucht
gesucht, stieg verspottet als Gefangener herab. Viele Herren wie die Grafen von
Hereford und Arundel, Philipp Basset, Heinrich Percy, die Barone aus dem
schottischen Niederland, Bruce, Baliol, Comyn mussten sich ergeben. Nur je zwei
namhafte Herren auf beiden Seiten, und im Ganzen etwa 5000 Knechte und Söldner
waren umgekommen. Schon wurde es Abend, als der Prinz und sein Vetter Heinrich,
nachdem sie siegestrunken den versprengten Städtern weit in
1) Motus est exercitus baronum versus quoddam
molendinura circa Lewes, Ms. Mus. Brit. Add. 5444,
fol. 68. Ausführlich Chron. de Mailros 196 und die englische Ballade :
The
Kyng of Alemaigne wende do ful wei,
He
saisede the mulne for a castel,
With
hare sharpe swenles he grounde the stel,
He
wendo that the sailes were mangonel
To
helpe Wvndesore.
Einen
solchen Kampf der Unterthanen wider ihren König, zwischen den nächsten
Blutsverwandten und demselben Volke von einer Zunge und einem Glauben hatte
England noch nicht erlebt. Ein heiliges, obschon freudiges Gefühl des Danks
flog weit und breit über das Land, das durch eine grosse Entscheidung von
unerträglichem Druck befreit zu sein und aus den Saaten des eigenen Bluts eine
glückliche Ernte einzubringen verhoflfte. Die begeisterten volksthümlichen
Anhänger Simon's feierten ihn jetzt, nachdem er mit geringeren Streitmitteln
die viel kriegstüchtigeren Gegner bezwungen, fast in puritanischem Geiste wie
einen Moses, der das Volk Israel von der Drangsal Aegyptens errettet, wie einen
Gideon oder Matathias. Nächst Gott gab man ihm und seinen tapferen Söhnen die
Ehre ; er hiess der Eckstein der englischen Freiheit2).
1)
Ueber die Schlacht bei Lewes kommen die Quellen, vielfach übereinstimmend und
sich ergänzend, in folgender Ordnung zur Geltung : Th. Wikes 62, die beiden dem
Rishanger beigelegten Aufzeichnungen, die Ann. Waverleienses, p. 356. 357 der
neuen Ausgabe, das Chronicon de Mailros 392 ff., ed. Stevenson, dem der Bericht
eines anwesenden Schotten eingeflossen ist. Die ausführlichsten topographischen
und genealogischen Angaben in dem trotz seinen kritischen Mängeln sehr
brauchbaren Werke von Blaauw, The Barons' war, including the battles of Lewes
and Evesham 1844, p. 143—189.
2) Fides et fldelitas Simonis solius
Fit pacis integritas Angliae totius.
Wright,
Political Songs, p. 85, das längste und inhaltreichste dieser Lieder, das noch
in demselben Jahre gedichtet wurde.
Das
Grottesgericht der Feldschlacht hatte dahin entschieden, dass der König, der
nur eigenwillig oder abhängig von unberechtigten Günstlingen regieren wollte*),
sammt seinen Getreuen und nächsten Angehörigen in die Gewalt derer kam, die
nach einer Reihe fruchtloser Versuche kein anderes Mittel besassen, als ihn zu
zwingen. Die Monarchie abzuschaffen in diesem von starker Königshand
begründeten Staate fiel ihnen niemals ein. Aber blieb der Fürst, welchem die
von seinen Lehnsleuten entworfene Verfassung aufgenöthigt wurde, mehr als ein
Schattenbild jener Würde, die einst Volk und Staat in eine Einheit gefügt hatte
? War diese verfassungsmässig parlamentarische Ordnung auch nur auf anderem
Wege als durch Härte und Unrecht gegen den Einen zu erreichen, unter dessen
Druck die Vielen so lange gestöhnt ?
Kaum
hatte Montfort den Excessen, die dem Siege folgten, ein Ende gemacht, so hub
für ihn das schwierigere Amt des Staatsmanns und Regenten an. Und weise, klug
berechnet waren allerdings seine ersten Schritte. Während einige Franciscaner
und Mönche des Stifts, um ferneres Blutvergiessen zu hemmen, geschäftig
zwischen Freund und Feind hin und hergiengen, und der erste Erlass des Königs
der Besatzung des Schlosses die Waffen niederzulegen befahl, da zwischen ihm
und den Baronen Friede geschlossen worden *), wurde ein vorläufiger Compromiss,
die Misa von Lewes, eingeleitet. Das Document darüber ist wie so manches andere
aus der Zeit der Unruhen später unterdrückt worden, doch fehlt es nicht ganz an
Angaben über seinen Inhalt. Es athmete den Geist der Mässigung, der den König
nicht verantwortlich, aber wohl bis zur Unterwerfung fügsam zu -machen
trachtete. Es tastete noch immer nach einem höheren Schiedsgericht, das,
nachdem die Bemühungen Ludwig's IX. gescheitert waren, sich etwa aus
französischen und englischen Bischöfen und Pairs mit Hinzuziehung des
päpstlichen Legaten componiren liess. Es betrachtete die Oxforder Provisionen
als das öffentliche Landesrecht, an denen allerdings, aber nur nach gemeinsamen
Beschlüssen für und wider zu ändern sei 2). Der Ausschluss aller Fremden von
einheimischen Aemtern dagegen, die strengste Sparsamkeit in den Finanzen des
königlichen Haushalts waren Forderungen, von denen nicht das Geringste
nachgelassen werden konnte. Ausserdem dann gegenseitige Amnestie und Austausch
sämmtlicher Gefangenen, der von Northampton gegen die von Lewes, ohne jedes
Lösegeld, als unstatthaft im Kriege unter Landsleuten. Die Prinzen Eduard und
Heinrich sollten bis zur völligen Erledigung als Bürgen haften und das an
Heinrich von Montfort übertragene Schloss von Dover, Richard nebst seinem
jüngeren Sohne Edmund sein Eigenthum Wallingford nicht verlassen dürfen.
1)
Dass jedes geordnete Regiment ein Ende hatte, beweist schlagend folgender
Kanzleivermerk zn einem Erlass aus Lewes am Tage der Schlacht, dem 14. Mai, in Betreff der
französischen Snbsidien : Et sciendum quod magister Arnulphus, cancellarius
regis Alemanniae, dictavit et scripsit manibus propriis litteram supradictam,
sine consilio et assensa alicajns clerici de cancellaria : et consignata fuit
coram consilio Domini Regis apud Lewes die snpradicto. Rvmer I, 440.
1) Rot. Lit. Fat. 48 Henr. III, membr. 13 : quia
pax inter regem et barones formata est.
2) Ita ut cum deliberatione tractaretar, quae
provisiomim et statutoium essent pro otilttate regni tenenda et quae delenda ;
Rishanger, ed. Riley, p. 28. Dazu Halliwell, p. 37
; Wikes 63 ; Lib. de autiq. leg. 63.
Schon
auf dem Wege nach
Bei
Weitem die wichtigste Massregel aber war die Ladung eines Parlaments nach
1) Die Proclamationen vom 17. 25. 28. Mai, vom
2. 4. und 11. Juni bei Rymer I, 441—443. Vgl. Rishanger,
ed. Eiley 29.
2)
Rot. Lit. Pat. 48 Henr. III, membr. 12. Vgl. A. Wood, Hist. et Antiq. Oxon. p.
113.
3)
Quatuor de legalioribus et discretioribus militibus dicti comitatus per
assensum ejnsdem comitatus ad hoc electos ; Rymer 1, 442, Jnnl 4. Da ihre Anwesenheit nicht urkundlich erwähnt wird, bezweifelt sie
hyperkritisch der Report on the Dignity of a Peer I, 154. 1) Rymer I, 443. 444.
An
demselben 23. Juni nun erhielten der Bischof Stephan von Chichester, graf Simon
und Gilbert von Glocester die königliche Vollmacht zur Wahl der neun Räthe. Die
Seele der ganzen Wendung, welche eingetreten war, der Regent des Reichs, der
Protector, wie ihn sein Zeitalter schon genannt hat, konnte selbstverständlich
in dieser Commission nicht fehlen. Im Unterschiede zu der Baronialregierung, an
welcher er früher betheiligt gewesen, wusste er diesmal mit politischem
Scharfblick die Vielzahl aus den gewählten Ausschüssen fern zu halten, theils
um grössere Eintracht, vornehmlich aber um seine Einzelmacht zu wahren. Ihm
selber als der Spitze der Pyramide sollte die Berufung der Ritterschaft zur
breiten, sichereren Basis dienen.
Ungewöhnlich
und unberechtigt war doch durchaus die Stellung, die er.aus Pflichtgefühl für
die Wohlfahrt des Reichs nicht minder als aus wirklicher Herrschlust zu
behaupten trachtete. Allen anderen war das Waffentragen untersagt, sich selber,
seiner persönlichen Sicherheit behielt er es vor 1). Für und gegen ihn und sein
Werk ergieng sich jetzt heftig und scharf die Beurtheilung der Parteien, die,
da sie nicht zu unterdrücken war, höchst eigentümlich zu Worte zu kommen wusste.
Die
Gegner schrieben ihm für sich und seine Söhne, die er zärtlich liebte, die
selbstsüchtigsten Entwürfe zu : wie ein Vormund habe er bereits die weiten
englischen Herrschaften des römischen Königs und achtzehn Baronien royalistisch
gesinnter Standesgenossen in Verwahrung genommen ; er schleppe seinen König
gleich einem Gefangenen mit sich im Lande herum ; ein graf als Mitregent achte
sich der königlichen Majestät gleich*). Die Leute aber, die ihn beschuldigten,
nur auf den eigenen und seiner Nachkommen Vortheil bedacht zu sein, übersahen
ganz den Eifer, mit dem er rastlos seit 1258 sich der allgemeinen
Angelegenheiten annahm ; sie verschlossen ihre Augen vollends gegen die
heillosen Missbräuche, in welche das Reich durch das legitime Willkürregiment
immer tiefer gestürzt worden war, und die Niemand energischer bekämpfte, als der
von ihnen Verführer und Usurpator Gescholtene 2).
1)
Eymer I, 445 ; Juli 16. Praesertim cum ex hoc nulli de reguu dampnum debeat vel
periculum imminere.
Mit
merkwürdiger dialektischer Schärfe sind diese Gegensätze in einer langen
gleichzeitigen Dichtung gezeichnet, deren Verfasser, ohne Frage ein Kleriker,
wahrscheinlich Minorit, tief religiös und zugleich national königlich gesinnt,
in nüchterner, fast staatsrechtlicher Begründung den einzigen Ausweg aus dem
Streite in dem reinen, unbehinderten constitutionellen Vertrag fand, den Grafen
von Leicester aber als völlig selbstlos und opfermuthig, als Retter und Heiland
des Reichs feierte3). Nach volksthümlicher Ueberzeugung hielt Simon, den
Geboten des katholischen Glaubens aufrichtig ergeben und wie ein Gelehrter in
den kanonischen Satzungen bewandert,unwandelbar an dem Eide fest, den er
geschworen, vermittelst der Statuten von Oxford das Reich zu reformiren.
Nachdem so viele untreu geworden, hätten ihn keine Verfolgung, selbst die
Drohung des Prinzen Eduard mit Strick und Galgen nicht zu erschüttern vermocht.
Nun ist durch das Gottesurtheil von Lewes entschieden, und zwei Könige nebst
ihren Erben, die einst meineidig eine billige Abkunft verschmäht, sind wegen
Uebertretung der göttlichen und menschlichen Gesetze tief gedemüthigt. Gott dem
Herrn mögen alle Engländer für den Sieg danken, ohne welchen ihr Dasein
vertilgt worden wäre *).
1) Supra modum glprians in virtute sua sibi et
flliis suis, qnos tenerrime diligebat .... Regem
suum regere non embuit, a qno regi rectissime tenebator. Th. Wikes 63, der zwar
später, aber in derselben populären Redeweise schrieb, die dem Zeitalter der
Bürgerkriege eigentbümlich ist.
2)
Sednctorem nnminant S. atqno fallacem ;
Facta
sed examinant probantque veracem.
3)
Die schon mehrfach benutzte Dichtung bei Wright, Political Songs, p. 72 ff.
Qui se Christo similis dat pro multis mortl .. .
Nec
fraus neo fallacia Comitem promovit,
Sed
divina gratia, quae quos juvet novit.
Pag.
89.
Der
Dichter, der sich scheut, den Charakter des Königs zu schildern, hegt hohe
Bewunderung vor der Tapferkeit seines Sohns, den er einem Löwen vergleicht.
Aber schillernd wie das bunte Fell des Leoparden, des Wappenthiers der
Plantagenets, ist leider seine Treue, da er in der Noth Alles versprochen, und,
kaum wieder frei, Alles gebrochen. Wie will er einmal König sein ohne Ehrfurcht
vor dem Gesetz ? Die Lehre nämlich, dass Gesetz und Recht über der Krone stehe
?) mit allem ihrem Glanz und aller ihrer Eigenmacht, man möchte sagen, die
germanische Auffassung vom Königthum im Gegensatz zu der römisch
imperatorischen, war diesem insularen Geschlecht bis in das innerste Mark
gedrungen. Um diesen Angelpunct drehen sich denn auch alle übrigen Argumente
des seltsamen Poems. Daher wird als Wurzel des Streits bezeichnet*), dass der
Fürst nach eigenem Gutdünken handeln, das Reich als seine Domäne betrachtend,
ohne Einmischung der Barone über Landvögte und Burgvögte, über Kanzler,
Schatzmeister und Richter verfügen wollte. Die Idee von der intacten, absoluten
Würde, die sich über dem Gesetz, erhaben glaubt, hat die nothwendige Wirkung,
dass Herren, Ritter und Freie, die durch Uebereinkunft eine Controle, eine
Theilnahme an der Staatsgewalt beanspruchen, als Rebellen erscheinen müssen.
1) Haeo Angli de praelio legite Lewensi,
Cujus patrocinio vivitis defensi ;
Quia si victuria jam victis cessisset,
Augloruni memoria victa viluisset.
Pag. 92.
2)
Pag.
94.
Als
Gegenbild wird der durch Schmeichler, arglistige Betrüger und die Habgier der
Fremden corrumpirte
1) K radicem tangimus perturbationis Regni, de
quo scribinins.
Pag. 96.
2) Non sine baronibos tunc reformaretnr. Pag.
99.
1) Cnr melioratio non admitteretur,
Cui vitiatio nnlla commiscetur ?
Pag. 102.
2) Non omnis arctatio privat libertatem,
Nee omiiis districtio tollit potestatem.
Ad
quid vtilt libera lex reges arctari ?
Ne possiot adultera lege maculari.
Et haec coarctatio non est servitatis,
Sed est ampliatio leglae virtatis.
Ergo regi libe.it omno quod est bonum,
Sed malum non audeat ; hoc est Dei donum.
Pag. 105. 106.
3) Si prineeps erraverit, debet revocari
Ab biis quos gravaverit injnste negarl,
Nisl velit corrigi.
Pag. 109.
1) Igltur commnnitas regni consulatur,
Et quid universitas seutiat, sciatur,
Cui leges propriae maximo sunt notao.
Nec euneti provinciae sie sunt idiotae,
Quin sciant plus caeteris regni sui mores,
Quos relinqumit posteris hü qui sunt priores.
Pag. 111.
2) Dicitur vnlgariter :, nt rex vult, lex vadit
; Veritas vnlt aliter, nam lex stat, rex cadit.
Pag. 116.
3) Cor sua consilia non communicabit,
A quibus auxilia sopplex postulabit ?
Pag.
119.
Man
staunt über die Reife der politischen Erkenntniss, die diesen Gedankengang eingegeben.
Schlummerte sie auch im Kern des englischen Gemeinwesens, so hatte doch das
Auftreten Simon's erst, sein aus dem Volke befruchteter und wiederum die Nation
befruchtender Geist sie in das Leben gerufen. Schwerlich war bis dahin irgend
anderswo die Idee von der Wechselwirkung zwischen dem verfassungsmässigen
Königthum und der parlamentarischen Mitregierung, über denen sich ein
gemeinsames Dach, nämlich die Heiligkeit des Gesetzes, zu wölben habe, so klar
und bestimmt ausgesprochen worden. Sie zu verwirklichen, war die Nation schon
damals entschlossen ; allein nur zu bald ergab sich, dass mehrere der
unerlässlichsten Bedingungen für diese Staatsform entweder völlig fehlten oder
nur höchst unvollkommen entwickelt waren. Liegt es doch überhaupt in ihrem
Wesen, dass sie sich rasch und leicht zur Klarheit und Reife in der Idee, im
Wort erhebt, aber überaus schwer und nur um den Preis einer allseitigen
Selbstbeherrschung, welcher die Menschheit in den seltensten Fällen gewachsen
ist, zur Ausführung gelangt.
V.
Kaum
hatte der graf von Leicester die arbiträre Gewalt an sich genommen, in der
festen Absicht, sie mit so vieler Mässigung als nur irgend möglich zu üben *),
kaum machte er Ernst mit unvergleichlicher Rührigkeit zum Heil des
Gemeinwesens, den Friedensbrechern jeder Art zu begegnen, so wurde er zunächst
von aussen her daran erinnert, von welcher dem Zeitalter unerträglichen
Anomalie eben diese Macht war.
Heinrich
HI. hatte seinem Schwager dem Könige von Frankreich von der vollzogenen Abkunft
von Lewes zeitige Anzeige machen müssen, war aber als gefangener Fürst, und da
Ludwig jetzt noch unmöglich den Schiedsrichter spielen konnte oder wollte, von
ihm Anfangs keiner Antwort gewürdigt worden 2). Dagegen wurden die eifrigsten
Rüstungen geduldet, namentlich auf der flandrischen Küste, wo die vom
Schlachtfelde über das Meer entkommenen Herren mit der seit dem Januar auf dem
Festlande verbliebenen Königin Eleonore zusammentrafen. Sie erschien in
Begleitung ihres Sohns Edmund, ihrer Oheime Bonifaz und Peterj auch der
verjagte Bischof von
1)
Modeste agere conatus est, se nihil tnagis cavere quam ne vel parvo detrimento
vinceret magnates quos ad sacraraentum jusjurandi sorvandum flectere non posset
: satis habebat in officio continere, et qui nasquam acqniescere vellent, minus
nocerent heisst es in dem Opus Chronicornm aus St. Albans, ed. Riley, p. 12.
2) De quo turbati sumus et non mediocriter
anxiati, Heinrich an fcudwig, Juli 10. Shirley
II, 258.
1)
De jure gentium praedictis obsidibus supremnm periculnm et Status sni
subversio. Shirley ). c. Alles Eigenthum der Königin wurde am 28. Juli in
custodia gegeben. Rot. Lit. Pat. 48 Henr. III, membr. 7. Vgl. Ranke, Englische
Geschichte VI, 3.
2)
Aufgebot für
Gleichzeitig
aber bemühte sich die revolutionäre Staatsgewalt ebenso rastlos um einen
Vergleich auf diplomatischem Wege, indem sie noch immer, wenn auch nicht mehr
bei dem Könige von Frankreich, so doch durch eine gemischte Commission einen
annehmbaren Schiedsspruch zu erhalten verhoffte. Nachdem nun Ludwig IX. selber
zugesagt, einer in Boulogne abzuhaltenden Conferenz Nichts in den Weg zu legen,
wurden in den letzten Tagen des Juli die Grafen von Leicester und Glocester zur
Beschickung ermächtigt *). Von englischer Seite bezeichnete man den Bischof von
London und den Justiciar Despenser, von französischer den Abt von Bec und den
Grafen Carl von Anjou, der wohl gar schon als Candidat der Krone von Sicilien
für einen Freund des Grafen von Leicester galt 2). Zum Unparteiischen, falls
sich die vier nicht einigen könnten, war der Erzbischof Odo II. von Rouen, ein
Minorit, ausersehn, zu welchem Simon nach dem sichersten Zeugnisse
gastfreundliche Beziehungen hatte s). Suchte dieser auch offenbar die
Commission seiner Sache so günstig wie möglich zu componiren, so war sein
Verlangen nach einer friedlichen Lösung doch so dringend, dass er sich überdies
noch zu einem anderen bemerkenswerjfchen Schritte entschloss. Gegen die
Bürgschaft von neun englischen Bischöfen und drei französischen Botschaftern
wurde Heinrich der Deutsche, wie man ihn nannte, König Richard's Sohn, am 4.
September provisorisch seiner Haft in
1)
Heinrich an Ludwig : celsitudini vestrae qoantas possumus gratiarum referimus
actiones ; Juli 27. An die beiden Grafen gemeinschaftlich ; Juli 30. 31. Der
König ersucht um Aufschub wegen der Kriegsgefahr ; Aug. 2. Shirley II, 261—265.
2)
Rymer 1, 446, im September, Donnerstag nach Maria Geburt. Attamen inclitus
comes illc Andegavie Karolus parti com. Leyc. favebat ; Chron. Ron*. Ms. Cott.
Nero D. II, fol. 175. Auch an ihn wie au mehrere Bischöfe und königliche Räthe
in Frankreich wandte sich Heinrich mit dem Ersuchen die Rüstungen auf
französischem Boden tu behindern ; Shirley II, 265—269, Aug. 2. 4.
3)
Utinam inclytus comes Leycestriae vestrae sublimitati, sicut veraciter comperi,
in Christo de\ otissimus, pium sanctae familiaritatis contubernium apud Tos
invenerit schrieb einst .Adam von Marsh an ihn, bei Brewer, Mou. Francisc. 86.
Der
Papst hatte ein Wort mitzusprechen ; aber seinem Legaten Guido, der längst in
Frankreich eingetroffen, wurde, nachdem die Barone im Felde gesiegt, von ihnen
standhaft die Ueberfahrt nach
1)
Eymer I, 446.
2)
Chron. Eon*. 1. c.
Noch
eine andere Commission, bestehend aus den Bischöfen von Worcester und
1)
Veritatis, pacis et tranquillitatis zelator. wie er in seinem Geleitsbriefe
genannt wird. Rymer I, 447.
2)
Sabiciendo nos Jurisdiction! et cohercioni praedicti legatl, nt ipse per
sententiam excommonicationis et omne genus censurae ecclesiasticae Dos
compellere possit ad Observationen! praemissornm. Kymer I, 146.
1)
Kymer I, 445.
2)
Th. Wikes 64. 65. Rishanger, ed. Halliwoll 38. 39. Ann. de Dunst. 234. Matth.
Westmonast. 385.
1)
Rymer I, 447.
2)
Kymer I, 448.
Weihnachten
begieng *). Dort blieb es ihm unverwehrt, einige jener eifrigen Royalisten,
Mortimer, Clifford und Leiburne, als sie sich endlich für drei Jahre zur
Selbstverbannung nach Irland verpflichtet hatten, zu einem Gespräche zu
empfangen 2), ein Beweis, dass er weder hart behandelt wurde, noch dass sich
der Gewalthaber vor einer billigen Abkunft in Betreff seiner Befreiung
sträubte, von der jetzt viel die Rede war. Selbst dem so stark compromittirten
Johann Mansell wurde gestattet, heimkehren und auf seiner Pfründe residiren zu
dürfen s). Vereinzelt, wie diese Massregeln begegnen, helfen auch sie doch die
Politik des Staatsmanns zu begreifen, dem es, zurückgestossen vom Auslande, von
Frankreich und vom Papste, die nur mit dem legitimen, seiner selbst mächtigen
Könige pacisciren wollten, unter gewaltigen Schwierigkeiten niemals an
schöpferischen Gedanken gebrach. Er hoffte jetzt durch Versöhnlichkeit gegen
seine eingeborenen Feinde die verschiedenen ihm gewogenen Klassen der Nation um
so fester an sich zu ziehn. Da war vor allen die Kirche, nicht mehr allein die
Pfarrer und Bettelbrüder, sondern die Bischöfe in ihrer Mehrheit, auf die immer
mehr von der Erkenntniss eines Grosseteste überzugehn schien, die mit
wachsendem Vertrauen zu Simon von Montfort emporblickte, als demjenigen, der,
was der König seit mehr als einem Menschenalter unterlassen hatte, dem ganzen
System der päpstlichen Provisionen einen Riegel vorschob. Indem der Klerus sein
heimathliches Eigenthum nicht fremder Habgier zur Beute lassen wollte, brachte
er dem Vertheidiger der Nationalität seinerseits ebenfalls eine na : tionale
Gesinnung entgegen, so weit er den Muth hatte, sie zu äussern^ Da war die
Ritterschaft, welche die Krone sich gehütet, anders als in den seltensten
Fällen cjfr Noth über einzelne öffentliche Angelegenheiten zu befragen, die
Städte, die von ihr immerdar nach Gutdünken geschatzt worden, deren
Lebenselement, der Handel, sich niemals ihrer fördernden Gunst erfreut hatte.
Sie sämmtlich neben den Baronen ganz anders als je zuvor in dem grossen
Reichsrathe der Nation zu verwenden, berief er nunmehr mit kühnem, genialem
Entschluss ein Parlament zum 20. Januar 1265 nach
1)
Green, Prirjcesses II, 125.
2)
Mandat des Königs ans
3)
Dec. 14. Rot. Lit. Pat. 1. c.
In
dem ersten Rescript aus
1) Rymer I, 449 : dnos de legalioribus et
discretioribus mllitibns singnlorum comitatuum .... duos de discretioribus et
legalioribus et probioribus tarn civibns quam bnrgensibus suis. Summonition der fünf Häfen im Report on the Dignity of a Peer, Appendix
I, 36 : quatuor de legalioribus et discretioribus portug viri.
2)
Rymer I, 450.
Ein
Bild der auf jenem denkwürdigen, so völlig neu zusammengesetzten Parlament
geführten Verhandlungen ist nicht mehr zu gewinnen. Wie schon in den
Einberufungsschreiben stand, sollten sie sich mit der Auslösung des
Thronfolgers aus seiner Geiselhaft befassen. Am 16. Februar erinnerte der König
schriftlich die Grafen von Leicester und Glocester, dass der Termin, an welchem
über diese wichtige Angelegenheit Beschluss gefasst werden sollte, auf den 19.
angesetzt war. Und als sie dann nebst vielen Parteigenossen höchst auffallender
Weise eben jetzt zu einem Turnier nach Dunstaple reiten wollten, warnte er sie
auf das Strengste, nicht wegzubleiben, damit das Geschäft nicht durch ihre
Schuld verzögert werde. Der Justiciar, der Bischof von London und Meister
Thomas de Cantilupe, der Neffe des ehrwürdigen Bischofs von Worcester und einer
der vielen frommen, der nationalen Sache durchaus ergebenen Kleriker, der
wenige Tage später zum Kanzler erhoben wurde, contrasignirten diesen
königlichen Erlass *).
1) Neo cuncti provinciae sie sunt idiotae,
Quin sciant plus caeteris regui sui mores. Politlcal Songs, p. 110. Vgl. Ranke, Englische Geschichte I, 81. 82.
Die
in die Länge gezogenen, namentlich den Vertretern der Grafschaften und der
Städte wegen der Kosten sogleich lästig werdenden Sitzungen kamen hierauf nun
allerdings in Fluss. Im Geiste gegenseitiger Versöhnung meinte man das rechte
Mittel gefunden zu haben, als bereits am 10. März die Prinzen Eduard und
Heinrich aus ihrer bisherigen Hut dem Könige ausgeliefert wurden 2). Die für
den Staat unerlässlichen Garantien wurden alsdann in einer am 31. vollzogenen
vollständigen Parlamentsacte zusammengefasst. Der König befahl und der Prinz
verpflichtete sich den Baronen und der Communität3) des Lands in offenen
Schreiben zu bürgen, dass sie die im lateinischen Wortlaut in das französische
Instrument aufgenommenen Beschlüsse des Parlaments vom vergangenen Juni, die
Misa von Lewes, unverbrüchlich wahren wollten. Nach Kecapitulation der Amnestie
für Leicester und Glocester, für die Bürger Londons und der fünf Häfen, unter
Hinweis auf die Magna Charta gelobten der König und sein Sohn den unterlegenen
Parteigängern niemals wieder die Hand zu bieten und die Aechtung aller derer zu
vollstrecken, die sich gegen den Vertrag zu erheben wagten. Andererseits nahmen
sie von allen treuen Leuten, denen einst vor dem Tage bei Lewes der Lehnsund
Unterthansverband aufgesagt worden, eine erneute Huldigung entgegen unter dem
Vorbehalt der Kündigung von Seiten der Sieger, falls ihnen die Krone nochmals
aufsagen sollte. Wie die Schlösser nur unverdächtigen Hütern anvertraut und
ohne Zustimmung des Reichsraths keine Fremden wieder in das Land gezogen werden
sollten, hatte auch der Prinz fortan sein Gefolge nur aus zuverlässigen
Eingeborenen zu bilden und auf die Gefahr, alle seine Ehren und Besitzungen
einzubüssen, für die nächsten drei Jahre England nicht zu verlassen. Nicht nur
fünf seiner bereits im Jahre zuvor occupirten Burgen blieben auch fernerhin als
Pfänder in der Hand der Regierung, nicht nur wurde Bristol als sechstes
hinzugefügt, sondern Simon forderte von ihm auch eine persönliche Sicherheit,
die mit dem für das Land erforderlichen militärischen Schutz zusammentraf.
Gegen Schloss und Grafschaft von Chester,
1)
Die beiden Schreiben vom 16. Februar bei Rymer I, 450. Die Ernennung Cantilupe's
Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 22, Febr. 25 ; nach dem Kanzleivermerk
faltete der König das Patent mit eigenen Händen nnd Hess es in seiner Gegenwart
siegeln.
2)
Patent bei Rymer I, 452. Der König macht Ludwig IX. und seiner Gemahlin Anzeige
von der Befreiung seines Sohns, März 14, ad commodnm et honorem nostrum auctore
Domino liberatus est. Shirley
II, 280.
3) Requere as haux homes e au comun de la tere
par lnr lettres overtes.
Dass
der Hof auch an dieser Form des Zwangs kein Gefallen fand, dass er sich nur mit
stummem Groll in Erwartung eines Umschlags darein fügte, war natürlich. Man
wollte wissen, dass der König auch in seiner Haft das durch Krönung und Salbung
unveräusserliche Recht anrufe ; man achtete auf jedes Mienenspiel im Antlitze
des Grafen und fand statt Sorge und Schwermuth nur freudigen, festen Entschluss
darin abgespiegelta). Allein die royalistische Partei, das Ausland hatten nun
einmal kein anderes Verständniss als nur für das an der Legitimität begangene
Unrecht. Daher
denn die zahllosen erbitterten Anklagen gegen die Person des Grafen von
Leicester, gegen die Raubsucht seines Hauses, seine ganze politische
Handlungsweise. Dass er geradezu nach der Krone
gestrebt hätte, liess sich nicht von Ferne behaupten, noch weniger beweisen.
Die Versicherung eines einsamen königischen Chronisten, Simon habe sich
achtzehn Baronien angeeignet, stimmte nur insoweit mit der Wahrheit, als er
zahlreiche Emigrantengüter allein zu Staatszwecken in seine Verwaltung nahm.
Bei der Lage der Dinge durften doch die Gegner unmöglich davon zehren. Während
der Sequestration der weiten Herrschaften, die dem römischen Könige gehörten
und für dessen Treue haften mussten, sollten ausdrücklich alle seine Vögte und
Verwalter unbehindert im Amte verbleiben *). Am 8. Mai liess Simon durch die
Staatskanzlei dem Thronfolger das ihm für
1)
Die Parlamentsacte, Eduard's Gelöbnis vom 10, des Königs Charte vom 14, Geleit
für die französischen Gesandten vom 15, Uebertragung der fünf Schlösser vom 17,
der Grafschaft
2) Nemo comitem Leycestriae vel infractum mente,
seu etiam tristem vultu vidit. Ita conscientiam altae nobilitatis inspirabat
Spiritus Sauctus et roborabat. Opus Chronicorum, ed. Riley,
p. 17.
1)
Eymer I, 448 ; Deo. 13. 1264.
2)
Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 17.
3)
Commodnm si proprium comitem movlsset, Nec haberet alinm zelum, nec quaesisset
Toto suo studio reformationi
Regni,
sed intentio dominationi. Polltlcal Songs, p. 88.
1)
Suis usibuB, Wikes 65.
2)
Eymer I, 453 ; März 14. 1265.
3) Quod sine commeatu extraneorum possnnt
indigenae bonis propriis sustentari. Th. Wikes 65 ;
vgl. Gesch. v.
seiner
volkswirthschaftlichen Einsicht, sondern stimmte zu der nationalen Haltung,
welche unter ihm das Reich im Vertrauen auf seine insulare Lage in politischen,
kirchlichen und selbst materiellen Dingen dem Auslande gegenüber annahm. Die
weissen Tücher, die man statt der in Flandern gefärbten anlegte, konnten eben
so gut in der Mode einer kriegerischen, von Kreuzzugsideen getragenen Zeit
ihren Grund haben. Alle diese Motive nun waren immerhin geeignet, Missvergnügen
zu erregen, die Macht des klugen, durch wirklich moralische Grösse seine
Zeitgenossen überragenden Staatsmanns zu untergraben hätten sie nicht
hingereicht. Dazu musste erst wieder der Abfall unter seinen Genossen
einreissen und der eigene Anhang gemeinschaftliche Sache mit den Verbannten
machen, die längst auf der Lauer standen. In die Tage jenes Parlaments fiel der
Höhepunct seiner in Weisheit und Energie begründeten Macht. Als ob er nach einem
sie auch äusserlich bezeichnenden, sie gewissermassen ehrlich machenden Titel
gesucht hätte, fügte er seinem Namen jetzt nicht nur die ihm erblich zustehende
Würde des Seneschall von England bei*), sondern nannte sich auch graf Justiciar
2), obwohl Hugo Despenser das Amt des Grossrichters weiterführte. Hatte er
wirklich, nachdem der Zug einer mächtigen popularen Bewegung und die eigene
Kraft ihn an die Spitze gebracht, das Muster Aragon's im Auge, wo unter
demselben Namen und mit ähnlicher Befugniss ein Wächter der ständischen
Privilegien dem Könige gegenüberstand und die Souveränetät desselben dauernd
beschränkte ? Von London hinweg, wo die eigentlichen Parlamentsverhandlungen im
März ihr Ende erreichten, hatte sich Simon zu seiner Gemahlin begeben, die seit
einigen Wochen auf Schloss Odiham in Hampshire Hof hielt. Am 17. geleitete ihr
Sohn Heinrich die Prinzen Eduard und Heinrich dorthin ; am 19. traf der graf selber
mit einem Gefolge von 160 Reitern ein. Er blieb bis zum 2. April und sah fortan
sehr wahrscheinlich Eleonore und seine Häuslichkeit nicht wieder 1). Nicht
allein von der französischen Küste oder der Waliser Mark drohte der Feind.
Freunde und Anhänger, die sich in Recht und Billigkeit nicht fügen wollten,
bereiteten die ernsteste Sorge. Schon im Winter war Robert de Ferrers, graf von
Derby, ein wilder, zuchtloser Mensch, den wesentlich nur die Raublust zum
Genossen der Erhebung gemacht hatte, auf offenem Friedensbruch betroffen und
durch Spruch seiner Standesgenossen im Parlament zur Einsperrung im Tower
verurtheilt worden 2). Eine besonders üppige Quelle der Zwietracht war die
Habgier vieler, die bei Lewes Gefangene gemacht und dafür Loskauf oder Ersatz
aus deren Güter verlangten. In diesem Falle befand sich auch John Gifford, ein
Ritter vom Haushalte des Grafen von Leicester, treu und tapfer wie wenige *).
Als ihm sein Begehren wiederholt abgeschlagen worden, gieng er davon und
schloss sich Gilbert von Glocester an, der wie sein Vater schon von länger her
mit dem mächtigen Gebieter ihrer aller haderte.
1) Comes Leicestriae et seuoscallus Angliae,
zuerst wieder Mai 20, Kymer 1, 454.
2)
Comes Justiciarlus zuerst nach einer Urkunde vom 7. Januar bei Foss, Jodges of
England II, 155. Comes Leicestriae Justiciarius unter Proclamationen vom 20.
Mai, 7. 8. 28. Juni bei Kymer I, 455—457.
1)
Rot. Hospic. Comitissae Leicestriae in
2)
Ann. de Dunst. 235. Nach Wikes 66 sei er einer Intrigue Simon's zum Opfer
gebracht ; nach Ann. Waverl. 358 sei der König der Kläger, Simon der Beschirmer
eines Freunds gewesen.
Denn
auch dieser habsüchtige Edelmann sann nur auf reichliches Lösegeld, auf die
Administration möglichst umfangreicher Emigrantengüter und einen Abkauf von
Seiten des römischen Königs, den er ausschliesslich als seinen Gefangenen
beanspruchte. Ueber den Widerstand, auf den er stiess, und die bedeutende
staatsmännische Thätigkeit Simon's kam dem jungen, ehrgeizigen Manne die traditionelle
Nebenbuhlerschaft ihrer Häuser immer mehr zum Bewusstsein. Während er das
Schicksal des Grafen von
1) Strenultate militiae et animi probitate nulli
secnndns. Wikes, 1. c.
2)
Kishauger, ed. Halliwell 42.
3)
Qnod bic alieoigena praesumebat sibi totius regni dominium eubjugare.
Rishauger, ed. Riley 32.
Nun
hatten seine Söhne auf den 19. April abermals ein Turnier nach Northampton
ausgeschrieben und auch den Grafen von Glocester geladen ; der aber, im
Argwohn, dass ihm eine Falle gelegt werden solle, hatte sich nach der Waliser
Grenze davon gemacht, wo die Symptome einer Erhebung immer deutlicher wurden.
Während nun Simon, der nach seinem Aufbruch von Odiham den König und die
Prinzen wieder mit sich führte, zuerst nach Northampton gezogen war, wahrscheinlich
doch um das den öffentlichen Frieden gefährdende Kampfspiel zu unterdrücken,
und sich dann über Glocester nach Hereford gen Westen gewendet hatte, landeten
in den ersten Tagen des
1)
Juncta Gib! militum turma non modica epreto parliamento eecesstt ad partes
oocidnas. Tb. Wfkes 66,
Noch
gab er die Hoffnung nicht auf, dem Lande den Frieden zu bewahren. Zu dem Zwecke
wurde am 18. Mai eine dringende Botschaft an den König von Frankreich
abgefertigt, mit dem auch in der Zwischenzeit der Verkehr niemals abgebrochen
worden. Mit klugem Blick wählte der graf abermals den jungen Heinrich,
Richard's Sohn, zum Ueberbringer, da er ja
1) Rymer I, 449.
2) Antiguas cartas communium libertatum ...
ordinationem super nostro et regni nostri statu nuper Londoniae factam nee non
et quosdam articnlos de nostro et magnatum terrae nostrae communi assensu de
quibusdam constitutionibus dndum provisis. Shirley II, 282. Auch auf der
Patentrolle 49 Henr. III, membr. 16.
zu einer wie der anderen Partei gehalten hatte.
Der König musste ihm den Befehl ertheilen, schleunig abzureisen und so lange,
wie sein Auftrag es erforderte, fortzubleiben 1). Auch
mit dem Grafen von Glocester, mit Gifford und ihren Verbündeten, die im Forste
von Dean, nördlich von der Ausbuchtang der Severn, eine drohende Stellung
genommen hatten, bestanden Verhandlungen, da sie immer noch den Oxforder
Statuten treu bleiben zu wollen versicherten. Vier Mediatoren unter dem Bischof
von Worcester liessen es an Mühe nicht fehlen, und am 20. Mai wurde, um viele
Gemüther zu beruhigen, verkündet, dass die Eintracht zwischen den beiden Grafen
niemals getrübt gewesen 2). Selbst die verbannten Lords Leiburne und Clifford
erhielten noch einmal Zutritt zu ihrem Lieblinge dem Prinzen Eduard, als er
sich im Gefolge des reisigen Hofs in
Seit
dem letzten Parlament durfte sich der Thronfolger auf Ehrenwort freier bewegen
in der Gesellschaft Heinrich's von Montfort, Robert's de Ros und Thomas' de
Clare, seines nächsten Freunds 1), eines Bruders Glocester's, den der graf von
Leicester, da er den Jüngling besonders lieb hatte, auch nach jenem Zerwürfniss
mit unbegreiflicher Arglosigkeit in einer solchen Vertrauensstelle gelassen
hatte. In der Abendstunde des 28. Mai versuchten die jungen Leute vor dem Thore
von
1)
Rex prorogavit ei terminum suae reversionis usqne ad terminnm ab ipso petitum.
Kanzleivermerk zu dem Patent vom 18. Mai, Rymor I, 455.
2)
Rymer I, 455.
1)
Tanquam familiaris et cubicularius ; Th. Wikcs 67.
2)
Die Jovis, in ebdomade Penteeostes, circa horam vespertinam, a militum
comitiva, quos secam ad spatiandum extra
Wenige
Tage nach seiner Flucht hatte Eduard in Schloss Ludlow eine Zusammenkunft mit
Gilbert von Glocester, der sich von ihm geloben liess, die alten Institutionen
des Reichs zu wahren und niemals Fremde in dessen Verwaltung zu ziehn. Dann
wurde die Verbindung mit Warenne und
1)
Rymer I, 456 ; Juni 7.
2)
Quem proh dolor 1 ad eredondum levem et ad circnmveniendum facilem invenerimt
.... qtii cum eisdem se nobis contumacem, et rebellionis fllium exhibet in
praesenti. Rymer,
1. c.
3) Post aliud detestabile bellum de Lewes. Rot.
LH. Pat. 49 Henr. III, membr. 13.
1)
Rymer I, 457 ; Juni 9.
2)
Zwei Verschreibungen Llewellyn's vom 19. Juni bei Shirley II,
Flecke,
in solcher Noth scheute sich der Vorkämpfer für die Verfassung nicht, einen
halbbarbarischen Häuptling in das parlamentarische System aufzunehmen, während
die königstreue Ritterschaft in dem Eroberungskriege gegen die Kymren an der
ihrem Stamme beschiedenen Aufgabe festhielt. Möglich, dass graf Simon als
geborener Franzose weniger von Keltenhass beseelt war ; Eroberung gehörte
überhaupt nicht in sein Programm.
Von
Hereford aus zog er nun mit dem Könige nach Monmouth, wo sie einige Tage
verweilten. Der Anschlag, die Stadt Glocester zu retten, misslang, da Prinz
Eduard und Warenne eher zur Stelle waren *). Als jene von
Inzwischen
hatte Simon der Jüngere, der wie die Friedenswächter von Dorset, Devonshire,
283—287.
Die königliche Bestätigung vom 22. Juni bei Rymer I, 467. Der Londoner Alderman
sagt entrüstet : per iniquum consilium ; Lib. de antiq. leg. 73.
1)
Am 25. und
2)
Wikes 68. 69. Ann. Waverl. 362. 363.
1)
Lib. de antiq. leg. 114.115. Aach der Verfasser
1)
Wikes 69. 70. Rishanger, ed. Halliwell 44. Der Ueberfall besonders ausgemalt im
Chron. de Mailros 199. Die Erzählung in den Waverley Annalen, 363. 364, dass
der junge Simon schon sechs Tage in
2)
Wikes 70, devenit Eveshamam tertio die mensis supradicti, feria secnnda. Ann. Waverl. 364, die
Martls ... .mane versus Ewesham iter arripuit ... dominus rex cum suis voluit
jentaculari, quod et factum est. Noluit autem dominus Symon de Monteforti
ibidem aliquid cibi capere,
1)
Rishanger, ed. Halliwell 45 ; ed. Riloy 37. Ckrou. de Lanercost. 76.
2) Cbron. de Mailros 200
Der alte König, dem im Getümmel fast ein Leid
geschehn wäre, wurde erst auf den Ruf :, ich bin ja Harry von Winchester von
den Siegern erkannt und im Triumphe in die Abtei zurückgeleitet. Dort fanden
auch mehrere der gefallenen Herren ehrliche Bestattung, namentlich Heinrich von
Montfort, des Prinzen Altersgenosse, den als Erstgeborenen seines Schwagers der
König in Person einst aus der Taufe gehoben hatte. Nur
an dem entseelten Leibe Simon's selber, der wie ein Märtyrer für eine tief
wirksame Ueberzeugung in den Tod gegangen, wurde die rohste Kache geübt. Das
Kriegsvolk, vom glühenden Hasse seiner Führer gestachelt, hieb, die Leiche in
Stücke. Arme und Beine wurden als die Gliedmassen eines Verräthers an
bestimmten Plätzen öffentlich aufgepflanzt ; das Haupt mit seiner scheusslichen
Zier soll in Wigmore der blutdürstigen Gemahlin Roger Mortimer's überbracht
worden sein *). Was die Mönche von Evesham von den Resten sammeln konnten,
setzten sie still und ehrfurchtsvoll an der untersten Stufe des Hauptaltars
ihrer Abteikirche bei.
1)
üeber die Schlacht bei Evesbam ist Wikes 70. 71 gut mit den zahlreichen Quellen
in Einklang zu bringen, welche den Untergang des Grafen beklagen. Eine Revision
ergab nichts wesentlich Neues zu Blaauw, The Barons' War, p. 242 ff. und Gesch.
v.
Sie
handelten durchaus im Einklang mit der allgemeinen Verehrung, die in dem
gefallenen Edelmann nicht den Rebellen, sondern den uneigennützigen Wohlthäter
des Volks erblickte. Der schwere nationale Verlust, den Laien und Kleriker
beklagten, wurde in ihren Augen wegen der blutigen und tragischen Form zu einem
glorreichen Märtyrerthum, das für den Frieden des Lands, das Heil des Reichs
und der Kirche erduldet worden 2). Bei seinem Untergange trat noch einmal das
ganze ungewöhnliche Bild den Zeitgenossen vor die Seele. Sein Muth und hoher Sinn,
die nicht das Ihre gesucht, sondern den armen Mann vor Unterdrückung schützen,
im Staate Gerechtigkeit und Recht aufrichten wollten, wurden zu
Glaubensartikeln, denen der Himmel selber das Siegel der Wahrheit aufgedrückt.
Die Geistlichen, hoch und niedrig, Priester und Mönche, denen er von jeher nahe
gestanden, rühmten sein tiefes Wissen in der Schrift nicht minder, wie die
Ehrfurcht und Beharrlichkeit, womit er sich der Andacht hingegeben. Selber fest
und zuverlässig wie sein Wort, vertraute er unbedingt ihrer Fürbitte ; er
wachte und fastete mit ihnen um die Wette. Sein inniges Verhältniss zu dem
unvergesslichen Bischof von Lincoln war ein Haushaltwort unter unzähligen
Dächern. Das Volk wollte wissen, dass Grosseteste seinem Freunde einst zur
Busse seiner Sünden aufgegeben, sich der Sache, für die er stritt, bis zum Tode
zu weihen, weil nun einmal ohne das Schwert von Eisen der Friede der Kirche von
England nicht sicher sei *). Durch echte Frömmigkeit den Besten der Nation
ebenbürtig, wurde ihm für unsterbliche Verdienste mit der Krone des Heiligen
gelohnt, die ihm begeisterte Anhänger vorausgesagt, die ihm das Volk, nicht der
Papst auf Bitte des Königs verlieh. Aus der ersten wunderbaren That, welche die
nach Wigmore tiberbrachten abgehackten Hände verrichtet haben sollten, erwuchs
ein Katalog von 212 Mirakeln, meist wohlthätigen Heilungen an Menschen und
Thier. Bald ergieng sich die fromme, abergläubische Dankbarkeit in einem -fest
ausgebildeten Cultus. Die Liturgie, mit welcher in Vers und Prosa dieser
politische Heilige angebetet wurde, ist noch vorhanden ; sorgfältig aber hat
eine feindselige Hand zwei Seiten, welche den auch für den Kirchendienst
üblichen Lebensabriss enthielten, herausgeschnitten *).
1) Testicnli abscisi fuorunt et appensi ex utraque
parte nasi, et ita missum fuit Caput etc. Lib.
de antiq. leg. 75. 76. Wikes 71 tadelt gleich den übrigen Chronisten die
begangenen Brutalitäten. Eine bildliche Darstellung aus Ms. Cotton. Nero D. II,
fol. 176 bei Blaanw zu p. 254.
2)
Rishänger, ed. Halliwell, p. 48. Praecipue religiosi, qui partibus illis
favebant vel favere credebant. Ann. Waverl. 365 : martyrium pro pace terrae et
regni reparatione et matris ecclesiae, ut credimns, consummavit gloriosum. Das
Jahrbuch dieser Cistertienser ist gleichzeitig bis 1266 ; Luard, p. XXXVI.
1)
Asserens pacem ecclesiae Aoglicanae sine gladio materiali non posse flrmari, et
constanter afflrmans, omnes pro ea morientes martyrio coronari. So in
Es
war doch gewiss nicht von ungefähr, dass alle gleichzeitigen Aufzeichnungen mit
wenigen, allerdings bemerkenswerthen Ausnahmen, dass sämmtliche Annalen alter
und neuer Stifter dem Grafen Simon, als dem Schirm vogt der kirchlichen * und
der nationalen Freiheit, das begeistertste Andenken widmeten. Auch die
vornehmen Stände, Baronie und Ritterthum, soweit sie ihm angehangen,
überliessen sich derselben Auffassung. Eine französische Ballade besingt nicht
uneben den letzten Heldenkampf des Grafen, dieser, Blume des Kriegsruhms, und
seiner treuen Genossen. Wunderlich genug und was Papst und König betrifft wenig
treffend stellt sie ihn dem einzigen, allgemein verehrten National ?
1)
Ms. Cotton. Vespasian A. VI, fol. 189.
Salve Symon Montis Fortis,
Totius flos militiae,
Duras poenas passus mortis,
Protector gentis Angliae etc.
Ora
pro uobis, beate Symon 1 ut digni efflciamur promissionibns Christi.
Halliwell
zu Rishanger, p. 67 ff. Wright, Political Songs 124. Chronicon de Mailros
201—216.
heiligen,
Thomas von Canterbury, zur Seite *). Wie bei diesem wollte man auch auf Simon's
entseeltem Leibe das härene Gewand des Mönchs gefunden haben. Um seine Fürbitte
wie um die Becket's bei dem Sohne der heiligen Jungfrau möge daher alles Volk
zum Himmel rufen, damit jetzt, wo so viele untreu geworden, der Glaube und
seine Diener in der Kirche gerettet würden.
Gewiss
waren die Frömmigkeit oder die hohen Feldherrngaben Montfort's nicht die
einzige Ursache seines dauernden Ruhms. Dass er sich der bedrückten Klassen des
Volks, der Rechte und Freiheiten des Lands wie noch kein anderer angenommen,
dass er mit der Berufung bis dahin noch nicht vertretener Volksklassen einen
grossen politischen Griff gethan, trug nicht minder dazu bei. Noch konnte
indess kein Mensch ahnen, dass hierdurch wirklich eine Generation später die
Lösung aus dem Conflict eines Jahrhunderts angebahnt und das englische
Staatswesen in die ihm entsprechende Vertragsform gerückt werden sollte. Simon
selber ist vermuthlich gestorben ohne die Zuversicht, gerade deshalb
unsterblich zu werden*). Für die Nation erst wurde es klar, als der Sieger von
Evesham, der grosse König auf dem Throne, sich genöthigt sah jenen
schöpferischen Gedanken wieder aufzunehmen und im Namen der Krone die
Vertretung der Gemeinen zum Zweck der Betheiligung an der Steuerverwilligung in
das Staatsrecht einzuführen. Damals aber übersah man, wie vjele unreine
Elemente doch auch der Handlungsweise des Grafen zu Grunde gelegen, welches
Verderben er dem Staate hätte bereiten können.
1) Der dritte Vers lantet :
Mes par sa mort, le cuens Montfort
conquist la victorie,
Come ly martyr de Canterbyr
flnist sa vie ;
Ne voleit pas li bon Thomas
qe perist seinte Eglise,
Ly cuens auxi so combat!
e rnorust saunt* feyntise. Or est ocys la flur
de pris, qne taunt savoit de guere, Ly cuens Montfort, sa dure mort molt
enplorra la terre. Kitsou, Ancient Songs I, 15. Wright,
Political Songs 125.
1)
Sehr schön sagt Sir James Mackfntosh, History of England I, 238 : He died
unconscions of the imperishable name which he acquired by an act which he
probably considered as of very small lmportance.
VI.
An
dem Tage von Evesham stürzte das kunstvolle Verfassungsgebäude in sich
zusammen, das ein genialer Baumeister denn doch aus den Provisionen des tollen
Parlaments von Oxford hatte aufführen wollen. Der König, seiner selbst wieder
Herr, nahm auch sofort die ganze Autorität seiner Würde in Anspruch. In
öffentlichen Erlassen verkündete er, dass er nunmehr wie zuvor aus eigener
Machtvollkommenheit verfüge ; er widerrief die ihm abgedrungenen, von dem Grafen
von Leicester, der mit dem grossen Siegel unstatthaften Missbrauch getrieben
*), ausgefertigten Befehle. Für alle Grafschaften wurden sofort des Königs
Sheriffs bestallt. Nachdem Simon der jüngere, der am 4. August von Kenilworth
aus vergeblich seinem Vater Hilfe zu bringen versucht hatte, sich hinter die
festen Mauern der Burg geworfen, entliess er wenigstens seine Gefangenen, den
König Richard und dessen jüngeren Sohn Edmund. Die Wittwe Despenser's
capitulirte im Tower. Schlagfertig und rührig wie kein anderer rieth doch
namentlich Prinz Eduard zu raschem Vergleich mit den feindlichen Garnisonen, zu
einer billigen Uebereinkunft mit der Bevölkerung der fünf Häfen, falls sie von
ihren Seezügen abstünden und gutwillig zu dem Gehorsam gegen den König zurückkehren
würden *).
1)
Praefatus comes literas sigillo nostro, quo uou nos, sed comes ipse pro suo
utebatur arbitrio, formari feclt. Kymer I, 458 ; Worcester, August 7. Literas
sigillo nostro,' quo pro suo libito volantatis utebatur, signari fecit ; an Erzbischof
Bonifaz Rot. Lit. Pat. 49 Henr. III, membr. 9, August 24. Bei Wikes 69 heisst
es vom Abschluss des Vertrags mit Llewellyn : eamque sigillo regio consignavit,
qnod dnobns laicis deportandnm commiserat, viz. Domino Petro de Monteforti et Domino B. de
Sandwich militibus, quod a seculo t'uerat inanditum.
Sobald
nur wieder die Pforten des Reichs zur Verfügung standen, wurde auf den 8.
September das Parlament nach Winchester geladen, sämmtliche Bischöfe ausser den
vier besonders compromittirten, den von London, Lincoln, Worcester und
Chichester, von dem hohen Adel Alles, was entweder die Treue bewahrt, oder nur
verdächtig gewesen und sich nun herbeidrängte, Beinen Frieden zu machen. Auch
die Wittwen der im Bürgerkriege gefallenen royalistischen Herren waren
vertreten. Hier wurden mit der bei jeder Reaction unvermeidlichen Hast und
Rachsucht alle Regierungshandlungen seit dem Tage von Lewes für ungiltig
erklärt, sämmtliche Rebellen geächtet, die bei Kenilworth und Evesham die
Waffen getragen, ihr Grundbesitz confiscirt und aus der ungeheueren Masse des
herrenlos gewordenen Eigenthums die Habgier der Sieger befriedigt. Glocester,
1) Dam tarnen voluntati domini nostri se
submittant. August 24. Shlrley II, 289.
von
Sicilien werden sollte, wurde mit dem ganzen Lehn des gefallenen Grafen von
Leicester, dem Oberhofmeisteramt des Reichs, der Grafschaft
1) Wikes 74. Pertransire non possumos Domini
Regis et consiliariorum insipientiam (si fas est dicere). Im Uebrigen Gesch.
von England III, 797 ff. und Verzeichnisse der Debertragnngen bei Blaauw 267.
268.
Die Schärfe der Gegensätze, Trotz auf der einen,
unkluge Ueberstürzung auf der anderen Seite liessen indess das Reich auf mehr
als Jahresfrist nicht zur Ruhe kommen. Anfangs gab auch der Papst nur Gedanken
der Züchtigung zu erkennen. Clemens IV., einst selber als Legat gegen diese für
Thron und Altar gleich gefährliche Empörung 2) thätig, hatte, noch ehe er von
Montfort's Untergang erfahren, Ottoboni, den Cardinal Diakon von St. Adrian,
nach England entsendet und ihm den Auftrag ertheilt, noch einmal die Magnaten
wie den Fürsten von Wales vor jeder Gemeinschaft mit Simon zu verwarnen 3). In
Folge der Siegesnachricht griff er dann dem Könige mit der Bewilligung des
Zehnten für ein Jahr unter die Arme, liess den Grafen von Glocester absolviren,
dem Prinzen und seinem Vater zu ihrer Befreiung Glück wünschen *). Als der Cardinallegat zu Ende October in Gesellschaft der Königin, die
seit zwei Jahren in Frankreich geblieben, herüber kam, gestaltete sich sein Weg
nach London zu einem wahren Triumphzuge der siegreichen Kirchengewalt. Rieth
auch der Papst zur Anwendung milder Massregeln, da Strenge wohl einzelne
beugen, aber die Masse nur aufreizen werde J), so waren die Gemüther
beiderseits doch noch zu erhitzt, um der Vernunft ihr Recht zu geben. Auch mussten
so vielfach betheiligte Prälaten wie die Bischöfe von London, Chichester,
Winchester und Worcester zur Rechenschaft gezogen werden, schon weil sie im
vergangenen Jahre den ihnen aufgetragenen Bann gegen den Grafen von Leicester
und seinen Anhang nicht vollzogen hatten. In feierlicher Sitzung suspendirte
sie der Legat von ihrem Amt ; auch wurde den drei ersten ein Bussgang nach Rom
auferlegt. Den alten, in seiner Ueberzeugung unerschütterlich treuen Walter von
Cantilupe rettete, wie selbst ein Gegner es ausdrückte z), am 12. Februar 1266
der Tod vor bösen Tagen. Nach dem allgemeinen Urtheil hätte ihm, wenn er nicht
zu
1)
Lib. de antiq. leg. 77—82. Rymer I, 464 ; Oct. 6. Bericht des Grafen Humphrey
von Hereford ; Oct. 6. Sbirley II, 293.
2)
Clemens IV. an Ludwig IX. bei Raynaldl XXII, 179. 1265. Quid putas, Ali
charissime, in iis agi ? quid per talia machinamenta quaeri ? ad quid per tales
eorundem baronum insidias anhelari, nisi ut de regno illo regium nomen
aboleatur omnino et extincto ibi semine regio ipsi regnent ? nisi ut
Ghristianus populus a devotione matris ecclesiae et observantia fldei
orthodoxae avertatur. Vgl. Ränke, Englische Geschichte I, 82. >
3)
Zwei Bullen vom 13. September bei Rymer I, 460. 461.
4)
Leta nobis et tristia nuuciasti, an Ottoboni XIII Kai. Oct. in Ms. Add. Mus.
Brit. 15,362, fol. 83 und fünf Bullen bei Rymer I, 462-465.
Noch
viel schwieriger war es gegen das Nachspiel des Bürgerkriegs, welches nicht
enden wollte, Gnade und Erbarmen zu üben, da die Besatzung von Kenilworth mit
dem Heldenmutbe der Verzweiflung aushielt und die starken Banden der
Geächteten, die in der Mitte und im Osten der Insel ihr Wesen trieben, ihr
mehrmals die Hand reichten. Erst im Sommer 1266 konnte zu einer regelrechten
Belagerung des festen Platzes geschritten werden, ohne dass auch diese einen
schleunigen Erfolg verhiess. Noch im September erneuerte und verschärfte der
Papst seine Sentenzen gegen die Rebellen ; höchstens am Todtenbette dürfte der
Legat vom Banne absolviren *). Allein gerade der hartnäckige Widerstand, den
sie noch immer fand, machte denn doch allmälich die Staatsregierung auf ihre
eigene Lage aufmerksam. Die vornehmen wie die niederen Stände, die ihr entweder
treu geblieben, oder sich unterworfen hatten, begannen von Neuem zu murren
wegen der endlosen militärischen und finanziellen Anforderungen. So geschah es,
dass auf einem Parlament, das man am 24. August Angesichts des Schlosses von
Kenilworth abhielt, drei Bischöfe und drei Barone vom Könige und dessen Räthen
deputirt wurden und sich eine gleiche Anzahl Standesgenossen cooptiren durften.
Unter Leitung des Legaten und des Prinzen Heinrich fällten diese Zwölf den
Spruch (Dictum) von Kenilworth, der ernstlich dem Reiche den Frieden
wiedergeben und ein billiges Abkommen mit den depossedirten Edelleuten treffen
wollte 2). Auf der nach
1)
Clemens IV. an Heinrich III. ; October 4 : cnm fervor vindictae paucorum odium
roprimat, multorum irritet.
2)
Qui tanta sauctitatis eminentia caeteris praepollebat episcopis, quod nisi
contra juramentum quod Domino regi de fldelitate praestari debuit, imo etiam
contra inbibitionem sedis Apostolicae Comiti Leicestriae tarn familiariter et
fortiter adhaesisset, in catalogo Sanctorum non immerito fuerat ascribendus.
Wikes 73 ; vgl. Rishanger, ed. ßiley 47.
1)
Rymer I, 469 ; September 15.
2)
Annales Waverl. 371 ff.
Auch
hiernach freilich hielten die muthigen Vertheidiger von Kenilworth noch immer
Stand, schon weil ihnen allein ein siebenjähriger Ertrag ihres confiscirten
Eigenthums als Lösegeld abverlangt wurde 2). Sie capitulirten erst, als Alles
aufgezehrt war und jede Aussicht, auf Hilfe verschwand. Darum war indess der
Landfriede noch keineswegs aufgerichtet, denn in den östlichen Grafschaften
sassen die Rebellen so fest, dass sie selbst die Städte wie Lynn, Cambridge,
Norwich in ihre Gewalt brachten, und um dieselbe Stunde erhob sich noch einmal
der gefürchtetste Magnat des Lands, weil ihm die neueste Bürgschaft der
nationalen Privilegien jetzt keineswegs genügte. Gilbert von Clare, graf von
Glocester, der wie so mancher seiner Standesgenossen für und wider das
Verfassungsrecht gestritten, hatte in jenem Zwölferausschuss eifrig das
Abkommen von Kenilworth befürwortet, war aber auf die heftigste Opposition der
Ultras von der Richtung Roger Mortimer's gestossen, die von einer Herausgabe
des durch Hochverrath verwirkten Guts Nichts wissen wollten. So gerieth er in
die Lage Montfort's, die er diesem einst selber bereiten helfen. Gegen einen
Angriff der Grenzbarone musste er auf die Sicherheit seiner Person wie seines
benachbarten Gebiets bedacht sein, und, da sich eine von Warenne und Valence
eingeleitete Vermittlung zerschlug, da er selber bei dem Heere, mit welchem der
König im Februar 1267 bei Bury St. Edmund's zu Felde lag, nicht zu erscheinen
wagte, so appellirte er plötzlich wieder an die Provisionen von Oxford. Er
berief sich auf das eidliche Gelöbniss, das ihm Prinz Eduard unmittelbar nach
seiner Befreiung gegeben, dass Ausländer hinfort von Besitz und Einfluss
ausgeschlossen sein sollten. Und beanspruchte
1)
Dictum de Kenilworth, Statutes of the Realm I, 12.
2) Add. de Dunst. 243.
1) Wikes79. Ann. de Dunst. 245. Eishanger, ed. Halliwell 60 ; ed. Kiley 47.
2) ünde manifestum est quod comes habnit
introitum civitatis per consilinm et assensnm legati. Lib.
de antiq. leg. 90.
Der
König, entsetzt über die drohende Haltung Londons *), sah sich genöthigt seine
Unternehmung im Osten abzubrechen und den Prinzen aus dem Norden an sich zu
ziehn. Aber erst zu Anfang Mai konnten sie sich von Essex her behutsam nähern,
während Glocester die Strassen nach dem Westen beherrschte. Der Legat, nach den
Einen aus den Nöthen einer Belagerung errettet, nach den Anderen unbehindert
und freiwillig, begab sich in das königliche Hauptquartier. Da nun ausser ihm
König Richard, sein Sohn Heinrich und andere dringend zur Versöhnung riethen,
so kam es endlich Mitte Juni zum Vergleich. Nur zum Schein, auf einen Tag wurde
über
1)
Audito qnod civitatum Angliae principissa per infldos indigenas in dolo fuerat
occnpata ; Wikes 79.
2)
Die Freibriefe für den Grafen nnd für die City, beide vom 16. Juni bei Kymer I,
472 and Lib. de antiq. leg. 93 ff.
1)
Convocatis discretioribus regni tarn ex majoribus quam minoribus, Statut von
Mariebridge, Statutes of tbe Realm I, 19 ; vgl. Report on the Dignity of a Peer
I, 159.
So
war denn die Revolution und der Bruch mit der Curie beigelegt und eine
langjährige Störung überwunden, die neben vielen argen doch auch gute Früchte
zeitigte. Nur Alles, was den Namen Montfort trug, schien ausgestossen unter
Acht und Bann. Was war das Ende des Geschlechts, das, wie von einem Fluch
getroffen, in dem nach
Als
damals am 28. Mai 1265 Prinz Eduard seinen Wächtern entsprang, weilte die
Gräfin Eleonore noch in glänzender Haushaltung auf Schloss Odiham in Hampshire.
Auf die Kunde von dem Ereigniss begab sie sich zuerst nach Porchester, wo sie
eine Begegnung mit ihrem Sohne Simon hatte ; am 15. Juni traf sie in
1)
Fobs, The Judges of
1)
Rot. Hospltii Comitissae Leicestriae, ed. Hudson Turner, p. 51, wo vom 19.
Febrnar bis 1. October 1265 jedes Datum, jeder Ortswechsel, so wie die
geringfügigsten Ausgaben verzeichnet sind.
2)
Habitum vidualem, quem voto castitatis temere violato per carnis petulantiam
indiscrete reliquerat. reassumens. Wikes 73.
3)
Rot. Hospitii 68, 12 Schilling, 9 Pfennige für die Messe. Vieles Einzelne ans
demselben Document zusammengestellt bei Green, Prineesses II, 145 ff.
1)
Rot. Hospitü 74.
2)
Rot. Lit. Claus. 49 Henr. III, membr. 2, dorso ; Oct. 10.
3)
Rot. Hospitü 75. Die Handschrift gehörte einst dem Nonnenstift der Montforts,
Montargis ; aus den Verheerungen der französischen Revolution gerettet, kam sie
in das
4)
Bei Green II, 464 und Shirley II, 292.
Als
die Gräfin in Gesellschaft ihrer gleichnamigen Tochter in Frankreich anlangte,
fand sie bei dem Könige dieselbe rücksichtsvolle Aufnahme, die dort dem Hause
Montfort in so auffallender Weise eigentlich niemals versagt worden war. Ludwig
IX. war noch immer bereit, für die unglückliche Familie ein Wort einzulegen. Er
bewog denn auch gar bald den König von
1)
Ad instantiam carissiiuae amitae nostrae, dominae comitissao Leycestriae.
2)
Eduard an den Kanzler, November 5, Shirley II, 296. Die Schreibart de
3)
Das merkwürdige Docnment aus dem französischen Archiv bei Blaauw, The Barons'
War Appendix, p. 2 : Eichard par la grace de Den Rey des Romeins tot jors
cressaunt .... Donne
en la priorie de Kenilwerthe le Dimeinche prechein avant la feste de
1)
Rot. Lit. Pat. 49 Heor. III, membr. 29, Not. 18 bei Green II, 151.
2) Cum .... qnemlsm de nnntiis nostris miper per
partes Mas transeantem ceperjnt et ei mannra truncaverint etc. Heinrich an den Sheriff von York, März 15. 1266. Shirley II, 300 ; Tgl.
Kishanger, ed. Kiley 43.
3)
Ad procurandam pacem et amicitiam liberornm S. qnondam comitis Leycestriae,
nepotum vestrorum, ac comitissae genitricis eorum, vestrae sororis etc. Ludwig
IX. an Heinrich III., Mai 5. 1266, Shirley II, 304.
4)
Kot. Lit. Pat. 50 Henry III, membr. 18, dorso.
Inzwischen
hatte sich die Gräfin nach Montargis, dem von Amicia, der Schwester ihres
Gemahls, errichteten, den Dominicanern affiliirten Nonnenstift, zurückgezogen
3), voll Schmerz und Trauer, aber noch immer ruhelos thätig für sich und ihre
Kinder einige Trümmer aus dem Schiffbruch zu retten. Durch Vermittlung ihrer
Schwägerin, der Königin Eleonore, schlug sie für sich selber ein Jahrgeld von
1)
Statutes of tbe Realm I, 17.
2)
Dlcentes, se nullam a Simone sascepisse castri oustodiam, sed a Comitissa,
panlo ante a regno expulsa ; nee ulli vtventl de resignatione proposuerunt,
nisi fpsimet Comitissae et in sua praesentia respondere. Rishanger, ed. Kilcy
43.
3)
In domo Sororum de ordine Praedicatorum apud Mountargys, a sorore viri sni
fundata, uiorabatur. Risbanger, ed. Riley 87 ; vgl.
4)
Rot. LH. Pat. 51 Henr. III, membr. 20, dorso.
Um
dieselbe Zeit hatte Ludwig IX. nun auch zu Gunsten der Söhne intercedirt. War
es persönliche Hochachtung für die Mutter, mit welcher er sich so oft begegnet
hatte, war es eine tiefer liegende politische Berechnung, die ihn bewog, seine
Verwendung zu erneuern, genug, im Augenblicke der vollständigsten Niederlage
des Hauses Montfort vermochte er den König von England, ihn bereitwilliger
anzuhören. In Antwort auf eine feierliche Gesandtschaft erfolgte am 24. Juni
1267 ein Decret, wonach Simon der jüngere den von seinem und dem Anwalt der
Krone abgeschätzten Werth der ehemaligen Besitzungen seines Vaters erhalten
sollte. Als Schiedsrichter wurde der römische, König bestellt. Die härtesten
Bedingungen aber verclausulirten wieder das Ganze. Heinrich behielt sich das
Recht vor, die Güter des Grafen von Leicester, die ja im ersten Rausche der
Reaction bereits auf den Prinzen Edmund übertragen worden, in jedem Augenblick
an sich zu bringen, und zwar nach einer Abschätzung, welche dem Könige voll
Frankreich anheim gegeben wurde. Ausdrücklich sollten dabei die der Krone von
den Montforts zugefügten Schäden in Abzug gebracht werden 2). Ferner hatten
Simon und seine Brüder jeder feindseligen Absicht oder Verbindung wider den
König von England und die Dynastie Plantagenet zu entsagen. Keiner durfte ohne
Erlaubniss jemals wieder einen Fuss auf englischen Boden setzen. Es war nicht
zu verwundern, wenn diese, kaum ehrlich gemeinten Bedingungen, von der anderen
Seite nicht acceptirt wurden. Dass alle Mühe des Vermittlers Nichts fruchtete,
zeigte sich schon nach wenigen Monaten. Am 6. September schrieb Heinrich III.
dem Könige von Frankreich, er sei bereit, die Gräfin oder ihren Sohn gegen
sicheres Geleit jeden Augenblick zu empfangen und ihnen Gerechtigkeit zu
gewähren, so weit die Reichsgesetze dies zuliessen. Er müsse aber bei jenen
Bedingungen beharren, die, jetzt nicht angenommen, in der Folge ausser Kraft
treten würden 1). Merkwürdig, um dieselbe Zeit machte sich die processsüchtige
Gräfin ernstlich zu schaffen, um bei den französischen Gerichten ein Bruchstück
des Erbes ihrer in zweiter Ehe mit dem Grafen von Marche und Angoule~me
vermählten Mutter für die Subsistenz der Familie zu gewinnen 2). Sie mochte
Grund haben an einer Aussöhnung derselben mit dem Könige ihrem Bruder zu
verzweifeln. Die Söhne wenigstens führten sich nicht so auf, als wollten sie
der Heimath das Entgegenkommen erleichtern.
1)
Custos Gnidonis de Monte Forti In Castro Doveriae corroptos ipsam dimisit
liberum ; Rislianger, ed. Kiley 47.
2)
Precium vero speramus esse taxandum, si vestrae serenitatis circumspectlo
diligenter advertat turbationes et damna innumerabilia quae sustinuimus hactenus
et adhuc etiam sustiuemus, occasiono seditionis per patrem suum etc. Heinrich
III. an Ludwig IX., Stratford, Juni 24, kurz nach dem Abschluss mit London, bei
Green II, 455.
1)
Quod si ad praesens admittere recosaverit, ad hoc alias regressum si voluerit
non habebit. Shirley II, 315.
2)
Green, Princesses II, 155.
Simon
fühlte sich ganz als Erbe seines Stamms ; setzten doch die Lieder, welche den
Tod des Vaters besangen, die Hoffnung nicht minder auf ihn 1). Die letzten
Fäden der Verbindung mit den Patrioten waren auch nach den Niederlagen des
Jahrs 1267 nicht gänzlich gerissen. Gui hatte bald abenteuernd das französische
Asyl verlassen und sich zu Carl von Anjou begeben, um in dessen Heer zu der
Unterwerfung Neapels und Siciliens mitzuwirken 2). Später scheint ihm dann der
ältere Bruder nach Italien gefolgt zu sein, aber erst nachdem er ein
eigenthümliches Wagestück ausgeführt. Im Spätsommer 1270 nämlich hatte Prinz
Eduard seinen Kreuzzug nach Palästina angetreten, dem sich ein grosser Theil
des englischen Adels, namentlich auch Gilbert von Glocester, anschliessen
musste. Die Ruhe und Leere des Reichs nun benutzte der junge Montfort zu einem
geheimen Besuche ; nachdem er in Evesham an dem Grabe des Vaters und Bruders
gebetet3), floh er wieder hinweg voll Rachegedanken über die Alpen.
1) Friez touz, mes amis donz, le fitz Seinte
Marie
Qe l'enfant, her puissant, meigne en bone vie.
Wrlght, Political Songs 127.
2) Ueber sein Verhältniss zu dem Könige, Gnil.
de Nangis, Kecueil XX, 438. Karl machte ihn zum Vicar in Toscana, G. Villani
bei Muratori Rer. Ital. SS. XIII, 261.
3) Die merkwürdige Nachricht bei Bartholom. Cotton, ed. Lnard, p.
aus
in See gieng, fertigte er seinen Vetter Heinrich, den Sohn König Richard's, in
die Heimath ab. Wahrscheinlich auch mit geheimen Aufträgen für das Conclave
versehn, traf dieser in Rom mit seinem Oheim Carl von Neapel und dem Könige
Philipp III. von Frankreich zusammen ; am 9. März begaben sich die drei Fürsten
nach Viterbo, wo, wie man verhoffte, endlich die Papstwahl zu Stande kommen
sollte.
Hier
nun geschah als letztes Nachspiel des Bürgerkriegs in
1)
Processus Gregorii X. Papae contra Guidonem bei Rymer 501, ad qnos rostituendos
ad carissimi in Christo fllii nostri E. Regis Angliae illustris gratiam.
1)
Philipp III. an König Eichard, März 13.
2) Andonne salvo e sano in Maremma nelle terra
del Conte Rosso sno suocero. G. Villani bei Mnratori
XIII, 262.
3)
Carl von Anjon an Ednard, Viterbo ; März. 13. Rymer I, 488.
1)
Matth. Westmonast. 401.
Ann. de Dunst. 259. Simone fatali sorte rebns hunianis exempto, Process bei
Rvmer, 1. c.
2)
Citation bei Rymer I, 499 ; März 1.
3)
Mai 31 nnd November 26. 1272. Copien, in Ms. Add. Mus. Brit. 15,363, fol. 24.
87.
4)
Non sine assenso, nt credi poterit, Emmerici fratris eorundem ; Wike 94.
5)
Die drei Schreiben copirt in Ms. Add., 1. c., fol. 62. 55. 61.
1)
Rymerl, 501 ; April 1. 507 November 29, uxoris suae praesentla.
2)
Rishanger, ed. Riley
3)
Eduard
4) Ptolemaeus von Lucca bei Muratori XI, 1164.
Girard. de Francheto, Reoueil XXI, 9. Vgl. Rymer I, 695.
5)
Viterbienses vero in memoriam interfecti modum interfectionis in pariete
depiuxerunt. Rishanger, ed. Riley 67.
Mostrocci
un'ombra dall'un canto sola,
Es
war ein schöner Zug in dem Wesen Eduard's
Dicendo
: Colui feese in grembo a Dio Lo cor che in sul Tamigi ancor si cola. Inferno,
canto XII,
1)
Eduard, Melun, August 10. 1273. Dnm tarnen bene et fldeliter versus nos et
fideles nostros se babeat. Philipp an Eduard, October 10. 1273. Bei Green II, 456.
457 ; vgl. p. 158. 159. Champollion Figeac, Lettres I, 159.
2) Ann. de Dunst. 259. 265.
3) Margareta an Eduard :
Von
den übrigen Kindern war Richard wahrscheinlich schon vor dem Tode der Mutter
verschollen 1). An ihrem Sterbebette standen Amaury und die einzige Tochter
Eleonore, das jüngste Kind Simon's, das ihm vor 22 Jahren geboren wurde, als er
in der Gascogne abwesend war. Noch aus dem Jahre 1265 von Kenilworth her
stammte eine Neigung des stattlich schönen Fürsten Llewellyn II. zu der jungen
Dame ; von der sterbenden Mutter noch wurde das Verlöbniss in Erinnerung an die
damalige politische Einigung bestätigt. Wir wissen nicht, welche geheime
Verabredungen von Frankreich aus mit
1) Nach Annal. de Dunst., 1. c,
2)
Cepit In societatem suam Emerionm de Monte Forti ad conducendnm et veniendum
secum in Angliam. Llb. de antiq. leg.
So
hatte denn ein romantisches und tragisches Geschick die Tochter des grossen
Simon von Montfort zur, Fürstin von Wales und Lady von Snowdon gemacht. Als
solche brachte sie nun auch das immer noch nicht vollzogene Testament ihrer
Mutter bei Eduard I. in Erinnerung, damit doch wenigstens ihr Antheil vom Erbe
ausgeliefert werde 4). Aber die Haltung ihres Gemahls, die Absicht des Königs
von England, die kymrische Freiheit gänzlich zu ersticken, waren wohl Schuld,
dass sich die Sache hinzog. Wurde doch Amaury erst, als im Jahre 1281 Erzbischof
Peckham von Canterbury für ihn bürgte, in Freiheit gesetzt*). Er selber dankte
aus
1)
Rishanger, ed. Riley 87. Wikes 104. Bartholom. Cotton 153. Vgl. Green,
Princesses II, 163.
2)
Ms. Add. Mus. Brit. 15,363. Johann XXI. an Eduard, Januar 30. 1277.
3)
Eishanger, ed. Riley 92. Annal. Waverl. 389. Vgl. Green II, 163 und Geschichte
Ton England IV, 23.
4)
Ihr Brief vom 9. October 1279 bei Rymer I, 576.
Noch
mehrmals freundlich wie eine Verwandte richtete sich die Fürstin von Wales an
den König,' obwohl sich bald ergab, dass ihre Mutter nur Schulden und sogar
Verschreibungen für ihren Wechsler, einen Lucchesen, hinterlassen hatte, die
auf Eduard lauteten. Sie verwandte sich für ihren Gemahl, für ihren Bruder.
Anfang 1281 weilte sie selber einige Zeit in
1) Rymer I, 602. 603. 605.
2) Champollion Figeac, Lettres I, 301 ; Mal 22. 1282.
3)
Ms. Roff. in Cotton. Nero D. II, fol. 182, an. 1287. Emerlcus frater eins
clericns eminentis litterature qni Ultimos fuit de progenie Guenelonis faotus
est miles abjecto habitu clericali.
4)
Rymer I, 587 ; vgl. Green, Princesses II, 166—168.
1)
Continuatio Florent. Wigorn. II, 226 (Engl. Hist. Soc). Viele Bewilligungen in
den Rot. Lit. Pat. und Rot. LH. Clans. Ednard's III. von 1327 bis 1337.
Mit
freudigem Stolze pflegen Rechtsgelehrte wie Historiker namentlich in
1
1)
Statt vieler anderen nur Haliam, View of the State of
sich
wohl mit den Grossjusticiaren zusammen stellen lässt, wie sie von Heinrich II.
bis auf Heinrich III. auf der britischen Insel erscheinen.
Vor
diesen Analogien aber darf man eben so wenig die grossen, principiellen
Divergenzen übersehen, die doch von vornherein eine ganz andere Entwicklung
bedingten. Unter welchem aragonesischen Könige vor Pedro IV. (1348) liesse sich
die Autorität der Krone mit dem Königthum der Normannen und Plantagenets
vergleichen ? Gab es auch in den Jahren 1264 und 1265 zwischen Fürst und Adel
von Aragon Zerwürfnisse, die höchst auffallend an die gleichzeitigen Hergänge
in England erinnern, so stimmt doch erst das auf den Cortes- von Zaragoza im
Jahre 1283 ertheilte Privilegium generale Aragonum einigermassen zu der Magna
Charta. Die Ritter, Infanzones,
1)
Der ständischen Gewalt wird ausdrücklich eine Schranke gesetzt : donec l'ucrit
emendatam secnndnm arbitrium eorum. Dazu was endlich den Justicia Mayor
betrifft, so war seine Einsetzung lange Zeit Sache des Königs, so gut wie in
England die Ernennung eines Ranulf de Glanville, Hubert de Burgh und anderer zu
ihrer oberstrichterlichen Würde, welche in diesem Reiche völlig verschwinden
musste, sobald einmal die Gerichtshöfe mit ihren Collegien sich herangebildet
hatten und im Namen der Krone als Reichsinstitute Recht sprachen. Erst als in
Dass
der graf von Leicester die aragonesische Verfassung, vornehmlich auch die
Theilnahme der Ritterschaft und der Städte an den Cortes kannte, lässt sich
kaum bezweifeln *). Dagegen ist es sehr fraglich, ob sich gerade diese
Institutionen ihm als Vorbild für seine Reformprojecte in
Gneist,
Geschichte und heutige Gestalt der Aemter und des Verwaltungsrechts in
1)
Ranke, Englische Geschichte I, 81 :, und leicht konnte Simon Montfort hiervon
wissen, da sein Vater in so mannigfaltiger Berührung mit
1) Tant entre les Barons et Cheualiers, quo
Bourgeois et Rureaux, les heretiers succederont ä leurs heritages, selon la
coustume et vsage de France pres Paris. Vic et Vaissete, Histoire Ge'ne'rale de
Languedoc, V, Additions et Notes, p. 54. Die Editoren bemerken dazu, p. 51 : La
malheureuse ide'e d'introduire en Languedoc, dans ce pay6 de franchises et de
libert^s, les contumes de Paris, n'eut qu'un succes passager.
Nahe
genug liegt eben in
Gemeinsames
Gericht, Antheil an der Polizei- und Strafordnung war den wirthschaftlich
unabhängigen Insassen der Grafschaft von den Angelsachsen her verblieben und
unter dem normännischen Vicecomes, dem ^königlichen Landvogt, auf jährlich
regelmässigen Sessionen wie in der Civiljury nur in schärfere, lebensvollere
Formen gebracht worden. Wahl und Vertretung der freien Insassen zu Gerichts-
und Steuerzwecken war hier längst durch den Brauch gegeben. Der zwölfte Artikel
der Magna Charta von 1215, nach welchem auch der ganze Stand der kleinen
Kronvasallen für zwei bestimmte Fälle durch die Sheriffs in den gemeinen Rath
des Reichs berufen werden sollte, kam dann niemals in dieser Form zum Vollzuge,
blieb aber der Fühler für die Zukunft.
1)
But the presence of such influences, however fully admitted, does not make it
the less troe tli.it it is from an English root that the House of Commons
sprang, and that root no other tban the English
Oft
genug hören wir hierauf von der Ladung einzelner Ritter aus den Grafschaften,
ohne dass sie darum zum Parlament erschienen wären. Schon im Jahre 1213 folgte
Johann sicherlich älterem Vorgang, als er je vier discreti milites nach
1) Rot. Lit. Claus. 10 Henr. III, niembr. 13.
Dicae militibns et probis hominibus baillie tue, quod quatuor de legalioribus
et discrecioribus militibns ex se ipsis eligant.
2)
Rot. Lit. Clans. 88 Henr. III, membr. 13, dorso. Vice omnium ef singnlornm
eornndem comitatunm. Die Bedeutung dieses Writ wird auch im Report on the
Dignity of a Peer I, 96 zugegeben : the election of two knights for each county
might be considered as a Substitution for the general summons provided by the
charter of John.
Der
graf von
Es
mag auffallen, dass der Sieg bei Lewes und die gewaltsame Unterwerfung des
Königs nicht sofort von Simon zu einer legislatorischen Massregel in dieser
Richtung benutzt wurden. Die Zeit aber erforderte zunächst die Bedingungen der
Misa, des Waffenstillstands so schleunig wie möglich in Statute zu verwandeln.
Das zu diesem Zweck auf Mittsommer 1264 nach London geladene Parlament war
wesentlich eine Versammlung von Baronen, denn die nur aus 29.Grafschaften
berufenen 4 Getreuen — fideles, also ebenfalls unmittelbare Vasallen — werden
einfach zugezogen, um den Landfrieden aufrichten zu helfen, obwohl die
Hauptacte auch im Namen der Communität des Reichs ausgefertigt wurde. Ganz vereinzelt
erscheinen Mayor und Stadtrath von London unter den Garanten einer Urkunde.
Erst
später im Jahre reiften die constitutionellen Pläne des Grafen und führten, wie
wir wissen, zu dem wegen seiner Zusammensetzung so berühmt gewordenen Parlament
vom 20. Januar 1265. Hier nun wurden ausdrücklich zum ersten Mal je zwei
Vertreter nicht nur der kleinen Kronvasallen, sondern für die Grafschaft als
solche, d. h. die Communität der Lehnsträger wie der Freisassen, und
desgleichen für eine Anzahl von Städten geladen. Nicht aus einem einzelnen
Anlass, Krieg oder Frieden, verlangte man ihren Rath, sondern für die
Reichsangelegenheiten überhaupt *). Damit war das Muster für die Zukunft sogar
bis auf die Diäten für die Abgeordneten 2) fertig, wenn auch bald hernach die
Reaction zu Gunsten des restaurirten Königthums eintrat und noch auf lange hin
kein Gesetz es aussprach, dass zur Berathung von Statuten und zur Verwilligung
von Subsidien die Anwesenheit der Vertreter von Land und Stadt fortan
verfassungsmässig und unerlässlich sein solle. Der Geburtstag der Gemeinen fiel
trotzdem in dies denkwürdige Jahr.
1)
Shirley II, 179. Heinrich 111. an sätnmtliche Sheriffs diesseits des
Die
damals geborene Generation musste indess erst zu vollem Mannesalter
heranwachsen, bis der Sieger von Evesham, Eduard I., als Krieger und Regent
gleich gross, nachdem er nachweislich schon wiederholt die Communitäten
herangezogen, um gemeinsame Lasten tragen zu helfen und im Jahre 1295 um hohe
Subsidien zu erhalten, sogar von allen Grafschaften zwei Ritter, von 115
Ortschaften zwei Bürger berufen hatte, immer ärger bedrängt durch die
gleichzeitigen Kämpfe mit Schottland und Frankreich, am 5. November 1297 von
Gent aus mit schwerem Herzen die berühmte Confirmationsurkunde bestätigte, in
welcher er sich verpflichtete, ohne gemeinsame Einwilligung von Klerus, Adel
und Communität keine neuen Auflagen und diese nur zu gemeinem Besten zu erheben
1). Beugte sich auch die Selbständigkeit dieses grossen Fürsten noch keineswegs
vollständig vor dem eigenen Wort, vermied er es unter Anderem ausdrücklich, auf
das Recht zu verzichten, die Städte nach Gutdünken zu schatzen, so rückte doch
die von diesen bewilligte Hilfeleistung derjenigen der Lehnsvasallen immer
näher, je mehr Ritter und Bürger während der beiden folgenden Regierungen zu
dem Unterhause zusammen wuchsen, das in dieser Gestalt auch die kühnsten
Ahnungen des ersten Schöpfers berathender und beschliessender Gemeinen weit übertraf.
1)
Report on the Dignity of a Peer I, 154. Hallam, View of the State of
2)
Duobas militibus .... racionabiles expensas suas in veniendo ad dictum
parliamentum ibidem morando et inde ad partes suas redenndo provideri et eas de
eadem communitate lcvari facias. An den Sheriff von York, Report on the Dignity
of a Peer, Appendix I, 36.
1) Qne mes pur nule busoigne tien manere des
aydes mises ne prises de nostre Roiaunie ne prendrums fors ke par ccmmun assent
de tout le Roiaume e a common proflst de meismes le Roiaume, sauve les
auncienes aydes e prises dues e acoustumees. Charters
and Liberties, p.